Deutsche Bibelgesellschaft

Micha / Michabuch

Andere Schreibweise: Micah (engl.)

(erstellt: Juni 2007)

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1. Der Prophet Micha aus Moreschet

1.1. Name und Vorkommen

Der Name „Micha“ kommt im Alten Testament in sechs Varianten vor, hauptsächlich in der Grundform מִיכָיָהוּ mîkhājāhu bzw. מִיכָיְהוּ mîkhājəhu (ca. 20-mal) sowie in der Kurzform מִיכָה mîkhāh (ca. 30-mal). Selten belegt sind die weiteren Kurzformen מִיכָהְוּ (Ketiv), מִיכָיָה mîkhājāh und מִיכָא mîkhā’. Der Name bedeutet „Wer ist wie Jahwe?“ (מִי כְיהוה). Es handelt sich um einen Bekenntnisnamen, der die Unvergleichbarkeit und Einzigartigkeit Jahwes gegenüber anderen Göttern preist. Der Form nach finden sich derartige Namen auch im Akkadischen (Mannu-kī-Aššur „Wer ist wie Assur“); vgl. auch Michael „Wer ist wie Gott“.

Im Alten Testament sind mehrere Personen namens Micha belegt:

1) der Prophet Micha aus Moreschet (מִיכָה in Mi 1,1; מיכיה Ketiv in Jer 26,18);

2) der Prophet → Micha ben Jimla (1Kön 22,1f; 2Chr 18,1ff); er wird in 1Kön 22,28 mit Micha aus Moreschet verwechselt, wenn hier aus Mi 1,2 „Hört, ihr Völker, alle!“ angefügt wird;

3) ein Mann aus dem Gebirge Ephraim (Ri 17-18; → Michajehu);

4) der Sohn eines gewissen Schimi unter den Nachkommen Rubens (1Chr 5,5);

5) ein Urenkel → Sauls (1Chr 8,34f.; 1Chr 9,40f.);

6) ein Levit (1Chr 23,20; 1Chr 24,24f.);

7) die Mutter von König → Abija – also eine Frau! – hieß nach 2Chr 13,2 „Michajahu“, ansonsten jedoch → „Maacha“ (1Kön 15,2);

8) ein hoher Beamter am Hof des judäischen Königs → Joschafat (2Chr 17,7);

9) der Vater eines gewissen Achbor (2Kön 22,12; 2Chr 34,20);

10) ein Enkel des Schreibers → Schafan (Jer 36,11.13);

11) ein weiterer Levit (Neh 10,12; 1Chr 9,15; Neh 11,17.22; Neh 12,35);

12) ein Priester (Neh 12,41).

1.2. Micha aus Moreschet

Das Michabuch wird in der Überschrift Mi 1,1 einem Micha zugeschrieben, der nicht wie sonst üblich durch den Namen seines Vaters näher bezeichnet wird, sondern durch seinen Herkunftsort: Micha, der Moreschetiter. Der Beiname weist darauf hin, dass Micha auch außerhalb seines Heimatortes bekannt war. → Moreschet, in Mi 1,14a Moreschet-Gat genannt, lag im westjudäischen Hügelland, der Schefela, wie andere in Mi 1,13-15 erwähnte Orte (→ Lachisch, Achsib, Marescha, Adullam).

Neben dem Namen und Herkunftsort gibt die Überschrift die Wirkungszeit des Propheten an. Die Datierung in die Zeit der Könige → Jotam, → Ahas und → Hiskia lässt eine Wirkungszeit von über 50 Jahren zu (759 v. Chr. bzw. 756 v. Chr. bis 700 v. Chr. bzw. 697 v. Chr.). Selbst wenn man annimmt, dass Micha nicht in der gesamten Regierungszeit von Jotam und Hiskia wirkte, erscheint der Zeitraum von dann immer noch etwa 30 Jahren als äußerst unwahrscheinlich.

Der Vergleich mit den Anfängen anderer Prophetenbücher zeigt, dass die Überschriften nicht nur historisch einordnen wollen, sondern auch der Zuordnung zu anderen Propheten dienen. Micha soll bewusst als jüngerer Zeitgenosse Hoseas, Amos’ und Jesajas gesehen werden, jedenfalls überlappen sich die Regierungsperioden der in deren Überschriften genannten Könige. Insgesamt lässt sich zeigen, dass der historische Prophet Micha aus dem 8. Jh. v. Chr., wie er in der Überschrift vorgestellt wird, kaum der Verfasser aller in Mi 1-7 überlieferten Texte sein kann.

Als historische Person sehen wir einen Mann aus dem Gebiet südwestlich von Jerusalem, der dort wahrscheinlich zur angesehenen Bevölkerungsschicht gehörte (nach Wolff, XV, war er Ortsältester). Angesichts wirtschaftlichen Missbrauchs der Verwaltungsmacht Jerusalem, der für die Landbevölkerung Nachteile brachte, wandte Micha sein prophetisches Wort gegen die Oberen der Hauptstadt.

