Deutsche Bibelgesellschaft

Königsbücher

(erstellt: August 2006)

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1. 1./2. Könige in der Bibel

1.1. Die Stellung im Kanon

In der Hebräischen Bibel stehen die Königsbücher (= 1./2.Könige) am Ende der Vorderen Propheten, gehören also zum Kanonteil Propheten (Nebiim; → Kanon). In der christlichen Tradition werden sie dagegen zu den Geschichtsbüchern gerechnet. Sie stehen hinter den → Samuelbüchern (1./2.Samuel) und ihnen folgt in der Hebräischen Bibel das → Jesajabuch, in christlichen Bibeln dagegen 1./2.Chronik.

1.2. 1./2. Könige als EIN Buch

Die Schlussmasora von 1./2.Könige, die in der Hebräischen Bibel hinter 2Kön 25,30 steht, und alte Kanonlisten zeigen (z.B. im Babylonischen Talmud Traktat Baba Batra 14b; Text Talmud), dass die beiden Königsbücher ursprünglich als ein Buch galten. Es wurde zuerst in der griechischen und dann von dort aus in der lateinischen Bibel in zwei im Umfang annähernd gleiche Bücher aufgeteilt. Diese Separierung in zwei Bücher wurde ab dem 15. Jh. n. Chr. auch in Hebräischen Bibeln eingeführt.

Die vorgenommene Trennung ist nicht sachlich bedingt, wie sich daraus ergibt, dass durch sie die Darstellung der Regierung Ahasjas von Israel auseinander gerissen wird ( 1Kön 22,52-54; 2Kön 1,1-18). Gleichzeitig zeigt jedoch 2Kön 1,1 mit der Bemerkung vom Tod Ahabs eine übergreifende Tendenz, die Bücher der Vorderen Propheten einander anzugleichen. Entsprechend beginnt das Buch Jos mit einer Bemerkung zum Tod des Mose, 2Sam mit einer solchen vom Tod → Sauls.

1.3. Name und Zählung

Die Bezeichnung der Bücher ist mit „Könige“ (Hebräische Bibel; Vulgata) bzw. „Königreiche“ (Septuaginta) in allen Bibeln identisch und richtet sich nach inhaltlichen Gesichtspunkten. Die Zählung dagegen variiert. Folgen die gängigen deutschen Übersetzungen mit der Bezeichnung 1Kön und 2Kön der Zählung der Hebräischen Bibel, bieten statt dessen die alten christlichen Bibeln die Zählung 3. und 4. Könige. Da es sich auch bei den Samuelbüchern (1./2.Samuel) inhaltlich um eine Geschichte des Königtums handelt, haben die griechischen Bibeln diese als 1./2.Könige und die folgenden Königsbücher als 3./4.Könige gezählt. Die lateinische Tradition hat daran anschließend die fortlaufende Zählung 1./2.Samuel, 3./4.Könige bevorzugt.

2. Zum Aufbau von 1./2. Könige

Inhaltlich erzählen die Königsbücher die Geschichte des Gottesvolkes schwerpunktmäßig als Königegeschichte. Sie reicht von → Salomo bis → Zedekia bzw. → Jojachin von Juda. So umfassen die Bücher einen Zeitraum von über 400 Jahren, setzen kurz vor dem Regierungsantritt Salomos ein, der in der Regel auf ca. 965 v. Chr. datiert wird, und enden mit einer Notiz aus dem 37. Jahr Jojachins von Juda im Babylonischen Exil, das wahrscheinlich auf das Jahr 561 v. Chr. anzusetzen ist. 1./2.Könige lassen sich in drei große Teile gliedern.

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2.1. Das Rahmenformular

Die Geschichte der Könige, ganz Israels, des Nordreiches Israels und des Südreiches Juda, ist durch ein Rahmenformular zu jedem König schematisiert. Es bildet das Gerüst der Königsbücher und stellt damit ein wesentliches Gliederungs- und Gestaltungselement von 1./2.Könige dar. Das Formular besteht aus stereotypen, aber teilweise leicht variierten Angaben zum Beginn (Einleitungsformular) und zum Ende der Regierung eines Königs (Abschlussformular).

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Das Einleitungsformular besteht, wie Tabelle 2 zeigt, aus maximal fünf Elementen. Die Synchrondatierung (Nr. 1) ist nur zur Zeit der getrennten Reiche möglich, also nur in 1Kön 12-2Kön 17 (18) vorhanden und erscheint erstmals bei Abija von Juda in 1Kön 15,1, letztmalig bei → Hiskia in 2Kön 18,1. Sie hat Einfluss auf die Darbietung des Stoffes. Die Geschichte der Könige zur Zeit der getrennten Reiche wird in der chronologischen Reihenfolge des jeweiligen Regierungsantritts erzählt und zwar so, dass unabhängig von der Regierungsdauer des Königs eines Reiches dessen Herrschaft abschließend behandelt wird. Danach folgen die Darstellungen über die Könige des Nachbarreichs, die während der Regierungszeit des betreffenden Königs den Thron bestiegen, bevor dessen Nachfolger an die Reihe kommt.

So wird beispielsweise ab 1Kön 12 → Jerobeam I. von Israel behandelt, dann folgen in 1Kön 14,21-15,24 mit → Rehabeam, → Abija und → Asa drei Könige von Juda hintereinander, die während seiner Regierung in Juda König wurden. Erst danach folgt mit → Nadab der Sohn und direkte Nachfolger Jerobeams und auf diesen dessen Sohn → Bascha (1Kön 15,25-16,7).

