Glauben (AT)
(erstellt: Mai 2013)
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Eine Befragung des Alten Testaments auf das Thema Glauben hin führt zu dem erstaunlichen Befund, dass im Vergleich zu dem im Umfang kleineren Neuen Testament relativ selten vom Glauben an Jahwe als der Haltung des Menschen vor und zu Gott die Rede ist. Während das Neue Testament 243 Belege für das Verbum πιστεύειν pistéuein „glauben“ aufweist und fast genau ebenso viele Belege für das Nomen πίστις pistis „Glaube“, begegnen im Alten Testament lediglich 51 Vorkommen der Verbalform אמן ’mn Hif. „glauben“. Es wäre jedoch ein Trugschluss, aufgrund einer solchen Statistik auf eine geringe Bedeutung des Themas Glauben im Alten Testament zu schließen. Erstens gibt es nicht selten alttestamentliche Texte, die den Glaubensvollzug thematisieren, ohne dass eine entsprechende Begrifflichkeit gebraucht wird. Wenn beispielsweise → Abraham
1. Begriffliche Klärung
Das zur Bezeichnung des Glaubensvorgangs verwendete Verbum אמן ’mn Hif. geht auf die Wurzel אמן ’mn „fest / sicher / zuverlässig sein“ zurück. Der Vorgang des Glaubens erscheint in diesem Licht als ein Sichfestmachen, was soviel heißt wie: in Gott und seinem Wort einen zuverlässigen Halt und einen verlässlichen Grund finden. Das von אמן ’mn abgeleitete und als Bestätigungsformel gebrauchte Adverb אָמֵן ’āmen („Amen, gewiss, so sei es“; → Amen
Zwar spielt das Verbum אמן ’mn Hif. im Alten Testament zur Umschreibung des Glaubensvorgangs eine herausragende Rolle, jedoch ist nicht außer Acht zu lassen, dass die Sache des Glaubens auch in anderen Begriffen zur Sprache kommt. Der wichtigste Parallelbegriff zu אמן ’mn ist בטח btḥ „vertrauen“, womit das Sich-sicher-Fühlen bei Gott als der einzig verlässlichen Stütze im Leben gemeint ist (Ps 4,6
2. Grundstrukturen der alttestamentlichen Rede vom Glauben
Eine Untersuchung des in אמן ’mn Hif. angezeigten Glaubensvorgangs und seiner Umstände führt zu folgenden grundlegenden Einsichten:
1. Kennzeichnend für den mit אמן ’mn Hif. umschriebenen Glaubensprozess ist der relationale Charakter. Konstruiert mit den Präpositionen ב bə und ל lə drückt אמן ’mn Hif. auf verschiedene Weise die Beziehung zu Gott und seinen Worten aus, an deren Festigkeit der Glaubende partizipiert. אמן ’mn Hif. + ל lə (Gen 45,26
2. Anders als in der heutigen Diskussion spielt für den alttestamentlichen Glauben die Frage nach der Existenz Gottes keine Rolle. Dass Gott ist und als Schöpfer und Herr der Geschichte agiert, bestreiten nach Ps 14,1
3. Insofern der Glaube seinem Wesen nach Antwort des Menschen auf ein vorausgehendes Handeln Gottes darstellt, wird begreiflich, dass das Alte Testament den Glauben stets verbal ausdrückt, also als einen Vorgang ansieht, bei dem der Mensch nicht an ein Ende gelangt, weil eben Gott in seinem Tun nicht an ein Ende gelangt. Als Grundhaltung des Menschen vor Gott ist der Glaube daher immer wieder neu zu aktualisieren, so wie Abraham sich nach Gen 15,6
4. „Sich Gott glaubend zuwenden“ bedeutet nicht ein passives Anerkennen der Größe Gott, sondern eine Lebensführung, die den Menschen ganzheitlich in seinem äußeren und inneren Verhalten einfordert. Insbesondere die Belege der persönlichen Frömmigkeit legen Zeugnis von der Kraft ab, die ein Sichfestmachen in Gott und ein Vertrauen auf seine Heilsführung trotz einer Bedrohung von außen und einer Anfechtung von innen vermitteln (Ps 27,13-14
5. Dass Glauben und Existenz Israels zwei Seiten ein und derselben Medaille sind, der Glaube also für Israel eine seine Existenz begründende und sichernde Bedeutung hat, tritt nachdrücklich in Situationen zutage, die von einem Glaubensdefizit Israels geprägt sind. So wird beispielsweise in den → Königsbüchern