Angesichts des assyrischen Angriffs gegen Juda und Jerusalem im Jahre 701 v. Chr. sagt Micha Jerusalem den Untergang an (Mi 3,9-12). Voraus geht eine Klage über das Heranrücken der Assyrer in Mi 1,10-15, das eine Bedrohung seiner Heimat darstellte (vermutlich schon 712/11 v. Chr.). Da Juda zwar verwüstet wurde, aber der angekündigte Untergang Jerusalems gerade nicht eintraf, stellt sich die Frage nach Michas Reaktion auf das vorläufige Ausbleiben der Katastrophe. War Micha ein reiner Unheilsprophet? Oder stammen von ihm auch Texte, die Heil ankündigen? (s. 4.)

2. Das Michabuch im Kanon

Das Michabuch ist eine Schrift des → Zwölfprophetenbuchs (Dodekapropheton), das zum zweiten Teil der Hebräischen Bibel „Nebiim“ gehört (→ Kanon). Innerhalb des Zwölfprophetenbuchs bildet Micha in der Hebräischen Bibel sowie in der Vulgata zwischen → Jona und → Nahum die sechste Schrift, in der Septuaginta (Ed. Rahlfs) dagegen zwischen → Amos und → Joel die dritte.

Enge Berührungen gibt es sowohl zu → Jesaja und → Jeremia als auch innerhalb des Zwölfprophetenbuchs zu → Hosea und Amos einerseits und → Nahum und → Zefanja andererseits. Das Thema „Recht“ bestimmt Micha (Mi 3,1.8.9) wie Hosea (Hos 5,1) und Amos (z.B. Am 5,7; Am 6,12). Höraufrufe gliedern diese drei Prophetenschriften. Die Nahumschrift beginnt wie Micha mit einer Theophanie (Nah 1,3-8). Berührungen zu Jon 2 sind nicht zu übersehen. A. Schart vermutet sogar, dass es eine selbstständige Michaschrift nie gegeben hat (Schart, 201). So kommt es in der neueren Zeit zu einer immer umfassenderen Erforschung buchübergreifender Verbindungen, die die Entstehungsgeschichte einer Schrift besser erklären helfen.

3. Der Aufbau der Michaschrift

a) Mehrheitlich wird Mi nach dem Schema „Gericht – Heil“ gegliedert (zuerst Stade, 1881, 161-172; dann Wolff, XXVII u.ö.; besonders in deutschsprachigen Arbeiten, wobei auch die Gliederung in Mi 1-3; Mi 4-5 und Mi 6-7 anzutreffen ist, Kessler, 36 u.a.):

Mi 1-3 Gerichtsankündigungen gegen → Samaria und das Südreich

Mi 4-5 Heilsweissagungen

Mi 6,1-7,7 Gerichtsworte

Mi 7,8-20 Heilsweissagungen.

In vergleichbaren angloamerikanischen Arbeiten findet sich die Gliederung in drei Teile (Allen, 1976, 261; Willis, 1969, Structure, 13; Nogalski, 1993a, 123 u.a.):

● Mi 1-2 Penalty and Promise (Mi 1,2-2,11; Mi 2,12f.)

Mi 3-5 Hope beyond Affliction (Mi 3; Mi 4-5)

● Mi 6-7 Grace triumphant over Sin (Mi 6,1-7,6; Mi 7,7-20).

Gemeinsam ist beiden Gliederungsversuchen die alternierende Abfolge von Unheils- und Heilsansage. Dabei teilt das zuerst genannte Modell in die Abschnitte, in denen jeweils nur Gericht und nur Heil angesagt wird. Die Schwäche dieses Modells besteht zunächst darin, dass das allgemein als Heilswort anerkannte Stück Mi 2,12f. ignoriert werden muss. Außerdem gelten seit Stade entstehungsgeschichtliche Gesichtspunkte als Gliederungsmerkmal, da sich Mi 1-3; Mi 4-5 und Mi 6-7 nach Inhalt, historischer Herkunft und Stil unterscheiden.

Im zweiten Modell besteht dagegen jeder Abschnitt aus der Zusammenstellung von je einem Heils- und einem Unheilsteil, wobei die unterschiedliche Länge und Gewichtung der einzelnen Teile Schwierigkeiten bereitet.

b) Ein ganz anderer Versuch liegt von Cuffey (427) vor, der sich in seiner Gliederung des Buches nach den Heilsverheißungen für den „Rest“ richtet. Er kommt zu einer Vierteilung des Buches (Mi 1,2-2,13; Mi 3,1-4,8; Mi 4,9-5,14; Mi 6,1-7,20).

Micha 1

c) Eine Zweiteilung des Buches in Mi 1-5 und Mi 6-7 wird der vorliegenden Gestalt des Buches vermutlich am besten gerecht (so Hagstrom, 125; Lescow, 1972b, 182; Mays, 3; Utzschneider, 16 u.a.). Mehrere Beobachtungen am Text sind dafür geltend zu machen:

Mi 1,2 korrespondiert mit Mi 6,1 in der Ankündigung des richterlichen Eingreifens Jahwes gegen die Völker.