Die religiöse Beurteilung (Nr. 5) ist „das Herzstück der ganzen Darstellung“ (Kaiser 1985, 164). In vielfach stereotypen Formulierungen wird dieses Urteil gesprochen: „Er tat das Rechte in den Augen des Herrn, ganz wie sein Vater“, „er tat das Böse in den Augen des Herrn, ganz wie sein Vater“, „er hielt an der Sünde Jerobeams fest“ usw. Der jeweilige König wird entsprechend den Normen der Gottesverehrung beurteilt, wie sie im → Deuteronomium vorliegen. Vor allem ist entscheidend, ob er das Hauptgebot der ausschließlichen JHWH-Verehrung und die Forderung der Einheit der Kultstätte für den Herrn im Lande (Dtn 12 mit 1Kön 8) eingehalten hat. Erfolg und Misserfolg eines Königs werden als Lohn und Strafe für seinen Gehorsam gegenüber Gott oder Abfall von demselben interpretiert.

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Das Abschlussformular besteht aus den in Tabelle 3 genannten Elementen. Unter Nr. 1 werden insgesamt drei Quellenwerke genannt: Für Salomo wird auf ein Buch der Geschichte Salomos verwiesen (1Kön 11,41), für die Könige von Juda auf Tagebücher bzw. Annalen der Könige von Juda, für die des Nordreiches auf Tagebücher bzw. Annalen der Könige von Israel.

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Im Text der Königsbücher (nach EÜ) liest sich die Regierungsgeschichte Jotams von Juda ( 2Kön 15,32-38) und die Menahems von Israel (2Kön 15,17-22) im Raster des Rahmenformulars, wie Tabelle zeigt. Das Rahmenformular wird flexibel verwendet. So fehlt die Einleitung dort, wo eine ausführliche Thronbesteigungsgeschichte geboten wird, wie dies beispielsweise bei → Jerobeam I. (1Kön 12) oder bei Jehu (2Kön 9-10) der Fall ist. Das Abschlussformular fehlt bei Deportation des betreffenden Königs (z.B. 2Kön 17,1-6 bei → Hoschea von Israel) oder wenn eine ausführlichere Erzählung über den Tod eines Königs vorliegt (z.B. 2Kön 9,14-26 bei → Joram von Israel). Das gesamte Rahmenformular fehlt nur in einem einzigen Fall, nämlich bei → Atalja von Juda (2Kön 11,1-20), deren Herrschaft dadurch als nicht legitim charakterisiert wird.

2.2. Die Überhänge

Der Rahmen zeigt sich in 1./2.Könige nicht immer in gleicher Deutlichkeit. So gibt es einerseits Textkomplexe, die fast ausschließlich aus dem Rahmenformular bestehen (z.B. 2Kön 15), andererseits solche, in denen es kaum vorkommt (z.B. 1Kön 17-2Kön 8). Im ersten Fall ist die Darstellung nur durch kürzere Notizen wie bei den oben in den Beispielen angeführten Überhängen über das Schema hinaus angereichert ( 2Kön 15,35b.37; 2Kön 15,19-20). Diese lassen sich überwiegend in zwei Kategorien aufteilen: militärische Auseinandersetzungen und den Kult betreffende Maßnahmen. Im zweiten Fall wird das Rahmenformular durch umfangreichen Erzählungen, Berichte und andere Stoffe (Urkunden, Listen, Beschreibungen) erweitert.

2.3. Prophetische Überlieferung

Inhaltlich handelt es sich bei diesen das Rahmenformular über weite Strecken unterbrechenden Passagen vor allem um Überlieferungen von Propheten und Gottesmännern. In diesen Passagen haben 1./2.Könige ein völlig anderes Gesicht als im Gerüst des Rahmenformulars.

Das Textmaterial, das von Propheten handelt, ist seinerseits auf zwei Gruppen zu verteilen. Zum einen handelt es sich wie im Falle der → Elia- und Elisa-Überlieferungen um Textblöcke, die nur teilweise mit der eigentlichen Königegeschichte zu tun und wahrscheinlich ihre je eigene Vorgeschichte haben, zum anderen wie bei Ahija von Schilo (1Kön 11,29-39; 1Kön 14,1-18) um prophetische Auftritte, die sich an einen König richten, also mit der Geschichte des Königtums in direktem Zusammenhang stehen.

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Tabelle 5 bietet eine Übersicht der in 1./2.Könige auftretenden, namentlich eingeführten Prophetengestalten bzw. Gottesmänner. Hinzu zu rechnen sind Erzählungen über und Worte von nicht namentlich identifizierten Propheten und Gottesmännern, z.B. 1Kön 13 über einen Gottesmann aus Juda, 1Kön 20 über einen Propheten, der sich anlässlich der Aramäerkriege zur Zeit → Ahabs zu Wort meldet, und 2Kön 21,10-15 Worte von Propheten an Manasse. Von → Nathan ist abzusehen, weil er in 1Kön 1-2 ohne prophetisches Profil erscheint.

2.4. Zur Salomo-Geschichte

Auch die Salomo-Geschichte (1Kön 1-11) nimmt eine Sonderstellung innerhalb von 1./2.Könige ein. In die umfangreiche Darstellung mit ihrem Zentrum in Tempelbau und -einweihung (1Kön 6-8) sind ältere Überlieferungen unterschiedlicher Herkunft aufgenommen worden, möglicherweise eine ältere Geschichte Salomos. Auch wird besonders an 1Kön 1-2 die Frage nach der Zugehörigkeit von 1./2.Könige zu einem größeren Werk brisant, da hier ein Spannungsbogen geschlossen wird, der in 2Sam 9 mit der sog. → Thronfolgegeschichte Davids seinen Anfang genommen hat, sich also ein buchübergreifender Zusammenhang andeutet.

