Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: Februar 2021)

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1. Aktuelle Herausforderungen

Bildung hat es in Theorie und Praxis mit den Bedingungen, Herausforderungen und Möglichkeiten individueller und gemeinsamer Lebensführung zu tun. Damit ist jeder Bildungsprozess auf die zentrale Frage nach dem Leben selbst bezogen und darin begründet. Religiöse Bildung ( Bildung, religiöse) thematisiert die Frage nach dem Sinn des Lebens im Horizont spezifischer Glaubenstraditionen. Sie bringt dabei ein biblisch und theologisch gegründetes Verständnis von Leben als Beziehungsgeschehen zwischen → Gott und Mensch zur Sprache. Die im Religionsunterricht (→ Religionsunterricht, katholisch; → Religionsunterricht, evangelisch) erfolgenden gemeinsamen Erkundungen und Deutungen des Lebens als ein solches Beziehungsgeschehen werden im gelingenden Fall zur relevanten Orientierungsmöglichkeit für die je persönliche verantwortliche und zugleich auf das Gemeinwohl hin ausgerichtete Lebensgestaltung: „Christlich motiviertes Lehren und Lernen als Bildung zu beschreiben, hebt auf die Lebensführung ab.“ (Domsgen, 2019, 271).

In alltagsbezogener und gerade deshalb bildungsrelevanter Hinsicht treten die großen Fragen nach dem Sinn des Lebens angesichts von Schicksalsschlägen wie Krankheit, Verlust und Tod ( Tod, interreligiös), aber auch im Fall positiver Erfahrungen wie Geburt, Liebe oder Freundschaft immer wieder eindringlich in den Vordergrund. Solche existenziellen Erfahrungen und die faktischen Lebensübergänge sowohl von Kindern ( Kinder/Kindheit) wie Jugendlichen (→ Jugend, Religion) sind oftmals schon vor aller expliziter Thematisierung inmitten des religionsunterrichtlichen Geschehens höchst präsent.

Die Relevanz einer auf das Leben bezogenen religiösen Bildungsaufgabe am Ort von → Schule und Kirche zeigt sich in ethischer Hinsicht dort ausdrücklich, wo es um die medizinischen Möglichkeiten am Lebensanfang – etwa in Fragen der In-vitro-Fertilisation, Präimplantationsdiagnostik oder Embryonenforschung geht: oder am Lebensende – etwa bei der Frage der Sterbehilfe oder dem Wunsch nach Unsterblichkeit und ewigem Leben (Ehrenreich, 2020). Die bildungsbezogene Auseinandersetzung mit wesentlichen Lebensfragen ist aber auch angesichts individueller und gesellschaftlicher Krisensituationen notwendig: Im Zusammenhang der Corona-Krise und der zu treffenden Maßnahmen kam es zu scharfen Auseinandersetzungen um die Fragen, welches Leben überhaupt schützenswert ist (Schäuble, 2020). Angesichts der sich abzeichnenden ökonomischen Konsequenzen wird intensiv diskutiert, was durch staatliche Einschränkungen an → Menschenwürde und Lebensqualität des Einzelnen verloren gehen könnte (Moser/Glaus/Frangou/Schechter, 2020). Bewegungen wie #Black Lives Matter oder #Mee too benennen die strukturellen Verletzungen menschlichen Lebens aufgrund bestimmter Zuschreibungen von „Rasse“ oder Geschlecht. Die Frage nach der Zukunft des Lebens wird in jüngster Zeit verstärkt durch Bewegungen wie Fridays for Future im Blick auf die Gefährdung, Bedrohung und die Auslöschung menschlichen oder überhaupt organischen Lebens geführt. Diese öffentlichen Debatten werden bereits religionspädagogisch reflektiert (Bederna, 2019) und lassen sich damit in den größeren Zusammenhang der öffentlichen und politischen Dimension religiöser Bildung (→ Politische Religionspädagogik) einordnen (Gärtner/Herbst, 2020).

Im Zusammenhang digitaler Entwicklungen und etwa künstlicher Intelligenz werden aktuell Bestimmungsfragen danach aufgeworfen, was das Leben überhaupt ausmacht und auszeichnet bzw. ob es womöglich „alsbald“ zu einem grundlegend anderen Verständnis von Leben überhaupt kommen könnte (Harari, 2017). Damit steht bildungstheoretisch die Frage im Raum, welche Herausforderungen eine mögliche Neuformatierung des Lebensbegriffs für eine lebensrelevante, religiöse Bildung inmitten der Kultur der Digitalität (Stalder, 2016) mit sich bringt (Nord/Zipernovsky, 2017). So kommen angesichts alltäglicher Lebenserfahrungen das gesamte Bezugssystem und Beziehungsgeflecht menschlicher Existenz und dessen immer wieder neu zu ergründende Sinnhaftigkeit zur Sprache. Zugleich ist damit die visionäre und utopische Frage aufgeworfen, ob das faktische gegenwärtige Leben ganz anders gestaltet sein müsste, als dies in der Gegenwart faktisch der Fall ist (Dürr, 2012; Bieri, 2011). Die Thematisierung des Lebens hat insofern sinnvollerweise immer auch ein „überschießendes“, kritisches, allen Entfremdungsabsichten widersprechendes, visionäres und utopisches Element, an dem sich der Anspruch einer bildungsrelevanten religiösen Bildung zu erweisen hat.

