Königtum Gottes (AT)
(erstellt: April 2012)
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Den monarchischen Strukturen altorientalischer Staaten entsprechend wurden Götter, um ihre Überlegenheit sowie ihre Fürsorge auszudrücken, metaphorisch als König bezeichnet. Auch Jhwh wurde schon in vorexilischer Zeit als in Jerusalem thronender König gepriesen. Die Vorstellung von seiner Gegenwart als Königsgott bildet sogar die zentrale Vorstellung der → Jerusalemer Tempeltheologie / Zionstheologie
1. Voraussetzung: Das Königtum als gesellschaftliche Gegebenheit
Im Alten Orient, wo sich Staaten und Gesellschaften seit historischer Zeit im Wesentlichen monarchisch organisieren, aber nicht funktional ausdifferenzieren, kommt dem König bzw. dem Königtum in nahezu jeder Hinsicht eine zentrale Bedeutung zu (→ Königtum [AT]
Dabei wird „Königtum“ hier integrativ verstanden als umfassende Bezeichnung für sämtliche mit dem Vorstellungskomplex, d.h. der Konzeption, verbundenen Aspekte: Dies beinhaltet neben der eigentlich institutionellen Dimension („Königtum“ im engeren Sinne) namentlich den räumlichen Aspekt des Herrschafts- / Machtbereichs („Königreich / Gottesreich“) und den zeitlichen Aspekt der Herrschafts- / Machtausübung („Königsherrschaft / Gottesherrschaft“).
2. Zur Terminologie
2.1. Königtum / König (Wurzel מלך)
2.1.1. Hebräische Bibel
Wie einleitend skizziert, bilden Aussagen zum Königtum Jhwhs einen Ausschnitt aus den israelitischen Königtums-Vorstellungen insgesamt: Letztere werden in erster Linie durch das Lexem מלך mlk I „König sein / werden“ mitsamt Derivaten ausgedrückt (im Folgenden kurz מלך mlk; dagegen bleiben מלך mlk II „mit sich zu Rate gehen“ / מֶלֶךְ mælækh III „Rat“ und der Eigenname מֶלֶךְ mælækh II im Folgenden ausgespart).
2.1.1.1. Belege. Die Wurzel מלך mlk zählt in der Hebräischen Bibel mit insgesamt ca. 3400 Belegen zu den häufigsten Termini (s. die Tabelle bei Soggin, 1971, 910). Vergleichsweise selten ist dagegen vom Königtum Gottes – also מלך* mlk mit Bezug auf Jhwh – die Rede: Es finden sich lediglich 13 Verbalbelege (stets Qal), und ca. 41-mal wird Jhwh nominal als מֶלֶךְ mælækh „König“ bezeichnet; hinzu kommen die Abstrakta מְלוּכָה məlûkhāh, מַלְכוּת malkhût und מַמְלָכָה mamlākhāh (/ מַמְלָכוּת mamlākhût), die jeweils „Königtum“ bedeuten und sich 15-mal auf Jhwh beziehen (s. zum Ganzen die Beleglisten bei Seybold, 1984, 947f [plus 1Chr 17,14
2.1.1.2. Bedeutung. Die semantische Grundbedeutung von מלך* mlk bringt dabei eine hierarchische Relation zwischen dem König bzw. dem Königtum und der – explizit genannten oder implizit gedachten – Vergleichsgröße zum Ausdruck, deren Pointe in der Überlegenheit (Superiorität) des Königs bzw. des Königtums besteht. Im Blick auf das Königtum Jhwhs ist festzuhalten, dass die Vergleichsgröße den himmlischen und den irdischen Bereich umfasst und näherhin vielfältig variierend gefasst werden kann (einerseits Götter, Thronrat und dergleichen, andererseits Einzelmensch, Kollektivgrößen [wie Gerechte, Israel, Völker] oder kosmische Bereiche [z.B. Berge, Inseln, Länder, Erde, All]); immer aber wird die Überlegenheit Jhwhs – mit im Einzelnen zu präzisierenden Intentionen – zum Ausdruck gebracht.