● Nach Mi 1,2 tritt Jahwe selbst als Zeuge gegen die Völker auf. Nach Mi 6,1 beauftragt er Israel, gegen die Völker den Rechtsstreit zu eröffnen.

● Teil I schließt in Mi 5,14 mit einer wörtlichen Bezugnahme auf den Anfangsvers Mi 1,2 (שׁמע šm‘ „hören“). Mi 6,1 setzt mit einem Höraufruf danach neu ein.

Mi 6,1 hat in Mi 7,16f. eine Entsprechung durch die Erwähnung der Völker als Besiegte. Dem folgt (eventuell als Abschluss des ganzen Buches) nur noch das Schlussbekenntnis (Mi 7,18-20).

● Als Scharniere in den großen Teilen lassen sich Mi 3,12 / Mi 4,1 und Mi 7,7 ausmachen, die einen Hinweis darauf geben, dass auch für die Redaktoren der Letztgestalt die Abfolge von Unheils- und Heilsworten wichtig war.

Der Endkomposition war das Unheil-Heil-Schema schon vorgegeben, besonderes Interesse hatte sie dagegen an der Darstellung des Verhältnisses Israels zu den Völkern.

4. Die Entstehung der Michaschrift

4.1. Textüberlieferung

Insgesamt handelt es sich beim Michabuch um einen teilweise schwer verständlichen Text. Dies mag an Fehlern, Glossen und dogmatischen Änderungen in der handschriftlichen Überlieferung liegen, erklärt sich zum Teil aber auch aus der komplizierten Entstehungsgeschichte. Schließlich ist auch die Leidenschaft der Anklagen zu veranschlagen. Oft finden sich drastische Äußerungen. So wird das, was die Bauarbeiter in Jerusalem zu erleiden haben, mit Bildern aus dem Tätigkeitsbereich des Schlächters verglichen. Den Bauern der Schefela werden nach Schilderung des Propheten, wie sonst nur Vieh, „das Fell abgezogen“ und „die Knochen zerbrochen“. Die Lebendigkeit der Bilder wird durch Einsatz von Zitaten noch gesteigert (vgl. Mi 2,4 u.ö.).

4.2. Geschichtlicher Hintergrund

Da das Michabuch nicht einem einzigen Verfasser oder einer Verfassergruppe zuzuweisen ist, sind auch unterschiedliche geschichtliche Hintergründe zu beleuchten. Das vorliegende Buch ist vermutlich im Laufe von 5 Jahrhunderten gewachsen. In dieser Zeit erlebte es mehrere Phasen der Bearbeitung und Neuinterpretation. Während der gesamten Zeit blieben die Worte des Propheten aktuell und wurden in der jeweiligen Zeit neu interpretiert und verstanden.

Eindeutig sagen lässt sich auf jeden Fall, dass ein Teil der Michatexte das Ende des judäischen Staatswesens im Jahre 587/586 v. Chr. voraussetzt und manche Texte ohne den Hintergrund der persischen Zeit nach 538 v. Chr. nicht zu verstehen sind. Darauf wird bei der Darstellung der einzelnen Überlieferungsschichten jeweils verwiesen.

Für die historische Rückfrage ist man in der glücklichen Lage, in Jer 26 einen im Kern historisch vertrauenswürdigen Bericht zu besitzen, der deutlich macht, wie etwa ein Jahrhundert nach dem Auftreten des historischen Propheten Micha aus Moreschet dessen Botschaft rezipiert wurde: Als der Prophet Jeremia wegen seiner Tempelrede zum Tode verurteilt werden soll, verteidigen ihn „Älteste des Landes“ (Jer 26,17-19) und verweisen auf das Beispiel Michas, den die Oberen damals trotz seiner Unheilsrede gegen den Zion (Mi 3,12) nicht getötet haben. Vielmehr sei das Königshaus umgekehrt und das Unheil sei ausgeblieben. Dieser Bericht legt die Vermutung nahe, dass Micha zur Zeit Jeremias nur als reiner Unheilsprophet bekannt war, von ihm also keine Heilsworte vorlagen.

Wann der historische Micha seine prophetische Tätigkeit begonnen hat, ist schwer zu sagen. Der frühest mögliche Zeitpunkt ist der Feldzug → Tiglat-Pilesers III. (734 v. Chr.), der zwar große Teile des Nordreichs annektierte, aber Juda noch nicht in Gefahr brachte. Sollte in dem Wort gegen Samaria (Mi 1,2-7) eine historische Erinnerung bewahrt sein, so wäre Micha schon vor 722 v. Chr. aktiv gewesen. Mi 1,10-15 dürften auf eine Verkündigung schon zur Zeit des Feldzugs → Sargons II. gegen Philistäa deuten (712/711 v. Chr.; → Philister). Spätestens hat Michas Auftreten aber mit dem Feldzug → Sanheribs gegen Juda begonnen (701 v. Chr.).

4.3. Schichten des Michabuchs

Bei der Rekonstruktion der Überlieferungsschichten ist so vorzugehen, dass vom letzten Stadium der Abfassung auszugehen ist, da der Endtext ja den Ausgangspunkt der Literarkritik bildet. Von da aus wird bis zum ältesten Kern der Überlieferung zurückgefragt.

