Deutsche Bibelgesellschaft

Andere Schreibweise: Hevila; Havilah (engl.)

(erstellt: Juni 2011)

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1. Name

Der Name Hawila (חֲוִילָה ḥǎwîlāh) wird von dem Wort חוֹל ḥôl „Sand“ abgeleitet und bedeutet „Sandland“ (→ Sand). Die LXX transkribiert den Eigennamen als Ευιλα(τ).

2. Biblische Überlieferung

2.1. Ortsname

In der „Paradiesgeographie“ Gen 2,10-14 dient die Ortsangabe Hawila dazu, den ersten der vier Paradiesflüsse, den → Pischon, zu lokalisieren. Der Pischon wird im Alten Testament sonst nicht mehr genannt und in Gen 2,10-14 ausführlicher beschrieben als die drei anderen Flüsse (Gihon, → Euphrat, → Tigris). Gen 2,11 sagt, der Pischon umfließe „das ganze Land Hawila, wo es Gold gibt“. Der folgende Vers Gen 2,12 erläutert, das Gold dieses Landes sei „gut“, außerdem gebe es dort „Bdelliumharz“ (hebr. bədolaḥ) und den „Schohamstein“ (’ævæn haššoham; vielleicht Onyx oder Karneol). Der Textabschnitt charakterisiert Hawila auf diese Weise als ein Land mit wertvollen Bodenschätzen. Der Gottesgarten Eden enthält also nicht nur Bäume mit wohlschmeckenden Früchten, den „Baum des Lebens“ und den „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ (Gen 2,8f), sondern er bewässert auch Weltgegenden, wo Luxusprodukte zu finden sind, deren Besitz erstrebenswert erscheint und deren Handel Reichtum verspricht.

Darüber hinaus dient Hawila in der Wendung „von Hawila bis Schur“ zur Umschreibung der Siedlungsgebiete der → Ismaeliter (Gen 25,18) und der → Amalekiter (1Sam 15,7 LXX). Die literarisch stilisierte Gebietsbeschreibung dient lediglich dazu, beide Völker als nomadische Gruppen zu kennzeichnen, die südlich des palästinischen Kulturlandes agierten, deren Territorien jedoch nicht bzw. nicht mehr präzise zu lokalisieren waren.

2.2. Personenname

Die Genealogien von Gen 10 und 1Chr 1, die größtenteils personifizierte Landschafts- oder Ländernamen enthalten, nennen Hawila als Sohn von → Kusch (Gen 10,7; 1Chr 1,9) und als Sohn von Joktam (Gen 10,29; 1Chr 1,23). Die doppelte Auflistung ist auffällig, weil Kusch zur Linie von Ham, Joktam jedoch zu derjenigen von Sem gehört. Die meisten Kommentare lösen die Frage literarkritisch, indem sie Gen 10,7 zur Priesterschrift und Gen 10,29 zum nichtpriesterschriftlichen Erzählfaden der biblischen Urgeschichte (Gen 1-11) rechnen. Die Doppelung könnte allerdings auch darauf zurückzuführen sein, dass Hawila vermutlich Regionen östlich und westlich des Roten Meeres, in Arabien und in Ostafrika, bezeichnet (s.u.) und demzufolge zur geographischen Zone von → Sem (Arabien, Zweistromland) und → Ham (Ägypten mit Ostafrika, Kanaan) gerechnet wurde.

