Deutsche Bibelgesellschaft

Kusch / Kuschiter

Andere Schreibweise: Cush; Cushites

(erstellt: August 2022)

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1. Einleitung

Kusch / Kuschiter 01
Kusch (hebräisch כּוּשׁ kûš) bezeichnet im Alten Testament eine Region, in der die Volksgruppe der Kuschiter ansässig ist. Als geographische Bezeichnung wird sie zumeist synonym für Nubien verwendet, das sich auf den Süden Ägyptens und den Norden des Sudan, südlich des zweiten Nilkatarakts, erstreckt. Als pars pro toto kann Kusch auch für ganz Afrika stehen (weitere topographische Gleichsetzungen s.u.). In den Bibelübersetzungen und der Literatur werden bisweilen Kusch, Nubien und Äthiopien vermengt, wobei Kusch der im Hebräischen verwendete Begriff für die Region und ihre Einwohner, Äthiopien hingegen die gängige griechische Bezeichnung der Region darstellt. Die sonst geläufige geographische Bezeichnung Nubien stammt von den erst später dort ansässigen Noba. Im Griechischen der → Septuaginta wird Kusch konsequent als Αιθιοπία Aithiopia wiedergegeben. Zu unterscheiden sind „Kuschiter“ als Begriff des AT von der heute als Kuschiten bezeichneten ethnisch und sprachlich zusammengehörigen Gruppe am Horn von Afrika, die meist, aber nicht immer zusammenfallen müssen.

2. Historischer Überblick

Kusch / Kuschiter 02
Kusch / Kuschiter 03
Das Reich der Kuschiten entsteht etwa zeitgleich mit dem der Ägypter. Das Verhältnis ist teils von Handel und friedlichem Nebeneinander, teils von gegenseitiger Rivalität geprägt. Die Geschichte der Kuschiten selbst lässt sich nach heutigem Wissensstand in folgende Epochen einordnen: 1) In Obernubien ist schon seit 3500 v. Chr. die zwischen ca. 2500-1500 v. Chr. aufblühende Kerma-Kultur nachweisbar, die teils als kuschitisch, teils als vorkuschitisch angesetzt wird (zur Vielfalt ansässiger Gruppen s. Raue 2019a). 2) Zwischen 1188-760 v. Chr. fällt die Konsolidierung des kuschitischen Reiches und Loslösung aus der Abhängigkeit von Ägypten (in diese Epoche fällt auch die Expansion des el-Kurru-Reiches). 3) Kusch, mit der Hauptstadt Napata, übernimmt 760-656 v. Chr. die Oberherrschaft über Ägypten während der 25. Dyn. Diese wird daher auch als → Kuschitenzeit, bisweilen auch als „Äthiopienzeit Ägyptens“ bezeichnet (Lanczkowski 2001, 105). Neuere archäologische Untersuchungen legen nahe, dass das kuschitische Reich sich in dieser Zeit weit über das 5. Katarakt hinaus erstreckte (Török 1997). 4) Rückeroberung durch Ägypten (mit Hilfe der Assyrer 664 v. Chr.) und Ende der Napata-Dynastie um 656-270 v. Chr. 5) Das nachfolgende Meroitische Reich, welches nach der neuen Hauptstadt Meroë benannt ist, besteht von 270 v. Chr. bis ins 3. nachchristliche Jahrhundert, in dem es durch wiederholte Angriffe durch das aksumitische Reich immer weiter geschwächt wird und schließlich zerfällt.

