Bundesbuch
(erstellt: Dezember 2005)
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Das Bundesbuch ist eine Sammlung von Rechtssätzen und Mahnungen, die im Buch Exodus hinter den Zehn Geboten steht.
1. Name und Gegenstand
Welcher Textbereich mit dem Begriff „Bundesbuch“ gemeint ist, lässt sich nicht ganz einfach bestimmen. Die Bezeichnung selbst findet sich in Ex 24,7
2. Komposition und Inhalt
2.1. Einbindung in den Kontext
Wie bereits erwähnt, stehen am Anfang und am Ende Stücke, die auf den Kontext nicht nur des Exodusbuches, sondern der weiteren Bücher verweisen: Ex 20,22-23
Weitgehend ohne Bezüge zum narrativen Kontext und folgerichtig mit wenigen Ausnahmen auch ohne die 1. Person Gottes und ohne die 2. Person des Angeredeten ist der Teil Ex 21,12-22,19
2.2. Komposition
Die Komposition des Bundesbuches ist konzentrischer Natur, wobei sich ein dreifacher Rahmen um zwei Sammlungen legt, die ihrerseits jeweils dreifach konzentrisch gestaltet sind.
2.3. Inhalt
2.3.1. Die Rahmenstücke
Die beiden äußeren Rahmenstücke Ex 20,22-23
Einen zweiten Rahmen bilden die Bestimmungen über den Kultort, einerseits das Altargesetz Ex 20,24-26
Der nächstinnere Rahmen wird durch Bestimmungen in 6/7-Struktur gebildet. Am Anfang steht ein relativ umfangreiches Gesetz zur Sklavenfreilassung, in welchem als Grundordnung die Freilassung des Sklaven im siebten Jahr vorgesehen ist (Ex 21,2-11
Dieser dreifache Rahmen umschließt zwei Sammlungen, zum einen die Rechtssätze Ex 21,12-22,19
2.3.2. Die Sammlung von Rechtssätzen
Die Sammlung von Rechtssätzen ist ihrerseits dreifach konzentrisch gestaltet, wobei der äußere Rahmen durch die todeswürdigen Verbrechen Ex 21,12-17
Der nächstinnere Rahmen wird gebildet durch Rechtsbestimmungen bei Verletzung der körperlichen Integrität von Personen (Ex 21,18-32
Im kompositorischen Zentrum der Rechtssatz-Sammlung stehen die sog. jəšallem-Gesetze, benannt nach einer immer wiederkehrenden Formulierung, die „er soll bezahlen / erstatten“ bedeutet (Ex 21,33-22,14
2.3.3 Die Sammlung von Mahnungen
Die zweite große Sammlung des Bundesbuches benennt nicht Straftatbestände und ihre Rechtsfolgen, sondern spricht Ermahnungen aus, die überwiegend negativ, in einigen Fällen jedoch auch positiv formuliert sind. Sie haben nicht die Funktion, begangene Taten zu bestrafen, sondern die, präventiv durch Herausbildung eines Ethos Straftaten zu verhindern. Diese Sammlung ist wie die erste dreifach konzentrisch gestaltet.
Der äußere Kreis wird gebildet durch die Ermahnungen zur menschlichen Behandlung des unter den Israeliten lebenden Fremdlings (Ex 22,20
Den kompositorischen Kern dieser zweiten Sammlung bilden Ermahnungen im Verhältnis zu Gott (Ex 22,27-30
3. Entstehung
Die Forschungsgeschichte zur Entstehung des Bundesbuches haben Schwienhorst-Schönberger (1990, 3-37) und Otto (1994, 19-24) dokumentiert. In der Forschung wurde nahezu einstimmig die Auffassung vertreten, dass das Bundesbuch außerhalb des narrativen Kontexts der Gottesberg / Sinai-Perikope (Ex 19-24) entstanden ist und auch ohne diesen zunächst überliefert wurde, bis es dann zu einem bestimmten Zeitpunkt in diesen Erzählzusammenhang eingefügt wurde. Strittig war, ob die Rechtssatz-Sammlung („Profanrecht“) am Anfang stand, so Schwienhorst-Schönberger (1990), oder die Sammlung von Mahnungen („Gottesrecht“), so Halbe (1975). Die Auffassung von Schwienhorst-Schönberger hat sich weitgehend durchgesetzt. Nach Otto (1994, 24) waren beide Sammlungen zunächst im Kern profan und wurden durch gottesrechtliche Erweiterungen theologisiert.
