Priesterschrift
(erstellt: Juni 2010)
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„Priesterschrift“ (abgekürzt „P“) ist die traditionelle Bezeichnung einer literarischen Schicht des → Pentateuchs
1. Einführung
1.1. Andere Bezeichnungen für die Priesterschrift
Priesterschrift ist ein Sammelbegriff, der verschiedene, als priesterlich zu kennzeichnende Schriften („Priestly Writings“) von im Einzelnen unterschiedlicher Herkunft zusammenfassend benennt (Schwartz). Dass das Verständnis dieser Größe alles andere als unumstritten ist, kommt schon in den verschiedenen Benennungen zum Ausdruck, die sich für sie im Laufe der Forschungsgeschichte ausgeprägt haben. Wegen der in Gen 1,1-2,4a
1.2. Literarische Besonderheiten der Priesterschrift
Der in der Forschung eingebürgerte Name Priesterschrift ist verräterisch, enthält er doch ein Urteil über den Charakter der so benannten Pentateuch-Schicht. Dementsprechend fallen auch die Wertungen dieser Größe aus: monoton, umständlich, formelhaft, Erdrückung der Poesie durch das Schema (Smend, 1995) – so oder ähnlich lautet die klassische Formel, mit der man versucht hat, deren Eigenart auf den Begriff zu bringen. Das darin enthaltene Urteil über das literarische Vermögen ist alles andere als freundlich, insbesondere ein Mangel an poetischer Inspiration und sprachlichem Elan wird konstatiert, ohne recht die Bedeutung sprachlich-literarischer Gestaltung für ein Verständnis der Priesterschrift zu bedenken, was erst in jüngerer Zeit geschieht (Borchert; McEvenue, 1971; Paran).
1.2.1. Vorliebe für Formeln
In welch hohem Maße die Priesterschrift von formelhafter Sprache geprägt ist, zeigt sich schon an der ihr programmatisch vorangestellten, strophisch organisierten Schöpfungsgeschichte (Gen 1,1-2,4a
1.2.2. Verknüpfung erzählender und listenartiger Texte
Als Mangel priesterschriftlichen Erzählstils ist immer wieder empfunden worden, dass ausgeführte, wie aufgebläht wirkende Erzähltexte und aufzählende, sich nur auf das Notwendigste beschränkende „Verbindungstexte“ wie Listen und → Genealogien
1.2.3. Zusammenhang von Wort und Erfüllung
Eine die Darstellung der Priesterschrift rhythmisierende Bedeutung kommt dem durchgehend gehandhabten Zusammenhang von Wort und Erfüllung zu (→ Verheißung und Erfüllung
1.2.4. Vom Gedanken der Ordnung bestimmt
Mit der Zurücknahme eines lebendig-plastischen Erzählens verbindet sich für die Priesterschrift ein ausgesprochener Sinn für Ordnung, insofern sie sich bemüht zeigt, ihren Stoff aufs Sorgfältigste zu strukturieren, wofür Überschriften wie etwa die Toledotformel für den ersten, Wanderungsnotizen für den zweiten Teil des priesterschriftlichen Werkes von herausragender Bedeutung sind (Weimar, 1984). Ein davon bestimmtes Ordnungsdenken wird auch sichtbar an dem auf verschiedenen Ebenen der priesterschriftlichen Darstellung eingesetzten Stilprinzip der inklusorischen Verklammerung kompositorischer Einheiten, wie es exemplarisch realisiert ist durch Über- (Gen 1,1
1.2.5. Sprachliche Eigentümlichkeiten
In sprachlicher Hinsicht hebt sich die Priesterschrift durch ein gegenüber den übrigen Schichten des Pentateuchs eigentümliches Vokabular ab, von dem her sich deren Tonfall in herausragender Weise bestimmt (Holzinger; Steuernagel). Prägend ist der Einsatz theologischer Fachtermini zur Deutung des erzählten Geschehens. So stellt die Priesterschrift die → Abrahamgeschichte
Je auf ihre Weise geben die hier genannten Besonderheiten einen Eindruck von der Eigenart der Priesterschrift, die sie als eigengeprägte Größe hervortreten lässt. Die Nüchternheit in Sprache und Diktion, ein gewisser Mangel an poetischem Schwung, das hohe Maß an Transparenz, das sie bei der sorgfältigen Durchgestaltung ihrer Darstellung erkennen lässt, all das hat eine funktionale Bedeutung, liegt keineswegs in einem nur mangelhaft ausgeprägten literarischen Vermögen begründet, steht vielmehr im Dienst der hierdurch angezeigten theologischen Absicht, die möglichst profiliert und unverstellt zum Ausdruck wie zur Geltung gebracht werden soll.