2. Annäherungen an den Lebensbegriff

Alle theologischen, philosophischen, soziologischen, naturwissenschaftlichen oder künstlerischen Versuche, das Leben näher zu ergründen, beinhalten von Beginn an die Suche danach, unter welchen Voraussetzungen dieses überhaupt geführt werden kann und was dessen tieferen Sinn und seine Qualität ausmacht.

In diesem ganzheitlichen Sinn umfasst diese Suche nach Erkenntnis tiefgehende Reflexionen über den Lebensursprung, gelingenden Lebensvollzug sowie über das Lebensende bzw. eine mögliche jenseitige Existenz. Aufgeworfen sind damit Fragen der biologischen und metaphysischen, körperlichen und geistigen, ethischen und politischen Grund- und Erkenntnisprinzipen allen Existierens. Die Antworten auf diese großen Lebensfragen fallen – kaum verwunderlich – durch die Jahrhunderte und je nach Perspektive so unterschiedlich wie die Lebensführung selbst aus. Die folgenden Charakterisierungen werden daraufhin fokussiert, was jeweils als Begründungs- und Zielbestimmung menschlichen Lebens bestimmt wurde und wodurch sich von dort her die menschliche Lebensführung im gelingenden Fall auszeichnen sollte.

2.1. Philosophische Aspekte

Die antik-philosophische Beschäftigung mit dem Lebensbegriff wirft von Beginn an die wesentliche Frage nach dem Ursprung und Ziel allen Lebens auf. Das Ziel eines guten und glücklichen Lebens wird in den sehr viel weiter reichenden Welterklärungszusammenhang einer „höchsten Idee“ (Platon) oder eines „unbewegten Bewegers“ (Aristoteles) eingebettet. Dabei gilt, dass menschliches Leben als Verbindung von Körper, Geist und Seele zu verstehen ist, die ihrerseits erst im Zusammenspiel ein gutes Leben möglich macht. Menschliche Lebensführung kann folglich nur dann gelingen, wenn sie selbst sich auf dieses höchste Gute ausrichtet und sich damit ihres Ermöglichungsgrundes immer bewusst ist. Bereits in diesen Bestimmungen erhebt sich die spannungsvolle Frage, ob für das je individuelle menschliche Leben von freier Selbst- und Willensbestimmung oder von einer grundsätzlichen Determiniertheit auszugehen ist. Zugleich werden in ethischer (→ Ethik) Hinsicht die Aspekte individueller und gemeinschaftlicher Lebensführung eng miteinander verbunden. Darüber hinaus kann vom Leben nicht ohne den Blick auf den Tod gesprochen werden: Für die meisten Philosophien der Antike gilt somit, dass das wahre Leben als innere Umwandlung zu betrachten ist, „kraft welcher der Mensch sein eigenes Leben so sieht, daß er den Tod nicht mehr fürchtet.“ (Hadot, 2019, 55).

Während für die antike und scholastische Philosophie gelingendes Leben nur in Orientierung an der übergeordneten göttlichen Lebensmacht denkbar war, gilt für den Rahmen der neuzeitlichen, westlichen Philosophie, dass sich der Lebensbegriff gewissermaßen erdet: An die Stelle der metaphysischen Welt- und Lebenserklärungsmuster tritt die Natur als Prinzip des Lebens: Das Leben selbst wird zu einem in der ganzen Natur vorherrschenden und sie formenden, ewigen und unzerstörbaren und die Einzelwesen umgreifenden Prinzip (Dierse/Rothe, 2019, 72). In diesem Weltzusammenhang wird das seiner selbst bewusste Individuum zur Entscheidungsinstanz, wodurch eine eigene, moralisch gute Lebensführung in vernunftgemäßer Eigenständigkeit überhaupt erst möglich wird. Dabei vollzieht sich in philosophischem Sinn seit Beginn der Neuzeit ein ambivalenter Bruch mit vormodernen Antworten auf den Sinn des Lebens, die einerseits hartnäckig präsent bleiben, andererseits aber in ihren „jenseitigen“ Voraussetzungen fremd geworden sind (Gerhardt, 2019; Kriza, 2018).

