Deutsche Bibelgesellschaft

Philo von Alexandrien

Andere Schreibweise: Philon; Philo Iudaeus; Philo Alexandrinus; Jedidjah ha-Alexandri

(erstellt: September 2009)

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Schriften Philos finden sich im Internet: Text Philo

1. Situation in Alexandrien

In Alexandrien hatte sich sofort nach ihrer Gründung durch Alexander den Großen (332 v. Chr.) eine große jüdische Kolonie gebildet, die die gleichen Bürgerrechte hatte wie die nichtjüdische Bevölkerung (Flavius Josephus, Antiquitates Judaicae XIX,5,2; Text gr. und lat. Autoren). Die jüdische alexandrinische Gemeinde war gut organisiert, einflussreich und in die hellenistische Kultur sehr gut integriert. Ihre Sprache war Griechisch und wurde auch in der Liturgie an Stelle von Hebräisch benutzt. Die griechische Tora-Übersetzung (zuerst der → Pentateuch um die Mitte des 3. Jh.s v. Chr., dann folgten die weiteren Bücher) ist Ausdruck der Hellenisierung der alexandrinischen Juden. Die griechische Übersetzung wurde als ein von Gott inspirierter Text betrachtet und galt als gleichwertig mit der hebräischen Vorlage. In dem sogenannten → Aristeasbrief (ca. 2.-1. Jh. v. Chr.) wird die Übersetzung als Werk der göttlichen Vorsehung gedeutet. Die Übersetzung wurde durch 72 Gelehrte in 72 Tagen angefertigt, „als ob es nach einem bestimmten Plan erfolgt wäre“ (Aristeasbrief § 307; Aristeasbrief). Die Vorstellung einer göttlichen Inspiration bei der Übersetzung wird dann von Philo weiter entwickelt und seine Exegese maßgebend prägen.

2. Leben

Über das Leben von Philo ist wenig bekannt. Er stammte aus einer der bedeutendsten jüdischen Familien Alexandriens (→ Eusebius von Cäsarea, Historia Ecclesiastica II,4,2; Bibliothek der Kirchenväter). Sein, wahrscheinlich älterer, Bruder Tiberius Iulius Alexander war Alabarch (d.h. zuständig für das Eintreiben von Steuern) mit guten Beziehungen zu Agrippa I. und zum Kaiser Claudius (Flavius Josephus, Antiquitates Judaicae XVIII,8,1; XIX,5,1; Text gr. und lat. Autoren). Ein zweiter jüngerer Bruder, Iulius Lysimachus, war Ratgeber von Caecina Tuscus, Präfekt von Ägypten. Philo selbst war ein sehr angesehenes Mitglied der alexandrinischen Gemeinde. Flavius Josephus schreibt über ihn, Philo werde von der jüdischen Gemeinde „in höchsten Ehren gehalten“ und sei „nicht ungebildet in der Philosophie“ (philosophias ouk apeiros) gewesen (Flavius Josephus, Antiquitates Judaicae XVIII,8,1). 39/40 führte Philo eine Gesandtschaft der alexandrinischen Juden zu Kaiser Caligula an, um ihren Standpunkt in dem Streit mit der griechischen Bevölkerung von Alexandrien vor dem Kaiser zu vertreten. Wie Philo in dem Bericht von dieser Gesandtschaft (Legatio ad Gaium) schreibt, war er zu diesem Zeitpunkt schon „ein älterer Mann“. Er muss also zwischen 20 - 10 v. Chr. geboren sein. Das Datum seines Todes ist unbekannt und wird zwischen 40 - 50 n. Chr. geschätzt.