1.3. „Priesterschrift“ – eine irreführende Bezeichnung
Die Kennzeichnung der sich durch eigene Sprache und Stil auszeichnenden literarischen Schicht innerhalb des Pentateuchs als Priesterschrift liegt über sprachlich-stilistische Eigentümlichkeiten hinaus vor allem in deren Inhalt begründet, insofern hierin, wie die Bezeichnung „Priesterkodex“ nahelegt, ein Gesetzbuch, ein Manuale sacerdotum (Wellhausen, 1927) zu sehen ist, das insbesondere Angelegenheiten von Priestern regelt. Diese vor allem durch J. Wellhausen inaugurierte Sicht der Priesterschrift als eines Werkes, das hinsichtlich seiner literarischen Eigenart, aber auch seiner thematischen Ausrichtung als Produkt einer priesterlich bestimmten Denkweise zu verstehen ist, hat – bei allen Modifikationen im Einzelnen – bis heute nachhaltig Bild und Verständnis dieser Schrift geprägt. Drei eng untereinander zusammenhängende Aspekte sind es, die das klassische Verständnis der Priesterschrift bestimmen.
1.3.1. Gesetz und Kult als zentraler Inhalt
Hauptsächlicher Gegenstand des priesterschriftlichen Werkes sind Gesetz und Kult. Beide Größen stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sind vielmehr als „Gesetz des legitimen Kultus von Jerusalem“ (Wellhausen, 1927, 339) eng miteinander verbunden. Damit sind schon die Hauptmerkmale des durch die Priesterschrift propagierten Kultgesetzes genannt. Ihr Gegenstand ist nicht etwa jener kleine „Kultus der frommen Exerzitien des täglichen Lebens, den auch die Laien kennen und üben mussten“, sondern der von den Priestern zu übende große Kult am Altar und das durch sie zu vollziehende Ritual des Tempeldienstes, wobei alles, bis ins Kleinste und Unbedeutendste hinein, festgelegt und geregelt ist (Wellhausen, 1927). Gesetz und Kult stehen im Zentrum der Priesterschrift. Auf sie hin ist deren ganze Darstellung ausgerichtet.
1.3.2. Gesetz als Mitte und Ziel der Geschichte
Eng damit hängt ein zweiter Aspekt zusammen, der sich auf die spezifische Darstellungsart der Priesterschrift bezieht, wonach nämlich der Erzählfaden im Allgemeinen dünn ist und sich nur ausgeführter und wortreicher darbietet, wenn – wie beispielsweise beim Bund mit Noah und Abraham – anderweitige Interessen mitspielen (Welllhausen, 1927). In der Formel von der Priesterschrift als „legislative Schrift in historischer Form und mit historischer Substruktion“ (Holzinger, 335) kommt in knappster Form zum Ausdruck, zu welchem Zweck in ihr Geschichte erzählt wird. In der Form, in der sie sich darbietet, ist sie kein Gesetzbuch, aber auch kein Geschichtenbuch, in dem in lebensvoll-anschaulicher Schilderung das Werden Israels als JHWH-Volk, beginnend mit der Schöpfung, erzählt wird. Eigentlicher Gegenstand der Priesterschrift ist das „Herauswachsen bestimmter kultischer Institutionen aus der Geschichte“ (von Rad, 1962, 246). Als ein Stück Priesterliteratur will sie „die Frage nach dem Recht und der Legitimität der Israel konstituierenden Zustände und Ordnungen“ beantworten (von Rad, 1973, 186); sie sei zu dem Zweck verfasst, das Gesetz als Sinnmitte und Ziel göttlicher Geschichtslenkung zu präsentieren, weil es nur so angemessen legitimiert und verbindlich begründet werden könne.