Vor dem Hintergrund evolutionsbiologischer Einsichten und der vehementen Weltanschauungsdebatten wird im Lauf des 19. Jahrhunderts immer fraglicher, ob menschliches Leben kategorial von allem tierischen Leben unterschieden ist und ob nicht alle Lebensführung von nichts anderem als dem „Kampf ums Dasein“ (Darwin, 2017) und damit von einem elementaren Überlebensinteresse gelenkt und bestimmt ist. In je eigener Weise erfolgt die „Absage an die Spekulation“ (Dierse/Rothe, 2019, 82) und die Fundamentalkritik am Versuch rationaler Lebensführung. Die Rede vom „Willen zum Leben“ (Schopenhauer, 2014), vom Leben als „Wille zur Macht“ (Nietzsche, 2005) oder vom „entfremdeten Leben“ (Marx, 2004) strebt nicht weniger als die souveräne und aktive Gestaltung des Lebens und dessen unbedingte und unabhängige Lebenssteigerung an. Durch die von Freud her ausgelösten psychologischen Deutungen erfolgt eine Fundamentalkritik insbesondere religiöser Lebensprinzipien durch die tiefenpsychologischen Deutungen triebhafter und unbewusster Lebenskräfte und angesichts der Illusionslosigkeit hinsichtlich jenseitiger Lebenshoffnungen: „Das Ziel alles Lebens ist der Tod.“ (Freud, 1963, 40). Diese Radikalkritik an der Vorstellung göttlicher Lebensmächte entfaltet sich im 20. Jahrhundert in vielfältige lebens- und existenzphilosophische Überlegungen, die letztlich auf die Frage hin ausgerichtet sind, ob und inwiefern das Leben Einsichten über das Leben selbst gewährt und möglich macht – und dies bis hin zu einem Verständnis der menschlichen Existenz als hoffnungslose Absurdität (Camus, 2000).

2.2. Gesellschaftspolitische, rechtliche und kulturell-ästhetische Aspekte

Das in der jeweiligen Zeit maßgebliche Verständnis des Lebens und der gelingenden Lebensführung beeinflusst auch die rechtlichen und politischen Grundprinzipien des Zusammenlebens sowie die Ausgestaltung konkreter Verfassungsbestimmungen und Rechtsnormen. Wesentlich sind für den neuzeitlichen Verfassungsstaat diejenigen Denkansätze, die die Würde, Gleichheit aller Menschen und damit das gleichermaßen für alle gegebene Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit (Anderheiden, 2006; Anselm, 2006) und freie Selbstentfaltung grundgelegt haben.

In negativem Sinn wird der enge Zusammenhang zwischen Weltanschauung und Menschenbildung in den totalitären Systemen des 20. Jahrhunderts deutlich, insofern diese den Wert des einzelnen Lebens von anderer Herkunft als der der eigenen Volkszugehörigkeit programmatisch negiert haben. Die Rede vom „unwerten Leben“ bildet den katastrophalen Ausgangs- und Endpunkt von Euthanasie, Verfolgung und Vernichtung derjenigen, die dem eigenen, rassisch begründeten und im Einzelfall auch theologisch verbrämten Menschenbild nicht entsprochen haben. Von diesen fatalen Menschheitserfahrungen aus haben die internationalen Menschenrechtserklärungen und die demokratischen Verfassungen der Nachkriegszeit den Schutz der Würde des Einzelnen im Sinn des unverletzlichen Lebens als höchste Prinzipien für das friedliche Zusammenleben grundgelegt. Dies konkretisiert sich in den Teilhabe- und Schutzprinzipien der „[→] Freiheit zum“ autonomen Lebensvollzug sowie der „Freiheit von“ Lebensbedrohung im Sinn des gewährleisteten Lebensschutzes (Art. 2 Abs. 2 GG). Diese Setzungen sind auch insofern für religiöse Bildung und den Religionsunterricht relevant, als damit dessen grundgesetzliche Verankerung und Bildungsverantwortung im weiterreichenden Horizont von Mündigkeit und Freiheit angesprochen ist (Schlag, 2019a).