Dabei ergibt eine synoptische Auswertung der biblischen Belegstellen zum Königtum Jhwhs drei elementare Befunde:
a) In quantitativer Hinsicht handelt es sich um ein bescheidenes Belegfeld (s.o.); dies ist jedoch sorgsam von der sachlichen Bedeutung des Vorstellungskomplexes zu unterscheiden (s.u. 2.2.; 4.).
b) Die beiden wichtigsten Schwerpunkte von jhwhbezogenem מלך* mlk liegen im → Psalter
c) Die Abstraktbildungen treten durchwegs (erst) in nachexilischen Textpassagen auf (auch wenn etwa מַמְלָכָה mamlākhāh im „profanen“ Gebrauch ältere Vorläufer haben dürfte); sie sind also offensichtlich charakteristisch für die alttestamentliche Spätphase des Vorstellungskomplexes (s.u. 3.3.).
2.1.2. Inschriften
Die genannten Aspekte lassen sich durch die epigraphischen Primärtexte aus der Königszeit teilweise weiter untermauern: Grundsätzlich sind die Belege für Jhwhs Königtum – nicht zuletzt wohl auch aus materialen und literaturgeschichtlichen Gründen – äußerst spärlich, und selbst vom irdischen Königtum ist meist in stereotyper Weise (lmlk-Formel: „dem König gehörig“) die Rede.
Erwähnenswert ist der eine Verbalbeleg (Arad 88,1, Ende 7. Jh. v. Chr.) sowie das Kompositium mlk gdl „Großkönig“, das sich im fragmentarischen Kontext auf einer Elfenbeinplakette aus Nimrud findet (zweite Hälfte des 8. Jh.s v. Chr.; s. Renz / Röllig, 1995/1, 129f) und wahrscheinlich den irdischen König – also nicht Jhwh – bezeichnet.
2.1.2.1. Inschrift aus En Gedi. Der weitaus wichtigste, wenngleich fragmentarische und deswegen nicht völlig gesicherte Beleg bietet eine Höhleninschrift aus → En Gedi
(3) brk ∙ jhw[h …] (4) brk ∙ bgj[m … j]mlk … (6) brk ’dn[j] jh … (3) Gesegnet ist / sei Jhw[h …,] (4) Gesegnet ist / sei er unter den Völker[n, der] herrscht / herrschen wird als König. … (6) Gesegnet ist / sei der Her[r]; jh[…]“
Gesegnet wird also der Herr Jhwh (Z.3/6), den die Zentralaussage (Z.4) in völkerweiter Perspektive (vgl. ’šr „Assur“ Z.1) als König zeichnet; diese Konstellation lässt sich theologiegeschichtlich mit biblischen Aussagen korrelieren (s.u. 3.2.3.).
2.1.2.2. Personennamen. Das Bild ergänzen schließlich die – in einem ähnlichen Spektrum auch in der Hebräischen Bibel belegten und hier mit einbezogenen – einschlägigen theophoren Personennamen (s. Noth, 1928, 117ff.145f; Renz / Röllig, 1995/2/1, 55ff; ders., 2009, 305f; Albertz / Schmitt, 2012, 360f.581). Vorab zu nennen ist: mlkj(h)w „(mein) König ist Jh(wh)“ bzw. jhwmlk „Jh(wh) ist König“ (vgl. Parallelbildungen wie mlkj’l „König ist Gott“ oder ’dnmlk „Der Herr ist König“). Daneben stehen semantisch verwandte Herrschaftsnamen des Typs „Gottesname + Herrschaftsterminus“, d.h. vor allem jh(w) „Jhwh“, ’l „Gott“ oder ’dn „Herr“ mit rwm „sich erheben / erhaben sein“, qwm „aufstehen / hoch sein“ oder ‛lj / ‛lh „aufsteigen / hoch sein“, wobei die Reihenfolge der beiden Elemente wechseln kann.