(1) Mi 7,11b.12.19b. Als jüngste Schicht lässt sich eine die Völker positiver sehende Überarbeitung erkennen, die auch für die Einfügung des Jonabuches ins Zwölfprophetenbuch verantwortlich ist: Mi 7,11b.12.19b gehen wahrscheinlich auf sie zurück. Zeitlich gehört sie in die ptolemäische Zeit (3. Jh. v. Chr.).

(2) Mi 7,1-11a.12a.13-19a.20. Der „hermeneutische Schlüssel“ (Otto) zum Verständnis einer älteren Schicht in Mi 7,1f.* (ohne die oben erwähnten Zusätze) ist der grundsätzlich negative Blick auf die Völker. Die Schilderung der sozialen Zerrüttung, die als Gericht (Mi 7,4b) und Folge des Zorns Gottes (Mi 7,9) verstanden wird, gehört in den geistigen Horizont von Texten aus Jes 56-66 (→ Tritojesaja). Assur und Ägypten werden wie in Sach 10,10 und Jes 27,13 als Feindgebiete beurteilt, die der Rückkehr der Diaspora im Wege stehen. Sie sind Israels Feinde und als solche Werkzeuge Gottes. Zeitlich lässt sich diese Schicht in die Zeit der Seleukiden und Ptolemäer einordnen (kurz nach 311 v. Chr.).

(3) Mi 1,2; 4,3a; 5,2.3b*(nur wəjāšāvû).6-14; 6,1.16b (Schlussbemerkung). Als nächst ältere ist die Schicht zu betrachten, die Mi 1-5 und Mi 6 den Rahmen gab. Zu dieser Schicht gehören Mi 4,3a an der Schaltstelle von Teil I, die Weiterführung der Restverheißung von Mi 4,6f. in Mi 5,6f. der erweiternde Zusatz in Mi 5,4b.5a und die Erklärung des Heilsaufschubs in Mi 5,2. Mi 5,3b knüpft an Mi 4,4 an und zeigt durch Stichwortassoziation, dass die ältere Verheißung noch gilt. Eine Anspielung auf Motive aus Mi 1 liegt in der Ankündigung des Kampfes gegen die „inneren Feinde“ Israels in Mi 5,9-12 vor (vgl. Mi 1,5-7.13). Diese Schicht hat auch im Jesajabuch und im Zwölf-, bzw. Mehrprophetenbuch ihre Spuren hinterlassen und dürfte um 311 v. Chr. zu datieren sein.

(4) Mi 6,2-16* (ohne Schlussbemerkung). Eine prophetische Fortschreibung aus spätpersischer Zeit findet sich in Mi 6,1f*. Anknüpfend an Michas Verkündigung des מִשֽׁפָּט mišpāṭ („Recht“) in Mi 3,8 erfolgt in einem fingierten Rechtsstreit (appellative Verteidigungsrede) die Belehrung über die Forderungen Gottes. Schriftkenntnis, Motivvergleiche und schichtenrelationale Überlegungen bringen die Texte in Verwandtschaft mit Jes 1. Anknüpfend an die Sozialkritik von Micha, Hosea und Amos findet sich in Mi 6,9-16abα die Fortschreibung vorexilischer Sozialkritik.

(5) Mi 4,5.7b. Nahe bei den Tradenten des Jesaja stehen auch die Verfasser von Mi 4,5.7b, die ihr Interesse an der Errichtung der Königsherrschaft Jahwes auf dem Zion kund tun (vgl. → Deuterojesaja). Die universale Öffnung zu den Völkern lag diesem Herausgeberkreis bereits vor. In den liturgischen Zusätzen aus der Zeit um 400 v. Chr. ging es ihnen um Trost und Zuversicht für die Israeliten – unabhängig vom Völkerschicksal.

(6) Mi 4,1f.6.7a.8. Der Tempelbau und die Möglichkeit des Rückzugs der Exilierten motivierten die heilsprophetische Entgegnung auf Mi 1-3. Die in Mi 3,12 geschilderte Katastrophe währte noch an, so dass durch Stichwortbezüge der Enttäuschung durch eine kraftvolle Inaussichtstellung des eschatologischen Heils begegnet wurde (Mi 4,1-4). Die Redaktoren nahmen das exilische Rettungswort Mi 4,10 zum Anlass, ihre Sicht der Heilswende durch die Verheißung der Heimkehr der Diaspora darzustellen (Mi 4,6.7a). Die Korrektur an Mi 5,1 (Erwartung des מוֹשֵׁל mošel „Herrscher“) durch die Einfügung von Mi 4,8 (Wiederkehr der früheren Herrschaft) spiegelt die Diskussion um eine zu erwartende Herrscherfigur wider.