3. Zur Entstehung von 1./2. Könige

Wie bei den meisten Büchern der Traditionsliteratur, die im Alten Testament vorliegt, hat man auch bei 1./2.Könige mit einer komplexen und komplizierten Entstehungsgeschichte zu rechnen. Es handelt sich bei diesem Buch keinesfalls um das frei gestaltete Werk eines Autors, vielmehr sind darin offenbar schriftliche Vorlagen rezipiert. Einige dieser Quellen sind mehrfach im Rahmenformular benannt. Bei der Rückfrage hinter die Endgestalt von 1./2.Könige spielt neben dem literarischen Befund immer die These eines buchübergreifenden Zusammenhangs eine Rolle, der in der Forschung als → Deuteronomistisches Geschichtswerk (DtrG) bezeichnet wird.

3.1. Zu den Abfassungsverhältnissen

Datierung: In der heute vorliegenden Gestalt ist Terminus a quo für die Datierung des Buches das 37. Jahr Jojachins von Juda, 561 v. Chr.

Weil vom Ende des Exils nicht die Rede ist, geht man in der Regel davon aus, dass es im 6. Jh. v. Chr. abgefasst ist, noch im Exil also, je nachdem, wann man das babylonische Exil für beendet hält, vor 538 v. Chr. (sog. „Kyros-Edikt“) bzw. bis spätestens vor 515 v. Chr. (Einweihung des zweiten Tempels). Das ist aber keineswegs sicher, denn die Tatsache, dass nicht vom Ende des Exils berichtet wird, kann diese Datierung nicht tragen.

Ort: Wo die Königsbücher entstanden sind, ist in der Forschung nach wie vor eine offene Frage. Entweder denkt man sich den oder die Verfasser in Babylon (Soggin u.a.) oder in Palästina (so Noth, vgl. Göttinger Schule). Die genauere Lokalisierung in Palästina schwankt zwischen → Mizpa und → Bethel.

Verfasser: Die Verfasser sind wie so oft im biblischen Schrifttum als Traditionsliteratur anonym. Dass Jeremia der Verfasser der Königsbücher ist, weiß die jüdische Tradition (im Babylonischen Talmud Traktat Baba Batra 14b; Text Talmud). Aber diese Zuweisung dient lediglich dazu, die Bücher der Hebräischen Bibel als von Propheten verfasste Bücher zu legitimieren, wie dies auch bei 1./2.Samuel der Fall ist, und trifft auf keinen Fall zu.

Da die Verfasser das Buch Deuteronomium als Beurteilungsmaßstab an die Geschichte anlegen, werden sie Deuteronomisten (Dtr) genannt. Diese sind wohl in Jerusalemer Beamtenkreisen zu suchen. Sofern man mit einer vorexilischen Ausgabe rechnet, mag es sich tatsächlich um Beamten handeln, die exilisch-nachexilischen Deuteronomisten sind dagegen als Nachfahren dieser Kreise zu denken.

3.2. Thesen zur Entstehung von 1./2. Könige

1./2.Könige sind ursprünglich kaum für ein Großwerk konzipiert, jedoch im Blick auf den kanonischen Zusammenhang Tora und Vordere Propheten bearbeitet worden. Bestenfalls ist ein ursprünglicherer Zusammenhang mit 1./2.Samuel denkbar, kaum mit Josua- und Richterbuch.

Die Existenz einer vorexilischen Fassung von 1./2.Könige als reine Königegeschichte ist wahrscheinlich, diese ist aber wohl kaum rekonstruierbar.

1./2.Könige sind wesentlich vom Deuteronomium geprägt und von deuteronomistischen Autoren gestaltet. Mit nachdeuteronomistischen Zusätzen zum Buch ist zu rechnen.

In der Endgestalt sind die Königsbücher Bestandteil eines nachexilischen Lesezusammenhangs, der sich über die Tora und die Vorderen Propheten erstreckt.

4. Theologische Aspekte

4.1. Kultreinheit und Kulteinheit

Die Verfasser der Königsbücher beurteilen die Könige Israels und Judas nach ihrer Stellung zum Kult, und zwar ob der Kult rein gehalten und die Forderung, JHWH ausschließlich an einer Kultstätte im Lande, nämlich am Tempel von Jerusalem, zu verehren, eingehalten worden ist. Diesen Kriterien entsprechend erhalten sämtliche Könige des Nordreiches eine negative Beurteilung, weil sie an der Sünde → Jerobeams partizipiert haben, die laut 1Kön 12,26-30 in dessen Kultstiftungen in → Bethel und → Dan besteht. Damit wurde sowohl gegen die Kulteinheit (Kultstätten außerhalb Jerusalems) als auch die Kultreinheit (Kult mit „Kälbern“) verstoßen. Selbst Könige, die sich für die JHWH-Verehrung eingesetzt haben, erhalten deshalb ein negatives Urteil. So wird Jehu (2Kön 9-10) als „Eiferer für den Herrn“ (vgl. 2Kön 10,16) die Ausrottung des Baal aus Israel gut geschrieben, gleichzeitig wird er jedoch wegen seiner Fortsetzung der Sünde Jerobeams kritisiert (2Kön 10,31).

