Pella
Andere Schreibweise: Ṭabaqāt Faḥl, Ṭabaqāt Faḥil, Tall al-Husn, Tell el-Huṣn, Tell el-Ḥöṣn
(erstellt: Juni 2021)
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1. Lage
2. Name und Identifizierung
Im Alten Testament wird Pella nie genannt – möglicherweise da der Ort zur Abfassungszeit der biblischen Texte nicht besiedelt war.
In der hellenistischen und römischen Epoche wird Pella wiederum in historischen Quellen erwähnt. Neben Stephanos von Byzanz und Appian, seien vor allem Polybius, Plinius, Flavius Josephus und Eusebius genannt. Polybius zählt die Stadt zu den von Antiochus d. Gr. 218 v. Chr. eroberten Städten (Historien V 70; Text gr. und lat. Autoren
Stephanos von Byzanz, ein Autor aus dem 6. Jh. n. Chr., bezeichnet Pella nachträglich als eine Gründung von Alexander d. Gr. (Ethnica 232:9) – wohingegen Appian, ein Geschichtsschreiber aus dem 2. Jh. n. Chr., Seleukos I. als Gründer nennt (Syr. 57; Text gr. und lat. Autoren
3. Besiedlungsphasen
3.1. Umgebung
Die Landschaft rund um das antike Pella ist reich an archäologischen Überresten, die bis in das Altpaläolithikum (Areal XII, ca. 250.000 v. Chr.) zurückreichen. Auf einer Terrasse ca. 1,5 km nördlich der Stadt im Wādi Ḥamme wurden Spuren der Kebaran-Kultur entdeckt, sowie ein Lagerplatz aus dem Natufien erforscht. Der berühmte epipaläolithische Siedlungsplatz Wādi Ḥamme 27 (12.000 Jahre v. Chr.) markiert die erste dauerhafte Siedlung. Danach beginnt sich die Landschaft allmählich mit Siedlungsstätten zu füllen.
3.2. Neolithikum und Chalkolithikum
In Pella selbst beginnt die menschliche Aktivität im Epipaläolithikum. Erste architektonische Spuren einer permanenten Besiedlung werden durch Wohnhäuser aus dem Neolithikum (ca. 6500 v. Chr.) belegt. Das Vorhandensein aller wichtigen domestizierten Tiere (Schaf, Ziege, Rind, Schwein) und Pflanzen (Weizen, Gerste, Hülsenfrüchte) sowie das Fehlen importierter Waren deuten darauf hin, dass das neolithische Pella als kleine (vielleicht 100-300 Menschen umfassende), wohlhabende, aber relativ isolierte Agrargemeinschaft existierte.
Vom Beginn des Chalkolithikums (→ Kupfersteinzeit
3.3. Bronzezeit
3.3.1. Frühe Bronzezeit
Von der städtischen Siedlung der Frühen Bronzezeit sind Verteidigungsanlagen erhalten (ca. 3200 v. Chr.). Die Siedlung scheint sich über beide Hügel erstreckt zu haben, wobei das administrative Zentrum auf dem Tell el-Ḥuṣn lag. Im Südosten gab es einen gepflasterten Zugang mit einem Tor und zwei vorspringenden Türmen. Die Funde sprechen für einen regen Handelsaustausch mit dem Umland, der aber auch bis Zypern, Anatolien und den Sinai reichte. Ca. 2900/2800 v. Chr. wurde die Stadt – vermutlich durch ein Erdbeben – zerstört und blieb für fast ein Jahrtausend unbewohnt. Gräber aus der Frühen Bronzezeit IV sind nur im Wādi Ḥamme gefunden worden. Auf Chirbet Faḥil gab es vereinzelte Bestattungen aus der Frühen Bronzezeit I.
3.3.2. Mittlere und Späte Bronzezeit
Gegen Ende der Mittleren Bronzezeit IIA (ca. 1800 v. Chr.) sicherte man die – sich ebenfalls auf beide Hügel erstreckende – Stadt erneut durch eine massive, bis zu 4 m dicke Stadtmauer aus Lehmziegeln, gegründet auf einem Steinfundament. Aus der Mittleren Bronzezeit sowie aus der Späten Bronzezeit sind bedeutende Tempel und Palastanlagen erhalten (ca. 1800-1200 v. Chr.).
In Ṭabaqāt Faḥil gab es – im Gegensatz zu einigen anderen Stätten in Transjordanien – keinen Bruch zwischen der Mittleren und der Späten Bronzezeit. In beiden Zeiten muss es sich um eine reiche und blühende Stadt mit weitreichenden Handelsbeziehungen bis nach Ägypten und Mesopotamien sowie zum Mittelmeer gehandelt haben, wie die außergewöhnlich gute Bauweise der Häuser sowie zahlreiche Funde nahelegen.