3. Philosophie

Philo lässt sich nicht einfach in eine bestimmte Schule einordnen. Die ersten Kirchenväter hielten ihn für einen Pythagoräer (Clemens von Alexandrien, Stromateis I,15,72,4; II,19,100,3; Bibliothek der Kirchenväter) sowie einen Platoniker (Eusebius von Cäsarea, Historia Ecclesiastica II,4,3; Bibliothek der Kirchenväter). In der Tat weist seine Philosophie Einflüsse aus verschiedenen Schulen auf und wurde nie systematisch formuliert. So besteht kein Konsens in der modernen Forschung über den Charakter der Philosophie von Philo. Einige sehen ihn als Stoiker (Leisegang, Pohlenz), andere als Anhänger des mittleren Platonismus (Billings, Dillon, Reale), andere betonen neben den platonischen die (neu)-pythagoreischen und kynischen Züge seines Denkens (Cohn, Heinemann). Es wäre dennoch zu reduktiv, Philo nur als typischen Vertreter der eklektischen Philosophie seiner Zeit anzusehen. Philo bemühte sich, Judentum und griechische Philosophie in Übereinstimmung miteinander zu bringen. In seinem Denken ist eindeutig eine jüdische Komponente zu erkennen. Gegen den zu seiner Zeit herrschenden Materialismus und die immanentistische Auffassung der Gottheit betont Philo die absolute Transzendenz Gottes und die Unzulänglichkeit der menschlichen Sprache, das Wesen Gottes zu definieren. Die menschliche Vernunft benötigt die Offenbarung, um zur wahren Erkenntnis zu gelangen: zur Gottesschau. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die Seele von ihrer Materialität, von Begierde und Leidenschaft befreit ist. Darauf zielt das mosaische Gesetz (Legum allegoriae III 11, 45). Allerdings kann der Mensch kein tugendhaftes Leben führen, wenn ihm Gott dabei nicht hilft. Der Mensch soll sich Gott ganz hingeben, denn die Vollkommenheit ist ein Geschenk der Gnade Gottes. Die Gottesschau ist letztlich eine mystische ekstatische Erfahrung:

„Wenn du, also, meine Seele, irgendeinen Wunsch hast, Erbe der göttlichen Güter zu werden, so verlasse nicht nur ‚dein Land‘, d.h. den Körper, und ‚deine Verwandtschaft‘, d.h. die Sinnlichkeit, und ‚das Haus deines Vaters‘, d.h. die Sprache (logos), sondern entfliehe auch dir selbst, gehe aus dir heraus in bacchischer Verzückung gleich den Besessenen und den Korybanten und gotterfüllt mit prophetischer Begeisterung. Denn die Seele wird Erbe der göttlichen Güter sein, wenn sie gottbegeistert nicht mehr in sich ist, sondern von himmlischer Liebe getrieben und entflammt, von dem wahrhaft Seienden geführt und zu ihm empor getragen wird, während die Wahrheit ihr voranschreitet und jedes Hindernis hinweg räumt, damit sie auf ebenem Weg wandele“ (Quis rerum divinarum heres sit, 69-70).

Philo hat eine eindeutige Vorliebe für die platonisch-(neu)pythagoreische Philosophie, weil sie sich am besten eignete, die griechische Rationalität mit der jüdischen Religion und orientalischen Mystik zu vereinbaren. Er ist aber auch bereit, sich anderer philosophischer Traditionen zu bedienen, wenn diese für seine Auslegung der Heiligen Schrift nützlich sind. „Die Sprache der Heiligen Schrift bestimmt die Auswahl seines philosophischen Wortschatzes“ (Wolfson, Philo’s Foundations, Bd. 1, 97: „The language of Scripture determines his choice of vocabulary in philosophy“.)

