Biehl, Peter (1931-2006)
(erstellt: Februar 2022)
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1. Biographisches
Peter Biehl wird am 9. März 1931 als Sohn einer Kaufmannsfamilie in Hamburg geboren; er wird in Eppendorf getauft und später auch konfirmiert. Die Eheschließung mit Eva-Maria von Ungern-Sternberg folgt 1960 in Marburg. Biehl studiert in Bethel, Tübingen, Zürich, Basel, Göttingen und Marburg; seine eigene religionspädagogische Wirkungsgeschichte nimmt in Loccum ihren Ausgang und setzt sich in Göttingen fort. Peter Biehls „Lebens-, Denk und Leidensgeschichte“ (Biehl/Schulz, 2006, 29) kommt am 2. April 2006 in Dransfeld bei Göttingen zu ihrem Ende.
1.1. Lebensgeschichtliches und Bildungsgang
1.1.1. Kindheit, Jugend und Schulzeit
Biehls Jugend ist in den ausgehenden Kriegsjahren von starken Veränderungen geprägt. 1943 zieht die Familie von Hamburg nach Gengenbach im Schwarzwald, im selben Jahr fällt der Vater in Russland. 1944 folgt ein weiterer Umzug nach Stade, wo Biehl auch das Ende des Krieges erlebt. Im September 1945 kann er seine Schulzeit an einer Mittelschule fortsetzen. Sein ausgeprägtes Interesse an religiösen, philosophischen und naturwissenschaftlichen Fragen führt 1947 zu einem Wechsel an das Staatliche Athenaeum, wobei Biehl sich das Schulgeld durch Tätigkeiten als Nachhilfelehrer und in einer Volksbücherei verdient (Wiedenroth-Gabler, 2003, 51-53; Biehl/Schulz, 2006, 31-46). Biehl weiß bereits hier die helfende Funktion literarischer Texte zur Lebensdeutung und Erfahrungsverarbeitung zu schätzen, ergänzt jedoch: „Später erweiterte sich die Beschäftigung mit Literatur unter dem Gesichtspunkt der Professionalität, und zwar zu Beginn der religionspädagogischen Neuorientierung (Übergang vom Hermeneutischen zum Problemorientierten Religionsunterricht)“ (Biehl/Schulz, 2006, 43) (→ Hermeneutischer Religionsunterricht
1.1.2. Studium und erste praktische Berufserfahrungen
Den eingeschlagenen „Weg zum theologisch Interessierten“ (Wiedenroth-Gabler, 2003, 51) setzt Peter Biehl 1951 mit seinem Studienbeginn in Bethel fort, wobei er ergänzend u.a. germanistische Lehrveranstaltungen der Uni Marburg wahrnimmt und konstatiert, „dass ich mein Studienfach (Theologie) richtig gewählt hatte und eine Neigung zur Germanistik bestand“ (Biehl/Schulz, 2006, 48). Er wechselt im Jahr darauf nach Tübingen; das Wintersemester 1953/54 verbringt er in der Schweiz. Es wird für ihn zum „Höhepunkt des Studiums“, kann er doch sowohl bei Karl Barth in Basel als auch bei Rudolf Bultmann in Zürich studieren (Biehl/Schulz, 2006, 53). Retrospektiv bewertet Biehl diese „persönliche Begegnung und reflektierte Auseinandersetzung mit den Professoren unterschiedlicher Studienschwerpunkte als entscheidend für die Rezeption einzelner theoretischer Aspekte und deren Aufnahme und Integration in ein eigenes Konzept“ (Wiedenroth-Gabler, 2003, 53-54).