3. Lage: Sandwüsten der arabischen Halbinsel und Ostafrikas

3.1. „Von Hawila bis Schur“

Mit der Bezeichnung Hawila ist in erster Linie die arabische Halbinsel bzw. der westliche, am Roten Meer gelegene Teil derselben gemeint. Heute gehört diese Region zu Saudi-Arabien und zum Jemen. Für ein solches Verständnis spricht zunächst der Name „Sandland“. Auch die Wendung „von Hawila bis Schur“ (Gen 25,18; 1Sam 15,7 LXX) lässt sich in diesem Sinn deuten. Mit Hawila / Arabien soll die östliche, mit Schur („Mauer“, Bezeichnung für die stark befestigte Grenze Ägyptens im östlichen Nildelta) die westliche Grenze des Aktionsraums nomadischer Gruppen wie der Ismaeliter und Amalekiter angegeben werden. Auf den Westteil der arabischen Halbinsel weist auch die Verbindung von Hawila mit (personifizierten) Toponymen wie → Dedan in Nordwestarabien (al-‘Ulā, N 26° 36' 29'', E 37° 55' 58'') und → Saba (Gen 10,7; 1Chr 1,9). Der Name Saba meint das Königreich der Sabäer (8.-5. Jh. v. Chr.), dessen Kerngebiet in Südwestarabien, im heutigen Jemen, lag. Nach archäologischen Erkenntnissen pflegten die Sabäer von Südwestarabien aus intensive kulturelle und wirtschaftliche Verbindungen nach Ostafrika bis in das äthiopische Hochland (Nebes; Wolf / Nowotnick). Beide Regionen, Südwestarabien und die ostafrikanischen Gebiete westlich des Roten Meeres, bildeten im 1. Jt. v. Chr. eine ökonomisch zusammenhängende Zone, die durch den Anbau und die Vermarktung von Weihrauch geprägt wurde. Dieser wurde über die „Weihrauchstraße“ von Südarabien bis ans Mittelmeer und ins Zweistromland gehandelt. Die geschilderten engen Verbindungen zwischen Südarabien und Ostafrika lassen vermuten, dass der Name Hawila, ebenso wie Saba, auch Teile der afrikanischen Ostwüste mitbezeichnet. Daraus ließe sich auch die Verbindung mit Kusch (Nubien / Äthiopien) in den konstruierten Genealogien von Gen 10 und 1Chr 1 und die Charakterisierung von Hawila als Goldland in Gen 2,11f erklären, da Nubien in der Antike für Goldfunde bekannt war.

Zur näheren Lokalisierung von Hawila wird mitunter auf den südwestarabischen Landschaftsnamen Ḫaulān verwiesen, der erstmals in altsabäischen Inschriften aus dem 1. Jt. v. Chr. belegt ist. Die Landschaftsbezeichnung scheint jedoch mehrfach südlich und nördlich von Saana, der Hauptstadt des Jemen, nachgewiesen zu sein (Niebuhr, 270.292f), so dass eine präzisere Lokalisierung von Hawila auch mit dem Hinweis auf Ḫaulān nicht möglich ist. Bemerkenswert ist lediglich, dass der Name seit dem Altertum an Teilen der arabischen Halbinsel haftet.

3.2. Hawila in der „Paradiesgeographie“

Ein eigenes Problem ist die Erwähnung von Hawila in der „Paradiesgeographie“ Gen 2,10-14. In der Nachfolge einer einflussreichen Studie von Friedrich Delitzsch aus dem Jahr 1881 werden nicht selten der Gottesgarten Eden und demzufolge auch alle in der Paradiesgeographie genannten Toponyme in Mesopotamien lokalisiert. Ausgangspunkt für diese Theorie ist – neben der Erwähnung von Euphrat und Tigris in Gen 2,14 – die Formulierung von Gen 2,8, dass Gott den Garten „im Osten“ (miqqædæm) anlegte. Zuletzt hat Manfried Dietrich versucht, die Gen 2,10-14 genannten Ortsangaben in Mesopotamien und angrenzenden Regionen zu finden. Entsprechend setzt er das Gen 2,11 genannte „Land Hawila“ nicht mit dem in anderen alttestamentlichen Texten bezeugten arabischen Hawila gleich, sondern identifiziert es mit dem in einem neuassyrischen Text des 7. Jh.s v. Chr. genannten Arali (Ḫarali)-Gebirge, das im Südosten des Iran zu suchen ist. Auch für den Pischon findet er mit dem in neuassyrischen Urkunden bezeugten Fluss Uqnû ein mesopotamisches Gegenstück. Die Theorie erscheint jedoch nicht weiterführend, da z.T. sehr unwahrscheinliche Gleichsetzungen vorgeschlagen werden. So setzt Dietrich das „Land Kusch“ (Gen 2,13) mit dem Siedlungsgebiet der Kassiten im Zagrosgebirge nördlich von Elam gleich, obwohl Kusch in biblischen und neuassyrischen Texten eindeutig die in antiken Quellen Nubien oder Äthiopien genannte Region am Oberlauf des Nil südlich von Ägypten meint. Zudem bedeutet die in Gen 2,8 gebrauchte Wendung miqqædæm nicht in jedem Fall „im Osten“, sondern kann auch „im Anfang“ oder „in alter Zeit“ heißen (Ps 74,12; Ps 77,6). Somit ist Gen 2,8 auch in dem Sinn zu deuten, dass Gott den Garten „im Anfang“ anlegte. Entsprechend wird in neueren Arbeiten meist eine symbolische Deutung der Paradiesgeographie bevorzugt (Stordalen). Angemessener erscheint die Annahme, dass es sich um eine literarisch konstruierte Geographie handelt, die verschiedene, teilweise aus anderen Erzählzusammenhängen bekannte Ortsangaben aufnimmt und sie zu einer „uranfänglichen“ Weltkarte zusammensetzt. In diesem Horizont meint Hawila in Gen 2,11 nichts anderes als in den übrigen alttestamentlichen Belegstellen: Teile der arabischen Halbinsel und die dem Roten Meer benachbarten Sandwüsten Ostafrikas, also „jenes sandbedeckte andere Ende der Welt, das Mesopotamien diametral gegenüberliegt“ (Görg 1977, 30).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992