2.3. Naturwissenschaftliche Aspekte

In naturwissenschaftlicher Hinsicht kann im vorliegenden Zusammenhang auf kaum mehr als auf das Faktum des historisch gewachsenen und sich stetig verändernden bzw. erweiternden Bedeutungsgehalts des Lebensbegriffs eingegangen werden. Je nach Zugriff, etwa aus biologischer, medizinischer, neurowissenschaftlicher, chemischer oder physikalischer Perspektive, fallen dabei die Bilder und Bestimmungen des Lebens höchst unterschiedlich aus. Allerdings ist den genannten Disziplinen gemeinsam, dass sie seit mehreren Jahrzehnten durch die Selbstbezeichnung als life sciences bzw. als Lebenswissenschaften einen erheblichen, oftmals geradezu exklusiven Deutungs- und Geltungsanspruch artikulieren. Dabei werden allerdings nicht selten bestimmte empirisch gewonnene Einsichten – man denke etwa an bildgebende oder sogenannte evidenzbasierte Verfahren – in einer Weise normativ aufgeladen, die ihrerseits wesentliche Fragen nach der Konstruktion solcher Lebensbilder und der Bestimmung der „vitalen Gesamtheit“ des Lebens aufwerfen (Cremer, 2007). Im Sinn interdisziplinärer Offenheit zeichnet sich dann das Leben einerseits biologisch gesprochen dadurch aus, dass es hier um Objekte geht, „die sich fortpflanzen können, einen autonomen Stoffwechsel aufweisen und evolutionär veränderbar sind.“ (Hacker/Kumm, 2015, 31). Andererseits ist festzuhalten, dass zu den evolutionären Möglichkeiten des Lebens auch Fähigkeiten gehören, die menschliches Leben wesentlich ausmachen, „nämlich das Vermögen zur Selbstreflexion, zum Gewissensurteil und zur sprachlichen Verständigung.“ (Hacker/Kumm, 2015, 31). Gerade von dort her gilt es, einen exklusiven Deutungsanspruch insbesondere dann und dort zu problematisieren, wo durch neue technische Möglichkeiten und transhumanistische „Erlösungshoffnungen“ Fragen der Selbststeigerung und -optimierung sowie der bis ins Unendliche hin verlängerten Lebenserwartung des Individuums nochmals auf ganz eigene Weise „beantwortet“ werden (Kurzweil 2013; Krüger, 2019).

3. Biblische und theologische Zugänge zum Lebensbegriff

3.1. Biblische Zugänge

Die biblischen Motive (→ Biblische Motive in der Popkultur) und Überlieferungstraditionen von → Schöpfung und Bewahrung, → Versöhnung und Verantwortung sowie → Erlösung und Ewigem (→ Ewigkeit (AT)) Leben sind religiös motivierte und literarisch in sich vielfältige Ausformungen der Frage nach dem Ursprung des Lebens und der gelingenden Lebensführung. Diese Motive verweisen auf „den Geist der Bibel“ und ermöglichen es, „in ihrem Lichte Leben und Wirklichkeit“ (Theißen, 2003, 132) zu deuten.

Die elementaren Suchbewegungen nach dem Woher, Wozu und Wohin allen Lebens sind zugleich eng mit den Aspekten von Geschichtlichkeit und Zeit verbunden. Nach biblischem Verständnis kann das (endliche wie unendliche) Leben nur im Horizont der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Geschichte Gottes (→ Gott), die zugleich die Beziehungsgeschichte zwischen Gott und Mensch umfasst, angemessen gedeutet werden (Ritschl, 1984).

Der Lebensbegriff selbst ist – was in sich schon von erheblicher Bildungsrelevanz ist – biblisch facettenreich entfaltet, greift dabei aber immer auf die Grundfrage nach der Existenz des lebendigen Gottes und der von ihm her gestifteten Gottes- und Glaubensbeziehung zurück. Insofern handelt es sich hier niemals um definitorisch eindeutige oder ein für alle Mal festgelegte und schon gar nicht biologisch reduzierte Begriffsbestimmungen. In diesem Sinn ist schon die ursprüngliche und erste Frage nach der Schöpfung der Welt nicht darauf ausgerichtet, naturwissenschaftliche Erklärungsmuster des Lebensbeginns zu liefern, sondern die höhere Glaubensrealität der von Gott her ins Werk gesetzten Schöpfung in menschenmögliche, literarische Wort- und Bildschöpfungen zu fassen: „Das Loben Gottes ist das elementarste Merkmal des Lebens.“ (Jeremias, 2015, 26). Von dort aus sind dann auch Zuschreibungen wie die der nefesch als Sitz des Lebens immer von ihrem Bezug auf die Geschöpflichkeit des Menschen her zu verstehen. Die biblische Überlieferung thematisiert somit sowohl das Selbst-, Gemeinschafts- (Jeremias, 2015, 38) wie das Weltverhältnis des Menschen im Sinn geschenkten Lebens, dem Staunen über dessen Schöpfergüte und Vielfalt (Jeremias, 2015, 332f.) und der daraus erwachsenden Verantwortlichkeit (Gen 2,15) – und dies immer von der Einsicht in den gesamten Schöpfungs-, Bewahrungs- und Erlösungszusammenhang her. Die Einsicht in diese Dynamik ist dabei biblisch gesprochen nicht in erster Linie auf rational-vernünftigem Erkenntnisweg zu gewinnen, sondern bedarf einer Grundhaltung der weisheitlichen Einstimmung und Zustimmung, in der sich menschlicher Glaube und Hoffnung auf göttliche Lebensbegleitung miteinander verbinden.