1.3.3. Verständnis von Geschichte
Die umstrittene Bestimmung des Verhältnisses von Gesetz und Geschichte innerhalb der Priesterschrift ist – damit einen dritten Aspekt berührend – nicht ohne Bedeutung für das darin sich ausdrückende Verständnis von Geschichte. Hat im Gefolge von Wellhausen auch weitgehend das Gesetz den Sieg davongetragen (Lohfink, 1978), ist eine andere Bestimmung des Verhältnisses beider Größen nicht ohne Folgen für ein Verständnis von Geschichte, wie es der Priesterschrift eigen ist (vgl. Fritz, 1987). In der einseitigen Herausstellung des Gesetzes liegt die für die Priesterschrift immer wieder behauptete „Perspektivenlosigkeit“ (H. Schmidt) begründet. Da der Tempel in unvordenklicher Zeit bestanden habe, ja eigentlich überhaupt ohne Ursprung ist, ist der Begriff der Geschichte nahezu aufgehoben. Jedenfalls gibt es keine Geschichte mit einem großen Ziel, alles geschieht „wie unter dem Zwange eines langsam ablaufenden Uhrwerks“ (H. Schmidt, 54), hebt sich damit von einer echt prophetischen Anschauung ab. In fataler Weise schafft sich so erneut der Gedanke vom Gesetz als dem eigentlichen Gegenstand und Ziel der Priesterschrift Geltung.
Als verhängnisvoll für ein Verständnis der Priesterschrift erweist sich eine weitgehende Fixierung auf das Gesetz bei gleichzeitiger Vernachlässigung des Elementes der Geschichte. Die eingebürgerte Bezeichnung „Priesterschrift“, die in ihr ein typisches Priesterwerk sehen lässt, ist allenfalls zutreffend für die darin eingebetteten Kultgesetze, weniger jedoch – vor allem bei Einbeziehung des notorisch vernachlässigten Schlussteils – für das Gesamtwerk, das mehr von prophetischem, weniger jedoch von priesterlichem Geist inspiriert scheint (Noth; zur Diskussion Saebø). Zu eng, ja irreführend erweist sich so die Kennzeichnung des derart sich darstellenden Werkes als „Priesterschrift“, möglicherweise auch ein Grund für eine jahrzehntelange Vernachlässigung in der Forschung (Koch, 1958).
2. Wege einer Neuorientierung
Mit dem wiedererwachenden Interesse an der Priesterschrift geht eine Verschiebung hinsichtlich der Akzentsetzungen und Gewichte einher. So wenig spektakulär im Einzelnen die zugrunde liegenden Beobachtungen sein mögen, sind sie dennoch derart, dass sich von ihnen her neue Sichtweisen und Zugangswege zu einem Verständnis der Priesterschrift eröffnen. In jüngerer Zeit ist in die Bestimmung der literarischen Eigenart der Priesterschrift insofern Bewegung gekommen, als erneut folgende Fragen diskutiert werden: 1. Ist die Priesterschrift eine einheitliche oder eine mehrschichtige Größe? 2. Ist sie ein eigenständiges literarisches Werk oder eine Bearbeitungsschicht? 3. Welchen Umfang hat sie bzw. wo findet sich das Ende von Pg.
2.1. Die Mehrschichtigkeit der Priesterschrift
Gegenüber der Ausgrenzung der Priesterschrift, wie sie im Gefolge von Th. Nöldeke weithin Anerkennung gefunden hat, ist für die weitere Forschung ein fortschreitender Schrumpfungsprozess kennzeichnend, bei dem der Priesterschrift erheblich weniger Texte zugerechnet werden. Damit hat das Profil der Priesterschrift genannten Größe deutlich an Kontur gewonnen. Grundlegend ist hierbei die Erkenntnis, dass die Texte, die gemeinhin der Priesterschrift zugerechnet werden, in Anbetracht nicht zu verkennender Kohärenzstörungen kaum als Elemente eines literarisch wie theologisch in sich geschlossenen Werkes angesehen werden können.