6. Aus dem zuvor Gesagten ergibt sich schlüssig die Verbindung von Glauben und Ethik; ethisches Handeln ist geradezu eine Folge des Glaubens. So bildet beispielsweise die Glaubensüberzeugung von der dem Menschen von Gott eingestifteten Würde der → Gottebenbildlichkeit
7. Wichtig für das Verständnis des Glaubensvorgangs im Alten Testament ist nicht zuletzt auch der Befund, dass die Wurzel אמן ’mn zwei charakteristische nominale Ableitungen kennt: אֶמֶת ’æmæt und אֶמוּנָה ’æmûnāh, die beide von Gott und dem Menschen ausgesagt werden können. Ersteres drückt die Verlässlichkeit, Treue aus, Letzteres die Wahrhaftigkeit und Beständigkeit, also ein Verhalten, mit dem sich einer treu bleibt. Während die Anwendung auf den Menschen oft zweifelhaft ist, gilt sie für Gott unbedingt: „Gott ist und hat אמת, er handelt in אמונה, sein Wort ist נאמן „zuverlässig“ und fordert daher האמין“ (Jepsen, 348). Glaube und Treue bzw. Beständigkeit sind nach diesem Befund nicht voneinander zu trennen. Dann aber ist Glauben auch Nachahmung des treuen und zuverlässigen Gottes, denn was dieser den Seinen erwiesen hat, erwartet er umgekehrt auch von ihnen (Ps 101,6
8. Inhaltlich ist der Glaube Israels kurz gesagt Glaube an Jahwe. Wer aber ist → Jahwe
3. Heilsgeschichtliche Dimensionen des Glaubens im Alten Testament
3.1. Glauben und murren
Mit Bezug auf die Führungsgeschichte Jahwes mit Israel stellt vor allem die deuteronomisch-deuteronomistische Tradition (→ Deuteronomismus
Positiv mit Blick auf den Anfang der Führungsgeschichte Jahwes mit Israel hebt die Tradition den Glauben an Jahwe sowie an → Mose
3.2. Glauben und bleiben
Als eschatologisch ausgerichtete → Paränese
Die Glaubensaussage in 2Kön 16,9
Ebenfalls mit Bezug auf die Heilswende nach dem Exil ist die prophetische Ankündigung zu verstehen, dass derjenige, der an die Vollendung der Heilsoffenbarung Jahwes auf Zion glaubt, im kommenden Gottesgericht nicht zu weichen braucht: „Darum – so spricht Gott, der Herr: Seht her, ich lege einen Grundstein in Zion, einen harten und kostbaren Eckstein, ein Fundament, das sicher und fest ist: Wer glaubt, der wird nicht weichen“ (Jes 28,16
Schließlich hat Jes 7,9
3.3. Glaube und Vollendung
Im Blick auf die an → Abraham
Der Begriff צְדָקָה ṣədāqāh „Gerechtigkeit“, der hier die Bestätigung Abrahams in den Augen Gottes umschreibt, ist von Haus aus ein Ordnungsbegriff und meint im Alten Orient ein Verhalten entsprechend der göttlichen Gerechtigkeitsordnung, die der Welt eingestiftet ist und aufgrund derer sich Natur und Kosmos segensreich entfalten. Dieser Auffassung von einer statischen Gerechtigkeitsordnung für Natur und Welt stellt das Alte Testament die Dynamik einer auf Vollendung ausgerichteten Heilsordnung gegenüber, weshalb Gerechtigkeit von Gott her gesehen dessen Heilstaten zur Aufrichtung und Durchsetzung einer Heilsordnung meint. Wird der Begriff Gerechtigkeit vom Menschen ausgesagt, wie dies in Gen 15,6
Die von Abraham praktizierte Glaubenshaltung erfährt von Gott her eine Bestätigung, ausgedrückt mit dem Verbum חֹשב ḥšb „erachten / halten für / anrechnen“, das die Vorstellung einer rechnerischen Bewertung und Einschätzung vermittelt. Wahrscheinlich greift der Verfasser hier auf eine im Schuldrecht vorgeprägte Redeweise zurück (2Sam 19,20
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Glaube als Sichfestmachen in und Vertrauen auf Jahwe auch und gerade angesichts einer Verborgenheit Gottes in seiner Weltlenkung in dieser Hinsicht sicherlich ein Thema des gesamten Alten Testamentes ist, wenngleich der Sachverhalt im Wort אמן ’mn Hif. als einer Art „Oberbegriff für das rechte Gottesverhalten“ (K. Haacker) in besonderer Weise zur Sprache kommt.
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