Neutestamentlich manifestiert sich diese Hoffnung auf die göttlich begleitete menschliche Lebensgeschichte in den Worten und Taten Jesu (→ Jesus Christus, bibeldidaktisch, Grundschule; → Jesus Christus, bibeldidaktisch, Sekundarstufe), in denen die Gotteserfahrung unmittelbar einsichtig wird. Die jüdischer Überzeugung nach selbst Leben schaffende Wortmacht manifestiert sich nun in personaler Gestalt. Das Leben gewinnt seinen tieferen (Neu-)Ursprungssinn im Christusgeschehen (→ Christus/Christologie) durch Kreuz und Auferstehung als lebensbedeutsame Verbindung von Schöpfung, Versöhnung und Erlösung. Die Narration der Lebensgeschichte Jesu verweist auf die Gewissheit des von Gott her gestifteten, begleiteten und erlösten Lebens, das stärker ist als der Tod. Das Leben Jesu Christi in seiner Verbindung von göttlicher und menschlicher Natur in der konkreten Zeitlichkeit ist dabei Ausdruck der Lebensbeziehung Gottes vom Anfang über das Ende des irdischen bis zur Verheißung ewigen, ganz neuen Lebens: Dabei bestätigt die Auferstehung sowohl die Verletzlichkeit des Lebens wie auch „Gottes leidenschaftliche Treue gegenüber einer hochgradig gefährdeten und mit Risiken durchzogenen Welt“ (Thomas, 2019, 107). In der Perspektive paulinischer Theologie wird damit die antike Suchbewegung nach dem guten und glücklichen Leben vom Auferstehungsglauben her fundamental umgedeutet (2 Kor 5,17).

3.2. Dogmatische Zugänge

Eine wesentliche und die Generationen prägende biblisch-dogmatische Deutungspraxis des Lebens liegt in der rituell verankerten Formulierung der urchristlichen Hoffnung auf „die Auferstehung der Toten und das ewige Leben“, die ihrerseits durch die katechetische Praxis einen eminenten Bildungsbezug in sich trug. Damit besteht in der Bearbeitung christlicher Lebensführung von Beginn an ein enges Miteinander von liturgischen, katechetischen und moralischen Aspekten. Luthers Zentralaussage aus seinem Kleinem Katechismus, „Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen“, bringt in reformatorischem Sinn den Zusammenhang zwischen göttlicher Schöpfung und Gnade mit der unbedingten Erlösungsbedürftigkeit menschlichen Lebens sowie der je individuellen bildungsbezogenen Einsicht prägnant auf den Punkt. Damit wird einerseits an die scholastisch-theologischen Bestimmungsversuche göttlicher Lebensordnung angeknüpft, zugleich werden diese aber in ein rechtfertigungstheologisches Licht gestellt. Insofern erfährt alle menschliche Lebensführung erst dann ihren Tiefensinn, wenn sie ihrerseits vom Gedanken des gnädigen Schöpfungshandeln Gottes und der kreativen Passivität des Menschen her beleuchtet wird (Dalferth, 2011). Das durch den Glauben gerechtfertigte Leben hat seinerseits aber nicht nur Auswirkungen auf die individuelle, sondern auch die gemeinsame verantwortliche Lebensführung in → Familie, Gesellschaft und Kirche. Hier zeigt sich in der theologisch verhandelten Lebensthematik die denkbar engste Verknüpfung zwischen weltlichem und jenseitigem, irdischem und ewigem, göttlichen und menschlichen Lebensvollzug.

In Folge der aufklärungsgestimmten Fassungen autonomen Lebens gelangt F.D.E. Schleiermacher im Zug pietistisch-romantischer Zusammenstimmung zu einem Verständnis der „Erhöhung und Steigerung des Lebens in der beständigen Gegenwart des Gefühls und der Anschauung der Gottheit, in welchen das Ungestüm des Innern, der Druck von außen beschwichtigt und in das Bewußtsein göttlicher Harmonie aufgehoben werden.“ (Dilthey, 1966, 5f.). Für Kierkegaard geht es darum, zu verstehen, wie das Leben uns überwältigt, es aber zugleich überhaupt gelebt werden kann. Zur zentralen Frage wird folglich, wie die Lebenseinstellung als Moment des Lebens über das Leben selbst entscheidet (Grøn, 2012).