In Tübingen selbst erfährt er besondere Förderung durch Ernst Fuchs, der erfolgreich Biehls Aufnahme in die Studienstiftung des Deutschen Volkes beantragt und ihn an Friedrich Gogarten nach Göttingen verweist. Dorthin wechselt Biehl zum Ende seines Studiums, wo sich ihm als Stipendiaten die Chance zum wissenschaftlichen Austausch, u.a. zu ethischen Fragen (→ Ethik
Die in Göttingen gebotene Möglichkeit, das Examen in Niedersachsen ablegen zu können, lässt Biehl jedoch zunächst ungenutzt und leistet sich stattdessen einen doppelten berufsbiographischen Exkurs: Für kurze Zeit arbeitet er in der Werbeabteilung der Firma Bosch, und von 1956 bis 1961 obliegt ihm die Leitung eines christlichen Jugendwohnheims, später inkl. Studentenwohnheim, in Marburg, wo er unter „durch den Krieg entwurzelten jungen Männern und angehenden Akademikern“ (Biehl/Schulz, 2006, 67) tätig ist. Zeitgleich arbeitet Biehl als persönlicher Assistent Rudolf Bultmanns und bereitet sein Erstes Theologisches Examen vor, das er 1961 in Hannover abschließt (Biehl/Schulz, 2006, 46-65). In Absprache mit der Hannoverschen Landeskirche kann er sein Vikariat an der Elisabethkirche in Marburg absolvieren (Biehl/Schulz, 2006, 75), das er mit dem Zweiten Theologischen Examen beendet. Biehl resümiert das Zusammenspiel dieser drei Tätigkeitsfelder wie folgt: „Aus dem religiös Interessierten wird ein qualifizierter theologischer Wissenschaftler, engagierter Sozialpädagoge und praktischer Theologe. Das in der Kindheit und frühen Jugend verwurzelte existentielle Interesse an Glaube und Religion erfährt dabei eine wissenschaftliche Profilierung, wird aber gleichzeitig konsequent auf eine praktische Umsetzung in den gesellschaftlichen und kirchlichen Lebensbezügen ausgerichtet“ (Wiedenroth-Gabler, 2003, 55).
1.2. Wirkungsorte als Religionspädagoge
1.2.1. Loccum
Es folgt die entscheidende Weichenstellung auf dem „Weg zum qualifizierten Religionspädagogen“ (Wiedenroth-Gabler, 2003, 55; Biehl, 1999a, 114): Unter der Leitung von Karl Witt und in Nachfolge von Gert Otto und Ingo Baldermann wird Peter Biehl 1962 Dozent im Katechetischen Amt (später: Religionspädagogisches Institut). „In die Loccumer Zeit fällt die Veränderung des theologischen Richtungssinns auf Grund der gesellschaftlichen und theologischen Umbrüche und Erfahrungen mit tief greifenden [sic] Konflikten. In den Kandidatenlehrgängen stellten wir zuerst eine andere Wahrnehmung der Wirklichkeit fest. […] Uns wurde deutlich, dass die theologische Rede von der Wirklichkeit nicht mehr ausreichte. Situationen und Probleme wollten empirisch entziffert und in ihrem gesellschaftlichen Kontext wahrgenommen werden. Dazu reichte die herkömmliche an Texten orientierte Hermeneutik nicht mehr aus, sie musste mit empirisch-kritischen und ideologiekritischen Ansätzen verschränkt werden“ (Biehl/Schulz, 2006, 81-82). Mit Hans Bernhard Kaufmanns provokativer Frage (Kaufmann, 1968) schließlich nimmt die konzeptionelle Entwicklung (→ Fachdidaktische Konzeptionen
1.2.2. Göttingen
1969 erfolgt schließlich der Ruf nach Göttingen, wo Peter Biehl – ohne abgeschlossene, womöglich kirchengeschichtliche (→ Kirchengeschichte
Insgesamt ist seine Göttinger Tätigkeit eng verknüpft mit den dortigen institutionellen Strukturveränderungen; 1978 (bis 1999) wird aus der Pädagogischen Hochschule (PH) der Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität Göttingen, Biehl selbst wird Mitglied der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät (Rothgangel, 2009, 317;331; Fuchs, 2018, 277-278). Ungeachtet der bis dato durchaus unterschiedlich wahrgenommenen Lehrtätigkeit der an der PH wirkenden Religionspädagogen an der Theologischen Fakultät (Rothgangel, 2009, 331-333) entwickelt sich – u.a. in der gemeinsamen Gründung des Jahrbuchs für Religionspädagogik – eine freundschaftliche und produktive Zusammenarbeit mit Christoph Bizer, von 1979-2000 Inhaber des Lehrstuhls für Praktische Theologie (→ Theologie
Als schönste und wichtigste Erfahrung seines Berufslebens resümiert Biehl, „daß sich sofort ein gutes Verhältnis zu den Studierenden entwickelte und über viele Jahre Bestand hatte. Ein Grund liegt wahrscheinlich darin, daß Veranstaltungen mit Projektcharakter und dem Angebot eines gemeinsamen Erfahrungsraums eine so große Rolle spielten“ (Biehl, 1999a, 116). Berichten seiner Schüler zufolge galt Biehl im Umkehrschluss auch als beliebter Lehrer, wenngleich er sich zu distanzieren wusste und auf der persönlichen Ebene eher bedeckt hielt (Fuchs, 2018, 278-279). „Das Gespräch mit ihm bezog sich auf die Wissenschaft“ (Bizer, 2006, 2).