Auf der Oberseite stehen sich zwei Katzenfiguren (Panther oder Löwen?) gegenüber. Zwischen ihnen befinden sich zwei Uräen (→ Uräus
3.3.2.1. Migdol-Tempel
Am Übergang von der Mittleren Bronzezeit III zur Späten Bronzezeit I wurde in Areal XXXII ein monumentaler Festungs-Tempel, ein sog. Migdol-Tempel, gebaut (Stratum XI.1). Damit werden in der südlichen Levante → Tempel
Diese große Umbauphase wird von S. Bourke auch auf eine Veränderung im Kult zurückgeführt, nämlich einen Wechsel der Verehrung von → El
3.3.2.2. Sitz des ägyptischen Gouverneurs
Aus der Späten Bronzezeit wurde ca. 50 m südöstlich des Tempelareals (in Areal III sowie Teilen von Areal XXXII) eine repräsentative Bebauung gefunden, bei der es sich vermutlich um einen → Palast
3.3.2.3. Gräber
Gräber (→ Grab
3.4. Eisenzeit
Während sich die spätbronzezeitliche Bebauung über beide Hügel erstreckte, finden sich eisenzeitliche Siedlungsspuren nur auf Chirbet Faḥil. Der Übergang zwischen der Späten Bronzezeit und der Eisenzeit ist nicht eindeutig: Gingen die ersten Ausgräber noch von einer klaren Kontinuität aus und konstatierten eine Fortführung nicht nur der Keramiktraditionen, sondern auch der Bauweise und Ausrichtung der Gebäude, so postulieren die späteren Ausgräber um S. Bourke einen deutlichen Bruch, welcher durch einen klaren Zerstörungshorizont dokumentiert werde. Diese letztlich auf ein Erdbeben zurückzuführende großflächige Zerstörung wird anhand der Funde gegen Ende der Späten Bronzezeit (ca. 1200/1150 v. Chr.) datiert, auch wenn ein späterer Zeitpunkt nicht ausgeschlossen wird (ca. 1050 v. Chr.), zumal es zwischen 1200 und 1000 v. Chr. zahlreiche Erdbeben in der Region gab. Anzeichen für eine kriegerische Zerstörung, z.B. ein großflächiger Brandhorizont, sind nicht festzustellen.
Insgesamt scheint nach einer reichen Besiedlung in der Späten Bronzezeit eine ärmere Phase mit dörflichen Strukturen in der → Eisenzeit I
3.5. Hellenistische und römische Zeit
3.5.1. Hellenistische Zeit
Während sich die ptolemäischen Überreste auf den Westgipfel des Tell el-Ḥuṣn zu beschränken scheinen, besteht kein Zweifel daran, dass nach der seleukidischen Eroberung der südlichen Levante (198 v. Chr.) das städtische Leben in Pella wieder aufblühte. Die seleukidisch-hellenistische Siedlung auf dem Haupthügel von Chirbet Faḥil und dem Ostgipfel des Tell el-Ḥuṣn begann in der ersten Hälfte des 2. Jh.s v. Chr. und kam um 83/82 v. Chr. mit einer weitreichenden Zerstörung, die allgemein dem hasmonäischen König Alexander Jannai (→ Hasmonäer
Arbeiten in Areal XXIII auf dem zentralen Tell haben ein großes und gut ausgestattetes Stadthaus der späthellenistischen Periode mit beträchtlichen Kellerräumen freigelegt. Zu den Funden gehörten rhodische Amphoren, viel Feinkeramik – wie östliche Terra Sigillata-Teller oder Fischteller – und Spindelflaschen ebenso wie eine größere Anzahl von Münzen. Diese Assemblage festigt die Datierung der umfangreichen Zerstörung im frühen 1. Jh. v. Chr. Danach kam es zu einer Unterbrechung der Besiedlung.
3.5.2. Römische Zeit
Wie lange die nach der Zerstörung im 1. Jh. v. Chr. beginnende Unterbrechung der Besiedlung dauerte, ist umstritten. Es gibt einige Hinweise auf eine neu gegründete Siedlung auf dem Gipfel des Tell el-Ḥuṣn, und diese leicht zu verteidigende (aber wasserlose) Hügelkuppe scheint ein logischer Ort zu sein, auf den sich die verbliebenen Bewohner nach dem Trauma der o.g. Zerstörung zurückziehen würden.