2.2. Das weitere Wortfeld
Der relativ bescheidene Befund zum Hauptlexem מלך mlk „König sein / werden“ plus Derivate in Bezug auf Jhwh deckt nun aber, wie bereits angedeutet, nicht den gesamten Vorstellungskomplex des Königtums Jhwhs im alten Israel ab (s. dazu Janowski, 1993, 192ff; 2001, 1591; Willmes, 2004, 104ff; Leuenberger, 2004, 24ff [Lit.]). Denn eine traditionsgeschichtliche Analyse der jhwhbezogenen מלך* mlk-Aussagen in ihren literarischen (Nah)kontexten fördert ein recht umfangreiches Wort- und Vorstellungsfeld „Königtum Jhwhs“ zu Tage: Einerseits gibt es mehr oder weniger enge Parallelbegriffe zu מלך* mlk „König sein / werden“ bzw. מֶלֶךְ mælækh „König“ bzw. den Abstrakta für „Königtum“ wie etwa משׁל mšl „herrschen“ (→ Herrschaft
Die konkrete sprachliche Realisierung dieses breiten lexikalischen Vorstellungspotentials „Königtum Jhwhs“ variiert natürlich in den Texten äußerst stark und hängt eng mit der spezifischen pragmatischen Funktion im jeweiligen Entstehungs- und Verwendungskontext zusammen. Dabei werden häufig auch Verbindungen mit weiteren grundlegenden Themen wie der → Zionstradition
Im Zuge solcher bottom-up-Analysen lassen sich dann sukzessive umfassendere Konzeptionen des Königtums Jhwhs synthetisieren, die sich in ihren literarischen und historischen Kontexten beschreiben sowie in ihren diachronen Entwicklungen nachzeichnen lassen. Dabei wird rasch deutlich, dass der im erläuterten Sinn gefasste Vorstellungskomplex des Königtums Jhwhs zu den grundlegenden Gottesvorstellungen in der Religions- und Theologiegeschichte des alten Israel zählt (s.u. 4.).
3. Geschichte des Königtums Jhwhs im alten Israel
Wesentliche Etappen der Geschichte des Königtums Jhwhs im alten Israel lassen sich folgendermaßen beschreiben:
3.1. Zum altorientalischen Hintergrund und zu dessen israelitischer Rezeption
Das irdische Königtum in Israel und Juda ebenso wie das Königtum Jhwhs bilden einen Ausschnitt altorientalischer Herrschaftsvorstellungen und lassen sich historisch bzw. religions- und theologiegeschichtlich nur vor diesem Hintergrund bzw. innerhalb dieser Konzeptionen verstehen.
Sakrales Königtum. Zum Einen ordnet das sakrale Königtum (divine kingship) mehr oder weniger umfassend die gesamte Welt. Wiewohl die Rekonstruktion der sog. altorientalischen Königsideologie forschungsgeschichtlich kontrovers beurteilt wird und zahlreiche historische wie regionale Unterschiede und Transformationen bestehen, lässt sich die charakteristische Rahmenvorstellung vereinfacht wie folgt umreißen (→ Königtum [Ägypten]
Das Königtum wird dem König von göttlicher Seite (oft auch kultdramatisch im Neujahrsfest) verliehen; dies bringt nicht nur eine massiv formulierte Hoheitsstellung mit sich (sog. Hofstil), sondern ermächtigt und verpflichtet den König zugleich dazu, eine militärisch-politische, kultisch-religiöse, sozial-ethische und kosmisch-naturhafte Gerechtigkeitsordnung durchzusetzen.
3.2. Die Jerusalemer Tempeltheologie der Staatszeit
3.2.1. Der Kerubenthroner
Gleichsam ein Bindeglied zwischen Kanaan und Israel stellt wahrscheinlich der Titel „Kerubenthroner“ dar (יֹשֵׁב הַכְּרֻבִים jošev hakkəruvim; Ladeerzählung: 1Sam 4,4
3.2.2. Zur vorisraelitischen Jerusalemer Kulttradition
Damit ist das forschungsgeschichtlich nach wie vor kontroverse Thema der vorisraelitischen Jerusalemer Kulttradition(en) angesprochen, das hier nicht näher entfaltet werden kann (s. dazu Hartenstein, Unzugänglichkeit, 3ff; Keel, 2007, 111ff; Leuenberger, 2012c, Kap. III.2.a [Lit.]). Es genügt hier der doppelte Hinweis, dass sich einerseits aus den alttestamentlichen, epigraphischen und ikonographischen Quellen keine konkreten Elemente zum Vorstellungskomplex des Königtums Gottes im vorisraelitischen Jerusalem gewinnen lassen, dass jedoch andererseits die späteren staatszeitlichen Befunde und Entwicklungen in Jerusalem schwerlich ohne die Annahme einer grundlegenden Kontinuität zum spätbronze- / früheisenzeitlichen, „kanaanäisch-jebusitischen“ Jerusalem zu verstehen sind. Als ikonographisches Beispiel sei eine um 700 datierende Terrakotta wohl aus Tell Bēt Mirsim (Koordinaten: 1415.0960; N 31° 27' 21'', E 34° 54' 37''
3.2.3. Die staatszeitliche Jhwh-König-Konzeption in Jerusalem
3.2.3.1. Datierung in die Königszeit. Deutlicher greifen lässt sich die Vorstellung vom Königtum Jhwhs erstmals in der mittleren Königszeit im späten 8. Jh. v. Chr. Dass dem so ist, hängt eng mit den historischen Entwicklungen in der zweiten Hälfte des 8. Jh.s zusammen, die wahrscheinlich die literarische Produktion in Israel und Juda wesentlich beförderten; diese mag textlich namentlich etwa Jhwh-König-Psalmen (Ps 24
Wegen des tempelzentrierten, relativ langzeitigen und „erfahrungsresistenten“ Charakters der Konzeption dürften die Konturen jedoch auch schon für die frühere Königszeit (10.-8. Jh. v. Chr.) grob zutreffen, was auch der in den ältesten Jesajatexten belegte kritische Traditionsrückgriff nahelegt (vgl. besonders Jes 6
3.2.3.2. Verortung in Jerusalem. Die Vorstellung, dass der Königsgott Jhwh im Tempel auf dem Zion zu Jerusalem wohnt und thront, stellt das charakteristische, bipolare Basisaxiom der Jerusalemer Tempeltheologie dar.