3. Kusch und die Kuschiter im AT

3.1. Begrifflichkeit

Etymologisch geht Kusch auf ägyptisch Kš / Kꜣš zurück – wobei die Ägypter es auch bezugnehmend auf die bevorzugte Waffe der Nubier als Tꜣ stj / Ta Seti ‚Land des Bogens‘ bezeichnen, oder schlicht als Tꜣ nḥsj ‚Südland‘ (Burrell 2020, 63; Török 1997, 3) – und ist damit eine Fremdbezeichnung. Im AT erscheint das Toponym Kusch (kûš oder ’æræṣ kûš) 29 mal (Gen 2,13; Gen 10,6-8; 2Kön 19,9; Jes 11,11; Jes 18,1; Jes 20,3-5; Jes 37,9; Jes 43,3; Jes 45,14; Jer 46,9; Ez 29,10; Ez 30,4-5.9; Ez 38,5; Nah 3,9; Zef 3,10; Ps 68,32; Ps 87,4; Hi 28,29; Est 1,1; Est 8,9; 1Chr 1,8-10) mit unterschiedlicher Situierung (s. 3.2). Als nomen populi tritt Kusch in der Völkerliste Gen 10,6-8 auf (vgl. 1Chr 1,8-10), die zum großen Teil aus personifizierten Ländernamen besteht, und nimmt dort neben Ägypten, Puṭ (→ Libyen / Libyer) und → Kanaan die Rolle des Ältesten unter den Söhnen des → Ham ein. Daneben tritt es als Pluralform kûšîm in Am 9,7; 2Chr 12,3; 2Chr 14,11-12; 2Chr 16,8; 2Chr 21,16; Dan 11,44 auf.

Das nominalisierte Adjektiv kûšî kann als Eigenname oder Gentilizium fungieren, wobei manche Fälle nicht eindeutig kategorisierbar sind (Jer 36,14; Jer 38,10.12; Jer 39,16; Zef 1,1). Als Eigenname ist kûšî auch inschriftlich belegt (Ilan 2002, 182). Sicher als Gentilizium zu verstehen (da mit Artikel versehen) sind die Belege Num 12,1 (‚die Kuschiterin‘), 2Sam 18,21-23.31-32; Jer 13,23; 2Chr 14,8; als Eigenname wohl Ps 7,1, hier wird ein Benjaminit mit diesem Namen bedacht.

3.2. Die Lage der Region Kusch im AT

In der Verheißung für Jerusalem und die Völker (Zef 3,10: „Von jenseits der Ströme von Kusch bringen mir meine Verehrer dann als Gabe die Gemeinde meiner Verstreuten“) ebenso wie im Jesajabuch ist es Sitz einer jüdischen → Diaspora (Jes 11,11; s. Sadler 2005, 46-47). Dort und anderenorts wird es auch im Zusammenhang mit Ägypten (Jes 20,3-5; Jes 43,3; Jes 45,14; Ez 30,4.9; Ez 38,5; Nah 3,9; Ps 68,32; dazu auch der Beleg mit Ethnonym in 2Chr 12,3), mit Pûṭ (Jer 46,9; Ez 30,5; Ez 38,5; 1Chr 1,8), mit Scheba / Saba (Jes 43,3; Jes 45,14) oder mit → Hawila (Gen 10,7; 1Chr 1,9) erwähnt. Eindeutig mit Nubien identifizierbar erscheint es in Ez 29,10 als südliches Grenzland zu Ägypten. Als Herrschaftsgebiet des Königs Tirhaka bzw. Taharqa wird es in Jes 37,9 und 2Kön 19,9 eingeführt („Dann erfuhr Sanherib, dass Tirhaka, der König von Kusch, zum Kampf gegen ihn heranzog“), was insofern bemerkenswert ist, da dieser einer unter den nur vier namentlich genannten Pharaonen im AT ist (→ Taharqo).

Als Teil des persischen Großreiches unter → Xerxes I. erscheint Kusch in Est 1,1; Est 8,9. Diesen Belegen gemeinsam ist, dass Kusch als geographische Größe den Rand der bekannten Welt markiert und sich gut nach Nubien verorten lässt. Dazu fügt sich auch der Beleg in Hi 28,19 ein, in dem Kusch als Herkunftsland von Edelsteinen auftaucht (s. 3.3.3).

Je nach historischem Bezug kann es (gerade in der Kuschitenzeit) auch generalisierend zugleich für Ägypten und Nubien stehen.

Unklar ist der mythologische Beleg in der Schöpfungsgeschichte (Gen 2,13), wo der Paradiesfluss Gihon das Land Kusch umfließt. Dass Hawila sowohl als Sohn von Kusch (Gen 10,7; 1Chr 1,9) als auch als Sohn von Joktan (Gen 10,29; 1Chr 1,23) genealogisiert wird, ist damit zu erklären, dass die Völkerliste aus verschiedenen literarischen Schichten zusammengesetzt ist (→ Völkertafel).