Es sei hier nur auf einen Aspekt seiner Philosophie hingewiesen, der von den Kirchenvätern rezipiert und weiter entwickelt wurde: der „Logos“. Für Philo ist Gott in der materiellen Welt absolut transzendent und sein Wesen vom menschlichen Verstand nicht erfassbar. Um die Kluft zwischen Gott und seiner Schöpfung zu überwinden, macht Philo von einem Mittelwesen Gebrauch, dem Logos. Wenn das Wesen Gottes für den Menschen unartikulierbar bleibt, ist dagegen seine schöpferische Macht begreiflich. Diese entfaltet sich durch den Logos. Gegenüber der Schöpfung weist der Logos drei verschiedene Funktionen auf: er ist die wirkende, exemplarische und die instrumentale Ursache zugleich. In Gottes Denken befindet sich zuerst das Urbild der Welt (kósmos noetòs) in einer reinen intelligiblen, immateriellen Form. So beschreibt Philo den schöpferischen Vorgang Gottes:

„Ähnlich (wie den Bau einer Stadt) haben wir uns die Sache auch bei Gott zu denken, dass er also in der Absicht, die ‚Großstadt‘ (d.h. den Kosmos) zu bauen, zuerst im Geist ihre Formen schuf, aus denen er eine gedachte Welt zusammensetzte, und dann unter Benutzung jenes Musterbildes die sinnlich Wahrnehmbare herstellte. Gleichwie nun die in dem Baumeister zuvor entworfene Stadt nicht außerhalb eine Stätte hatte, sondern nur in der Seele des Künstlers eingeprägt war, ebenso hat auch die aus Ideen bestehende Welt keinen anderen Ort als den göttlichen „logon“, der dieses alles geordnet hat.“ (De opificio mundi 19-20).

In diesem Gleichnis, das auch in palästinischem Midrasch vorkommt (Genesis Rabbah I,1), scheint Philo, den Logos dem göttlichen Intellekt gleichzusetzen und ihn von Gott nicht zu unterscheiden. In anderen Schriften aber wird der Logos als eine Hypostase Gottes und ihm untergeordnet dargestellt: er ist „der erstgeborene Sohn“ (De agricultura 51; De somniis 1, 215) bzw. „der zweite Gott“ (Legum allegoriae II,86, Quaestiones in Genesim II,62), „der älteste seiner Engel, der Erzengel mit mehreren Namen, Abbild (eikòn) Gottes“ (De confusione linguarum 146-147), sein „Schatten“ „Muster und Archetypus aller Dinge“, den Gott als Instrument benutzt hat, um die Welt zu schaffen (Legum allegoriae III,96). Der hypostasierte Logos ist Mittler zwischen Gott und der Welt, zwischen Transzendenz und Immanenz (vgl. Quis rerum divinarum heres sit, 205-206). Im stoischen Sinne wird der Logos auch mit der die ganze Schöpfung durchdringenden göttlichen Kraft identifiziert, die den ganzen Kosmos durchwaltet und erhält (vgl. De fuga et inventione 101, 112; De plantatione 8-10). Nicht klar ist das Verhältnis des Logos zu der Weisheit. Teilweise scheint Weisheit ein Synonym von Logos zu sein (Legum allegoriae I,65; Quod deterius potiori insidiari soleat 115-118; De fuga et inventione 109), teilweise ist die Weisheit älter als der Logos und ihm präexistent (De somniis 245-246, De virtutibus 62).

Die Logoslehre von Philo drückt in hellenistisch-philosophischer Sprache die biblische Vorstellung der schaffenden Funktion des Wortes Gottes aus und bildet die Grundlage für die christliche Trinitätstheologie. Trotz der Hypostasierung fehlt jedoch dem philonischen Logosbegriff jede Vorstellung von Fleisch- oder Menschwerdung oder auch nur von einer messianischen Funktion.