Im Südreich wird die Lage differenzierter gesehen. Hier kommt es vor allem darauf an, ob ein König die Kulteinheit am Tempel von Jerusalem durchgesetzt hat. Einigen Königen wird zwar Frömmigkeit attestiert, aber gleichzeitig offenbar als Nachlässigkeit angekreidet, nicht gegen den Kult des Volkes auf als „Höhen“ bezeichneten anderweitigen Kultplätzen eingeschritten zu sein ( 1Kön 22,44; 2Kön 12,4; 2Kön 14,4 u.ö.). Der König, der im Jerusalemer Tempel Fremdkulte zugelassen haben soll, wird negativ beurteilt, besonders positiv dagegen die Herrscher, die solche Zustände durch Kultreformen aufgehoben haben sollen. Besonders deutlich ist also der Anspruch, einzig und allein den Gott Israels zu verehren. Ob diese strenge Monolatrie als Maßstab für die Beurteilung den Monotheismus voraussetzt, ist eine offene Frage. Monotheismus im strengen Sinne ist lediglich in bestimmten Passagen des Tempelweihgebets (s. 1Kön 8,54-61) sowie der Hiskia-Jesaja-Legenden (s. 2Kön 19,15-19) zu erkennen (vgl. auch 2Kön 5,15), sonst geht es um den Anspruch der ausschließlichen Verehrung JHWHs (so auch in 1Kön 17-19).

4.2. Politisches Handeln und religiöse Beurteilung

Besonders bei den Beurteilungen der Könige von Juda lässt sich außerdem ein Zusammenhang von politischem Handeln eines Königs und seinem religiösem Urteil erkennen. Deutlich wird dieser im Zeitraum der sog. assyrischen Krise (ab Mitte des 8. Jh.s v. Chr.). Könige, die mit Assur paktiert haben oder treue Vasallen waren (→ Ahas, Manasse), werden negativ, solche aber, die gegen die Assyrer aufbegehrt haben (Hiskia und Josia), positiv beurteilt. Letzteres trifft selbst noch auf den letzten König des Nordreiches zu. Hoschea erhält in 2Kön 17,1-6 zwar wie alle seine Vorgänger ein negatives Urteil, aber angesichts der Einschränkungen doch das beste, das für einen König des Nordreiches ausgestellt wird. Die implizite Gleichung der Geschichtsschreiber scheint zu lauten: Einsatz für die rechte JHWH-Verehrung und widerstandslose Beugung unter Fremdherrschaft schließen sich aus. Für die letzten Könige Judas nach Joschija gilt diese Gleichung jedoch nicht mehr. Egal, wie sie politisch agiert haben, sie erhalten ein negatives Urteil.

4.3. Die Rollen der Propheten

Den Propheten und Gottesmännern kommen in der Geschichtsdarstellung von 1./2.Könige unterschiedliche Funktionen zu. Sie begleiten die Könige durch ihr jeweiliges Wort, sorgen mit Dynastieverheißungen, aber auch Drohungen gegen eine sich verfehlende Dynastie für Veränderungen und fordern die Einhaltung der rechten JHWH-Verehrung, vor allem den Anspruch auf die Alleinverehrung JHWHs ein.

Den Ausschließlichkeitsanspruch JHWHs vertreten vor allem die Propheten, die als Oppositionsfiguren zu den Königen fungieren, allen voran Elia. Sie mahnen die Könige zur Einhaltung der Monolatrie und verheißen den Königen bei Zuwiderhandlung das von Gott gewirkte Ende ihrer Dynastie.

Diese Drohungen bilden zusammen mit den auf sie Bezug nehmenden Erfüllungsnotizen das Schema Verheißung und Erfüllung und damit einen geschichtstheologischen Zusammenhang in 1./2.Könige. Gott gestaltet die Geschichte des Königtums bzw. seines Volkes, begleitet sie durch sein Wort und sorgt für dessen Eintreffen. In diesem Sinne geben sie dem „Funktionieren des göttlichen Wortes in der Geschichte“ (Gerhard von Rad) Ausdruck.

4.4. 1./2. Könige als theologische Reflexion über das Ende Israels

Im Zeitraum der von 1./2.Könige behandelten Geschichte ist nicht nur das Nordreich Israel untergegangen, sondern durch die Eroberung Jerusalems im Jahre 587 v. Chr. auch das Ende des Staates Juda gekommen. 1./2.Könige geben in der heute vorliegenden Fassung Antwort auf Teil 1 und 2 der Katastrophe des Gottesvolkes.

Der Untergang des Nordreiches scheint dabei im Werk wesentlich besser vorbereitet zu sein. Durch die Sünde Jerobeams, seinen grundlegenden Verstoß gegen Kultreinheit und -einheit, und das Festhalten an ihr durch alle seine Nachfolger bis Hoschea wird das göttliche Gericht über das Nordreich gerechtfertigt. Eine linear absteigende Geschichtstheologie, wie sie für 1./2.Könige vielfach postuliert wird, wird dabei im Blick auf die Könige des Nordreiches ebenso wenig wie auf die des Südreiches geboten. Mit Jerobeam I. ( 1Kön 11,26-14,20) und später Ahab (1Kön 16,29-22,40) sind zwei Könige religiös besonders schlecht beurteilt, und doch ist mit ihnen das Ende des Nordreiches keineswegs beschlossene Sache, vielmehr werden ihre Verfehlungen primär an ihrer jeweiligen Dynastie geahndet. Das Volk bzw. der Staat kommt dabei gar nicht oder nur ansatzweise in den Blick.