Eine wohl unabhängige Erzähltradition innerhalb der Völkerliste liegt mit der Nimroderzählung vor, die auch thematisch nicht recht in den Kontext der Völkerliste passt. Nimrod wird hier als Sohn von Kusch eingeführt, dem personifizierten Stammvater der Kuschiter. Dieser gründet ein Reich, dessen Kerngebiete Babel, Erech, Akkad und Kalne im Land Schinar liegen (Gen 10,10; vgl. 1Chr 1,10). Auch an anderer Stelle wird das Land Nimrods mit Assyrien gleichgesetzt (Mi 5,6), so dass kein Zweifel bestehen kann, dass hier von → Mesopotamien die Rede ist.

Verschiedene Lösungen wurden dazu vorgeschlagen: Levin (2002) geht von einem Schreibfehler bzw. einer Verwechslung von Kusch mit Kisch aus (die babylonische Sargonidendynastie verwendete den Königstitel „König von Kisch“). Ebenso wurde eine Verwechslung mit den benachbarten Kassitern angenommen (Hidal 1997 u.a.; s. Burrell 2020, 148; Balogh 2011, 163). Ein neuer Ansatz von Burrell erklärt die Doppeldeutigkeit des Kuschitenbegriffs (der sich später in der Verwechslung von Indien und Äthiopien fortsetzen sollte) mit der Region Meluḫḫa (ein Name, der in den → Amarnabriefen [Klengel 1977] und in akkadischen Quellen für Kusch bzw. Nubien gebraucht wird). Anhand altbabylonischer / sumerischer Quellen einerseits und spätassyrischer Quellen andererseits kann ein geographischer Bedeutungswandel nachvollzogen werden: während die älteren Quellen damit eine Region am Persischen Golf entlang der Küste des Indischen Ozeans bezeichnen, verwenden spätere Quellen den Namen ausschließlich zur Bezeichnung Ägyptens, Nubiens und Äthiopiens (Burrell 2020, 153).

Eine umstrittene Verbindung wurde zwischen כושׁ kwš und Kuschan כושׁן kwšn (vgl. Hab 3,7: „Ich sehe die Hütten von Kuschan in Not und die Zelte Midians beben“) hergestellt, auch um damit das Problem der undurchsichtigen Identität der kuschitischen Frau von Mose aufzulösen (Num 12,1: „Da redeten Mirjam und Aaron gegen Mose um seiner Frau willen, der Kuschiterin, die er genommen hatte. Er hatte sich nämlich eine kuschitische Frau genommen“). Die Frage, vor die sich die Kommentatoren seit der Antike gestellt sahen, ist das Verhältnis der „Kuschiterin“ zu seiner in Ex 2,16-22 genannten Frau → Zippora, der Tochter des Midianiters → Jitro. Bereits Josephus (Ant. II,10; Text gr. und lat. Autoren) vertrat, wie die meisten modernen Kommentatoren, die Ansicht, dass es sich um zwei verschiedene Frauen handeln müsse (die Kuschiterin ist bei ihm die Tochter des äthiopischen Königs). Eine andere Interpretation setzt die beiden – und damit „midianitisch“ und „kuschitisch“ – gleich (u.a. Shinan 1978).

In 2Chr 21,16 („Philister und Araber, die neben den Kuschitern wohnen“) könnte ‘al-jad kûšîm ebenso mit „unter der Führung / Hand der Kuschiter“ (zur Zeit Jehorams) übersetzt werden, da dies auch in anderen Fällen der Chronik eine mögliche Übersetzung ist (vgl. 1Chr 25,2; 1Chr 26,28; 1Chr 29,8; 2Chr 12,10; 2Chr 26,11.13; 2Chr 34,10.17; Burrell 2020, 248; Sadler 2005, 129-130). Andererseits könnte Kusch hier auch stellvertretend für Kuschan stehen (Schipper 1999, 138). Nicht weiter lokalisierbar ist das Kusch des Psalmisten: „Ich zähle Ägypten und Babel zu denen, die mich kennen, auch die Philister und Tyrer samt den Kuschitern“ (Ps 87,4).

