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Geschlechtergerechtigkeit

(erstellt: Februar 2017; letzte Änderung: Februar 2024)

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1. Begriffe, Konzepte und zentrale Aspekte

1.1. Vergewisserung: Geschlecht und Gender

Lange Zeit galt Geschlecht als etwas Eindeutiges und von Geburt an Irreversibles; Carol Hagemann-White nannte es ein „kulturelles System der Zweigeschlechtlichkeit“ (Hagemann-White, 1984, 78-84; Matthiae, 2009, 30-46). Die Unterscheidung zwischen Sex und Gender schaffte dann das Bewusstsein, dass biologische Differenz zwischen den Geschlechtern keine soziale Ungleichheit rechtfertigt, dass Gleichheit und Differenz miteinander zu denken sind (→ Gender). Sex meint die Geburtsklassifikation des körperlichen Geschlechts aufgrund vereinbarter biologischer Kriterien. Gender beschreibt das soziale, kulturelle und psychologische Geschlecht als soziale Konstruktion, das durch normative Zuschreibungen auf der Basis des biologischen Geschlechts bestimmt ist (Becker-Schmidt/Knapp, 2003). Candace West und Don Zimmerman (West/Zimmerman, 1987, 131-133) fügten eine dritte Kategorie hinzu: sex category. Sex category meint „die soziale Zuordnung zu einem Geschlecht im Alltag aufgrund der sozial geforderten Darstellung einer erkennbaren Zugehörigkeit zur einen oder anderen Kategorie. Diese muss der Geburtsklassifikation nicht entsprechen“ (West/Zimmerman, 2013).

“Doing gender is unavoidable“ (West/Zimmerman, 1987, 137). Doing gender beschreibt den (inter-)aktiven Charakter der Produktion und Reproduktion von Geschlecht und Geschlechterdifferenz, es wird in der sozialen Interaktion konstruiert und strukturiert zugleich die Interaktionen (Westheuser, 2018; Lehner-Hartmann, 2011). „Doing gender involves a complex of socially guided perceptual, interactional, and micropolitical activities that cast particular pursuits as expressions of masculine and feminine ‚nature‘“ (West/Zimmerman, 1987, 126). Geschlecht ist also keine Zuschreibung, sondern eine soziale Konstruktion, ein „Tun”, das in den Handlungen ständig entwickelt und verändert wird. Erlebt wird das Geschlecht aber meist nicht als Produkt der interaktiven Konstruktion, sondern „als natürlich vorgegeben“ und/oder „in der Erziehung erworben“. Un-doing Gender beschreibt das individuelle und gesellschaftliche Aufbrechen und Gestalten von Geschlechtsidentität und Geschlechtsausdruck, Geschlecht als Konstruktion wird dekonstruiert (Butler, 2009; Villa, 2012).

1.2. Intersektionalität

Candace West und Sarah Fenstermaker entwickelten 1995 mit dem Konzept von Doing Difference den Ansatz von Doing Gender weiter, indem sie zusätzlich zu gender die Kategorien class – soziale Klasse und race – ethnische Zugehörigkeit eingeführt haben (West/Fenstermaker, 1995, 14f; Walgenbach, 2014; Sweetapple/Voß/Wolter, 2020; Kohler-Spiegel, 2020). Der Diskurs zu Intersektionalität im Kontext der Genderstudies besagt, dass soziale Kategorien wie Geschlecht, Rasse, Klasse, Sexualität, Religion, Sprache, Kultur u.a. miteinander verflochten sind und sich gegenseitig beeinflussen. Autorinnen wie Kimberlé Crenshaw (Crenshaw, 1989), Patricia Hill Collins (Hill Collins, 1990), bell hooks (1994) und viele andere zeigten die Notwendigkeit, Rassismus, Sexismus und Klassenunterschiede zusammen zu betrachten. Individuen erfahren Diskriminierung, Vorurteile und Ungleichheiten nicht nur aufgrund ihres Geschlechts, sondern auch aufgrund anderer sozialer Merkmale, mit denen sie identifiziert werden.