2. Werk und Wirken
2.1. Religionspädagogische Grundlegung
Noch vor seinem Wechsel nach Göttingen hält Biehl 1968 sein Verständnis von Religionspädagogik (→ Religionspädagogik
2.2. Beobachtungen zum Gesamtwerk
Neben der Tatsache, dass Peter Biehl keine Qualifikationsschrift vorgelegt hat – die Universität Hannover verleiht ihm 1991 die Ehrendoktorwürde (Biehl, 1991, 5; Biehl, 1999a, 118-119) – eröffnet die Sichtung seiner Publikationstätigkeit (Wiedenroth-Gabler, 2003, 421-428; Biehl/Schulz, 2006, 205-216) ein Doppeltes: Zum einen räumt er den umfänglichen Erfordernissen der Lehre, insbesondere in den Fachpraktika, Priorität ein, sie „zwangen dazu, die Arbeit an Veröffentlichungen [bis zur Emeritierung; MF] zurückzustellen“ (Biehl/Schulz, 2006, 85). Biehl betont „in Bezug auf die Hochschullehrertätigkeit neben dem Bemühen um die Profilierung der Religionspädagogik als eigenständiger Disziplin ausdrücklich den Vorrang der Praxis gegenüber der Theorieebene: Dies hat sich nach seiner Meinung konkretisiert in einer intensiven theoriegeleiteten praxisorientierten, projektartigen Arbeit mit Studierenden und in Initiativen zur Veränderung des Lehr- und Prüfungsklimas an der Hochschule“ (Wiedenroth-Gabler, 2003, 56). Allerdings ergibt die Analyse seiner Göttinger Lehrtätigkeit im Sinne einer „Wissenschaft als (Hochschul-)Lehre“ (Fuchs, 2018, 280-283;292-309), dass insbesondere die symboldidaktischen (→ Symboldidaktik
Zum zweiten ist Peter Biehls Werk zugleich untrennbarer Bestandteil der religionspädagogischen Konzeptionengeschichte (Wiedenroth-Gabler, 2003) (→ Fachdidaktische Konzeptionen
2.3. Linien symboldidaktischer Konzeptentwicklung
2.3.1. Theologisch-pädagogische Kontextualisierungen
Die Entwicklungslinien im religionspädagogischen Konzept Peter Biehls sind wiederum untrennbar mit der Prägung durch seine akademischen Lehrer verknüpft; die Verarbeitung des Fremden und Widersprüchlichen stellt für ihn ein Strukturelement religionspädagogischen Denkens dar (Biehl/Schulz, 2006, 35). „In exegetischer bzw. hermeneutischer Hinsicht versucht Biehl eine Synopse der Ansätze von Bultmann und Fuchs. Praktisch-theologisch ist er beeinflusst von Friedrich Gogartens Predigtlehre, die die reale Situation des Hörers zu berücksichtigen sucht. In religionspädagogischer Hinsicht führt das Studium bei Stock und Stallmann in die Auseinandersetzung mit dem Hermeneutischen Religionsunterricht und der darin geforderten Hermeneutik des Daseins. Und schließlich begründet in pädagogischer Hinsicht das Studium bei Spranger, Nohl und Weniger das Interesse an hermeneutischen bzw. geisteswissenschaftlich-pädagogischen Fragen“ (Fuchs, 2018, 284; Hervorhebung im Original).
2.3.2. Ausgangslagen der Symboldidaktik
In seinem als Gründungstext verstandenen (Biehl, 2001, 2074), gemeinsam mit Georg Baudler verfassten Band formuliert Biehl unter der Perspektive „Erfahrungsbezug und Symbolverständnis“ seine „Überlegungen zum Vermittlungsproblem in der Religionspädagogik“ und markiert die Notwendigkeit, „bestimmten rp Grundproblemen […] nachzugehen. Eine solche Grundaufgabe ist das Problem der Vermittlung theologischer Inhalte und gegenwärtiger Lebenssituationen“. Davon ausgehend fragt er, ob „sich das berechtigte Moment der Evangelischen Unterweisung – nämlich die Zuwendung zur Grundbefindlichkeit des Schülers – und das berechtigte Moment des hermeneutischen RU – nämlich durch eine kreative Interpretation Sinn (von Texten) zu erschließen – in einer erfahrungsbezogenen kritischen Symbolkunde aufheben [lassen]“ (Biehl, 1980, 37-38).