Noch stärker ist die Diskrepanz zwischen Herrscher und Volk bei den Königen des Südreiches. Dem Rahmenformular gemäß gab es dort gute und schlechte, rechte und böse Könige. Den religiös positiv beurteilten Königen wird aber regelmäßig (Ausnahmen sind Hiskia und Joschija) das sich durch Höhenkult verfehlende Volk negativ gegenüber gestellt. Am Ende jedoch ist es ein einziger König, der das Schicksal des Südreiches besiegelt, nämlich Manasse ( 2Kön 21,1-18). Er frevelt – so die Darstellung – in vielfältiger Weise gegen Gott, die Konsequenzen aber hat das Volk zu tragen. Selbst Joschija, unter deuteronomisch-deuteronomistischem Maßstab der ideale König (2Kön 22-23), kann diese Konsequenzen nicht mehr aufhalten, sondern nur noch verzögern. Die Darstellung Manasses ist nun sicherlich von der Joschijas abhängig. Gilt Joschija als Ideal, ist aber wenige Jahrzehnte nach ihm das Ende des Staates Juda gekommen, ergibt sich eklatanter Erklärungsbedarf. Die Antwort der (auf jeden Fall späten) Deuteronomisten lautet: Joschija kam nach Manasse zu spät, der Zorn Gottes war geweckt und auch nicht mehr durch die Kultreform Joschijas zu besänftigen.

Reform und Gegenreform bilden ein geschichtstheologisches Raster, das nicht nur das Verhältnis von Manasse und Joschija betrifft, sondern spätestens ab 2Kön 16 greifbar ist (vgl. schon 1Kön 15,12-13). Den Anfang macht Ahas mit seinen negativen kultischen Reformen, dem folgt Hiskia mit seiner eindeutig positiven Gegenreform. Manasse stellt dann wieder einen unhaltbaren Zustand her, der von Joschija beseitigt wird.

Gerade im Blick auf Joschija und das Ende des Staates Juda zeigt sich für die deuteronomistische Theologie die Kategorie des → Zorns Gottes als wesentlich. Die Ereignisse von 587 v. Chr. wie schon vorher von 722 v. Chr. waren für die Deuteronomisten nicht Zufall, nicht Ausdruck der Ohnmacht des Gottes Israels, sondern Zorngericht JHWHs über sein untreues Volk. Diese Sicht der Dinge haben sie auf die Geschichte Israels und Judas übertragen. Demnach waren Könige und/oder Volk abtrünnig, beachteten das Hauptgebot nicht und hielten sich nicht an die ausschließliche Verehrung JHWHs im Jerusalemer Tempel. Mit der Verehrung anderer Götter haben sie JHWH gekränkt, die Kränkungen weckten seinen Zorn, der Zorn strebte nach Vernichtung oder – wie es abgemildert wird – Vertreibung der Abtrünnigen.

4.5. Am Ende ohne Zukunftsperspektive?

Ob die Deuteronomisten eine Zukunftserwartung hatten, war längere Zeit heiß umstritten, weil Martin Noth das deuteronomistische Geschichtswerk als reine Bilanzierung der Katastrophe verstanden hatte. Die Deuteronomisten haben – so seine Sicht – einen endgültigen Schlussstrich unter die Geschichte des Gottesvolkes gesetzt. Nun ist es kaum denkbar, dass ein für damalige Zeit gigantisches Werk, wie es Noth postulierte, allein als negative Bilanzierung geschaffen worden ist. Andererseits ist seine Sicht richtig, dass es keine Aspekte auf Zukunft hin entfaltet. Aber das eine ist die Bilanzierung und der daraus resultierende, ausschließlich in die Vergangenheit gewendete Blick, das andere die Frage der Intention der Verfasser. Wenn sie auch vor allem negativ darlegen, was zum von Gott herbeigeführten Ende beigetragen hat, so gibt es doch auch positive Aspekte und Gestalten in ihrer Geschichtsschreibung. Und wie das Negative als Vorbild dienen kann, wie man es in Zukunft nicht machen darf, so weist das Positive implizit doch einen Weg, wie eine Zukunft Israels als Gottesvolk aussehen kann, wenn denn die Schuld abgetragen ist und die ehemaligen Verhältnisse zumindest einigermaßen wiederhergestellt sind.

5. Geschichte und Geschichtsdeutung

5.1. Übersicht über die Könige von Israel und Juda in 1./2. Könige

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Tabelle 6 listet die Könige von Israel und Juda in 1./2.Könige nach dem Regierungsantritt auf. Angegeben werden die Abschnitte in 1./2.Könige, die von der Regierung des jeweiligen Königs handeln bzw. in dessen Zeit spielen, die synchronistischen Datierungen und die Regierungszeit (immer nach dem Befund im hebräischen Text). Auf wen sich das mit Ordinalzahl angegebene Regierungsjahr bei der synchronistischen Datierung bezieht, ist durch unterschiedliche Schattierung kenntlich gemacht. Zum Namen des jeweiligen Königs ist die Ansetzung seiner Regierungszeit nach der Zeittafel von Donner 1986, 466-469, gesetzt.

5.2. Übersicht zur Chronologie

Die Synchronismen der Könige von Juda und Israel in 1./2.Könige bilden eine relative Chronologie. Wird diese mit absolut feststehenden Daten verbunden, dann hat man für jeden König die entsprechenden Jahreszahlen – sollte man meinen. Ganz so einfach ist das jedoch nicht, zumal absolute Daten äußerst rar sind! Die Chronologie der Könige von Israel und Juda zu erfassen, ist vielmehr eine Aufgabe, der sich schon etliche Generationen von Gelehrten angenommen haben. Heute scheint das Problem weitgehend gelöst zu sein, aber eben nur weitgehend, wie ein Blick auf Darstellungen der Geschichte Israels zeigt. Dass es dort nach wie vor teilweise eklatante Unterschiede in der zeitlichen Ansetzung von Königen gibt, hängt v.a. mit folgenden Schwierigkeiten zusammen.