4. Bibelauslegung

Eng verbunden mit seiner Philosophie ist die Bibelauslegung. Auch in ihr verbindet Philo griechische Kultur und jüdische Tradition. Er ist dabei von dem Glauben geleitet, dass der Pentateuch Wort Gottes ist, welches → Mose offenbart wurde und von den 72 Weisen, die Philo „Oberpriester und Propheten“ nennt (hieorphantes kai prophetai; De vita Mosis II,40), von Gott inspiriert, ins Griechische übertragen wurde. Wie sein Vorgänger Aristobul (um 170-150 v. Chr.) betont Philo, dass der Pentateuch die Quelle aller Philosophie ist, die sich unter dem Mantel seiner Worte verbirgt. Die tiefgründige Bedeutung der Tora unter der Schicht des Literalsinnes zu enthüllen und zu begreifen, ist Ziel seiner Exegese. Dafür konnte er auf eine schon vorhandene hellenistische und jüdische Auslegungstradition zurückgreifen.

4.1. Hellenistische Hermeneutik

Philos Exegese ist tief in der hellenistischen Hermeneutik verwurzelt. Die alten poetischen Werke der griechischen Literatur wiesen ähnliche Probleme auf wie die biblischen Schriften. Schon seit dem 6. Jh. mit der Entstehung des wissenschaftlichen Denkens der ionischen Naturphilosophie wuchs eine kritische Haltung gegenüber dem Mythos und der anthropomorphen Darstellung der Gottheit. Die Epen von Homer und Hesiod mit ihren Göttern, die mit menschlichen Schwächen und Lastern behaftet waren, widersprachen der philosophischen Vorstellung einer übernatürlichen, vollkommenen Gottheit. Die Kritik der Philosophen hatte ihren Höhepunkt mit Plato, der die Schriften Homers aus seinem Idealstaat verbannte.

Dennoch waren Homers Epen ein unverzichtbarer Bestanteil der griechischen Kultur: Sie waren längst Lehrstoff in den Schulen geworden und galten in bestimmten Kreisen (z.B. bei den Orphikern) als heilige, inspirierte Texte, die im Kern schon die gesamte griechische Weisheit enthielten. In der Überzeugung, dass Homer im Grunde genommen ein Philosoph war, der seine Lehre mit Versen verkleidet hatte, entwickelte sich eine Auslegung, die darauf zielte, diese verborgene Lehre (hyponoia) an das Licht zu bringen. Die allegorische Umdeutung wurde vor allem von den Stoikern wie Chrysippos (3. Jh.) und Krates von Mallos (2. Jh.) praktiziert. Diese Auslegungsmethode hatte ihr Zentrum in Pergamon.

In Alexandrien hatte sich dagegen ab dem 3. Jh. unter den Ptolemäern eine philologische Schule gebildet, die vor allem auf die Erforschung des einfachen Sinns der Texte und auf die Wiederherstellung des Originalen bedacht war. Ihre Methode war die Analogie, d.h. unsichere Ausdrücke bei dem Sprachgebrauch eines Autors durch Vergleich und Heranziehen klarer lexikalischen Formen zu klären. Man sollte Homer aus Homer selbst erklären, wie Aristarch von Samothrake (2. Jh.) es auf den Punkt brachte.

Beide Aspekte der hellenistischen Hermeneutik kommen auch in Philo vor.

4.2. Philos Bibelauslegung

Schon vor Philo hatte der alexandrinische Jude Aristobul (um die Hälfte des 2. Jh.s v. Chr.) von der Allegorie Gebrauch gemacht. Seine Schriften sind nur fragmentarisch durch Zitate in Eusebius aus Cäsarea und Clemens aus Alexandrien erhalten geblieben. Es ist aber klar, dass er die allegorische Auslegung benutzte, um die Anthropomorphismen zu deuten und mit einer apologetischen Absicht zu beweisen, dass die ganze griechische Philosophie von der Bibel stammt. Die Apologie des jüdischen Gesetzes ist auch das zentrale Thema im Aristeasbrief. Die Speisevorschriften werden in pythagoreischer Weise als Mittel ethischer Belehrung interpretiert, um die philosophisch-ethische Lehre der Bibel gegenüber der griechischen Weisheit hervorzuheben.

