Frau (AT)
(erstellt: Mai 2006)
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→ Arbeit
Die Hebräische Bibel ist in einer patriarchalen Gesellschaft, in der der öffentliche Bewegungsspielraum von Frauen eng war (Bird 1997b), entstanden und dementsprechend von einem systemischen Androzentrismus geprägt. Sie ist mehrheitlich von Männern verfasst. Frauengestalten, -themen, -interessen und -lebensbereiche kommen nur am Rande und aus einer androzentrischen Sichtweise vor.
1. Sprache und Texte
1.1. Begriffe für Mann und Frau; Formbildung
Das hebräische Wort ’iššāh „Frau“ ist – entgegen der Volksetymologie in Gen 2,22-23
Männliche Formen sind der Normalfall, denn sie sind lexematisch wie auch morphologisch unmarkiert und ’ijš „Mann“ kann auch „jedermann“ bedeuten. Weibliche Formen sind dagegen markiert und stellen insofern einen Sonderfall dar. Das weibliche grammatische Geschlecht steht auch für das Neutrum.
Bei Verbformen und Suffixen (Personal- und Possessivpronomen) wird in der 2. und 3. Person zwischen männlichen und weiblichen Formen unterschieden, doch wird diese Opposition im späten Bibelhebräisch (etwa ab dem 4. Jh. v. Chr.) zunehmend aufgegeben, ehe sie im Mittelhebräischen verschwindet.
1.2. Rollenvorstellungen
Die Rollenvorstellungen für erwachsene Frauen sind in den verschiedenen biblischen Texten unterschiedlich. Die kategorischen Wesenszuschreibungen an die Geschlechter, wie sie in Europa die Moderne kennt („Wesen der Frau“), wird von den biblischen Texten nur in jüngeren Teilen mitgetragen. So gibt es in der Weisheit die Unterscheidung von der guten (Spr 31,10-31
Insbesondere die Schöpfungsgeschichten (Gen 1-2) und die Erzählung vom Garten Eden (Gen 3) wie auch die gesamte Genesis wurden und werden als paradigmatische Erzählungen über das Geschlechterverhältnis gelesen – und sind z.T. auch so angelegt (Schüngel-Straumann 1989). So ist die Rede von „der Frau“ als Hilfe „des Mannes“ (Gen 2,18
Neben längeren Erzählungen von Frauenfiguren wie den sog. Erzmüttern, → Rut
1.3. Frauen als Verfasserinnen von Texten
Im Alten Orient waren Frauen, die schreiben konnten, und Frauen, die Texte verfasst haben, weit verbreitet, z.B. Enheduanna (Tochter des Herrschers Sargon I. von Akkad ca. 2300 v. Chr.) oder Puduhepa (Gattin des hethitischen Königs Hattuschili III., ca. 13. Jh. v. Chr.). Im Ägyptischen gibt es sogar den Titel „weiblicher Schreiber“ (Schroer 2003).
Ca. 30 Siegel von Frauen, die allerdings nur ca. 2% der erfassten Siegel ausmachen, belegen, dass Frauen über so großen Besitz verfügen konnten, dass er eine „notarielle“ Verwaltung erforderte und sie deshalb wahrscheinlich schreiben oder zumindest lesen konnten (Heltzer 1996; Avigad / Sass 1997, 30f).
Die Überlieferung des Alten Testaments ist, was diesen Teil der Frauenkultur angeht, recht zurückhaltend. Es gibt jedoch eine Reihe von Frauenreden und Frauenliedern: das Miriamlied in Ex 15,21
Verschiedentlich wird diskutiert, ob Frauen auch Bibeltexte verfasst haben, z.B. Rut (Fischer 2001), Teile der großen Prophetenbücher (Kessler 1996; Schroer 1995, 93), Teile Protojesajas (Knauf 2000), Ps 131 (Miller 1994), das Hohe Lied (Goitein u.a.), die Weisheit Salomonis (Schroer 2004: Kollektiv von Männern und Frauen). Brenner und van Dijk-Hemmes (1993) suchen nach weiblichen Stimmen in biblischen Texten.