2.1.1. Erweiterungen der Grundschicht um Gesetze
Kann auch die allgemeine Annahme eines komplexen Entstehungsprozesses für die Priesterschrift mit weitgehender Anerkennung rechnen, hat sie im Einzelnen jedoch ganz unterschiedliche Ausgestaltungen erfahren. Eine erste, grundlegend schon mit Wellhausen (1927) in Verbindung zu bringende Unterscheidung betrifft die zwischen einem selbstständigen literarischen Kern und einer Vielzahl jüngerer Erweiterungen meist legislativer Art, ohne dass deren Bedeutung zunächst recht in den Blick gekommen und wirksam geworden wäre, wozu nicht zuletzt die „formelle und materielle Gleichartigkeit, die völlige Übereinstimmung in Tendenzen und Vorstellungen, in Manieren und Ausdrücken“ (Wellhausen, 1927, 384) beigetragen haben mag. In ihrer Bedeutung zum Tragen gekommen ist diese wegweisende Unterscheidung zwischen einem solchen literarischen Kern und sekundären Erweiterungen im Stil der Priesterschrift, von Holzinger mit den Sigeln Pg und Ps belegt, erst bei Noth und Elliger: Bei den beiden wird erstmals in Abhebung von den sekundär beigefügten gesetzlichen Teilen, „die zwar das ausgesprochen kultisch-rituelle Interesse und daher auch eine bestimmte, in jerusalemisch-priesterlichen Kreisen beheimatete Sprache und Terminologie mit der P-Erzählung teilen, aber literarisch mit dieser von Hause aus nichts zu tun haben“ (Noth, 7), nach den für die priesterschriftliche Grunderzählung bestimmenden theologischen Leitlinien gefragt. Unter Zugrundelegung einer solchen Unterscheidung zwischen Pg und Ps erfährt der spannungsvolle Zusammenhang von Gesetz und Geschichte eine andere Akzentuierung. Jedenfalls verliert für Pg das „Gesetz“ seine dominierende Rolle, und es macht sich eine Gewichtsverlagerung auf die Größe „Geschichte“ bemerkbar. Inwieweit die ursprüngliche Darstellung der Priesterschrift überhaupt priesterlichem Denken entsprungen ist und sich nicht stärker prophetischer Inspiration verdankt (Noth), ist offen und Gegenstand kontroverser Diskussion.
2.1.2. Die Grundschicht als Geschichtserzählung
Aufgrund der Unterscheidung zwischen Pg und Ps eröffnet sich damit ein neuer Blick auf die Priesterschrift genannte literarische Größe selbst, lässt sich diese so nicht einfach mehr als „Maske“ zur Verkleidung des Gesetzes (Wellhausen) verstehen, sondern ihrer Gesamtanlage nach als ein ausgesprochenes „Erzählungswerk“ (Noth) bzw. eine „Geschichtserzählung“ (Elliger). Angesichts dessen stellt sich sodann auch die Frage nach der Sinnmitte des priesterschriftlichen Werkes anders. Bleibt für M. Noth – darin noch stärker einem traditionellen Verständnis verpflichtet – die Sinaitheophanie Sinnmitte der Priesterschrift, und zwar nicht im Sinne einer Ätiologie des nachexilischen Jerusalemer Kultus, sondern als ein darin sich ausdrückendes Zukunftsprogramm, so setzt K. Elliger die Akzente insofern anders, als für ihn die ganze Dynamik der Darstellung hinzielt auf den „Besitz des Landes Kanaan als der materiellen und ideellen Basis, auf der das Leben des Volkes und selbstverständlich der Kultus als wichtigste Funktion sich erst richtig entfalten kann“. Gegenüber der klassischen Sichtweise geht es der Priesterschrift insgesamt nicht um narrative Legitimation bestehender Verhältnisse, sondern um einen auf die Zukunft gerichteten Entwurf. Dessen Realisierung steht aber noch aus, wie denn auch das Hineinkommen der Israeliten in das von JHWH verheißene und zugesagte Land im literarischen Rahmen der Priesterschrift selbst nicht mehr realisiert ist. Wie genauerhin das Verhältnis von Kult und Land und damit die Frage nach der Sinnmitte des priesterschriftlichen Werkes zu entscheiden ist, bleibt eine nach wie vor ungeklärte und offene Frage (Bauks, 2005).
