Deutsche Bibelgesellschaft

Andere Schreibweise: Esaw

(erstellt: November 2007)

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Esau ist zum einen der Sohn von → Isaak und → Rebekka und damit der Bruder → Jakobs, zum andern der Stammvater des Volkes der Edomiter. Dieser Artikel behandelt Esau in erster Linie als literarische Gestalt, für historische Fragen → Edom / Edomiter.

1. Der Name Esau

Der Name Esau (עֵשָׂו ‘eśāw) wird im Alten Testament nicht erklärt und ist auch wissenschaftlich nicht geklärt. Gen 25,25 gibt zwar im Zusammenhang der Namengebung eine Deutung, doch erklärt diese gerade nicht den Personennamen „Esau“, sondern die Landschafts- bzw. Ortsnamen „Edom“ und → „Seїr“; ’admônî „rötlich“ spielt nämlich auf „Edom“, śe‘ār „Fell“ auf „Seїr“ an. Knauf (1991, 588) vermutet, dass Esau auf arab. ‘js „Leben / Lebensunterhalt / Nahrung“ zurückgeht und in der Bezeichnung des Landes Edom als „Fruchtbare“ seinen Ursprung hat. Hübner (1992, 574) verzichtet auf eine Ableitung.

2. Esau im Alten Testament

2.1. Esau im Buch Genesis

Am häufigsten wird Esau im ersten und dritten Teil der Jakob-Erzählung Gen 25-33(35) erwähnt. Zu Beginn wird er als älterer Zwillingsbruder Jakobs eingeführt (Gen 25,19-34). Ein Geburtsorakel weissagt, dass er dem Jüngeren, also Jakob, dienen werde (Gen 25,23). Nach dieser Einleitung dreht sich die Erzählung im Folgenden um die Frage der Erstgeburt. Zunächst verkauft Esau sein Erstgeburtsrecht an Jakob (Gen 25,29-34), in einer weiteren Episode gibt der greise Vater Isaak in Folge einer List von Rebekka und Jakob seinen Erstgeburtssegen an Jakob (Gen 27,1-40). Der Zorn Esaus lässt Jakob daraufhin die Flucht ergreifen (Gen 27,41-45). Nach Jakobs Rückkehr versöhnen sich Esau und Jakob wieder, Esau zieht zurück an seinen Wohnort in Seїr (Gen 33).

Die Charakterisierung Esaus in dieser Erzählung ist nicht geradlinig. Im ersten Teil wird er einerseits negativ dargestellt, weil er sein Erstgeburtsrecht verachtet (Gen 25,29-34) – diese Bewertung soll jedoch ausschließlich die nachfolgende List Jakobs (Gen 27) rechtfertigen –, andrerseits ist er der Betrogene. Der dritte Teil der Erzählung (Gen 33,1-16) zeigt Esau als versöhnungsbereiten und zur friedlich-schiedlichen Koexistenz mit Jakob fähigen Menschen, der schließlich sogar gemeinsam mit dem Bruder den Vater begräbt (Gen 35,29). Für weitere Informationen zur Jakobserzählung → Jakob.

In der Forschung wird diskutiert, ob Esau im überlieferungsgeschichtlich ältesten Stadium noch nicht ein Volk, sondern schlicht das Mitglied einer Familie repräsentiert (Westermann, 1989, 1f; ders., 1992, 47-50). Weiter wird vorgeschlagen, Esau als kulturgeschichtlichen Typus des Jägers zu verstehen, dem in Jakob der Typus des Hirten entgegengesetzt wird (Gunkel, 1964, 296.316; von Rad, 1958, 240; Westermann, 1989, 508f). Die Volksdimension, die Esau (und natürlich auch Jakob) im Endtext zweifellos zukommt, ist nach diesen Auffassungen eine späte Entwicklung. Neuere Forschungen haben diese älteren überlieferungsgeschichtlichen Rekonstruktionen in Frage gestellt, denn die Weissagung zur Herrschaft des Jüngeren über den Älteren (Gen 25,23) sowie die Segenssprüche des Vaters Isaak (Gen 27,28-29; Gen 27,39-40) beziehen sich unzweifelhaft auf das Verhältnis der beiden Völker untereinander und gehören zum erzählerischen Kernbestand. Einen Esau, der nicht zugleich auch Ahnvater der Edomiter wäre, gibt es nach dieser Auffassung nicht (Blum, 1984, 69-79).

