Ewigkeit (AT)
(erstellt: Februar 2014)
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→ Eschatologie
1. Vorverständnis
Die gängige Verwendung des Begriffes Ewigkeit ist von Aristoteles geprägt. Er sieht Ewigkeit als das Ziel der Zeit an; sie umschließt den zeitlichen Ablauf und ist zugleich in ihr präsent (Echternach 1972, 838). Aristoteles greift dabei auf Platon zurück, der mit αἰών aiōn die zeitlose Ewigkeit, mit χρόνος chronos dagegen die Welt- oder Lebenszeit meint (Guhrt / Kraus 1997, 1994) und beide einander gegenüberstellt (Holtz, 1980, 106).
αἰών aiōn kann auch die Abfolge mehrerer Zeitalter / Äonen meinen. Dabei handelt es sich im Alten Testament um eine späte Vorstellung, die sich im Plural עֹלָמִים ‘ôlāmîm (Pred 1,10
In der Theologie weckt „Ewigkeit“ Assoziationen im Blick auf jenseitige Weiterexistenz, ewiges Leben und damit verbunden → Auferstehung
Im Alten Testament drückt „Ewigkeit“ dagegen die fernste Zeit aus. Der Begriff kann sich auf die Zukunft oder die Vergangenheit beziehen, aber auch beide umfassen. Ewig ist demnach nie zeitlos gedacht, sondern meint die gesamte Zeitdauer; etwas währt so lange wie möglich. So ist mit „Ewigkeit“ die Ur- bzw. Vorzeit oder die fernste Zukunft gemeint, wobei es meistens nicht um einen Anfangs- oder Endpunkt der Zeit bzw. eine Epoche am Anfang oder Ende geht, sondern um eine qualitative Aussage über Kontinuität, Dauerhaftigkeit und Beständigkeit. Insofern mag von einer unendlichen Zeit gesprochen werden, deren Grenzen dem Menschen verborgen sind (Orelli 1871, 70).
2. Begriffe und semantische Felder
Das Wortfeld von Ewigkeit umfasst folgende Begriffe:
2.1. „Fernste Zeit“ (עוֹלָם)
עוֹלָם ‘ôlām ist im Alten Testament über vierhundert Mal belegt, fast immer als nomen rectum in einer constructus-Verbindung (Jenni 1953, 50). Der Begriff hat die Grundbedeutung „fernste Zeit“. Diese kann in der Vergangenheit liegen, so dass man metaphernhaft davon sprechen kann, dass es unter den ewigen Armen des Gottes der Urzeit (אֱלֹהֵי קֶדֶם ’älohê qædæm) Zuflucht gibt (Dtn 33,27
Auch dort, wo in der Geschichte etwas Neues einsetzt, kann עוֹלָם ‘ôlām etwas in der Vorzeit Liegendes bezeichnen, nämlich die Anfänge der Geschichte Gottes mit seinem Volk (Dtn 32,7
Hi 22,15
Für die frühere Zeit wird mehrfach auch קֶדֶם qædæm „Urzeit“ verwendet, insbesondere bei Schöpfungsbezügen (Ps 54,20
Der → Bund
Die „fernste Zeit“ kann auch in der Zukunft liegen, und zwar sowohl als ein ausstehendes zukünftiges Ereignis als auch als ein in der Gegenwart ansetzendes kontinuierliches Geschehen. Letzteres ist bei einem dauerhaften Recht (Lev 25,32
Für solche durch die Lebenszeit begrenzte Zeit sowie gelegentlich auch für dauerhafte Ordnungen (Ex 29,9
Der Wunsch, dass der → König
Bei der Wirkung des → Baumes des Lebens
Der Baum des Lebens bewirkt also kein ewiges Leben, sondern hat regenerierende Funktion. Dies wird auch im → Gilgamesch-Epos
עוֹלָם ‘ôlām wird fast ausschließlich im Singular verwendet. Der Plural עוֹלָמִים ‘ôlāmîm hat als Intensivplural eine steigernde Funktion (Ps 61,5
Die präpositionale Wendung עַד־עוֹלָם ‘ad ‘ôlām „bis in Ewigkeit“ drückt eher das „sukzessive zeitliche Fortschreiten in die Zukunft“ aus, während לְעֹלָם lə‘ôlām „für immer“ mehr eine statische Bedeutung hat (Jenni 1979, 233).