Gegen allzu enge Vorstellungen individueller Lebensführung greift die protestantische Theologie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht zuletzt vor dem Hintergrund menschlicher Begrenztheit steil auf die unbedingte Angewiesenheit göttlicher Lebenszusage zurück: Demzufolge ist „wirkliches, vernünftiges, in der Zeit bewegtes, freies Dasein […] von Gott her“ geschaffen (Barth, 1993, KD III,4, 374) und der Mensch wird überhaupt erst „auf Grund einer Möglichkeit Gottes […] in Bewegung gesetzt“ (Barth, 1993, KD IV,4, 3). Wiederum im Sinn einer theologischen Kehrtwende entwickeln sich von der Grundlage dieser Einsichten aus und in engem Gespräch mit der Existenzphilosophie jener Zeit Formen theologischen Denkens, die die existenzielle Dimension als konstitutiven Bezugspunkt aller Theologie herausstellen. So zeichnen sich insbesondere die Ansätze Bultmanns, Tillichs und Ebelings in je eigener Weise durch den Versuch aus, die denkbar engste Verbindung von Theologie und Anthropologie im Sinn der „Entsprechung von Glaube und Leben“ herauszustellen: So ist „einerseits der Ort des Glaubens im Leben zu bestimmen und anderseits [sic!] der Ort des Lebens im Glauben“ (Ebeling, 1987, 106).

3.3. Theologisch-ethische Zugänge

Kaum überraschend bildet die Rede von der Würde des Lebens eine theologisch-ethische Grundkategorie, die viele der gegenwärtigen materialethischen Debatten wesentlich bestimmt. Zwar sind im Vergleich evangelischer und katholischer Sozialethik materialiter durch die Zeiten hindurch erhebliche Unterschiede in der jeweiligen Bestimmung des Lebensbegriffs zu konstatieren – etwa in der Frage des Schutzes des Lebens bzw. des individuellen Rechts auf Leben, so in Fragen der Abtreibung oder auch des Suizids. Gleichwohl ist das Kriterium der Würde des Lebens zwischen den unterschiedlichen konfessionell geprägten Ethiken unstrittig. Wichtige exemplarische Referenzgrößen sind hier der Gedanke der „Ehrfurcht vor dem Leben“ (A. Schweitzer, 2020), die zutiefst biografisch geprägte und theologisch-ethisch entfaltete Rede vom „verantwortlichen Leben“ (D. Bonhoeffer, 1992) und gegenwärtig die biblisch orientierten Warnungen angesichts der lebenszerstörenden ökonomischen und ökologischen Entwicklungen (Franziskus, 2013). Im Zusammenhang neuerer theologischer Ethiken ist die Frage des gegebenen und zugleich zu gestaltenden Lebens von zentraler Bedeutung für alle materialethischen Entfaltungen (Rendtorff, 2011). Dabei gilt für die theologische Ethik angesichts der Lebensthematik eine doppelte Aufgabenstellung: Sie ist zum einen „vernunftgeleitete Reflexion auf die Bedingungen und Strukturen menschlicher Lebensführung“, zum zweiten „praktische […] Selbstvergewisserung des christlichen Glaubens aus den Quellen der Offenbarung“ (Schockenhoff, 2014, 24).

3.4. Praktisch-theologische Zugänge

Im Bereich der Praktischen Theologie hat sich spätestens mit der empirischen Wende und der damit verbundenen interdisziplinären Ausrichtung eine hohe Sensibilität für Fragen von Lebenswelt, individueller Lebensführung (→ Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde) und zugleich das Profil einer genuinen Lebenswissenschaft entwickelt (Klie, 2011). In diesem Zusammenhang gewinnt → Religion als gelebte Religion im unbedingten Bezug auf die individuelle Lebensführung ihre Relevanz (Grözinger/Pfleiderer, 2002; Heimbrock/Failing 1998). Zugleich wird praktisch-theologisch das kritische Potenzial von Religion im Sinn der Unterbrechung und Kritik der Selbstverständlichkeiten und Routinen der alltäglichen Lebenswelt besonders herausgestellt (Luther, 1992, 215). Aufschlussreiche Zusammenhänge werden zwischen Praktischer Theologie und der Idee der Lebenskunst bzw. ars vivendi (Schibilsky, 2005) sowie für das Leben der Gemeinde hergestellt (Fuchs, 2008).