1. Allgemein ist beim Zahlenmaterial mit falschen Angaben aus folgenden Gründen zu rechnen:

a. irrtümliche, fehlerhaft übernommene Angaben

b. Rechenfehler

c. bewusste Setzungen (z.B. bei fehlender Überlieferung; zu vermuten bei den 40 Jahren Regierungsdauer bei David und Salomo)

d. Auslassungen

2. Speziell bei der Auswertung der Synchronismen in 1./2.Könige sieht man sich vor folgende Probleme gestellt:

a. Das Nordreich Israel und Südreich Juda können zwischenzeitlich oder überhaupt einen unterschiedlichen Kalender (Frühjahrs- und Herbstkalender; Mond- und Sonnenkalender) und verschiedene chronologische Systeme verwendet haben (Datierung des ersten Jahres der Regierung eines Königs: Vordatierung = Jahr der Thronbesteigung; Nachdatierung = Jahr, das der Thronbesteigung folgte).

b. Regierungsjahre bei Mitregentschaften (s. z.B. 2Kön 15,5) können doppelt oder einfach gezählt worden sein.

c. Illegitime Königsherrschaften sind möglicherweise nicht berücksichtigt worden (s. z.B. die Regierung → Ataljas in 2Kön 11).

3. Grundsätzlich stellt sich das Problem, ob die Zahlenangaben in 1./2.Könige überhaupt auf historisch zuverlässigen Überlieferungen beruhen und für die Chronologie brauchbar sind. Je nach methodischem Ansatz greift der Zweifel in Einzelfällen oder generell.

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Wie wenig gesichert die Zahlen in den Königsbüchern sind, zeigen die teilweise abweichenden Zahlenangaben in der → Septuaginta, aber auch bei Flavius Josephus (Antiquitates Judaicae VIII.-X. Text gr. und lat. Autoren).

Die folgende Liste bietet die Zeittafeln bei Donner 1986, 466-469, Soggin 1991, 272-277, sowie im Anhang der Einheitsübersetzung (Stuttgart 2. Aufl. 1983). Die Reihenfolge folgt der Darstellung von 1./2.Könige. In zeitgenössischen außerbiblischen Quellen bezeugte Könige werden in Kursive angeführt:

5.3. Hermeneutische Fragen

5.3.1. Darstellung der Geschichte als theologische Geschichtsdeutung

1./2.Könige haben seit jeher als Hauptquelle der Geschichte Israels gedient und sie tun es auch heute noch weithin. Doch zeigt sich schon seit geraumer Zeit, dass aus ihnen kaum eine adäquate Darstellung der Geschichte Israels im von ihnen behandelten Zeitraum zu erschließen ist. Zunehmend problematisch wird der Forschung die Nachzeichnung der in 1./2.Könige gebotenen Ereignisgeschichte, und immer deutlicher wird gesehen, dass Geschichtsdarstellung und Geschichtsdeutung in 1./2.Könige eine Allianz eingegangen sind, die für den historischen Zugriff keineswegs günstig ist. Wo Geschichte Israels von Salomo bis zum Exil lediglich als um außerbiblische Zeugnisse bereicherte Paraphrase der Königsbücher betrieben wird, wird der Quellenwert von 1./2.Könige weit überschätzt. Sicherlich bieten die Bücher zahlreiche historische Informationen von unschätzbarem Wert, aber sie bieten nun einmal eine Königegeschichte unter religiösem Aspekt und basieren ihrerseits auf einer Auswahl von einschlägigen Überlieferungen, die unterschiedlichen Quellenwert haben, weil die Verfasser anders als heutige Historiker bei ihrer Auswahl eben nicht quellenkritisch vorgegangen sind. So erweist sich ihre Geschichtsdarstellung auch als von ideologischen Voraussetzungen durchsetzt. Sie messen Geschichte nach Kriterien, die ihnen selbst als religiöse Forderungen gelten, und legen diese als Maßstab an eine Vergangenheit an, die diese Forderungen noch gar nicht kannte. Dies gilt zumindest eindeutig für die Forderung der Einheit der Kultstätte (Dtn 12), die definitiv weder einem Salomo noch einem → Jerobeam I. bekannt gewesen ist.

Dass diese anachronistische Tendenz von 1./2.Könige in den älteren Darstellungen der Geschichte Israels selten deutlich wurde, hängt damit zusammen, dass man dort trotz aller kritischer Sicht letztlich die Heilsgeschichte der Tora und der Vorderen Propheten als chronologisches Darstellungsraster voraussetzte. Erst in jüngerer Zeit werden Umorientierungen in größerem Maße deutlich, die aber vor allem in der Vorgeschichte greifen.

Nun bieten 1./2.Könige zwar Geschichtsschreibung, vertraut man sich dieser aber ohne Kritik an, so kann bei der daraus resultierenden Geschichte Israels nichts anders als ein Zerrbild derselben heraus kommen. Die Probleme mit der Geschichte werden im Folgenden an drei Beispielen illustriert.