3.3. Symbolik der Kuschiter im AT

Die Belege lassen sich nach Bailey (Bailey 1991, 172-174; ihm folgend Sadler 2005; Burrell 2020; Crawford 2021) unter verschiedenen Gesichtspunkten zusammenführen:

1) Kuschiter als Symbol physischer Stärke und militärischer Macht,

2) als Vergleichsmaßstab bzw. tertium comparationis für die Israeliten

3) und als Symbol für Reichtum in früher nachexilischer Literatur.

3.3.1. Kuschiter als Symbol physischer Stärke und militärischer Macht

Hier können neben 2Chr 12,13; 2Chr 14,9; 2Chr 16,8; 2Chr 21,16 und Jes 46,9 auch die Stellen angeführt werden, in denen von der außerordentlichen Schnelligkeit der Kuschiter die Rede ist (vgl. 2Sam 18; Jes 18,1), die sogar archäologisch auf der sog. Lauf-Stele des Königs Taharqa nachgewiesen werden konnte (Decker 1984; Malamat 2001, 263-264).

Die Kuschiter unterstützten nicht nur die Streitkraft der Ägypter in verschiedenen Epochen der biblischen Geschichte (2Chr; Jes 20; Jes 43), sondern kämpften auch aufseiten der Judäer (2Sam 18) oder in eigenständigen Verbänden (2Kön 19; Jes 37; Jer 46,9 behandelt in den Fremdvölkersprüchen Kusch u.a. neben Ägypten und zeugt damit von der von Ägypten unabhängigen militärischen / politischen Größe der Kuschiter).

Die Streitkraft der Kuschiter wird an einigen Passagen als verlängerter Arm JHWHs stilisiert (2Kön 19,19; 2Chr 12: → Scheschonqs Angriff auf Jerusalem als Strafe für den Treuebruch durch → Rehabeam und das Volk; 2Chr 21,16-17: die → Philister und Araber fallen unter den Kuschitern in Jerusalem ein, um Jorams Untreue JHWH gegenüber in seinem „Auftrag“ zu rächen; Jes 37), an anderer Stelle als warnendes Sinnbild für gottvergessenes Vertrauen auf menschliche Stärke (Jes 20,5: „Und sie werden erschrecken in Juda und zuschanden werden wegen der Kuschiter, auf die sie sich verließen, und wegen der Ägypter, derer sie sich rühmten“; Nah 3,8-10: „Meinst du [sc. Ninive], du seist besser als die Stadt No-Amon, die da lag am Nil und vom Wasser umgeben war, deren Mauern und Bollwerk Wasserfluten waren? Kusch und Ägypten waren ihre unermessliche Macht, Put und Libyen waren deine Hilfe. Dennoch wurde sie vertrieben und musste gefangen wegziehen“) und bildet damit auch den Topos der Allmacht JHWHs über jedwede menschliche Kraft (s. 3.3.2.). Schwierig ist die Interpretation von Jes 18,1 wo Kusch als „Land voll schwirrender Flügel, jenseits der Ströme von Kusch“ bezeichnet wird (Høyland 2006; Balogh 2011, 143-145). Ist dies eine Übertragung einer poetischen ägyptischen Bezeichnung? Oder sogar ein Hinweis auf → Hiskia, der das Symbol der „schwirrenden Flügel“ adaptierte (vgl. Balogh 2011, 193-200; Schipper 1999, 206-209)?

Selbst wenn einige Forscher Jes 18 und Jes 20 als Teil der Fremdvölkersprüche gegen → Babylon, Ägypten, → Assur, Ephraim, → Tyrus u.a. (Jes 13-23, → Jesaja / Protojesajabuch) in das ausgehende 8. Jh. v. Chr. datieren, bieten sich verschiedene Szenarien als historischer Hintergrund an: der Aufstand Israels unter → Hosea 728-724 v. Chr., von → Aschdod 713-711 v. Chr. oder die Invasion Judas / Kanaans durch die Assyrer unter → Sanherib (701 v. Chr., vgl. 2Kön 18-19; Jes 36-37; 2Chr 32) bzw. die Auseinandersetzung mit dem kuschitischen Ägypten. Aubin (2000) vertritt die These, dass die Kuschiter einen wesentlich stärkeren Anteil an der Verteidigung Jerusalems und dem Rückzug der Assyrer gehabt hätten als bisher angenommen.Die jüngere Forschung legt nahe, dass die tatsächliche politische Rolle der Kuschiter an den Parallelstellen, die von diesen Ereignissen berichten (2Kön 18-19; Jes 36-37), im biblischen Bericht weit untertrieben ist, um das theologische Programm der Allmacht JHWHs aufrecht zu erhalten (Burrell 2020, 193).