3.6. Das christliche Pella und die byzantinische Zeit
In spätrömischer und byzantinischer Zeit war Pella ein Zentrum des Christentums. Eusebius von Caesarea berichtet, dass die christliche Jerusalemer Gemeinde um die Zeit des jüdischen Krieges die Stadt Richtung Pella verlassen habe (Historia Ecclesiastica III 5,2-3; Text gr. und lat. Autoren
Der von früheren Ausgräbern als Kloster-Komplex angesehene Bereich in Areal V scheint eher der Bischofssitz bzw. ein Martyrium für einen lokalen Heiligen gewesen zu sein. Das Bauwerk besitzt drei Apsiden und ist aufwändig mit mehrfarbigen Mosaiken für die Wände und eventuell Deckendekoration im zentralen Raum ausgestattet. Rote und weiße Tonfliesen im Schachbrettmuster bedecken die seitlichen Gänge, und ein Mosaik mit geometrischem Design ziert den hinteren Wandelgang. Erbaut wurde es vermutlich im 5. Jh. n. Chr. Im vorgelagerten Atrium befand sich ein hexagonales Becken. Ein Reliquiar aus Marmor wurde unter dem Fußboden des Altarraums der Ost-Kirche gefunden.
Bestattungen aus byzantinischer Zeit stammen vermehrt aus den Arealen VI und VII. Viele der Gräber aus hellenistisch-römischer und byzantinischer Zeit scheinen unter der modernen Bebauung zu liegen, da sie auf Karten des 19. Jh.s (z.B. von Schumacher) verzeichnet, aber heute nicht mehr aufzufinden sind.
3.7. Islamische Zeit
Nach der arabischen Eroberung im Jahr 635 n. Chr. war Pella eine umajjadische Stadt. Ob es bei dieser Eroberung zu einem Kampf kam oder die Bewohner Pellas flohen und die Stadt so der Zerstörung entkam, bleibt unklar, da beide Versionen der Geschichte überliefert wurden (Ṭabarī, Hist. XI 160-172).
Die Ostkirche wurde etwa ab 700 n. Chr. nicht mehr genutzt und die Westkirche zu Ställen umgebaut. Die Hauptkirche am Kopf der Quelle diente möglicherweise weiterhin als Gotteshaus für die verbliebene oder wieder zurückgekehrte, kleine christliche Gemeinde von Pella. Ein Teil auch dieser Kirche wurde in umajjadischer Zeit als Kamelstall genutzt. Vermutlich wurde die Stadt im Jahr 747 oder 749 n. Chr. von einem Erdbeben zerstört.
In abbasidischer Zeit stand in Pella eine Karawanserei (Areal XXIX; ca. 950 n. Chr.). Unter mamlukischer Herrschaft kam der Wohnort aufgrund des im Jordantal angebauten Zuckerrohrs wieder zu einem gewissen Wohlstand. Zeugnisse davon sind neben Wassermühlen im Umfeld auch eine Moschee in Areal XVII, erbaut mit Spolien aus der römisch-byzantinischen Zeit, und ein kleines administratives Zentrum im Stil eines Hofhauses in Areal XXIII (ca. 1350 n. Chr.).
Durch die idealen Lebensbedingungen in und um Pella gehört der Ort zu einem der am längsten besiedelten Orte der Region, der von der Vor- und Frühgeschichte bis in die moderne Zeit reicht.
Literaturverzeichnis
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Abbildungsverzeichnis
- Karte zur Lage von Pella. © K. Soennecken
- Überblick über den Haupthügel (Chirbet Faḥil) mit dem Tempelkomplex im Vordergrund. Rechts oberhalb des Grabungsareals liegt die mamlukische Moschee. Im Hintergrund das Grabungshaus sowie Teile des modernen Dorfes. © Pella excavations, mit freundlicher Genehmigung von Stephen Bourke
- Plan mit Ausgrabungsarealen. © K. Soennecken, nach Bourke 2012, 160
- Rekonstruiertes Kästchen mit Elfenbeinintarsien aus der Mittleren Bronzezeit (heute im Jordan Museum, J 15530). © K. Soennecken
- Tempelgrundrisse. © K. Soennecken, nach Bourke 2013, 4
- Spätbronzezeitlicher Tempel. Mit Dank an © D. Vieweger
- Kultständer aus Ton (BIBEL+ORIENT Datenbank Online). Mit Dank an © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
- Byzantinische Basilika im Vordergrund, im Hintergrund Tell el-Ḥuṣn mit hellenistischer Stadtmauer. © K. Soennecken
- In Pella geprägte Münze. Aus: Herzfelder 1936, Pl. 6.4
- Byzantinische Hauptkirche. © K. Soennecken
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