Biehl sieht im Religionsunterricht an öffentlichen Schulen dessen „exemplarische Bedeutung für die Aufgabe, die bestimmte Erfahrung des christlichen Glaubens kritisch auf das allgemeine Vorverständnis der Zeit zu beziehen […]. Im Mittelpunkt steht die Hilfe bei der fundamentalen Suche des Menschen nach personaler und sozialer Identität durch Identifikationsangebote anhand gegenwärtiger und überlieferter Sinnerfahrungen. Es ist zu fragen, welche Bedeutung Symbole bei diesem Prozeß haben können. In den Symbolen sind allgemeine menschliche Grunderfahrungen auf bestimmte Glaubenserfahrungen hin konzentriert; sie verweisen auf eine bestimmte Verarbeitung und Deutung psychosozialer Konflikte in konkreten Lebenssituationen“ (Biehl, 1980, 39-40; Hervorhebung im Original).
Im Vorgang der Symbolisierung kommt nun die bestehende „Entsprechung zwischen Glauben und Leben“ zum Ausdruck: „Glaubensinhalte sind durch eine Symbolstruktur gekennzeichnet. Nach dem Modell der Analogie und Differenz werden die selbstgebildeten und gesellschaftlich vermittelten Symbole im Erfahrungsbereich der Lerngruppe und die biblisch-christlichen Symbole mit ihrer Provokation in einen spannungsvollen Zusammenhang gebracht. Didaktisch gesehen geht es dabei um den Prozess wechselseitiger Erschließung, um einen ,Austausch´, bei dem den Symbolen neue Bedeutungen zugeschrieben und die Erfahrungen der Lernenden durch den Verheißungsüberschuss der Symbole vertieft und erweitert, durchbrochen und überboten werden“ (Biehl, 2001, 2075). Im Unterricht sind folglich die „dem Schüler aus der Alltagswelt geläufigen Symbole zur Geltung zu bringen, damit die provozierende, alternatives Denken auslösende Kraft der christlichen Symbole herausgearbeitet werden kann“ (Biehl, 1980, 97).
Ergänzende symboldidaktische (→ Symboldidaktik
2.3.3. Symbolmerkmale und Prozess der Bedeutungserschließung
In seinen weiteren Publikationen erläutert Biehl sein Symbolverständnis (Biehl, 1987, 481) und definiert zugehörige Merkmale (Biehl, 1986, 171; Biehl, 2001, 2076-2077), wobei „das des Verweisens bzw. der Repräsentation besonders wichtig [ist]. Als Vertretung und stellvertretende Gegenwart gewinnt es im Licht des Inkarnationsgedankens besondere Bedeutung, denn das Symbol lässt ‚Nicht-Anwesendes gegenwärtig sein!‘“ (Zimmermann, 2015, mit Verweis auf Biehl, 2001, 2077).
Angesichts der immensen hochschuldidaktischen Relevanz des Fachpraktikums als Erprobungsraum für die konzeptionelle Entwicklung (→ Fachdidaktische Konzeptionen
2.3.4. Phasenverlauf symboldidaktischer Theoriebildung
Peter Biehl mag für sich beanspruchen, chronologisch der erste Symboldidaktiker (→ Symboldidaktik
In dieser letzten Phase formuliert Biehl dann auch seine These, „wie das Zusammenspiel zwischen traditionserschließender, symboldidaktischer und problemorientierter Struktur der integrative Kern eines offenen Ensembles didaktischer Strukturen sein kann“ (Biehl/Schulz, 2006, 89; Biehl, 1996; Biehl, 2002). Damit schließt sich der Kreis, denn die Logik dessen hat Biehl bereits im Gründungstext angelegt: „Nach den ‚Wendungen‘ von einer bibel- zu einer problem- und schülerorientierten Didaktik wurde erkannt, daß diese Stichworte keine unterschiedlichen ‚Typen‘ des RU kennzeichnen, sondern vielmehr didaktische Prinzipien darstellen, die dialektisch aufeinander zu beziehen und gemeinsam in Erfahrung verwurzelt sind“ (Biehl, 1980, 37).