(7) Mi 4,9-5,1.3*(ohne wəjāšāvû).5b. Auf eine gemeinsame Tradierung des Amos und Micha lässt die ältere Einfügung Mi 4,9-5,5* schließen, die der Hoffnung auf die Wiedererrichtung der zerfallenen Hütte Davids (Am 9,11-15*) und der Erweckung eines Retters aus Bethlehem (Mi 5,1-5) Ausdruck verleiht. Der verheißenen Rückführung aus Babel in Mi 4,10 steht die Erwartung der Wiedereinpflanzung ins Land in Am 9 bei gleichzeitiger Überlegenheit über die Völker zur Seite. Die Sammlung dieser drei Rettungszusprüche ist am ehesten in exilischer Zeit denkbar. Nähe zu deuteronomistischen Kreisen ist wahrscheinlich. Drei Beobachtungen mögen diese Vermutung stützen: (a) Durch die Vorordnung von Mi 1-3 akzeptieren die Fortschreiber die Gerichtsprophetie als Erklärung der Katastrophe. (b) In Mi 5,1 wird der konservativen Erwartung deuteronomistischer Kreise nach einer Wiederbelebung des davidischen Großreiches Ausdruck verliehen. © Das Thema „Völker“ wird von der Perspektive Israels aus entfaltet.

(8) Mi 1,1.3-9.12b.13b.14*(‘al).16; 2,3*(‘al hammišāchāh / kî ‘et rā’āh hî’); 2,4(ohne šādôd nəšadunû und śādênû jəchalleq).5-7.10-13; 3,4(nur bā’et hahî’).8a.12(nur biglalkhæm). In einem groß angelegten Geschichtsaufriss von Micha bis zum babylonischen Exil kommt es in der Zeit nach 586 v Chr. zur Komposition und Aktualisierung der michanischen Botschaft. Die Redaktoren und Fortschreiber der michanischen Botschaft standen deuteronomistischer Theologie nahe. Folgende Akzente werden gesetzt: (a) Mi 1,6f. spielen auf die Ereignisse von 722 v. Chr. an. Die Erfüllung des alten Michawortes (Mi 3,12) führte zur Parallelisierung mit der Ankündigung der Zerstörung Samarias. (b) Mi 1,10-15 haben die Einnahme Philistäas und damit das Heranrücken der Assyrer an die judäischen Grenzgebiete zum Hintergrund (712/11 v. Chr.). Dem michanischen Grundbestand werden Erweiterungen hinsichtlich Jerusalems (Mi 1,8f.12b) und der Unheilsbegründung (Mi 1,13b) eingeschrieben. © Mi 1,16 verweist das Vorangehende in die Zeit von 701 v. Chr. und spielt auf die Deportation von Judäern nach der assyrischen Invasion an. (d) Mi 2,12f. blicken auf die Zeit der ersten Deportation (597 v. Chr.) zurück und kündigen eine Sammlung an, die Unheil nach sich zieht. (e) Höhepunkt des durchgehenden Zuges von Samaria über Juda nach Jerusalem bildet Mi 3,12 mit der Ankündigung der Ereignisse, die 587/586 v. Chr. eintrafen. (f) Die Redaktion wies die Gegenwart als die von Micha angekündigte Unheilszeit aus (in Mi 2,3f.; Mi 3,4) und erweiterte den Adressatenkreis auf das ganze Volk (Mi 1,9; Mi 2,3f.10f). (f) In alternierender Abfolge von Worten gegen die Oberschicht und die Propheten in Mi 2-3 aktualisiert sie Michas Worte für die Gegenwart: Das Unheil dauert an, solange eine falsche Prophetie der Wahrheit Gottes den Weg verstellt. Zu den sozialen Vergehen kommen religiöse. Indem solch ein Diskurs nachgestaltet (Mi 2,6f.11) und in ironischer Weise nunmehr Heilsprophetie (Mi 2,12aα) in Unheilsprophetie (Mi 2,12aβ.b) gekehrt wird, soll für die Gegenwart eine Mahnung an alle die ergehen, die sich jetzt noch auf solche „Sabbermäuler“ (Mi 2,11) verlassen.

(9) Mi 1-3*. Worte des Propheten Micha aus dem 8. Jahrhundert sind vor allem in Mi 3 überliefert. Dazu gehört ebenso ein sozialkritischer Grundbestand in Mi 2. Ob das Samaria-Wort in Mi 1,6f. auf alte Überlieferung zurückgeht, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Dafür spräche, dass eine Zerstörung angekündigt wird, die so nie eintraf. Die Klage angesichts des Heranrückens der Assyrer in Mi 1,10-15 geht in ihrem Grundbestand auf Micha zurück und gibt den deutlichsten Hinweis auf sein Wirken. Da die Ortsnamen in das philistäische Grenzgebiet weisen, dürfte der Feldzug Sargons II. gegen Philistäa im Blick sein (712/11 v. Chr.; Metzner, 132).