5.3.2. Dynastie Omri

Wie tendenziell und perspektivisch die Darstellung von 1./2.Könige ist, lässt sich am Beispiel der Dynastie → Omri besonders eindrücklich zeigen. Heute weiß man, dass das Nordreich Israel mit der Dynastie Omri, von Omri selbst und vor allem von seinem Sohn → Ahab, als Staat konstituiert wurde und erstmals eine Rolle auf der Bühne der Weltpolitik spielte. Doch genau davon ist in 1./2.Könige überhaupt nichts zu spüren. Der Dynastiegründer Omri wird – immerhin berichtet man von der Gründung Samarias (1Kön 16,24) – ganz knapp behandelt, der politisch und wirtschaftlich höchst erfolgreiche König Ahab aber gilt neben → Jerobeam I. und später Manasse als einer der großen Bösewichte in der Geschichte des Königtums, das politische Handeln der Omriden kommt überhaupt nicht in den Blick. Am Umgang mit der Dynastie Omri wird die judäische Perspektive, die 1./2.Könige bestimmt, deutlich. Die Bedeutung, die Israel unter den Omriden hatte, hat Juda zur Zeit des Königtums nie erreicht. Aber Juda hat das Israel der Omriden-Zeit beerbt, wie sich an der Salomo-Geschichte zeigt, wo offenbar die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Omriden-Zeit ins 10. Jh. und auf Juda / Jerusalem projiziert worden sind.

5.3.3. Salomo

Ein weiteres Beispiel zur Frage der Historizität der Darstellung betrifft Salomo: Er wird in 1./2.Könige neben David als der große Herrscher, als Tempelerbauer, als aufgrund seines Reichtums und seiner Weisheit international anerkannter König dargestellt. Außerhalb der Bibel ist der, dessen Name mit Frieden zu tun hat und dessen Herrschaft vom „Frieden“ geprägt worden sein soll, jedoch nirgendwo bezeugt, archäologische Funde, die sicher in seine Zeit datiert werden können, sind nicht vorhanden (Kinet 2001, 87-89). Und will man nicht so weit gehen und seine Existenz leugnen – es ist doch mehr als auffällig, dass die ersten drei Könige Israels programmatische Namen tragen (Saul der Erbetene, David der Liebling, Salomo der Friedvolle) –, dann wird man sich doch bei der Frage nach der Relevanz seiner Herrschaft sehr beschränken müssen. War er tatsächlich ein so großer Herrscher oder nicht vielmehr eine Art Stammeshäuptling? Hat er wirklich einen Tempel gebaut und in welcher Form? Hat es gar zu seiner Zeit eine durch die Förderung der Literatur und Künste forcierte Phase des Kulturschaffens, eine salomonische Aufklärung, gegeben, in der schon Teile der nachmaligen Tora, hier auch der sog. Jahwist, entstanden sein sollen? – Die alttestamentliche Wissenschaft wird zunehmend vorsichtiger.

5.3.4. Joram von Israel und Joram von Juda

Ein letztes Beispiel zu den Schwierigkeiten der historischen Befunderhebung: → Joram von Israel und → Joram von Juda haben nach der Darstellung der Königsbücher zeitgleich regiert und die gängige Chronologie bestätigt dieses Ergebnis. Joram von Israel (2Kön 3,1-3) soll nun ein Sohn Ahabs, Joram von Juda (2Kön 8,16-24) mit → Atalja, einer Tochter → Ahabs oder → Omris, verheiratet gewesen sein. In der Zeit der Omriden scheint Juda zeitweise von Israel abhängig gewesen zu sein, und es gibt nach Ausweis von 1./2.Könige israelitischen Einfluss auf das judäische Königtum, wie nicht zuletzt die Episode um Ataljas Regierung zeigt (2Kön 11,1-20). Zumindest war nach dem Befund von 1./2.Könige eine Prinzessin des Nordreiches Israel Mutter eines Davididen, nämlich Ahasjas von Juda. Ist es nicht erstaunlich, dass im Nord- und im Südreich in einer Zeit, in der 1./2.Könige israelitischen Einfluss auf Juda bezeugen, zwei Könige gleichen Namens zeitgleich die Throne der Nachbarreiche inne gehabt haben sollen? Sollte es sich bei Joram von Israel und Joram von Juda ursprünglich um ein und dieselbe Person handeln? Wären demnach für eine kurze Zeit (vgl. auch die in umgekehrter Reihenfolge regierenden Ahasjas) die beiden Reiche wieder vereinigt gewesen? Die durch die letztgenannte Frage angedeutete Möglichkeit sollte „wenigstens in Erwägung gezogen werden, obwohl bis jetzt jede sichere Unterlage dafür (aber auch für die traditionelle Sicht!) fehlt. Sie zeigt immerhin, wie verwickelt die Lage für den Historiker ist“ (Soggin 1991, 146).

5.3.5. Geschichte und Geschichten

Grundsätzlich wird man nach wie vor davon ausgehen können, dass die Darstellung von 1./2.Könige auf Quellen beruht. Sie mögen von unterschiedlicher historischer Qualität sein, zumindest bei den annalistischen Notizen spricht nichts gegen ihre prinzipielle Glaubwürdigkeit.