2. Anthropologie
2.1. Menschenschöpfung
Während der Mensch in Gen 1,26
Aus den Texten zur Erschaffung der Menschen und der Erzählung vom Garten → Eden
Die Sprüche Gottes über Frau und Mann in Gen 3,16-19
2.2. Lebensalter
Von Frauen gibt es so gut wie keine Notizen darüber, dass sie geboren werden. Ausnahmen sind Dina (Gen 30,21
Im Alter sind die Geschlechter tendenziell gleich angesehen, wenn auch arme Witwen unter dem besonderen Schutz Gottes stehen (s.u.). Vergehen (eines erwachsenen Sohnes) gegen Eltern betreffen beide Elternteile (Ex 20,12
2.3. Sexualität und Fortpflanzung
Die lebensspendende Kraft der Frau wird sowohl in einer Reihe von Sprachbildern des Alten Testaments und außerbiblischer Texte dieses Kulturraumes hervorgehoben als auch in der Ikonographie des gesamten Alten Orients (Keel / Schroer 2005a und 2005b).Es gibt im Alten Testament ein Bewusstsein für das Geborensein jedes Menschen durch eine Frau (Hi 14,1
Mutterschaft war für Frauen wegen der Altersversorgung, aber auch für ihr Ansehen von sehr großer Bedeutung. Dementsprechend konnte Kinderlosigkeit Armut bedeuten (Rut 1,12-13
Die Menstruation wird aus androzentrischer Sicht negativ gewertet (Jes 64,5
Das Hohelied besingt Erotik zwischen Frau und Mann, ohne dass beide miteinander verheiratet wären (zu Begrifflichkeiten und Vorstellungen von → Sexualität
2.4. Biologisches und kulturelles Geschlecht im Alten Testament
„Geschlecht“ ist im Alten Testament ein relationaler Begriff. Geschlecht existiert nicht einfach geschichts- und biographielos, sondern wird beständig hergestellt und ist änderbar, für Menschen wie für Gott:
Kinder werden geschlechtlich unterschieden, z.B. wenn betont von der Geburt eines Sohnes die Rede ist (Jes 9,5
Alte Menschen scheinen die Kategorie „Geschlecht“ dagegen hinter sich gelassen zu haben. So werden Männer wie Frauen im Alter als zəqenîm / zəqenôt „Bärtige“ bezeichnet (Gen 18,11
In Schilderungen von besiegten Völkern findet sich der Topos, dass Männer zu Frauen werden (Jer 50,37
Frauen müssen die Rolle der Männer übernehmen, wo diese fehlen oder versagen (Ri 4-5; Ri 9). An diesen Stellen können Frauen mit grammatisch männlichem Genus geführt werden (z.B. Num 27,7a
Auch biologisch ist die biblische und antike Anthropologie anders strukturiert als unser Denksystem (Müller-Clemm 2001). Eine Frau, die gebiert, produziert Samen (Lev 12,2
Ein Tausch der Geschlechterrollen ist hingegen verpönt: So ist es verboten, Kleider des anderen Geschlechts anzuziehen (Dtn 22,5
3. Gesellschaft
3.1. Kyriarchat
Das alte Israel war wie fast alle Gesellschaften der Vergangenheit und Gegenwart eine patriarchale Gesellschaft (→ Patriarchat
Nach dem Alten Testament war das Kyriarchat patrilinear (Ausnahme Esr 2,61
3.2. Macht
Innerhalb der grundsätzlichen räumlichen Geschlechtertrennung von Mann, der außerhalb des Hauses, und Frau, die innerhalb des Hauses herrschte und zugleich dem Mann unterstellt war (das ist nicht dasselbe wie „öffentlich“ und „privat“, weil es die Kategorie „privat“ in vorbürgerlichen Zeiten nicht gab), konnten Frauen viel Macht erlangen: Die Sunemitin von 2Kön 4,8
Frauen hatten eine Reihe von Ämtern inne. Es gab z.B. das Amt der „Königinmutter“ (Kiesow 2000). Abischag scheint ein Amt bei Hof zu haben (1Kön 1,2-4
Debora war nach Ri 4 gesamtisraelitische “Richterin”, d.h. auf der Ebene der Endredaktion Tora-Auslegerin und -tradentin. In Ri 5 wird sie als Sängerin vorgestellt. Hulda war die wichtigste prophetische Instanz ihrer Zeit (2Kön 22,13-20
Nach den Bibeltexten wirkten Frauen auch in der Heerführung (Ri 4) und der Verteidigung von Städten mit (Ri 9,51
Wahrscheinlich haben Frauen auch Städte gegründet: Usen-Scheera (1Chr 7,24
Frauenarbeit war alles, was mit der Ökonomie des Hauses zu tun hatte, so z.B. das Weben und Spinnen (Ex 35,25-26
Totenklage war vor allem eine Sache der Frauen, auch professioneller Klagefrauen. Dies ist sowohl in der Ikonographie (vgl. für Ägypten: Werbrouck 1938; für Griechenland: Huber 2001; für Israel: Schroer 2002) als auch in der Bibel breit belegt (2Sam 20,10-14
3.3. Recht
Wie in fast allen Rechtssammlungen der Antike war im Alten Testament die Gültigkeit der Gesetze für Frauen sehr oft lediglich impliziert. Explizit wurden Frauen nur selten berücksichtigt. Dabei handelte es sich zumeist um spezifische Frauen-Regelungen (Num 5; Num 30; Num 27; Num 36), obwohl die rechtsgeschichtliche Entwicklung aufgrund der Auflösung der bäuerlichen Sippenstruktur der Gesellschaft im Deuteronomium und der Priesterschrift (vgl. → Heiligkeitsgesetz
In die Sklaverei konnte ein Vater seine Tochter wie auch seinen Sohn verkaufen. Die Freilassung unterstand Gesetzen, die die Vormundschaft und Fürsorge für sie regelten (Ex 21,7-11
Grundsätzlich waren Frauen nicht rechtsmündig. Vor der Heirat wurden sie von ihrem Vater, danach von ihrem Ehemann bevormundet. Die Eheschließung beruhte auf einem Vertrag zwischen zwei männlichen Haushaltsvorständen.