2. Weitere Literatur

  • Delitzsch, F., 1881, Wo lag das Paradies? Eine biblisch-assyriologische Studie, Leipzig
  • Dietrich, M., 2001, Das biblische Paradies und der babylonische Tempelgarten. Überlegungen zur Lage des Gartens Eden, in: B. Janowski / B. Ego (Hgg.), Das biblische Weltbild und seine altorientalischen Kontexte (FAT 32), Tübingen, 281-323
  • Gispen, W.H., 1966, Genesis 2:10-14, in: Studia biblica et semitica (FS Th.Ch. Vriezen), Wageningen, 115-124
  • Görg, M., 1977, „Wo lag das Paradies?“. Einige Beobachtungen zu einer alten Frage, Biblische Notizen 2, 223-232
  • Görg, M., 1987, Zur Identität des Pischon, Biblische Notizen 40, 11-13
  • Hieke, T., 2003, Die Genealogien der Genesis (Herders Biblische Studien 39), Freiburg u.a.
  • Hölscher, G., 1949, Drei Erdkarten. Ein Beitrag zur Erkenntnis des hebräischen Altertums (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse, Jahrgang 1944/48, 3. Abhandlung), Heidelberg
  • Jericke, D., 2001, Königsgarten und Gottes Garten. Aspekte der Königsideologie in Genesis 2 und 3, in: C. Maier / K.-P. Jörns / R. Liwak (Hgg.), Exegese vor Ort (FS P. Welten), Leipzig, 161-176
  • Lemaire, A., 1981, Le Pays d’Eden et le Bît-Adini. Aux origines d’un mythe, Syria 58, 313-330
  • Nebes, N., 2010, Die Inschriften aus dem ’Almaqah-Tempel in ‘Addi ’Akawəh (Tigray), Zeitschrift für Orient-Archäologie 3, 214-237
  • Niebuhr, C., 1772, Beschreibung von Arabien. Aus eigenen Beobachtungen und im Lande selbst gesammelten Nachrichten, Kopenhagen
  • Staubli, T. 2003, Verortungen im Weltganzen. Die Geschlechterfolgen der Urgeschichte mit einem ikonographischen Exkurs zur Völkertafel, Bibel und Kirche 58, 20-29
  • Stordalen, T., 2000, Echoes of Eden. Genesis 2-3 and Symbolism of the Eden Garden in Biblical Hebrew Literature, Leuven
  • Stordalen, T., 2008, Heaven on Earth – Or Not? Jerusalem as Eden in Biblical Literature, in: K. Schmid / C. Riedweg (Hgg.), Beyond Eden. The Biblical Story of Paradise (Genesis 2-3) and its Reception History (FAT, 2. Reihe 34), Tübingen, 28-57
  • Wolf, P. / Nowotnick, U., 2010, Das Heiligtum des Almaqah von Meqaber Ga’ewa in Tigray / Äthiopien, Zeitschrift für Orient-Archäologie 3, 164-21

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