4. Religionspädagogische Zugänge

4.1. Religionspädagogik als Lebenswissenschaft

Die religionspädagogische Theoriebildung im 20. Jahrhundert zeigte je nach Referenzrahmen entweder eine starke Ausrichtung an der Frage des persönlichen religiösen Lebens oder nahm im Gefolge der dialektischen Theologie einen deutlich offenbarungs-, verkündigungs- oder missionsorientierten Charakter an. Insbesondere durch den Einfluss hermeneutisch-theologischer Traditionsbildung und aufgrund einer stärker werdenden Sensibilität für gesellschaftliche Problemlagen wurden seit den 1960er Jahren die Zielsetzungen des Religionsunterrichts (→ Religionsunterricht, katholisch; → Religionsunterricht, evangelisch) stark auf Fragen des individuellen und zugleich des politischen Lebens ausgerichtet. In der Zielrichtung von Bildung als „Wille, sich gegenseitig Leben zu ermöglichen in einer gemeinsam geteilten, endlichen Welt“ (Peukert, 2015, 22), als Ermöglichung der Subjektwerdung des Menschen und Lebensbegleitung (Nipkow, 1990) und der entwicklungspsychologisch fundierten Bearbeitung des Zusammenhangs individueller Lebens- und Glaubensprägungen (Schweitzer, 1987) hat sich der religionspädagogische Horizont auf die Thematik des Lebens in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt deutlich erweitert. Zudem hat die damit verbundene, verstärkte Aufmerksamkeit auf Aspekte der individuellen und gemeinsamen Lebenskontexte, Lebensformen und Lebensstile dazu geführt, dass die Lebenswelt selbst „Horizont, Ressource und ‚Produkt‘ kommunikativer religionspädagogischer Praxis“ bildet (Henke, 2001, 1177; Mette, 1988). Angesichts der inzwischen selbstverständlichen interdisziplinären Ausrichtung stellt Leben somit eine Art hermeneutisch-kritischen (→ Hermeneutischer Religionsunterricht) Querschnittsbegriff religionspädagogischer Reflexion überhaupt dar (Kumlehn, 2016; Schlag, 2019b). Umso mehr stellt sich allerdings die Grundfrage, in welchem Sinn religiöse Bildung in Inhalt und Form zum gebildeten Diskurs über die Lebensrelevanz und Lebensdienlichkeit religiöser Traditionen beizutragen vermag und dabei sowohl allgemeinbildende wie inhaltlich spezifische Bedeutung in Schule und Kirche zu erlangen vermag.

4.2. Religionsdidaktische Implikationen

In religionspädagogischer Hinsicht dient religiöse Bildung dazu, Lernenden existenziell relevante Einblicke in die angedeuteten Komplexitäten der Lebensthematik zu eröffnen. Durch den Bezug auf christliche Leitvorstellungen und Wirklichkeitsdeutungen trägt sie zur Orientierung für die je eigene Lebensführung und Gestaltungsmöglichkeiten gelebter Religion bei. Die Thematisierung entscheidender Lebensfragen – sozusagen von der Schöpfung bis zur Auferstehung – ist eine wesentliche Perspektive in vielen Lehr- und Bildungsplänen, Schulbüchern und Unterrichtsmaterialien für den Religionsunterricht. Allerdings ist religionsdidaktisch zu sondieren, inwiefern sich etwa elementarisierungstheoretische (→ Elementarisierung) Differenzierungen in ihrem Zusammenhang zu existenziellen und transzendenzoffenen Lebensfragen hin durchbuchstabieren lassen:

4.2.1. Eröffnung von Raum für die individuellen Lebensgeschichten

Im Sinn elementarer Erfahrungen gilt es, das Potenzial individueller Lebensgeschichten und -erfahrungen von Schülerinnen und Schülern für die Bearbeitung des jeweiligen konkreten Unterrichtsthemas fruchtbar zu machen. Dies umfasst existenzielle Erfahrungen des Lebensanfangs, der Lebensgestaltung und des Todes – aber auch etwa krisenhafte Fragen an Lebensübergängen und angesichts der Begrenztheit eigener Lebensleistungen gerade am Ort der Schule. In diesem Zusammenhang sind dann Vorstellungen eines perfekten Lebens rechtfertigungstheologisch zu problematisieren und damit die faktischen Grenzen individueller Lebensführung bewusst positiv aufzunehmen. Im Sinn elementarer Lernformen sind im Unterrichtsgeschehen die Möglichkeiten des persönlich-existenziellen Bezugs aller konkreten Bildungsinhalte bzw. deren Lebensrelevanz auf kognitive, affektive und handlungsorientierte Weise sowie durch Möglichkeiten kreativer Gestaltung zu erproben. Nebenbei bemerkt: Eine Versäulung von Aspekten der Lebensgestaltung – dem Begriff nach in LER (Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde), der Sache nach auch in anderen religionskundlichen Ansätzen – wird dem Anspruch auf eine solche hermeneutisch-kritische Arbeit an den existenziellen Lebensfragen und Phänomenen gelebter Religion kaum gerecht.