Nirgends bezeichnet עוֹלָם ‘ôlām eine in der Zukunft liegende Zeitperiode, geschweige denn eine jenseitige Ewigkeit. Dies ist besonders für → Kohelet
Die Wendung „Haus der Ewigkeit“ בֵֵּית עוֹלָם bêt ‘ôlām (Pred 12,5
Das aramäische Wort עָלְמָא ‘āləmā’ „Ewigkeit“ weist gegenüber seinem hebräischen Pendant keinen Bedeutungsunterschied auf. Die liturgische Formel „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (מִן־עָלְמָא וְעַד־עָלְמָא min-‘āləmā’ wə‘ad-‘āləmā’) dient dem Lobpreis der Beständigkeit und Zuverlässigkeit Gottes (Dan 2,20
2.2. „Von Generation zu Generation“ (דּוֹר וָדוֹר)
Durch das Kommen und Gehen der Generationen (Pred 1,4
עוֹלָם ‘ôlām und דּוֹר dôr können kombiniert werden, um Dauerhaftigkeit mit Nachdruck auszusagen, so im Blick auf das aaronitische Priestertum (Ex 40,15
2.3. „Stetigkeit“ (עַד)
Kontinuität und Bestand wird auch durch das Nomen עַד ‘ad ausgedrückt. In der präpositionalen Verbindung לָעַד lā‘ad „für immer“ kann es sich auf Verwerfung (1Chr 28,9
Die Wendung לְעֹלָם וָעַד lə‘olām wā‘ad „für immer und ewig“ erfasst verschiedene Lebensbereiche, so den Lobpreis des Königtum Jahwes (Ex 15,18
Eine eschatologische Komponente erhält die Wendung bei → Daniel
2.4. „Vollständigkeit“ (נֵצַח)
נֵצַח nezaḥ kann Vollständigkeit ausdrücken, etwa beim Dreschen von Getreide (Jes 28,28
2.5. „Tag für Tag“ (יוֹם יוֹם)
Die Wiederholung in יוֹם יוֹם jôm jôm „Tag für Tag“ drückt ebenfalls Dauerhaftigkeit aus, so beim Einhalten von Gelübden (Ps 61,9
3. Ewigkeit Gottes
Gott ist seinem Wesen nach ewig (Gen 21,33
Seine Ewigkeit gilt in Relation zur irdischen Herrschaft, denn Jahwe ist dauerhaft König (Ps 29,10
Das Verhältnis von Gott zu Zeit und Ewigkeit kommt besonders in Ps 90
Ewigkeit ist demnach die Daseinsfülle Gottes in jeglicher Hinsicht. Darauf weisen bereits die → Selbstvorstellung Gottes
Von der Ewigkeit Gottes her erschließen sich die Aussagen über die → personifizierte Weisheit
Im Neuen Testament hingegen wird einerseits über die Schöpfungsanfänge eine Verbindung zu Jesus als dem Logos hergestellt, welcher im Anfang war (Joh 1,1
Das Gottgewirkte wird als ewig, beständig angesehen. Dies bringen insbesondere die Psalmen zum Ausdruck. Ewig währen Gottes → Gnade
4. Ewigkeit, Jenseits und Eschatologie
Die Bezeichnung אֱלֹהֵי עוֹלָם elohê ‘ôlām „ewiger Gott“ (Jes 40,28
Die Erweiterung der eschatologischen Vorstellung in der → Apokalyptik
Ältere Zeiten kennen nur die Vorstellung, dass einzelne Personen nicht sterben. Wenn → Henoch
Die Hoffnung auf eine Auferstehung und damit verbunden die Vorstellung von jenseitiger Ewigkeit findet sich vermehrt in der Übersetzung und den Erweiterungen der → Septuaginta
Mit ἐπ᾽ ἐσχάτων ep’ eschatōn (Weish 3,17
In der Qumrangemeinschaft gelten → Engel
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Historisches Wörterbuch der Philosophie, Basel / Stuttgart 1971ff
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
- Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 2. Aufl., Stuttgart u.a. 1992
- Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995
- New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis, Grand Rapids 1997
- Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament, Wuppertal 2001
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
- Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, Darmstadt 2006
2. Weitere Literatur
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- Barr, J., 1962, Biblical Words for Time, London
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- Echternach, H., 1972, Art. Ewigkeit, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 2, Darmstadt, 838-844
- Fischer, S., 1999, Die Aufforderung zur Lebensfreude im Buch Kohelet und seine Rezeption der ägyptischen Harfnerlieder (WAS 2), Wien
- Gault, B., 2008, A Reexamination of „Eternity“ in Ecclesiastes 3:11, BibSac 165,39-57
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- Holtz, Th., 1992, Art. αἰών, in: Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Band 1, 2. Aufl., Stuttgart u.a., 105-111
- Kraus, H-J., 1979, Theologie der Psalmen (BKAT XV/3), Neukirchen-Vluyn
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- Jenni, E., 2. Aufl. 1979, Art. עוֹלָם ‘ôlām, in: THAT II, München / Zürich, 228-243
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- Loader, J.A., 1969, Qohelet 3:2-8 – A „sonnet“ in the Old Testament", ZAW 81/2, 240-242
- von Orelli, C.,1871, Die hebräischen Synonyma der Zeit und Ewigkeit genetisch und sprachvergleichend dargestellt, Leipzig
- Seybold, K., 1997, Zu den Zeitvorstellungen in Psalm 90, ThZ 53,97-108
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