2.1.3. Zur Vorgeschichte der Grundschicht
Auch nach Ausgrenzung der generell mit dem Sigel Ps belegten jüngeren Zusätze stellt die Geschichtserzählung Pg (Synopse verschiedener Abgrenzungsvorschläge bei Jenson) noch keine in sich geschlossene Größe dar. Sie weist aufgrund von thematischen wie literarisch-stilistischen Spannungen Spuren einer eigenen Wachstumsgeschichte auf, verweist damit auf deren Vorgeschichte, wenn im Einzelnen auch die Unterscheidung zwischen Vor- und Nachgeschichte nicht immer sicher zu treffen ist (Smend, 1995); zu bedenken ist darüber hinaus, dass die literarisch erst sekundär mit der priesterschriftlichen Erzählung verknüpften gesetzlichen Teile in der Rezeption älterer Rituale (Koch, 1959; Rendtorff, 1963) selbst wiederum eine eigene Vorgeschichte gehabt haben. Eine Aufspaltung von Pg auf zwei eigenständige Kompositionen, eine ältere PA und eine jüngere PB, wie sie G. von Rad vorgenommen hat, hat ebenso wenig positive Resonanz gefunden (Pola) wie die Annahme eines Pg vorgegebenen und von ihr rezipierten Toledot-Buches (Weimar). Nicht minder fraglich gilt auch die Annahme eines Pg zugrundeliegenden und von ihr umgestalteten Entwurfes einer Darstellung der Geschichte Israels, mit Gen 5,1a
2.1.4. Zusammenfassung
Der Prozess fortschreitender Reduktion der Priesterschrift, wie er für die Forschungsgeschichte bestimmend ist, betrifft so sowohl deren Nachgeschichte, insofern sich die legislativen Materialien mehr oder weniger stark als spätere, ihrerseits keineswegs auf eine Hand zurückgehende Hinzufügungen zur noch selbstständig überlieferten Priesterschrift bzw. schon als nach-priesterschriftliche, der Verknüpfung mit den nicht-priesterschriftlichen Pentateuchüberlieferungen bemühte Erweiterungen verstehen lassen, als auch die Vorgeschichte, insofern Pg auf größere Strecken als Neulesung von Vorlagen unterschiedlicher Herkunft anzusehen ist. Wenn sich die Priesterschrift dennoch als geschlossen wirkende literarische Größe präsentiert, dann hängt das wesentlich damit zusammen, dass die von Pg rezipierten Stoffe und Überlieferungen im Zusammenhang dieses Vorgangs eine grundlegende Umgestaltung erfahren und den Stempel priesterschriftlicher Theologie aufgedrückt bekommen haben.
2.2. Die Eigenständigkeit der Priesterschrift
2.2.1. Bearbeitungsschicht
Im Gegensatz zum weitgehenden Konsens der älteren Forschung ist in der jüngeren vermehrt die Annahme in Frage gestellt, dass es sich bei der Priesterschrift um ein für sich bestehendes, eigenständiges literarisches Werk handelt (zur Diskussion Vervenne, 1990; Campbell). Im Gefolge z.B. von R. Rendtorff (1977) oder E. Blum (1984, modifiziert 1990), die darin vielfältig Nachfolge gefunden haben (Pola), wird verstärkt damit gerechnet, dass die Priesterschrift keine selbstständige Größe, sondern eine Bearbeitungsschicht ist, die sich kommentierend an den voraufliegenden nicht-priesterschriftlichen Textbestand angelagert hat. Die priesterschriftliche Schicht kann dann nur in enger Verbindung mit dem so kommentierten Text verstanden werden. Diese Sicht gründet sich im Wesentlichen auf drei Beobachtungen (Zenger, 2008; Gertz, 2006):
1. Um als eigenständiges literarisches Werk gelten zu können, ist der priesterschriftliche Erzählfaden im Allgemeinen zu dünn, fast stenographisch knapp, erzählerisch nicht weiter ausgestaltet (vgl. z.B. Gen 12,4b
2. Da die „wichtigste und umfassendste Vorlage von P … das jehowist. Erzählungswerk … gewesen“ ist (Smend, 1995), ist es bemerkenswert, dass dort breit ausgeführte, wichtige Themen wie etwa „Ursünde“ und Sinaibund in der Priesterschrift keine oder aber wie die Konflikte zwischen Jakob und Esau bzw. Josef und den Brüdern nur andeutungsweise Aufnahme finden. Hierdurch wird unabweisbar den Eindruck erweckt, als sei die priesterschriftliche Darstellung unvollständig und lückenhaft.