3. Einordnung und Würdigung
3.1. Disziplin- und zeitgeschichtliche Verortung
Eine Einordnung in die religionspädagogischen Kommunikationsprozesse von 1975-2001 zeigt, „dass nicht nur Biehl kontinuierlich nach einer grundlagentheoretischen Fundierung der Religionspädagogik als Fachwissenschaft gefragt hat. Die Religionspädagogik ist in der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts intensiv darum bemüht, auch über den bereits ausgeführten Rahmen der religionspädagogischen Konzeptentwicklung hinaus ihr Profil als Wissenschaft zu bestimmen. Dabei geht es darum, eine religionspädagogische Grundlagentheorie zu entwickeln, die problemgeschichtliche Fragestellungen mit enzyklopädischen und methodologischen verknüpft“ (Wiedenroth-Gabler, 2003, 398;246-408). Unter der Prämisse, dass die den Praxisvollzügen innewohnende Theoriebildung das Primat habe und zu explizieren sei, damit unterschiedliche Theorieansätze sinnvoll auf die Praxis bezogen werden könnten, konstatiert Biehl ein religionspädagogisches Theoriedefizit (Biehl/Schulz, 2006, 95). Lösungsperspektiven findet er in Karl Ernst Nipkows Werk, das „unbestreitbar die höchste Stufe der religionspädagogischen Reflexion darstellt. Reflexion ist nicht in dem Sinne abstrakt, dass sie keinen Ort in der Geschichte und der Gesellschaft hat. […] es geht vielmehr um das Ensemble von Kriterien, Maximen, didaktischen Leitvorstellungen und Prinzipien. Es geht um Gesellschafts-, Kirchen- und Wissenschaftsbezug sowie um die Entwicklung und Förderung von Religion. Über diese Gesichtspunkte finden wir bei Nipkow nichts Beiläufiges, sondern Grundlegendes. […] Religionspädagogisches Denken zielt auf Verständigung und Veränderung“ (Biehl/Schulz, 2006, 94; Biehl 1976; Biehl, 1999c). Angesichts der Aufgabenstellung, „das Theoriedefizit in der evangelischen Religionspädagogik auszugleichen“ (Biehl/Schulz, 2006, 94), hebt Biehl die gelingende Vermittlung von pädagogischer, theologischer und religionspädagogischer Fragestellung sowie Nipkows pluralitätsfähigen Entwurf hervor und sieht sich mit ihm eins in der Forderung, „unterschiedliche Theorieansätze in ein Zusammenspiel zu bringen“. Gleichwohl unterscheidet er dahingehend, dass er selbst die Spannung zwischen den Positionen benenne und systematisiere, während Nipkow eine weitgehende Integration der Ansätze vorantreibe (Biehl/Schulz, 2006, 95;181; Nipkow, 1998; Biehl/Nipkow, 2003). In Summe hat Peter Biehl „maßgeblich dabei mitgewirkt, der wissenschaftlichen Religionspädagogik im Kanon der theologischen und der erziehungswissenschaftlichen Fächer ein ganz eigenes Profil als Integrationswissenschaft und Grundwissenschaft zu geben, die gelebte Religion wahrnimmt“ (Biehl/Schulz, 2006, 178).
3.2. Abschließende Würdigung
In seiner Beschreibung der Göttinger Religionspädagogik konstatiert Wilhelm Gräb, ihr Vermächtnis sei „ein kulturprotestantisches Credo. Sie hatte die Vision einer Schule, die aus sich selbst heraus Unterricht in ihrer Religion veranstaltet: Unterricht im Sinne der Vermittlung von individuell und sozial tragfähigen, die symbolischen Gehalte des Christentums zentral in sich einbeziehenden Lebensdeutungen. […] Peter Biehl hat dieses Vermächtnis der Göttinger Religionspädagogik […] festgehalten. Aber es war eben doch wieder der Göttinger Peter Biehl, der zuletzt mit seiner ‚erfahrungsbezogenen, kritischen Symbolkunde‘ die Essentials der Göttinger Religionspädagogik in der religionspädagogischen Diskussion festgehalten, aktuell ausgearbeitet und in die unterrichtliche Praxis auch vermittelt hat“ (Gräb, 1999, 40-41).
Bernd Schröder würdigt ihn entsprechend als den „wohl gewichtigsten unter den Religionspädagogen, die in Göttingen gelehrt haben“ (Schröder, 2013, 111). Im Gedächtnis und Gespräch bleibt Peter Biehl als einer, der zwischen widerstreitenden (konzeptionellen) Ansätzen sinnvoll und integrierend zu vermitteln wusste. Er ist derjenige „religionspädagogische Grundlagentheoretiker“ (Rothgangel, 2006, 3) und „Systematiker“ (Meyer-Blanck, 2003, 250), an dessen Gesamtwerk sich ein „Gesprächsbeitrag zum Selbstverständnis der Religionspädagogik“ (Wiedenroth-Gabler, 2003, Vorwort) entwickeln lässt, „weil sich darin zugleich die religionspädagogische Konzeptentwicklung zwischen 1975 und 2000 spiegelt“ (Fuchs, 2018, 291). In Erinnerung bleibt er aber nicht zuletzt auch als „Lehrer im emphatischen Sinne“, der „eine Vielzahl von Lehrerinnen und Lehrern für den Religionsunterricht motiviert und befähigt“ hat (Dressler/Johannsen/Tammeus, 1999, 8).
Literaturverzeichnis
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