5. Theologie

5.1. Unheils- und Heilsverheißung

Schwerter Pflugscharen 3
Im Michabuch wechseln sich Unheils- und Heilsweissagungen häufig ab und stehen eng nebeneinander (Mi 2,12f. nach Mi 2,1-11; Mi 4,1-5 nach Mi 3,9-12). Dieses auch in anderen prophetischen Schriften festzustellende Phänomen, das aber nirgends sonst in dieser Dichte vorkommt, stellt die Frage nach der Deutung, für die es mehrere Vorschläge gibt:

(1) Am weitesten verbreitet ist die Vorstellung, die Heilstexte seien sekundär dazugekommen, um die schroffen Unheilsansagen des Micha abzuwehren (Stade 1881, Wellhausen, Nowack) bzw. zu neutralisieren (Renaud). Diese auf diachroner Ebene verfahrende Lösung geht davon aus, dass in allen Teilen Israel als Ganzes angeredet wird, also nicht das Unheil nur bestimmten Schuldigen und das Heil den Opfern angekündigt wird. Trotzdem bleibt die Frage, warum die Redaktoren den jetzigen Endtext so gestaltet haben, dass Israel einmal Unheil und dann wieder Heil angekündigt wird.

(2) Für die Ebene des Endtextes wird häufig angenommen, dass Unheil und Heil aufeinander folgen: In naher Zukunft wird Israel verschiedenes Unheil erfahren, danach aber, in der fernen Zukunft, wird es wieder hergestellt. Trotzdem bleibt die Spannung, dass beides ja durch den selben Propheten in derselben Verkündigungssituation im Namen desselben Gottes angesagt wird. Verträgt sich das mit der Einheit Gottes?

(3) In der Nachfolge der älteren jüdischen Exegese (z.B. Ibn Esra) unternimmt A.S. van der Woude den spannenden Versuch, die Heilsworte als Entgegnung falscher Heilspropheten in Mi 2-5 herauszuarbeiten und somit auch diesen Textbestand als michanisches Zitat einzuordnen. Michas Worte in Mi 2,1-5; Mi 2,7b-11a; Mi 3,1-12; Mi 4,10; Mi 4,14-5,3 und Mi 5,6 bekommen in Mi 2,6-7a; Mi 2,11b-13; Mi 4,1-9; Mi 4,11-13; Mi 5,4f. und Mi 5,7-14 eine Entgegnung, die als Zitate der Heilspropheten zu lesen seien. In der Tat sind im Text Zitate enthalten (Mi 2,6: „Geifert nicht!“; Mi 2,11: 2. Zeile; Mi 3,5: „schalom“; Mi 3,11: 3. Zeile), die auf eine Prophetenauseinandersetzung schließen lassen. Jedoch werden die Zitate stets erkennbar eingeführt. Dieses Merkmal fehlt bei den übrigen Textstellen, die van der Woude als Gegnerstimmen identifiziert. Gewichtiger noch sind inhaltliche Beobachtungen: Wenn exilische Vorstellungen von der Sammlung (Mi 2,12f.; Mi 4,6f.), der Existenz Israels unter den Völkern (Mi 5,6) und nachexilische Überlegungen zur Tempelfrage (Mi 4,1-4) in den Mund der Zeitgenossen Michas gelegt werden, stellt sich die Frage, auf welchem geschichtlichen Hintergrund hier falsche Heilsprophetie verkündigt worden sein soll.

In den dargestellten Modellen gilt Israel als einheitliche Größe, der Unheil und Heil angekündigt werden. In den neueren Überlegungen von Rainer Kessler (1999) spielt die Zuordnung der Textsegmente auf die Träger der Überlieferung eine nicht unerhebliche Rolle. So geraten Heils- und Unheilsweissagungen nicht in einen Gegensatz, sondern führen zu der berechtigten Frage, für welche Bevölkerungsteile angekündigtes Heil auch Unheil bedeuten kann und Unheilsweissagung auf eine bessere Zeit hinweist. Der folgende Abschnitt beleuchtet die sozialgeschichtlichen Rahmenbedingungen, in denen das Michabuch geschrieben und überliefert wurde.

5.2. Die Sozialkritik

„Kernproblem der gesellschaftlichen Entwicklung ist bei Micha wie bei Jesaja das Bauernleben (Mi 2,1-11). Der freie ‚Mann’ wird um Haus und Feld gebracht und damit seines ‚Erbbesitzes’ beraubt.“ (Kessler, 1992, 59). Als besonderes Problem wird das Schuldenwesen gesehen, das sich auch betrügerischer Machenschaften bediente (Mi 6,9-15). Die Verelendung ganzer Bevölkerungsteile ist die Folge, weswegen die Führenden des Volkes (Mi 3,9) insgesamt untergehen sollen. Der Prophet ist Verkünder des Rechts מִשֽׁפָּט mišpāṭ (Mi 3,8), das die Großen nicht anerkennen (Mi 3,1), sondern verdrehen (Mi 3,9). Das Thema „Recht“ bestimmt auch den 2. Teil des Buches, Mi 6-7. Dort meint מִשֽׁפָּט mišpāṭ die Rechtsstrukturen der Gesellschaft (Mi 6,8) und den Gerichtsentscheid Gottes (Mi 7,9). Wird in beiden Teilen sozialer Frevel festgestellt, geschieht das in der Fortschreibung in Teil II (Mi 6-7) allgemeiner und knapper. Die Verbrechen sind Bestechung (Mi 3,5.11; Mi 7,2) und Ausbeutung der Armen durch die Besitzenden und Einflussreichen (Mi 2,1f.8f.; Mi 3,2f.10; Mi 6,10-12). Das in Mi 7,2-6 ausgeführte Thema der Zerrüttung der zwischenmenschlichen Beziehungen stellt eine Verallgemeinerung von Mi 2,8 dar. Die Klage darüber, dass die Einwohner der Stadt allesamt Lüge reden (Mi 6,12) nimmt die Prophetenanklage aus Mi 2,11 erweiternd auf. Häupter, Priester und Propheten finden sich in Teil II nicht mehr, dafür sind die Reichen und die Einwohner der Stadt, der Fürst, der Richter und der Große Adressaten der Anklage (Mi 7,3). Mi 7,2 nimmt das Prophetenwort aus Mi 2,7b negativ auf und stellt grundsätzlich fest, dass es keinen Aufrechten mehr gibt. Einen Hinweis auf die bewusste Weiterführung michanischer Sozialkritik bietet Mi 6,10a: „Immer noch gibt es Frevelhaus?“