Der in 2Chr 14,8-14 beschriebene Feldzug eines Kuschiten namens Serach gegen → Asa von Juda (908-868 v. Chr.) ist „mit Sicherheit fiktiv“ (Breyer 2019, 8; vgl. Schipper 1999, 133-139). Einige Kommentatoren postulieren als historischen Kern der Geschichte den Aufstand eines arabischen Verbands unter der Führung Serachs (Kusch könnte nach Schipper auch für „Kuschan“ stehen), der von anderen Kommentatoren mit dem nubischen General des Pharaos → Osorkon I. gleichgesetzt wird. Eine weitere Theorie sieht die Erzählung als Chiffre für den Konflikt zwischen Persern und Nubiern zur Zeit der chronistischen Geschichtsschreibung (Burrell 2020, 245). Auch hier wird die Machtfülle JHWHs angesprochen, wenn das nur halb so starke Heer der Israeliten gegen ein wesentlich besser ausgestattetes 1 Million Mann starkes (!) Heer von Kuschitern obsiegt. Dies fügt sich in den Rahmen des theologischen Programms des Chronisten ein, ebenso wie die Entlohnung Asas für seine JHWH-Treue und seine Kultreform (Burrell 2020, 238-241).

3.3.2. Kuschiter als tertium comparationis für Israel

Im Zusammenhang der prophetischen Gerichtsandrohungen erscheint Kusch als Vergleichsgröße zu Israel, die unterschiedlich gedeutet werden kann: einerseits als Teil der Fremdvölker, die im Gegensatz zum erwählten Volk Israel unterworfen und nicht errettet werden (Jes 43,3: „Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich gebe Ägypten für dich als Lösegeld, Kusch und Seba an deiner statt“; Jes 45,14: „So spricht der HERR: Der Ägypter Erwerb und der Kuschiter Gewinn und die hochgewachsenen Leute von Seba werden zu dir kommen und dein Eigen sein. Sie werden dir folgen, in Fesseln werden sie gehen und werden zu dir kommen und niederfallen und zu dir flehen: Nur bei dir ist Gott, und sonst ist kein Gott mehr“; Kaminsky / Steward 2006; Van Winkle 1985; vgl. die Belege in Ez), andererseits als Teil der bekehrten Fremdvölker, die durch ihre Umkehr letztlich doch am Heilsgeschehen teilhaben (Watts 2004; Oswalt 2014).

Die Passage in Am 9,7 („Seid ihr nicht wie die Kuschiten für mich, ihr Israeliten? Spruch des HERRN. Habe ich Israel nicht heraufgeführt aus dem Land Ägypten und ebenso die Philister aus Kaftor und Aram aus Kir?“) lässt sich in beide Richtungen lesen: entweder ist Israel so wenig bedeutsam vor den Augen Gottes wie Kusch, oder aber die Kuschiter sind dem Wohlwollen Gottes ebenso unterworfen wie die Israeliten (vgl. Strawn 2013; Smith 1994).

Zef 3 bezieht sich mit seiner Gerichtsandrohung auf die Unheilsankündigungen im Jesajabuch und spricht Kusch stellvertretend für die in der Diaspora verstreuten Israeliten an (Zef 3,8 „Von jenseits der Ströme von Kusch werden meine Anbeter in der Zerstreuung mir Geschenke bringen“). Am Ende der Zeit wird das Geschehen der Zerstreuung der Völker und Sprachen, das am Anfang der Geschichte steht (Gen 10) wieder rückgängig gemacht (Berlin 1994), wobei die Wiederherstellung in der Sammlung des Volkes kulminiert (Zef 3).