Nach Schwienhorst-Schönberger (1990) stellt sich die Entstehungsgeschichte des Bundesbuches folgendermaßen dar: Am Anfang stand ein kasuistisches Rechtsbuch, das den Grundbestand von Ex 21,12.18-22,14 umfasste. Es enthielt Rechtssätze, war durchgehend in der 3. Person formuliert und wurde in dieser Gestalt bis in das 9./8. Jh. fortgeschrieben. Dieses Rechtsbuch wurde in vordeuteronomistischer Zeit einer gottesrechtlichen Redaktion unterzogen. In diesem Stadium der Entstehung wurde das Bundesbuch zu einer Gottesrede umgestaltet, die 1.Person Gottes und die 2. Person des Angeredeten treten auf. Zu dieser Schicht gehören u.a. die Grundschicht des Altargesetzes Ex 20,24-26
Nach Crüsemann (1992) hat das Bundesbuch zwei Quellen. Die eine sei eine Sammlung von Rechtssätzen, die aus dem nach 2Chr 19 vom judäischen König Joschaphat (871-848) in Jerusalem eingerichteten Obergericht stamme (1992, 195-199), die andere sei das sog. „Privilegrecht“ Ex 34,11-26
Nach Otto (1994, 23f) stehen am Anfang der Entstehung des Bundesbuches kleinere, thematisch begrenzte Sammlungen von Rechtssätzen. Eine Sammlung von Rechtssätzen aus dem vorjosianischen Jerusalem habe die Grundschicht von Ex 20,24-26
Neuerdings wird erwogen (Houtman, 1997, 16; Oswald, 1998, 259; etwas anders Aurelius, 2003, 158), ob nicht bereits in der Grundschicht der Gottesberg / Sinai-Perikope (Ex 19-24) das Bundesbuch enthalten war, weil die Theophanie Ex 19,16ff
Die zeitliche Einordnung der Entstehung des Bundesbuches und seiner Teile ist schwierig, da die Texte nicht datiert sind. Zu beachten ist aber, dass bereits die Rechtssatz-Sammlung fraglos eine Geldwirtschaft voraussetzt, da mehrfach Geldzahlungen als Strafe vorgesehen sind (Ex 21,11
4. Theologie
Die Sammlung von Rechtssätzen im ersten Teil des Bundesbuches steht in enger Beziehung zur Rechtspraxis der judäischen Gerichtsbarkeit, gleich ob sie als Lehrbuch oder als Referenzbuch zu verstehen ist. Als solche sind die Rechtssätze problemorientiert und in teilweise nur noch schwer verständlicher juristischer Fachsprache gehalten. In dieser Hinsicht unterscheiden sie sich vom Rest des Bundesbuches. Entsprechend ihrer fachspezifischen Ausrichtung zeigen sie überwiegend keine spezifische theologische Prägung. Aus einigen Stellen wird deutlich, dass es bei bestimmten Fallgestaltungen ein sakrales Gerichtsverfahren gab (Ex 21,6
Theologisch brisant ist in diesem Teil des Bundesbuches allein sein Abschluss, das Verbot, anderen Göttern außer Jhwh zu opfern (Ex 22,19
Die Mahnungen des zweiten Teils des Bundesbuches zielen ab auf ein politisches Gemeinwesen, dessen Proprium der solidarische Umgang mit traditionellerweise benachteiligten Personengruppen ist. Diese Mahnungen setzen damit die Programmatik der Exodus-Gottesberg-Erzählung in Ethos um. Die untrennbare Zusammengehörigkeit von Bundesbuch und Exodus-Gottesberg-Erzählung zeigt sich auch an der Voranstellung der Gesetze zur Sklavenfreilassung an die Spitze der Rechtssätze (Ex 21,1-11
Das Bundesbuch wandelt sich „in einem kontinuierlichen Prozess zunehmend expliziter theologischer Rechtsbegründung“ (Otto, 1994, 24) zu einem Buch, in dem Ethos und Recht eine Verbindung eingehen: „Das Bundesbuch erreicht damit eine umfassende theologische, auf ein Ethos der Solidarität mit dem Schwachen zielende Legitimation von Ethos, die noch einmal mit der Einfügung des Bundesbuches in die Sinaiperikope neu akzentuiert und auf den Offenbarungsgedanken hin reflektiert wird“ (Otto, 1994, 102).
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998ff.
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
2. Weitere Literatur
- Albertz, R., Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit, 2 Bde (GAT 8/1, 8/2), Göttingen 1992.
- Alt, A., Die Ursprünge des israelitischen Rechts, in: Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philosophisch-historische Klasse, Bd. 86, Heft 1 (1934), auch in: Alt, A., Zur Geschichte des Volkes Israel. Eine Auswahl aus den ‚Kleinen Schriften’, 2. Aufl., München 1979, 203-257.
- Aurelius, E., Zukunft jenseits des Gerichts. Eine redaktionsgeschichtliche Studie zum Enneateuch (BZAW 319), Berlin 2003.
- Crüsemann, F., Die Tora. Theologie und Sozialgeschichte des alttestamentlichen Gesetzes, München 1992.
- Halbe, J., Das Privilegrecht Jahwes Ex 34,10-26. Gestalt und Wesen, Herkunft und Wirken in vordeuteronomischer Zeit (FRLANT 114), Göttingen 1975.
- Houtman, C., Das Bundesbuch. Ein Kommentar (DMOA 24), Leiden 1997.
- Osumi, Y., Die Kompositionsgeschichte des Bundesbuches Exodus 20,22b-23,33 (OBO 105), Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1991.
- Otto, E., Wandel der Rechtsbegründungen in der Gesellschaftsgeschichte des antiken Israel. Eine Rechtsgeschichte des „Bundesbuches“ Ex XX 22 - XXIII 13 (StB 3), Leiden 1988.
- Otto, E., Theologische Ethik des Alten Testaments (ThW 3,2) Stuttgart 1994.
- Schwienhorst-Schönberger, L., „Dies sind die Rechtsvorschriften, die du ihnen vorlegen sollst“. Zur Struktur und Entstehung des Bundesbuches, in: F.L. Hossfeld (Hg.), Vom Sinai zum Horeb, Stationen alttestamentlicher Glaubensgeschichte, Würzburg 1989, 119-144.
- Schwienhorst-Schönberger, L., Das Bundesbuch (Ex 20,22-23,33). Studien zu seiner Entstehung und Theologie (BZAW 188), Berlin 1990.
- Van Seters, J., Cultic Laws in the Covenant Code and their Relationship to Deuteronomy and the Holiness Code, in: M. Vervenne (Hg.), Studies in the Book of Exodus, Redaction – Reception – Interpretation, Leuven 1996.
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