In der philonischen Exegese ist sicher die Apologie präsent, steht aber nicht im Vordergrund. Das Hauptziel Philos bei der allegorischen Auslegung ist die Erforschung der tiefgründigen Bedeutung des Wortes Gottes, um seinen Willen wirklich erfüllen zu können. Seine Exegese fußt auf dem Glauben, dass die Tora (= Pentateuch) von Mose unter Anleitung Gottes verfasst wurde und eine göttliche Weisheit enthält. Diese konnte Mose mit den Augen seiner Seele anschauen. Sie lässt sich aber nicht vollständig und perfekt in Worten und Namen menschlicher Sprache ausdrücken (vgl. De migratione Abrahami 48-49; De somniiis I,164). Die Worte sowie die Lebensgeschichten von Adam und Eva und der Erzväter haben bis in ihre einzelnen Buchstaben hinein eine symbolische Funktion. Sie sind Sinnzeichen einer ethischen Lehre. Adam symbolisiert zum Beispiel die Vernunft bzw. die noch unschuldige Seele, die von den Sinnen (Eva) angezogen wird (vgl. De opificio mundi, 150-152, 165-169). Eva wird aber von der Schlange (Symbol der Sinnlichkeit; vgl. De opificio mundi, 157) verführt und gebiert Kain, der für Überheblichkeit und Selbstsucht steht (vgl. De sacrificiis Abelis et Caini 1-3). Der Tod von Abel weist auf die Abtötung der Seele in Bezug auf ein moralisches Leben hin. Die Keime des Guten, die jedoch in der Seele weiter bleiben, können dank Hoffnung (Enosch; vgl. De Abrahamo 7-9; De praemiis 13-14) und Reue (Henoch; vgl. De Abrahamo 17-19) hervorsprießen und zur Gerechtigkeit (Noach, der Beginn einer zweiten Schöpfung der Menschheit; vgl. Quaestiones in Genesim II;56.) führen (vgl. Bréhier, 43).

Die Allegorie hebt aber den Literalsinn nicht auf. Allegorische und literale Bedeutung sind eng miteinander verbunden und Bestandteile des Gesetzes: „Das ganze Gesetz […] ähnelt einem Lebewesen: der Körper sind die Vorschriften in ihrem einfachen Wortlaut; die Seele ist die unsichtbare Bedeutung, die unter den Worten verborgen liegt“ (De vita contemplativa 78). Da nur eine kleine Elite die tiefe, wahre Bedeutung der Tora erfassen kann, ist der Literalsinn für die Belehrung der breiten Masse, die keine philosophische Bildung hat, notwendig. „Die esoterische Bedeutung richtet sich nur an wenige, die die Veranlagung der Seele und nicht die Formen des Körpers erforschen“ (De Abrahamo 147). Nur diese, die über eine vernunftbegabte Seele verfügen, können durch die Worte „wie durch einen Spiegel die übermäßige Schönheit der in ihnen sich zeigenden Gedanken erblicken. Sie falten die allegorischen Symbole auseinander, erklären diese und führen die geheime Bedeutung der Worte nackt ans Licht“ (De vita contemplativa 78). Die Annahme von einem zweifachen Schriftsinn ist für Philo nicht zuletzt nötig, um die praktische Bedeutung des Gesetzes und seine wörtliche Erfüllung zu retten. Was den Text der Tora betrifft, stellt sich Philo keine Frage über Abweichungen und Lesevarianten unter den verschiedenen Handschriften. Hier ist Philo von der alexandrinischen Philologie nicht beeinflusst worden.

5. Nachwirkung

Philo war ein Brückendenker. Er führte die griechische Philosophie in die jüdische Theologie und öffnete damit den Weg für jene Verschmelzung von biblischem Glauben und philosophischer Rationalität, die nachhaltige Wirkungen nicht nur für die griechische und jüdische Kulturgeschichte haben sollte. Von den griechischen Philosophen der Kaiserzeit wurde Philos Betonung von Immaterialität und Transzendenz von Ammonius Sakkas, Begründer des Neuplatonismus, rezipiert, der eben in Alexandrien lehrte. Verschiedene erhaltene Fragmente belegen, dass Numenios von Apamea Philo kannte, und über Numenios reicht der Einfluss von Philo bis zu Plotin.