Michas Sozialkritik aus Teil I (Mi 1-5) soll in Teil II (Mi 6-7) in einem neuen Horizont gelesen werden: Sie dient nun der Belehrung (Mi 6,8) für Menschen, die sich in sozialer Hinsicht außerhalb des Gottesverhältnisses gestellt haben. Soziales Verhalten und eine intakte Gottesbeziehung rücken derart zusammen, dass Nähe zu Gott nur durch Teilhabe der Schwächsten an den Gütern des Landes erreicht werden kann.

Die Fortschreiber nehmen die Opfer der Gesellschaft in den Blick. In der neuen Situation babylonischer und persischer Vorherrschaft fragen sie nach den neuen Opfern und sehen sie auch in dem kleinen Israel inmitten einer mächtigen Völkerwelt (Mi 4,8-5,3.6f.9). Das Festhalten an Gottes Weisung und das Vertrauen in die Fürsorge Gottes, der mit seinem Volk geht (Mi 6,8) werden für die kleine Schar zum Garanten einer künftigen Heilswende.

5.3. Erwartung eines Herrschers aus Bethlehem (Mi 5,1-4a)

Durch ihre neutestamentliche Anwendung ist die Herrscherverheißung in Mi 5,1-4a berühmt.

(a) Mi 5,1 setzt eine Zeit voraus, in der mit einer Herrschergestalt aus und in Jerusalem nicht gerechnet werden konnte (Mi 4,9), eine Zeit also, in der die Lage für Jerusalem aussichtslos schien, der letzte König gedemütigt und beseitigt worden war (Mi 4,14) und nur ein Neuanfang wie zu den Zeiten Davids Rettung versprach (→ Eschatologie).

(b) Die Bestimmung dieses Herrschers von Urzeiten her (Mi 5,1b) deutet die Zeit der Erwählung Davids als „exemplarische Heilszeit“ (Lescow, 1967, 199), in der das unbedeutende Israel Größe und Reichtum gewonnen hatte. Eine inzwischen königslos gewordene Schar erhoffte sich von einem neuen Herrscher in trostloser Zeit die Wiederkehr dieser Epoche. Deuteronomistische Königskritik könnte die Ursache für die Vermeidung des Königstitels sein.

© Inhaltlich störend nimmt Mi 5,2 das Geburtsmotiv aus Mi 4,9f. weiterführend auf und blickt hoffnungsvoll in die Zukunft. Nur im Kontext verstehbar, bildet der Vers kein selbstständiges Stück, sondern bezieht sich auf die „Tochter Zion“ als Gebärerin aus Mi 4,10. Mi 5,2 ist als ein Nachtrag zu bestimmen, der den Abschnitt Mi 4,9-5,1.3a.4a.5b verarbeitet und das Ausbleiben des neuen Herrschers, die nicht verwirklichte Rückkehr der Zerstreuten sowie das Andauern der Not zu erklären sucht.

Auffällig gegenüber den Rest-Verheißungen in Mi 4,6f. und Mi 5,6f. ist der Gebrauch von יֶתֶר jætær („Rest“) in Mi 5,2 gegenüber שְׁאֵרִית šə’erît („Rest“) in den übrigen Stellen. Nach Hausmann (201) überwiegt der Gebrauch in Texten, die an der Zukunft der Gesammelten interessiert sind. Wenn der Herrscher kommt, dann ist die Zeit der Wehen vorbei, die Heilszeit bricht an und der Rest kehrt heim. „Seine“ bezieht sich in 5,2 auf den kommenden Herrscher, so dass „seine Brüder“ die Daheimgebliebenen bezeichnet, deren Vereinigung mit den Heimkehrern in Aussicht gestellt wird.