Es ließe sich auch die Geschichte um den kuschitischen Diener des Königs (Jer 38) in diese Kategorie fassen, wenn auch mit anderem Unterton. Der Kuschit nimmt eine eminente Rolle ein, da er den Propheten aus der misslichen Lage der Gefangenschaft befreit, in die ihn ruchlose Regierungsbeamte gebracht hatten. Er scheint hier in der Figur eines Fremden exemplarisch aufzuzeigen, dass der rechte Glaube an JHWH gerade nicht an die judäische Identität geknüpft ist und am Ende höherwertig ist, da → Ebed-Melech im Gegensatz zu den anderen Beamten durch JHWH vor der babylonischen Gefahr beschützt wird (Sadler 2005, 93-94).

3.3.3. Kuschiter als Symbol für Reichtum

In nachexilischer Literatur sind die Kuschiter durch ihren Reichtum an Bodenschätzen und Luxusgütern charakterisiert (Jes 45,14; Hi 28,19: „Topas aus Kusch wird ihr [sc. der Weisheit] nicht gleichgeschätzt, und das reinste Gold wiegt sie nicht auf“; Ps 68,28-35; Dan 11,43). Diese Belege zeugen vom regen Handel der Kuschiten, die Israel über Ägypten auch mit exotischen Handelsgütern belieferten, darunter → Ebenholz, → Elfenbein und → Gold. Die Stärke ihrer Handelsmacht ist durch den Zugang zu Märkten in Innerafrika, dem Mittelmeer und der arabischen Wüste zu begründen. Die Gegebenheiten des Transportwegs über den → Nil sind wahrscheinlich in Jes 18,2 angesprochen („in leichten Schiffen auf den Wassern“).

3.3.4. Weitere Darstellungen

Ein weiterer Aspekt ist die kuschitische Präsenz in der judäischen Führungsschicht bzw. am judäischen Königshof, den die Belege Jer 36,14; Jes 18 sowie Jer 38-39 nahelegen (Rice 1979; Copher 1993; Sadler 2005, 17).

Eine bisher ungelöste Frage ist die Identität von Kusch in der Überschrift von Ps 7: „Ein Klagelied Davids, das er dem HERRN sang wegen der Worte des Kusch, des Benjaminiters.“ Weder im → Deuteronomistischen Geschichtswerk noch in der Chronik taucht ein solcher Kusch im Zusammenhang mit → David auf, geschweige denn ein Benjaminit mit diesem Namen. Möglich ist es, den Beinamen wörtlich zu verstehen, nämlich als „Sohn des Südens“ und nicht als „Benjaminit“, womit der Einordnung in die Davidsgeschichte zwar noch nicht gedient ist, der Psalm sich aber anders interpretieren ließe (Sadler 2005, 133). Außerdem könnte es sich um eine unbekannte Erzählung handeln, die hier vorauszusetzen, aber nicht überliefert ist (Kraus 1988, 169). Ein weiterer Vorschlag ist, eine Verbindung mit dem Kuschiter, der die Nachricht von → Absaloms Tod an David überbracht hatte (2Sam 18-19), herzustellen (Craigie / Tate 2004).

4. Kuschiter in der neueren Forschung und Bibelhermeneutik

Ähnlich wie → Sem und → Jafet wurde auch Kusch in der modernen Sprachwissenschaft zum Eponym einer der afroasiatischen Sprachzweige. Die ersten Studien zu den „kuschitischen“ Sprachen gehen auf Hiob Ludolf zurück (17. Jh.), der Begriff als solcher wurde durch Richard Lepsius im 18. Jh. eingeführt (für einen Überblick zur aktuellen Forschung s. Tosco 2000). Die Kritik, die zuletzt an der westlichen Bibelhermeneutik laut geworden ist, sieht auch rassistische Motive in der Ausgrenzung der Kuschiter als Forschungsobjekt und versucht dem gegenzusteuern. Die kuschitische Frau von Mose (Num 12,1) wurde wegen der Kontrastierung mit der „weißen“ → Mirjam in der Rassismusdebatte angeführt (Adamo; Crawford 2021), allerdings wird Mirjam mit einem Aussatz bestraft, der sie „weiß wie Schnee“ werden lässt (Num 12,10), was keinesfalls als eine rassistische Unterscheidung gewertet werden kann. Das AT selbst (und damit die jüdische Perspektive) muss sich diesem Vorwurf daher nicht stellen – im Gegensatz zur Forschung der vorletzten zwei Jahrhunderte (vgl. auch Jer 13; Sadler 2005, Burell 2020).

Literaturverzeichnis

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