Die größte Wirkung von Philo liegt aber im Christentum. Seine philosophische Terminologie, die Unterordnung menschlicher Vernunft gegenüber der Offenbarung, das Verhältnis zwischen Gott und der Schöpfung und insbesondere die Logosvorstellung sind von den Kirchenvätern (besonders Clemens von Alexandrien, Origenes, Gregor von Nyssa) aufgenommen und weiter entwickelt worden. Die philonische Allegorese, vor allem durch Origenes, hat auch die lateinischen Kirchenväter beeinflusst (insbesondere Ambrosius von Mailand). So hat der Jude Philo einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der christlichen Theologie und Exegese geleistet. Das hat im Mittelalter auch Anlass zu der Legende gegeben, Philo habe in Rom Petrus kennengelernt (vgl. Eusebius aus Cäsarea, Historia ecclesiastica II, 17,1; 18, 8) und wäre dann Christ geworden.

Im Judentum ist dagegen Philo nach dem Untergang der hellenistischen Kultur in der Diaspora durch die Verbreitung der rabbinischen Lehre aus Palästina und Babylonien in Vergessenheit geraten. Er wurde erst in der Renaissance in Italien durch Azaria de’ Rossi (Mantua ca. 1514-1578) wieder entdeckt.

Literaturverzeichnis

1. Werke

Die Schriften Philos, die uns erhalten geblieben sind (eine unvollständige Liste ist schon bei Eusebius aus Cäsarea, Historia ecclesiastica II, 18,1-8 zu finden) lassen sich in drei Klassen unterteilen:

1.1. Exegetische Schriften

  • De Abrahamo
  • De agricultura
  • De animalibus
  • De cherubim
  • De confusione linguarum
  • De congressu eruditionis causa
  • De decalogo
  • De deo
  • De ebrietate
  • De fuga et inventione
  • De gigantibus
  • De Josepho
  • De migratione Abrahami
  • De mutatione nominum
  • De plantatione Noe
  • De posteritat Caini
  • De praemiis et poenis bzw. De execrationibus
  • De sacrificiis Abelis et Caini
  • De sobrietate
  • De somniis I-II
  • Legum allegoriae I-III
  • Quaestiones in Genesim et Exodum
  • Quis rerum divinarum heres sit
  • Quod deterius potiori insidiari soleat
  • Quod Deus sit immutabilis

1.2. Philosophische Schriften

  • De aeternitate mundi
  • De opificio mundi
  • De providentia
  • De specialibus legibus
  • De virtutibus
  • De vita contemplativa
  • De vita Mosis I-II
  • Quod omnis probus liber sit