5.4. Israel und die Völker

Das Michabuch enthält in großen Teilen Aussagen über die Völker. Zu Beginn (Mi 1,2), in der Mitte (Mi 4-5) und am Ende (Mi 6,1; Mi 7,16f.) wird das Verhältnis Israels zu den Völkern auf unterschiedliche Weise beleuchtet:

Nach Mi 4,1-5 geht der Friede für die Völker vom Zion aus (→ Schwerter zu Pflugscharen) und nach Mi 5,6f. gehört das Völkerschicksal in einen Zusammenhang mit dem Schicksal Israels. Die hintere Klammer des ersten Teils (Mi 1-5), Mi 5,14, kündet Zerstörung an für die Völker, die nicht auf Gottes Wort hörten. Damit zusammen hängt das Völkerkampfmotiv, das in Mi 4,11 Aufnahme fand. Darin ist die Vorstellung vom Kampf der Völker gegen die Gottesstadt verbunden mit einer universalistisch ausgeweiteten Ankündigung des Jahwekrieges gegen die Völker (Mi 4,12f.). Schließlich beschäftigt sich auch Teil II mit dem Völkerthema im Rahmen Mi 6,1 // Mi 7,16f., wonach die Völker Israel maßlos unterlegen sind.

Der Überblick zur Entstehung des Buches (s.o.) zeigte, dass die Aussagen über die Völker auf wahrscheinlich fünf verschiedenen Ebenen liegen, von prägenden thematischen Aussagen bis zu liturgischen Zusätzen.

(1) Mi 4,11-13 Völkerkampfmotiv

Am ältesten dürfte die exilische Sammlung von Rettungszusprüchen in Mi 4,11-13 sein. Dem Völkerkampfmotiv in Mi 4,11, das sich auch in Jes 8,9f. Jes 17,12-14; Jes 29,7; Jo 2,1-20; Sach 12,2a.3a.4a und Ez 38,10-13.18-23 findet, folgt, wie in den vergleichbaren Stellen, die Schilderung der Völkersammlung durch Jahwe. Die darauf folgende Schilderung des Kampfes Jahwes gegen die Völker wird in den einzelnen Texten recht unterschiedlich dargestellt.

(2) Mi 4,1-4 Völkerwallfahrt

Die heilsprophetischen Aussagen in Mi 4,1-2.3b-4 sind zu Jes 2,2-4 nicht nur inhaltlich sehr eng verwandt, sondern auch im Wortlaut fast identisch. Der einzige sachliche Unterschied ist die Hinzufügung von „bis fern“ in Mi 4,3a. Die verschiedenen Möglichkeiten, wie es zu dieser Doppelüberlieferung kam (1. ursprünglich von Jesaja [Wildberger; v. Rad]; 2. ursprünglich von Micha [Ryssel; Hillers, Commentary]; 3. Micha und Jesaja haben den Text vorgefunden [Kapelrud; Willi-Plein; Vermeylen; Wolff]; 4. spätere Zusätze, die voneinander abhängig zu denken sind [so schon Wellhausen; Budde; heute Zapff]) lassen nach einem Kriterium in der Frage der Abhängigkeit suchen. Entscheidend dürfte die Einbindung in den Kontext sein. Mi 4,1-4 ist in seinem Kontext zwar sekundär, passt aber hervorragend als Gegenstück zu Mi 3,9-12 (sprachliche Bezüge). Diese Kontrastierung stellt den Text in große Nähe zur Heilsverkündigung Deuterojesajas und zum heilvollen Schluss des Amosbuches in Am 9,11-15. Die Einbindung von Jes 2,2-4 in seinen Kontext ist demgegenüber lockerer, was dafür spricht, dass der Text ursprünglich für den Michazusammenhang entworfen und erst sekundär in das Jesajabuch eingefügt wurde (→ Eschatologie).

(3) Völkergericht und Heilsaufschub

Der Rahmen von Teil I (Mi 1,2; Mi 5,14), der Zusatz in Mi 4,3a und die Bitte an Jahwe in Mi 5,7f. gegen die Feinde Israels zu kämpfen sind in einer Zeit entstanden, als Heilserfüllung noch nicht sichtbar war und Gottes Macht über die Völker Trost bieten sollte.

(4) Mi 7,17 Völkerzug

Die Fortschreibung in Teil II sieht den friedlichen Zug der Völker zum Zion in Mi 4,1-4 als das Kommen der Erniedrigten unter „Zittern und Beben“ (Mi 7,17). Diese Pointe findet sich auch in Jes 60,1f., wo man nicht von einer Völkerwallfahrt, sondern von einem Völkerzug sprechen muss (Jes 60,14).

Alle Völkeraussagen stehen auf der Ebene des Endtextes nun nebeneinander und stellen die Leserschaft vor die Aufgabe, einen Völkerfrieden zu denken, der weder Gottes Gericht über die unterdrückerischen Expansionsbestrebungen der Großmächte verharmlost noch die Teilhabe eines Restes der Völker am eschatologischen Heil verneint (→ Eschatologie).

Literaturverzeichnis

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Abbildungsverzeichnis

  • Micha mit dem christologisch gedeuteten Vers „ex te egredietur qui sit dominator in Israhel“ („aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herrscher sei“ [Mi 5,1]; Jan van Eyck; 15. Jh.).
  • Jewgeni Vuchetich, „WE SHALL BEAT OUR SWORDS INTO PLOWSHARES“ (1957). Aus: Wikimedia Commons; © public domain; Zugriff 11.4.2022

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