1.3. Geschlechtergerechtigkeit

Gender Mainstreaming, übersetzt Geschlechtergerechtigkeit, bedeutet, dass „bei allen gesellschaftlichen und politischen Vorhaben die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern grundsätzlich und systematisch zu berücksichtigen“ (BMFSFJ, 2021) sind, mit dem Ziel der praktischen Verwirklichung der formalen Gleichstellung der Geschlechter. Geschlechtergerechtigkeit umfasst also Geschlechterungleichheit in allen Lebensbereichen (wie Bildung, Arbeitsmarkt, Politik, Familie, Gesundheit u.a.) sowie deren politische, soziale, wirtschaftliche, kulturelle u.a. Auswirkungen und Maßnahmen und Programme zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit.

1.4. Rechtliche Basis

1.4.1. International

1995 auf der 4. UN-Weltfrauenkonferenz in Peking prägte der Begriff Gender Mainstreaming die Erkenntnis, dass es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt; ein umfassender Aktionsplan zur Förderung der Geschlechtergleichstellung wurde in das Abschlussdokument aufgenommen. Die UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW – Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women) gilt als das bedeutsamste Instrument zur Förderung der Rechte der Frauen und zur Beseitigung der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (Inkraftsetzung 3. September 1981), von mehr als 180 Ländern ratifiziert.

Auch die von den Vereinten Nationen 2015 verabschiedeten 17 nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) betonen Geschlechtergerechtigkeit, SDG 5 fordert Geschlechtergleichstellung und die Stärkung von Frauen und Mädchen in allen Bereichen.

1.4.2. Europäische Union

Auf EU-Ebene wurde Gender Mainstreaming erstmalig in der „Entschließung über die Förderung der Chancengleichheit für Frauen und Männer in der Entwicklungszusammenarbeit“ (30. November 1997) verbindlich festgelegt. Seit damals betont die EU Geschlechtergerechtigkeit in zahlreichen Dokumenten, exemplarisch sei auf die aktuelle „Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter (2020-2025)“ der EU verwiesen, die strategisch Gender Mainstreaming und Intersektionalität verfolgt.

1.4.3. Deutschland

Für Deutschland ist die Verpflichtung des Staates für eine aktive und wirkungsvolle Gleichstellungspolitik im Grundgesetz (Art. 3 Abs. 2 § GG) festgehalten. 1999 wurde Geschlechtergerechtigkeit als durchgängiges Leitprinzip von Regierungshandeln anerkannt, nach § 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) haben alle Ressorts der Bundesregierung das Leitprinzip der Geschlechtergerechtigkeit bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen der Bundesregierung zu berücksichtigen (BMFSFJ, 2021). Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG, Inkraftsetzung 18. August 2006) dient der Umsetzung von EU-Richtlinien zur Gleichbehandlung aller Menschen in Deutschland, es schützt vor Diskriminierung aufgrund von „Geschlecht, Rasse und ethnischer Herkunft, Religion und Weltanschauung, Behinderung, sexueller Identität“, Intersektionalität ist inkludiert.

1.5. Geschlechterungerechtigkeit

Von Geschlechtergerechtigkeit zu reden bedeutet, auch Geschlechterungerechtigkeit in den Blick zu nehmen (→ Gerechtigkeit). Alle Lebensbereiche sind davon betroffen, Bildung, Arbeit, Familie, Gesundheit u.a., aktuelle Zahlen sind jeweils neu abzufragen.

1.6. Umfassendes Konzept von Geschlechtergerechtigkeit

Geschlechtergerechtigkeit markiert also den Zugang zu allen Lebensmöglichkeiten ohne Eingrenzung aufgrund des Geschlechts oder der Zweigeschlechtlichkeit. Sie ist Aufgabe aller an der Gesellschaft beteiligten Kräfte und basiert auf den Konzepten von Gender Mainstreaming und Intersektionalität, von Diversity und Gendertheorie.