1.3. Apologetische Schriften

  • Apologia pro Iudaeis bzw. Hypothetica
  • In Flaccum
  • Legatio ad Gaium

2. Ausgaben und Übersetzungen

  • Philonis Alexandrini Opera quae supersunt. Editio maior, ed. Leopold Cohn / Paul Wendland, Bde. I-VII, Berlin 1896-1930 [Berlin 1962]. Davon eine edition minor, Bde. I-VI, Berlin 1886-1915
  • The Works of Philo: complete and unabridged, transl. by Charles Duke Yonge Peabody, Massachusetts, 2002 (Erstdruck: The works of Philo translated from the Greek by Charles Duke Yonge, Bde. 4, London 1854-1855)
  • Philo. Works. Greek and English Translation, ed. By Francis Henry Colson / George Herbert Whitaker / Ralph Marcus, Bde. I-X London 1929 [mehrmals nachgedruckt bis 2004]; Bd. XI Questions and answers on GenesisTransl. from the ancient Armenian version of the original Greek by Ralph Marcus, Cambridge 1993; Bd. XII Questions and answers on Exodus Transl. from the ancient Armenian version of the original Greek by Ralph Marcus, Cambridge 1987
  • Philo von Alexandria. Die Werke in deutscher Übersetzung 7 Bände Hrsg. V. Leopold Cohn / Isaak Heinemann / Maximilian Adler / Willy Theiler; Bde.1-6, Berlin 1909-1938 [Berlin 1962], Bd. 7 Berlin 1964
  • Les oeuvres de Philon d’Alexandrie par Roger Arnaldez Jean Pouilloux / Claude Mondésert, Paris 1961
  • The Works of Philo: Greek text with morphology (Computerdatei „Logos Bible Software”), Bellingham, Washington 2000-2006

3. Lexikonartikel

  • Paulys Realencyclopädie, Stuttgart 1893-1978
  • Dictionnaire d’archéologie chrétienne et de liturgie, Paris 1907-1953
  • Reallexikon für Antike und Christentum, Stuttgart 1950ff.
  • Encyclopaedia Judaica, Jerusalem 1971-1996
  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Encyclopedia of the Early Church, Cambridge 1992
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
  • Bibeltheologisches Wörterbuch, Graz 1994
  • Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003
  • Dictionary of Judaism in the Biblical Period. 450 B.C.E. to 600 C.E., New York 1996
  • New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis, Grand Rapids 1997
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
  • Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (im Internet)

4. Sekundärliteratur

  • Billings, T.H., The Platonism of Philo Judaeus, Chicago 1919
  • Böhm, M., Rezeption und Funktion der Vätererzählungen bei Philo von Alexandria. Zum Zusammenhang von Kontext, Hermeneutik und Exegese im frühen Judentum, Berlin 2005
  • Bréhier, E., Les idées philosophiques et religieuses de Philo d’Alexandrie, Paris 1908 (3. Aufl. ebd. 1950)
  • Daniélou, J., Philon d’Alexandrie, Paris 1958
  • Dillon, J.M., The transcendence of God in Philo: some possible sources, (Center for Hermeneutical Studies in Hellenistic and Modern Culture 16), Berkeley 1975
  • Goodenough, E.R., By Light, Light: the mystic gospel of Hellenistic Judaism, New Haven 1935
  • Heinemann, I., Philons griechische und jüdische Bildung, Breslau 1932 (Darmastadt 1962)
  • Leisegang, H., Art. Philon, in: Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Bd. 20/1, 1941 (1960), 1-50
  • Maddalena, A., Filone Alessandrino, Milano 1970
  • Pholenz, M., Philon von Alexandreia, Göttingen 1942
  • Pholenz, M., Die Stoa. Geschichte einer geistigen Bewegung, Göttingen 1948 (7. Aufl. 1992)
  • Reale, G., Storia della Filosofia Antica, 5 Bde., Milano 1981
  • Siegert, F., Der Logos, „älterer Sohn“ des Schöpfers und „zweiter Gott“. Philons Logos und der Johannesprolog, in: J. Frey / U. Schnelle (Hgg.): Kontexte des Johannesevangeliums. Das vierte Evangelium in religions- und traditionsgeschichtlicher Perspektive (WUNT 175), Tübingen 2004, 277-293
  • Siegert, F., Der Logos, „älterer Sohn“ des Schöpfers und „zweiter Gott“. Philons Logos und der Johannesprolog, in: J. Frey / U. Schnelle (Hgg.), Kontexte des Johannesevangeliums. Das vierte Evangelium in religions- und traditionsgeschichtlicher Perspektive (WUNT 175), Tübingen 2004, 277-293
  • Wolfson, H.A., Philo’s Foundations of religious philosophy in Judaism, Christianity and Islam, 2 Bde., Cambridge / Mass. 1947

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