Geschlechtsverkehr und Vergewaltigung vor der Ehe stellten rechtlich eine Beeinträchtigung der Tochter dar und damit einen Schaden für den väterlichen Vormund, der angemessen auszugleichen war (Dtn 22,20-21
Verheirateten Frauen war Ehebruch bei Todesstrafe verboten (Lev 20,10-12
Geschiedene Frauen, die wieder in das Haus des Vaters zurückkehrten, schienen denselben Status wie Töchter gehabt zu haben (Gen 38,11
Witwen waren Männern in mancher Hinsicht rechtlich gleichgestellt (Num 30,10
Das Leben von Prostituierten fand damals wie heute tendenziell in einem rechtsfreien Raum statt (vgl. Lev 21,7
3.4. Beziehungen zwischen Frauen
Die Schilderungen von Gesprächssituationen zwischen Männern und Frauen sind ebenso androzentrisch ausgerichtet, wie die Schilderung von zwischenmenschlichen Beziehungen insgesamt (Welke-Holtmann 2004). So werden Beziehungen zwischen Frauen nur selten geschildert. Hier ist besonders Ruts Solidarität mit Naomi zu erwähnen (Rut 1,18
3.5. Namen
Eine Reihe von Namen ist für beide Geschlechter belegt, die Mehrzahl allerdings scheint exklusiv auf ein Geschlecht festgelegt zu sein. Warum bestimmte Namen Frauen- und andere Männernamen sind, ist eine Konvention, die schwer bis gar nicht systematisierbar ist: vom Namen allein lässt sich das Geschlecht des Trägers oder der Trägerin deswegen nicht erschließen.
Die erste Frau bekommt den Namen (Gen 3,20
Die Weitergabe des Namens des pater familias war von hohem Wert (Gen 38,8-9
In den Erzähltexten des Alten Testaments haben viele Frauen keinen Namen (Meyers 2000; Reinhartz 1998). Von anderen Frauen ist nur ein Schandname überliefert. So hieß die Mutter Jerobeams I. nach 1Kön 11,26
4. Kult und Religion
4.1. Frauen im Tempelkult
Die Rolle von Frauen am Ersten und am Zweiten Tempel ist noch weitgehend unerforscht. Die Texte stellen den Tempelkult als sehr männerzentriert dar, doch gab es im Ersten und wohl auch im Zweiten Tempel Tempelsängerinnen (2Chr 35,25
In den Kulttexten kommen Frauen als Opfernde vor (Num 6; Lev 15, implizit Lev 1,2
Um einen Menschen, der Jahwe in einem Gelübde zugesagt worden war, auszulösen, musste für Frauen weniger gezahlt werden als für Männer (Lev 27,2-8
4.2. Illegitime Kulte und Frauen
Frauen scheinen an Göttinnenkulten einen konstitutiven Anteil gehabt zu haben, etwa am Kult der Himmelskönigin (Jer 7; Jer 44; → Göttin
Die Göttin → Aschera
Von den → Terafim
4.3. Prophetinnen
Als Prophetinnen werden im Alten Testament erwähnt: Mirjam (Ex 15,20-21
Literaturverzeichnis
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- Königin Isebel verschickt Briefe (1Kön 21; Wenzelsbibel; 14. Jh.).
- Debora und Barak ziehen in die Schlacht (Ri 4f; Psalter des Hl. Ludwig; 13. Jh.).
- Judit hat Holofernes getötet (Cristofano Allori; 1613).
- Sara schickt Hagar in die Wüste (Gen 21; Weltchronik des Rudolf von Ems; 13. Jh.).
- Musikantin (Tonfigur aus Tell es-Samak; Eisenzeit II). Umzeichnung von © Stefan Kammerer für den WiBiLex-Artikel Musik nach B. Bayer, The Finds that could not be, BAR 8, 1982, 26
- Pfeilerfigurine (Terrakotte aus Juda; 7. Jh. v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
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