3.2.3.2.1. Jhwh ist König / ist König geworden. Den einen Pol bildet die soziomorphe Gottesvorstellung, die sich in der sog. Themaformel יהוה מָלָךְ Jhwh mālākh „Jhwh hat die Königsherrschaft angetreten und herrscht als König“ am prägnantesten verdichtet hat (zusammengesetzter x-qatal-Verbalsatz; Ps 93,1
3.2.3.2.2. Das Zentrum der Königsherrschaft Jhwhs. Den anderen Pol stellt Zion-Jerusalem, worauf bereits die מלך*-Belege von Jhwh nahezu durchwegs bezogen sind, als Ort der besonderen Gottespräsenz dar: Es handelt sich um die ewige Gottesstadt, die das kosmische und politische Weltzentrum bildet (so insbesondere die Zion-Psalmen Ps 46
Der Königsgott Jhwh wird somit als permanent anwesender deus praesens charakterisiert (der nicht nur punktuell-dynamisch erscheint), und er wird raumbezogen als Stadt- bzw. Ortsgott verstanden (der also nicht primär personenbezogen ist wie z.B. der Gott Israels). Das hierbei implizierte Weltbild lässt sich – mit exemplarischen Textbelegen versehen – wie in Abb. 7 skizzieren (s. zum Ganzen Janowski, 2005, 1409ff [Lit.]; Leuenberger, 2012c, Kap. 3.2.b).
3.2.3.2.3. Die Ausdehnung der Königsherrschaft Jhwhs. Von besonderem Interesse ist die Ausdehnung des Königtums Jhwhs, die vielfältig variiert (s.o. 2.1.1.), aber von Haus aus Himmel und Erde umfasst (wie es entsprechend etwa der Schamasch, Marduk u.a. Göttern verliehene Titel „König des Himmels und der Erde“ [šar šamê u erṣeti(m)] komprimiert ausdrückt; anders Kreuzer, 1992 und 1995). Im himmlischen Bereich ist einmal der bekannte Titel Jhwh → Zebaoth
Sodann wird Jhwh auch als (großer) König der Götter prädiziert (מֶלֶךְ גָּדוֹל עַל־כָּל־אֱלֹהִים mælækh gādôl ‘al-kål-’älohîm Ps 95,3
Im irdischen Bereich gilt es vorab die genuin universale Erstreckung der Königsherrschaft herauszustellen, die für die Jerusalemer Tempeltheologie charakteristisch ist: „Kosmisch“ spannt sich Jhwhs Königtum „über die ganze Erde“ (כָּל־הָאָרֶץ kål hā’āræṣ; Ps 47,3
Damit korrespondiert „großpolitisch“ exakt das Königtum Jhwhs „über die Völker“ (גּוֹיִם gôjim Ps 47,9
3.2.3.2.4. Der zeitliche Rahmen der Königsherrschaft Jhwhs. In Entsprechung zum räumlichen Universalismus wird Jhwhs Königtum auch eine temporale Umfassendheit zugeschrieben: Es besteht seit je (מֵאָז me’āz / מֵעוֹלָם me‘ôlām Ps 93,2
Innerhalb dieses Schöpfungsrahmens vollziehen sich dann die geschichtlichen Realisierungen des Königtums Jhwhs wie die Herrschaft über die Völker (s.o.) oder die Durchsetzung einer Rechts- und Gerechtigkeitsordnung, die neben der kosmischen und politischen zunehmend auch eine kultische und sozial-ethische bzw. elementar-lebensversorgende Dimension gewinnt (s.u. 3.3.3.).