Da die Ordnung der Zweigeschlechtlichkeit nach Winker/Degele (2009, 18-27) als komplexer Prozess auf struktureller Ebene (Systeme, Organisationen, Institutionen politischer, sozialer, religiöser Art, Normen, Regeln u.a.), auf interaktioneller Ebene (Interaktion und Kommunikation, Sprache und Symbole, soziale Erwartungen Rollenzuschreibungen u.a.) sowie auf subjektiver Ebene (individuelle Identitätsentwicklung inkl. der Geschlechtsidentität u.a.) hergestellt wird, sind auch die Prozesse hin zu Geschlechtergerechtigkeit auf allen diesen Ebenen anzusiedeln.

2. Geschlechtergerechtigkeit im pädagogischen Kontext

Geschlechtergerechtigkeit im Bildungsbereich nimmt die Individualität der Lernenden im Sinne lebenslangen Lernens in den Mittelpunkt und fördert deren Entwicklung mit vielfältigen Möglichkeiten (→ Bildung; → Gender). Neben Faktoren geschlechtsspezifischer Sozialisation sind auch entwicklungspsychologische Aspekte im Blick auf Gender zu bedenken (→ Schülerinnen und Schüler). Auch im Kontext von Bildung gilt es, sich von Biologismen zu lösen und Geschlecht, das meist als Natur erlebt wird, als sozial konstruiert zu verstehen (Kohler-Spiegel 2020; Kohler-Spiegel 2021, 202-208; Kohler-Spiegel 2023, 103-117).

2.1. Geschlechtergerechtigkeit – ein pädagogisches Leitmotiv

Geschlechtergerechtigkeit im pädagogischen Kontext verweist auf eine Kinderrechtsorientierte Pädagogik (Kohler-Spiegel, 2017, 153-161; BMFSFJ, 2007, 87), d.h. pädagogische Konzeptionen und pädagogisches Handeln sind dem Recht des Kindes auf ein Leben ohne Diskriminierung, unter Berücksichtigung des Kindeswohls und des Kindeswillens verpflichtet, sodass sich Kinder ohne Diskriminierung, im Bewusstsein von Geschlecht und zugleich unabhängig von ihrem Geschlecht entwickeln können. In Leitbildern von Schulen wird sichtbar, welche Kinderrechte im Vordergrund stehen, wie Geschlechtergerechtigkeit und Gender, Heterogenität (→ Heterogenität) und Diversität in der Schule umgesetzt werden, wie Nicht-Diskriminierung, Gleichbehandlung, Beteiligung und Inklusion in der Vielfalt von Geschlecht, Religion, Persönlichkeitsmerkmalen, Stärken und Handicaps von Kindern und Jugendlichen schulisch gelebt wird – wie eine „Pädagogik der Vielfalt“ (Prengel 2006) konkretisiert wird.