In der → Priesterschrift steht der Konflikt Jakob-Esau nicht mehr für die politischen Verhältnisse zwischen Israel/Juda und Edom, vielmehr werden die beiden Protagonisten zu Symbolfiguren der nachexilischen Exogamie-Debatte. Esau als Negativfigur heiratet zwei als Kanaanäerinnen verstandene Hethiterinnen (Gen 26,34-35), und Jakob verlässt seine Heimat nicht aus Furcht vor Esau, sondern weil er keine Kanaanäerin zur Frau nehmen will (Gen 27,46-28,5). Danach nimmt Esau noch eine Nicht-Kanaanäerin, die Ismaeliterin Mahalat, zur Frau (Gen 28,9), womit auch in der Priesterschrift eine Brücke zum positiven Esaubild von Gen 33 gespannt wird.

2.2. Esau in anderen Büchern des Alten Testaments

Nur wenige späte Texte greifen den Esau der Jakoberzählung explizit auf, und zwar der Geschichtsrückblick Jos 24,4, die Genealogie 1Chr 1,34f und die Prophetie Mal 1,2f.

In der Erzählung von Israels Durchzug durch Edom Dtn 2,1-7 werden die Edomiter als „Söhne Esaus“ und als „Brüder“ der Israeliten bezeichnet (vgl. auch Num 20,14), als „Söhne Esaus“ auch in den unmittelbar darauf folgenden Bezugnahmen Dtn 2,8.12.2.29. Es ist aber unklar, ob in Dtn 2 die Erzählung Gen 25f. im Hintergrund steht oder eine andere, hinsichtlich der Bruderschaft vergleichbare Tradition. Folgt in Dtn 2 aus der Bruderschaft eine positive Bewertung Edoms, so ist es im → Obadja-Büchlein umgekehrt. Darin bezeichnet Esau nie eine Einzelperson, sondern stets das Volk, wobei in Obadja – und nur hier – der Volksname in der Fügung „Gebirge Esaus“ zur Landschaftsbezeichnung wird (Ob 8.9.19.21). Dieses Volk aber hat sich an seinem Bruder „Jakob“ bzw. an seinen Brüdern, den „Söhnen Judas“, vergangen und verfällt deshalb dem Gericht Gottes. Diese Texte setzen die Bruderschaft der beiden Völker voraus, ohne explizit auf die Erzählungen Gen 25-33 zu rekurrieren.

Das Gerichtswort über Edom Jer 49,7-22 verwendet das Wort „Esau“ synonym zu „Edom“ (Jer 49,8.10) ohne erkennbaren Bezug auf eine Einzelperson dieses Namens und ohne Bezug auf eine Bruderschaft zwischen den Völkern Edoms und Judas.

Die negativ konnotierten Erwähnungen der Esaugestalt, aber auch die positiven Darstellungen in der → Vätergeschichte und im → Deuteronomium sind Reflexe des wechselvollen Verhältnisses von Israel bzw. Juda und Edom. Zur Geschichte Edoms → Edom / Edomiter.

3. Esau im Neuen Testament

In der frühjüdischen Literatur werden die Edomiter immer wieder als „Söhne Esaus“ bezeichnet (Jdt 7,8.18; 1Makk 5,3.65; Hiob 42,17LXX). Paulus dagegen zitiert in Röm 9,13 sowohl Gen 25,23 als auch Mal 1,2-3 als Belege für die freie Gnadenwahl Gottes. Im Hebräerbrief erscheint Esau als Beispiel für Unzucht und Gottlosigkeit (Hebr 12,16). Hier wie bei Paulus dient die Person Esau als Negativbeispiel in diskursiven Zusammenhängen, der versöhnliche Esau von Gen 33 wird nicht rezipiert. Hinzu kommt noch die unspezifische Erwähnung Esaus in Hebr 11,20.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Anchor Bible Dictionary, New York u.a. 1992.
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001.

2. Weitere Literatur

  • Blum, E., Studien zur Komposition des Pentateuch (BZAW 189), Berlin 1990.
  • Gunkel, H., Genesis, (HKAT I,1), 6. Aufl. Göttingen 1964.
  • Hübner, U., Art. Esau, in: ABD 2, New York u.a. 1992, 574f.
  • Knauf, E.A., Art. Esau, in: NBL I, Zürich 1991, 587f.
  • Rad, G. von, Das erste Buch Mose / Genesis (ATD 2/4), 5. Aufl. Göttingen 1958.
  • Seebass, H., Genesis II, Vätergeschichte II (23,1-36,43), Neukirchen-Vluyn 1999.
  • Wahl, H.M., Die Jakobserzählungen. Studien zu ihrer mündlichen Überlieferung, Verschriftung und Historizität (BZAW 258), Berlin 1997.
  • Westermann, C., Genesis 12-50 (EdF 48), 3. Aufl. Darmstadt 1992.
  • Westermann, C., Genesis (BKAT I,2), 2. Aufl. Neukirchen 1989.

Abbildungsverzeichnis

  • Geburt der Zwillinge Esau und Jakob (Wenzelsbibel; 14. Jh.).
  • Die Versöhnung der Brüder Jakob und Esau (Francesco Hayez; 1844).

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