Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: Januar 2007)

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Sihon (סִיחוֹן sîḥôn) ist der Name eines sagenhaften, als König bezeichneten Anführers der Amoriter (Num 21,21.26.29.34; Dtn 1,4; Dtn 2,24; Dtn 31,4; Jos 2,10; Jos 9,10; Jos 12,2; Ri 11,19; Ps 135,11 u.ö.), der in der Frühzeit der israelitischen Landnahme im Ostjordanland → Heschbon beherrscht haben soll (Num 2,26-28; Dtn 2,26.30; Jos 9,10; Jer 48,45 cj.).

Die Bedeutung des Namens ist etymologisch ungeklärt. Zuweilen wird eine Verwandtschaft mit arab. šiḥān, einem Beifuß-Gewächs, und dem neuarab. Ortsnamen Ǧebel Šiḥān vermutet. Die älteste, wohl noch aus vorexilischer Zeit stammende Überlieferung, die zum Teil noch in Num 21,21-25.31 erhalten geblieben ist, erzählt, Sihon sei der erste König der Amoriter gewesen, der sich dem noch durch Mose angeführten Landnahmezug bei dem Örtchen → Jahaz (nach → Mescha-Stele 19f. bei → Dibon gelegen, vermutlich Chirbet el-Mudējine) entgegengestellt habe und diesem unterlegen sei. Die als Moserede stilisierte deuteronomistische Variante der Erzählung hebt die hinter dem Geschehen wirksame lenkende Macht JHWHs und die Einhaltung der deuteronomistischen Kriegs- und Banngesetze hervor (Dtn 2,24-37*).

In einer schwer zu datierenden Erweiterung der → Jeftah-Erzählung Ri 11,12-28 wird hervorgehoben, dass Israel traditionell zunächst keinen religiös begründeten Landanspruch auf ammonitische, edomitische oder moabitische Gebiete im Ostjordanland erhoben habe; das von Moabitern zeitweilig beanspruchte Heschbon habe schon vor der Landnahme dem Amoriter gehört. Archäologische Belege hierfür gibt es nicht.

Man ging in Israel davon aus, dass das eroberte Gebiet zunächst von Rubeniten, Gaditen, Manassiten bzw. Merariten besiedelt worden sei (vgl. Num 32,3.33.37; Dtn 29,6; Jos 13,15-27; Jos 21,39). Das als alte Dichtung stilisierte und unbekannten Dichtern zugeschriebene (hebräische, nicht amoritische) Heschbon-Lied (Num 21,26-30*) besingt den legendären Eroberungszug des Sihon gegen die Moabiter; es weist sprachlich Spuren einer Prägung durch Fremdvölkerworte der nachexilisch gestalteten Prophetenbücher auf (vgl. bes. Jer 48,45b-46) und wird einerseits überlieferungsgeschichtlich ins ausgehende 8. oder 7. Jh. datiert (H.-C. Schmitt), andererseits aufgrund literarhistorischer (J. Van Seters) oder redaktionsgeschichtlicher (S. Timm) Erwägungen in die nachexilische Zeit. In jedem Falle ist die Verbindung und teilweise Harmonisierung der unterschiedlichen Traditionen im Rahmen einer von Genesis - Josua reichenden Hexateuch-Erzählung das Ergebnis nachexilischer Redaktion. Möglicherweise stehen Konflikte mit ammonitischen Gegnern Jerusalems in nehemianischer Zeit im Hintergrund der Überlieferungsgeschichte (vgl. Neh 2,10.19; Neh 4,1ff.).

Literaturverzeichnis

  • Achenbach, R., Die Vollendung der Tora. Studien zur Redaktionsgeschichte des Numeribuches im Kontext von Hexateuch und Pentateuch (BZAR 3), Wiesbaden 2003.
  • Hübner, U., Die Ammoniter. Untersuchungen zur Geschichte, Kultur und Religion eines transjordanischen Volkes im 1. Jahrtausend v. Chr. (ADPV 16), 1992 (Lit.!).
  • Otto, E., Das Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch (FAT 30), 2000.
  • Perlitt, L., Deuteronomium (BKAT V,1-3), 1990-1994.
  • Rendtorff, R., Sihon, Og und das israelitische „Credo“, in: M. Weippert u.a. (Hgg.), Meilenstein (FS H. Donner; ÄAT 30), 1995, 198-203.
  • Schmitt, H.-C., Das Hesbonlied Num 21,27abb-30 und die Geschichte der Stadt Hesbon, ZDPV 104, 1988, 26-43.
  • Seebass, H., Numeri (BKAT IV,2), 2003 (Lit.!).
  • Seters, J. Van, The conquest of Sihon’s Kingdom: A Literary Examination, JBL 91, 1972, 182-197.
  • Seters, J. Van, Once Again - The Conquest of Sihon’s Kingdom, JBL 99, 1980, 117-124.
  • Timm, S., Moab zwischen den Mächten. Studien zu historischen Denkmälern und Texten (ÄAT 17), 1989.
  • Wüst, M., Untersuchungen zu den siedlungsgeographischen Texten des Alten Testaments. I. Ostjordanland (BTAVO.B 9), 1975.

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