2.2. Geschlechtergerechtigkeit – eine Aufgabe der Schule und der Schulentwicklung

Geschlechtergerechtigkeit und Geschlechterungerechtigkeit im Bildungsbereich wird nach wie vor z.B. im unterschiedlichen Erfolg in Bildungsprozessen sichtbar – zweigeschlechtlich ausgewiesen erzielen Mädchen bessere Ausbildungsabschlüsse, Jungen sind aber im Berufsleben bzgl. Einkommen und Fortkommen erfolgreicher (Faulstich/Horstkemper, 2012; Kampshoff/Wiepcke, 2012; → Mädchen/Frauen; → Jungen - Männer). Renate Wieser (→ Gender) bringt mit Verweis auf Schneider das Grunddilemma der geschlechtergerechten Ansätze in der Pädagogik auf den Punkt, nämlich dass „Gleichheitsansätze durch eine vorschnelle Gleichbehandlung von Ungleichen Ungleichheit verstärken, wohingegen Ansätze der Gleichstellungspolitik, die die Differenz der Geschlechter hervorheben, in der Gefahr stehen, Geschlechterstereotypen fortzuschreiben“ (Schneider, 2009, 238). Die pädagogischen Konzepte von „bewusster Koedukation“ (Herwartz-Emden/Schurt/Waburg, 2010) oder „reflexiver Koedukation“ (Budde/Scholand/Faulstich-Wieland, 2008; Kreienbaum/Urbaniak, 2006) sowie vom Dreischritt nach Hannelore Faulstich-Wieland u.a. „Dramatisierung – Reflexion – Entdramatisierung“ (Faulstich-Wieland/Willems/Feltz, 2008, 11) seien hier nur erwähnt, nachzulesen sind diese Ansätze bei → Gender.

Geschlechtergerechtigkeit ist – wie die Entwicklung von Werten und Haltungen insgesamt – im schulischen Bereich auch im Kontext der Wertebildung anzusiedeln, der Prozess geschieht implizit und explizit (→ Bildung, Werte-). Die Auseinandersetzung und der Entscheid für diesen Grundwert ebenso wie die Umsetzung im Alltag betrifft alle an Schule beteiligten Personen.

3. Geschlechtergerechtigkeit im religionspädagogischen Kontext

3.1. Diversitätsaffine theologische Aspekte

Neutestamentlich ist überliefert, dass Jesus die Differenzierung der Welt in ingroup und outgroup infrage gestellt und aufgelöst hat im Blick auf JHWH, der/die die Sonne aufgehen lässt über Gut und Böse (Mt 5,45b). Theologisch gesagt ist der Mensch – exemplarisch in der Überlieferung bei Matthäus – eingeladen, so vollkommen zu sein wie der „Vater im Himmel“. Diese Einladung zur „Nachfolge“ klingt verrückt: „Seid also vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ (Mt 5,48, mit Bezug auf Lev 19,2). Im Galaterbrief formuliert Paulus: Die Spielregeln der Welt lauten: Jude – Grieche, Herr – Sklave, Mann – Frau. In der Gruppe der Christinnen und Christen soll dies anders sein: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.“ (Gal 3,28) Damit verbunden ist die Aufhebung eines Ingroup-outgroup-Denkens, dies scheint zentral für die christliche Botschaft zu sein (Kohler-Spiegel, 2021, 150-157).

3.2. Religionspädagogische Praxis

3.2.1. Genderperspektive im Mittelpunkt

Geschlechtergerechtigkeit zu lernen betrifft alle Ebenen: Schulentwicklung, pädagogische und didaktische Konzepte, Inhalte, Methoden und Materialien sowie den Umgang miteinander, es betrifft gesellschaftliche Rahmenbedingungen, unter welchen wirtschaftlichen, sozialen u.a. Bedingungen Schule stattfindet, welche Lebens- und Entwicklungsbedingungen sowie Perspektiven junge Menschen haben, u.v.m. Für die Religionspädagogik geben u.a. Pithan (2009) und Qualbrink/Pithan/Wischer (2011) einen breiten Überblick.

3.2.2. Religionspädagogische Konkretionen

Wahrnehmen – den Blick schärfen: Ein solches gendersensibles, genderreflektierendes und gendergerechtes Arbeiten in Schulen und Gemeinden beginnt mit der Ausrichtung der eigenen Wahrnehmung und dem eigenen Bewusstsein. Dies kann geschult werden, indem z. B. immer wieder Nachrichtensendungen unter dem Aspekt gehört werden, was die jeweilige Meldung für davon betroffene Männer, Frauen u.a. sowie für Kinder, Migrantinnen und Migranten u.a. bedeutet. Wahrnehmung wird geschult, indem die eigenen, manchmal auch ambivalenten Bilder bzgl. Männern und Frauen und diversen Personen ebenso reflektiert werden wie das Erleben des „eigenen“ und „anderer“ Geschlechter, indem z.B. Gottesbilder und religiöse Erfahrungen unter dem Aspekt von Gender reflektiert werden, oder indem spezielle Dokumentationen, wie z. B. „Ich bin Sophia“ über ein Transgenderkind (WDR Doku, 2018) den Perspektivwechsel ermöglichen.