4.2.2. Erschließung der möglichen Relevanz religiöser Lebensdeutung

Im Sinn elementarer Strukturen besteht die pädagogische und theologische Aufgabe erst einmal darin, die Vielfalt unterschiedlicher Traditionen und Deutungen des Lebens aus den unterschiedlichen Disziplinperspektiven vor Augen zu führen – und dabei naturwissenschaftliche und biblische Ursprungsnarrative auf ihren je unterschiedlichen Beschreibungsanspruch und möglicherweise sogar auf ihre mögliche Komplementarität hin zu thematisieren (dazu etwa Weiß, 2016; Fuchs, 2010).

Im Sinn elementarer Wahrheiten – und zugleich biblischer Erfahrungsnarrative – kann in besonderer Weise der biblische Grundgedanke vom Gegebensein des Lebens zur Sprache gebracht werden. Es geht folglich darum, „die gemeinsame Lebenswelt mit Hilfe von Symbolen, Metaphern und Erzählungen unter der Perspektive der Verheißung Gottes zu deuten“ (Biehl, 2003, 70). Ein solcher Zugang schließt die Zukunftsfrage ein, inwiefern die Hoffnung auf ein ewiges Leben biblisch gesprochen ihre Berechtigung hat – dies etwa in Unterscheidung zur menschlichen Hoffnung auf die menschengemachten „künstlichen“ Lebensverlängerungsmaßnahmen und Unsterblichkeitshoffnungen.

Ein Zugang über elementare Wahrheiten beinhaltet über die Information über unterschiedliche Verständnisse von Leben hinaus die Sensibilisierung für mögliche Indoktrinationen und „unmenschliche“ Vorstellungen des Lebens sowie für die Tatsache, dass jeder Anspruch auf Eindeutigkeit in Sachen Lebensdeutung auf ideologische oder totalitäre Ansprüche zuläuft.

In der existenziellen und überschießend-transzendenten Dimension des Lebensbegriffs ergeben sich schließlich erhebliche Potenziale für das ökumenische und interreligiöse Lernen (Schambeck/Simojoki/Stogiannidis, 2019). Denn die existenzielle und überschießend-transzendente Dimension des Lebensbegriffs stellt fraglos eine Ur- und Kernperspektive in allen Religionen dar.

4.2.3. Eröffnung von alternativen Lebensentwürfen und Einübung in verantwortliche Lebensführung

Religiöse Bildung kann als bildende Lebenskunst (in seiner generellen Bedeutung für den Unterricht etwa Schmitz/Bernhard/Lang/Linten, 2018 und darin Lang, 2018) verstanden werden, die über die faktischen Realitäten der Lebensführung – und eben der vermeintlich notwendigen Lebensleistungen – hinaus den Sinn für eine verantwortliche und auch nachhaltigkeitssensible Lebensgestaltung schärft. Gefragt ist angesichts bestehender gesellschaftlicher Heterogenitäten und Friktionen somit nichts weniger als eine „radikale Kontextualisierung von Lebensführungsfragen“ (Domsgen, 2019, 348). Zentrale Fragen, die im Unterrichtsprozess aufgeworfen werden können, lauten: Was hindert mich an dem, was für mich wirkliches Lebendigsein bedeutet?, Was benötige ich dazu?, und Wie hängen wirkliches Leben, ewiges Leben, wahres Leben zusammen?. In diesem kritisch-hermeneutischen und ethischen Sinn – und durchaus vor dem Hintergrund der Frage, ob es ein „richtiges Leben im falschen geben kann“ (Adorno, 1997, 43) – steht der Lebensbegriff bildungstheoretisch zugleich dabei immer in engem Verhältnis zu Fragen des Personseins (Dressler, 2014), der Würde, Anerkennung und Annahme jedes einzelnen Menschen. Ein theologisch gefasster Lebensbegriff hat damit als kulturelle Ressource (Jullien, 2019) erhebliche Deutungskraft für die zu führenden Diskurse über Bildungsgerechtigkeit, Inklusion und Partizipation. Im Sinn elementarer Zugänge ist in räumlicher Hinsicht auf die Gestalt von Schule nicht nur als Lern-, sondern eben auch als Lebensort mit einer entsprechenden Schutzfunktion zu verweisen. Religiöse Bildung kann in Fällen von „personal bestimmte[n] Erfahrungsräume[n]“ wie „schwere[n] Verletzungen der menschlichen Würde, Krankheit, Tod, Erfahrungen des Scheiterns, Katastrophen, Verbrechen“ (Evangelische Kirche in Deutschland, 2014, 118f.) usw. dazu dienen, die Komplexität von Lebensvollzügen exemplarisch zu veranschaulichen und Möglichkeiten guter und gelingender Lebens- und Glaubensvollzüge angesichts krisenhafter und lebensverneinender Dynamiken aufzuzeigen.

Literaturverzeichnis

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