Das Problem ist damit jedoch nicht gelöst, denn nicht alle annalistisch wirkenden Notizen sind auch solche. Auch wenn es z.B. die im Rahmenformular angegebenen Annalen der Könige von Juda und der Könige von Israel gegeben haben mag – wer kann garantieren, dass der Hinweis auf die Annalen Salomos nicht diesen Angaben nachempfunden ist oder sich auf eine Vorform von 1Kön 1-11 bezieht, die gar keinen amtlichen Charakter hatte? Auch wenn z.B. kurze geschichtliche Notizen aus den angegebenen Annalen übernommen worden sind, wer kann garantieren, dass jeder Vers, der notizenhaften Charakter hat, daraus stammt? Auch wenn die Daten zu den Königen prinzipiell auf Annalen basieren, wer kann garantieren, dass bestimmte Daten nicht entstellt überliefert sind, sei es durch fehlerhafte Abschrift oder mit bestimmter Absicht?

Beispielsweise mag sich der Name der Mutter Jerobeams I. in den Annalen der Könige von Israel gefunden haben, ausgeschlossen ist jedoch, dass er dort schon auf Zerua „Aussätzige“ lautete.

Noch einmal anders stellt sich der Sachverhalt bei den erzählenden Texten dar. Die historisch-kritische Exegese ist vielfach bemüht, diese durch literarkritische Rekonstruktion nach historischem Urgestein abzuklopfen. Wie aber, wenn es sich dabei wie bei den Vätergeschichten um Geschichten, Sagen, Märchen handelt? Kann die Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte irgend einen Erfolg versprechen? Ist hier nicht das Erbe der historischen Kritik des 19. Jh.s wirksam, die zum Urgestein als dem Authentischen vorzustoßen sich bemühte? Werden damit die heute vorliegenden Erzählungen in ihrer Eigenart als literarische Gestaltungen überhaupt wahrgenommen? Die meisten der Geschichten befriedigen das historische Interesse in keiner Weise, sondern erzählen Geschichten als exilisch-nachexilische Rückschau auf die Geschichte des Königtums und die sie beendende Katastrophe.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004 (Samuel- und Königsbücher)
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
  • New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis, Grand Rapids 1997
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2. Kommentare

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  • Noth, M., 1968, Könige. 1. Teilband (BK IX/1), Neukirchen-Vluyn
  • Provan, I.W., 1997, 1 & 2 Kings (OT Guides), Sheffield
  • Rehm, M., 1979, Das Erste Buch der Könige. Ein Kommentar, Würzburg
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  • Würthwein, E., 2. Aufl. 1985, Das erste Buch der Könige. Kapitel 1-16 (ATD 11,1), Göttingen

3. Weitere Literatur

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  • Gertz, J.C. (Hg.), 2006, Grundinformation Altes Testament. Eine Einführung in Literatur, Religion und Geschichte des Alten Testaments (UTB 2745), Göttingen
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  • Kinet, D., 2001, Geschichte Israels (NEB.AT Ergänzungsband 2), Würzburg
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  • Kratz, R.G., 2000, Die Komposition der erzählenden Bücher des Alten Testaments. Grundwissen Bibelkritik (UTB 2175), Göttingen
  • Noth, M., 3. Aufl. 1967, Überlieferungsgeschichtliche Studien. Die sammelnden und bearbeitenden Geschichtswerke im Alten Testament (1943), Tübingen
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  • Pritchard, J. (Hg.), 1974, Solomon & Sheba, London
  • Rösel, H.M., 1999, Von Josua bis Jojachin. Untersuchungen zu den deuteronomistischen Geschichtsbüchern des Alten Testaments (VT.S 75), Leiden u.a.
  • Ruprecht, E., 1990, Die ursprüngliche Komposition der Hiskia-Jesaja-Erzählungen und ihre Umstrukturierung durch den Verfasser des deuteronomistischen Geschichtswerkes, ZThK 87, 33-66
  • Soggin, J.A., 1991, Einführung in die Geschichte Israels und Judas. Von den Ursprüngen bis zum Aufstand Bar Kochbas, Darmstadt
  • Spieckermann, H., 1982, Juda unter Assur in der Sargonidenzeit (FRLANT 129), Göttingen
  • Timm, S., 1982, Die Dynastie Omri. Quellen und Untersuchungen zur Geschichte Israels im 9. Jh. v. Chr. (FRLANT 124), Göttingen
  • Wälchli, S., 1999, Der weise König Salomo. Eine Studie zu den Erzählungen von der Weisheit Salomos in ihrem alttestamentlichen und altorientalischen Kontext (BWANT 141), Stuttgart u.a.
  • Zenger, E. u.a., 4. Aufl. 2001, Einleitung in das Alte Testament (Kohlhammer Studienbücher Theologie 1,1), Stuttgart
  • Zwickel, W., 1999, Der salomonische Tempel (Kulturgeschichte der antiken Welt 83), Mainz

Abbildungsverzeichnis

  • Jesaja verheißt Hiskia ein langes Leben (links: „Isaias Pro[pheta]“; rechts: „Ezechias Rex“ „König Hiskia“). Diese Verheißung haben die Kaiser des Heiligen Römischen Reichs auf sich bezogen (Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reichs; 9./10. Jh.).
  • Die Zerstörung Jerusalems (2Kön 25; Matthäus Merian d. Ä.; 17. Jh.).
  • Die Sünde Jerobeams (1Kön 12,26ff; Jean-Honoré Fragonard; 18. Jh.).
  • Die Prophetin Hulda (2Kön 22,11ff; Israelische Briefmarke; 1984).
  • Der weise König Salomo (1Kön 3,16ff; Nicolas Poussin; 1649).
  • Elia zeigt, dass nur JHWH wahrer Gott ist (1Kön 18; Holbein; 16. Jh.).
  • Der Tod der bösen Königin Isebel (2Kön 9,30ff; aus einer Bible moralisée; 15. Jh.).

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