Da gegenwärtig eine Nivellierung der Geschlechterdifferenz und zugleich das Fortbestehen von Stereotypen sichtbar sind (Pemsel-Maier, 2017, 123), bleibt die Schulung der Gender-Wahrnehmung auch für die Fachpersonen wichtig – Genderbewusstsein der Erwachsenen ist Voraussetzung und Grundlage für gendergerechtes und gendersensibles Arbeiten. Dies beinhaltet auch, den Blick für Geschlechterungerechtigkeit zu schulen.

Dreischritt zur Umsetzung: Für die konkrete Arbeit sei nochmals auf den Dreischritt nach Faulstich-Wieland u.a. verwiesen: „Dramatisierung – Reflexion – Entdramatisierung“. Um die Kategorie Geschlecht bewusst in den Blick zu nehmen, ist es in einem ersten Schritt oft notwendig, „Geschlecht zunächst zu dramatisieren, Differenzen herauszustellen, alltägliche doing gender Situationen zu entlarven“ (Faulstich-Wieland/Willems/Feltz, 2008, 11). Darauf folgt als zweiter Schritt die Reflexion, wo beispielsweise Geschlechts-Differenzen liegen und womit sie sich begründen oder erklären. Erst danach ist es möglich zu entdramatisieren, also die Heterogenität, Kompetenzen und Defizite der individuellen Schülerinnen und Schüler und nicht-geschlechtliche Zuordnungen in den Blick zu nehmen.

Inhaltliche Anregungen – sehr exemplarisch: Eine gendergerechte Perspektive nimmt alle Themen in den Blick. Fragen nach dem Gottesbild und biblische Überlieferungen, strukturelle Fragen von Kirche ebenso wie Lieder und Gebete im religiösen Alltag – alles kann zum Thema werden. Der Diskurs zum Thema „Geschlechtergerechtigkeit in den verschiedenen Kirchen und Religionen“ wäre in einem eigenen Beitrag zu leisten.

Auch im Blick auf außerschulische Lernorte ist Geschlechtergerechtigkeit eine bedeutsame Perspektive, wenn es z.B. entlang der Sakramente und zentralen Feiern im Verlauf des Lebens um Rollenbilder und deren Flexibilisierung geht, um Familienbilder und Erwartungen bzgl. geschlechtsspezifischem und/oder fluidem Verhalten. Immer wieder ist einzuüben, dass Gender konstruiert wird.

4. Schluss

Im religionspädagogischen Kontext macht Doing Gender bewusst, dass Geschlechterverhältnis und Geschlechterdifferenz, Geschlechtszugehörigkeit und Geschlechtsidentität nicht festgeschrieben sind, sondern in Interaktionen immer wieder neu hergestellt werden. Zugleich bleibt zu erinnern: Unter dem Titel „Über die Unmöglichkeit, Politik durch Pädagogik zu ersetzen“ haben die Autoren Hamburger, Seus und Wolter bereits 1981 (im Kontext Interkultureller Pädagogik) vor der Verwechslung der Aufgaben gewarnt (Hamburger/Seus/Wolter, 1981, 158-167), dies gilt auch für das Thema Geschlechtergerechtigkeit: Auch geschlechtersensible pädagogische Arbeit muss einhergehen mit der politischen Arbeit, geschlechterbezogene Ungerechtigkeiten hin zu Geschlechtergerechtigkeit in allen Lebensbereichen zu verändern.

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