Damit sind die wesentlichen Konturen der „klassischen“ Konzeption des Königtums Jhwhs erfasst, welche – trotz manch diachronen Entwicklungen im Einzelnen (s.o.) – die offizielle Jerusalemer Tempeltheologie der Staatszeit aufs Ganze kennzeichnen.
3.3. Exilisch-nachexilische Transformationen
Die Symbiose von menschlichem und göttlichem Königtum in der offiziellen Theologie der Staatszeit zerbrach mit dem Untergang der Staaten Israel und Juda. Dies zeitigte auch für das bisher präsentisch verstandene Königtum Jhwhs einschneidende Konsequenzen: Die eindringliche Frage „Ist Jhwh nicht mehr in Zion oder ihr König nicht mehr in ihr?“ (Jer 8,19
3.3.1. Die künftige weltweite Königsherrschaft Jhwhs für Israel bei Deuterojesaja
Die konsequenteste und imposanteste Reformulierung bietet → Deuterojesaja
Durch die Integration in das Jesajabuch ergibt sich eine neue Dynamik: Die exilische Problematisierung wird durch die Abfolge von präsentischem Königtum Jhwhs (Jes 6
3.3.2. Die eschatologisch-apokalyptische Traditionsströmung
In nachexilischer Zeit markiert die Hoffnung auf eine künftige – mehr oder weniger nahe bzw. ferne – Durchsetzung der Königsherrschaft Jhwhs eine zentrale Strömung, die vor allem in deuteronomistischen, prophetischen und apokalyptischen Schriften vielfach weiter tradiert und transformiert wird (→ Apokalyptik
3.3.2.1. Jesajabuch. Zunächst sei nachgetragen, dass auch im → Jesajabuch
3.3.2.2. Zwölfprophetenbuch. Als sachliche Parallele dazu präsentieren sich die Befunde im Zwölfprophetenbuch, wo Herrschaftsverheißungen zur unmittelbaren oder mit einem irdischen Herrscher kombinierten Königsherrschaft Jhwhs eine (diachron mehrphasig entstandene) prominente Themalinie konstituieren, die für die Gesamtkomposition von hohem Gewicht ist (s. bes. Mi 2,12f
3.3.2.3. Apokalyptisches Schrifttum. Hier lässt sich dann die weitere Entwicklung im apokalyptischen Schrifttum unmittelbar anschließen. Die Thematik steht explizit nie im Zentrum, doch wird Jhwh nicht selten als König tituliert und an der (weltlichen) Durchsetzung seines Königtums gegen weltliche Widerstände ganz unterschiedlicher Art konsequent festgehalten – letztlich um der Gottheit Gottes willen (s. im Einzelnen Camponovo, 1984, 230ff; Lindemann, 1986, 196ff; Collins, 1987, 88ff).
3.3.3. Die theokratische Traditionsströmung
Die andere zentrale Hauptströmung der nachexilischen Zeit ist die theokratische. Sie sieht Jhwhs Königtum bereits in der – positiv-heilvoll qualifizierten – Gegenwart (mehr oder weniger umfassend) verwirklicht (s. dazu Dörrfuss, → Theokratie
3.3.3.1. Chronistisches Geschichtswerk. Neben der → Priesterschrift
3.3.3.2. Danielerzählungen. Eine parallele Konstellation bieten auch die (aramäischen) Danielerzählungen (Dan 1-6
3.3.3.3. Psalter. Schließlich ist der sich in nachexilischer Zeit sukzessive formierende → Psalter
V. 1 Ich will dich erhöhen, mein Gott und König, / und deinen Namen loben für immer und ewig. (…) V.13 Dein „Reich“ ist ein „Reich“ für alle Zeiten, / und deine Herrschaft währt von jedem Geschlecht zu Geschlecht.
Der Beter preist Jhwh neu als seinen persönlichen Gott und König (vgl. Ps 5,3
3.3.4. Ausblick auf weitere frühjüdische und neutestamentliche Schriften
Die beiden skizzierten Optionen eines theokratisch-gegenwartsbezogenen und eines eschatologisch-zukunftsbezogenen Königtums Jhwhs bilden natürlich idealtypische Modelle, zwischen denen es in den literarischen Corpora de facto zahlreiche Mittelpositionen gibt. Diese theokratisch-eschatologischen Mischformen mit ihren vielschichtigen Schattierungen lassen sich in den frühjüdischen Schriften breit verfolgen (s. bes. Camponovo, 1984, die Beiträge in Hengel / Schwemer [Hgg.], 1991 und zu Qumran Leuenberger, 2012b [Lit.]). Das prominenteste Beispiel stellt bekanntlich das im Zentrum der Verkündigung Jesu von Nazareth stehende → Reich Gottes
4. Zur theologischen Bedeutung der Vorstellung vom Königtum Jhwhs
Die Vorstellung vom Königtum Jhwhs bzw. von der Königsherrschaft Gottes zählt (trotz der bescheidenen Belegbasis von jhwhbezogenem מלך* mlk* in der Hebräischen Bibel) zu den basalen Theologumena der Bibel, wie der ausgesprochen weite traditionsgeschichtliche Durchgang in Kap. 2 nicht nur für die Staatszeit, sondern auch für die eschatologischen und theokratischen Traditionsströmungen, welche in der Literatur aus der Zeit des zweiten Tempels unter Einschluss der synoptischen Evangelien dominant sind, skizziert hat.
Wenn die Hebräische Bibel aufs Ganze von der beziehungsvollen Geschichte Jhwhs mit Israel im Kreis der Völker (unter Einschluss des Individuums) in der Geschichte der Welt handelt, dann kann die Vorstellung von Jhwhs Königtum als eine exemplarische – und zumindest in der alten Welt unentbehrliche – Konkretion gelten. Die soziomorphe Metaphorik bestimmt die Relation des Königs Jhwh und seiner Herrschaft zur Götter- und Menschenwelt prägnant als zweiseitiges, aber eben hierarchisch-asymmetrisches und nicht paritätisch-symmetrisches Verhältnis: Die Überlegenheit Jhwhs und seiner Herrschaft wird verbalisiert und sprachlich zum Ausdruck gebracht; dabei handelt es sich – wie immer man die pragmatische Funktion der Metaphern im Einzelfall bestimmt – in der Regel um das sprechende Subjekt mit einbeziehende hymnische Prädikationen in poetischer Sprache und nicht um „objektive“ Aussagen in deskriptiver Sprache.
Hermeneutisch und theologisch leistet die soziomorphe Grundmetapher des Königtums Jhwhs auf diese Weise eine religiöse Symbolisierung der (Himmel und Erde umfassenden) Wirklichkeit, die sich für die biblischen Autoren als unentbehrlich erwiesen hat – und wohl auch in der (post)modernen Welt auf theologisch unaufgebbare Dimensionen des Gottesverhältnisses aufmerksam macht.
Literaturverzeichnis
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Abbildungsverzeichnis
- König Sethos I. – kniend mit Krone und Krummszepter – wird von dem Gott Amon gekrönt und mit dem Lebenszeichen gesegnet (Karnak; 14. Jh.). Aus: R. Lepsius, Denkmäler aus Ägypten und Athiopien, Berlin 1849-1858, Bd. VI, Taf. 124d
- König Ahiram von Byblos thront auf einem Kerubenthron (Sarkophag Ahirams; um 1000 v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Der thronende Gott Schamasch stattet König Hammurabi, der ihn grüßt / segnet, mit den Herrschaftsinsignien des Stabs und des Rings aus (Babylonien; 18. Jh.). Aus: Wikimedia Commons; © public domain; Zugriff 30.10.2009
- Der babylonische König Nabuaplaiddina, die Rechte zum Segensgruß erhoben, wird von Schutzgottheiten vor den Sonnengott Schamasch geführt, der über dem Himmelsozean thront (Bauurkunde; 9. Jh. v. Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Thron(wagen) mit einem Götterpaar (BIBEL+ORIENT Datenbank Online
). Aus: O. Keel / Chr. Uehlinger, Götter, Göttinnen und Gottessymbole (QD 134), Freiburg 5. Aufl. 2001, Abb. 395; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz - Leerer Thron unter einer geflügelten Sonnenscheibe (Siegel; 9. Jh. v. Chr.). Aus: Keel, Geschichte, 2007, 304 Abb. 191; © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
- Das Weltbild der Jerusalemer Tempeltheologie mit Jhwh als Königsgott. © Martin Leuenberger
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