3. Zuweilen begegnen Textelemente im priesterschriftlichen Stil in enger Verbindung, ja Verknüpfung mit nicht-priesterschriftlichen Texten, so dass es scheint, als seien es Elemente eines damit in Verbindung zu sehenden darstellerischen Zusammenhangs (z.B. Gen 37,2
Die drei genannten Schwierigkeiten bestehen dann nicht, wenn die priesterschriftlichen Texte von vorneherein auf einen schon bestehenden literarischen Zusammenhang als dessen Ergänzung angelegt sind. Doch erweisen sich die hierfür angeführten Beobachtungen keineswegs als zwingend, vor allem wenn berücksichtigt wird, dass nicht alle priesterschriftlich klingenden Formulierungen mit Pg in Verbindung zu bringen sind, sondern möglicherweise nur deren Stil nachahmen, vor allem aber auch wenn hinreichend die Besonderheiten der Priesterschrift gegenüber der nicht-priesterschriftlichen Darstellung bedacht werden.
2.2.2. Eigenständiges Werk
Vor einem solchen Hintergrund sind die zugunsten einer Eigenständigkeit des priesterschriftlichen Werkes angeführten Gründe keineswegs überholt, sondern behalten weiterhin ihre Gültigkeit. Drei Argumente sind hier vor allem von Gewicht (Zenger, 2008; Schmitt, 2005; Gertz, 2006):
1. Eine Verknüpfung eines priesterschriftlichen und nicht-priesterschriftlichen Erzählfadens, wie sie für → Flutgeschichte
2. Ein auszeichnendes Merkmal priesterschriftlicher Erzählweise ist das Vorkommen ausgestalteter und im kompositorischen Zusammenhang von Pg entsprechend herausgehobener „theologischer“ Texte wie z.B. Gen 9,1-17
3. Abgesehen von jener im Einzelnen virtuos gehandhabten Technik der Verknüpfung, die bewirkt, dass die priesterschriftlichen Texte durch ein Netz von Über- und Unterschriften zueinander in Beziehung gesetzt und in ein erzählerisches Gesamtgefüge eingeordnet sind, das nur unter Annahme einer eigenständigen Priesterschrift in Erscheinung tritt, ist außerdem auf eine Reihe theologischer Eigentümlichkeiten zu verweisen, die ihr Gewicht nur zu entfalten vermögen, wenn es sich bei der Priesterschrift um eine eigenständige Größe handelt. Das tritt besonders eindrücklich in der für Pg charakteristischen Ausprägung der → Bundestheologie
Die Gründe, die gegen eine Eigenständigkeit der Priesterschrift geltend gemacht werden, lassen sich unschwer verständlich machen im Horizont der die Priesterschrift auszeichnenden literarischen Eigenart. Doch gilt das umgekehrt nicht hinsichtlich der Gründe zugunsten der Priesterschrift als einer für sich bestehenden Größe, die bezeichnenderweise nicht im Rahmen des Modells der Priesterschrift als einer Bearbeitungsschicht verständlich werden. Angesichts dessen neigen sich die Gewichte entschieden zugunsten der Annahme der Priesterschrift als eines literarisch ursprünglich eigenständigen Werkes, eine Annahme, die in der gegenwärtigen Debatte erneut an Boden gewinnt (Pola; Kratz). In Anbetracht der vielfältigen, zumeist indirekten Bezugnahmen auf die „alten Quellen“ ist die priesterschriftliche Darstellung jedoch nicht einfach als eine unabhängige Parallelüberlieferung zu begreifen, sondern „als bewußt Bezug nehmende und bewußt sich absetzende Neukonzeption“ (Lohfink, 1978, 221f). So wird die Priesterschrift ein Konkurrenzentwurf zum nicht-priesterschriftlichen Pentateuch sein, der sich als „Alternative“ zu diesem versteht (Smend, 1995). Die Priesterschrift hat es allem Anschein nach bewusst vermieden, die vor-priesterschriftlichen Pentateucherzählungen in ihr eigenes Werk zu integrieren und sie dadurch zu bewahren. Wird auch eine Kenntnis der nicht-priesterschriftlichen Pentateuchüberlieferung durch die Priesterschrift allenthalben vorausgesetzt, so ist es dennoch ihre Absicht, die ältere Darstellung nicht bloß zu ergänzen, sondern diese durch eine neue Darstellung zu ersetzen.
2.3. Umfang und Ende der Priesterschrift
Unter der Voraussetzung, dass es sich bei Pg um ein eigenständiges literarisches Werk handelt, kommt der Frage nach dessen Ende besondere Aufmerksamkeit zu, nicht zuletzt weil darin der Schlüssel zu seinem Verständnis gegeben ist. Dass Gen 1,1-2,4a
2.3.1. Der Tod des Mose
Nachdem Wellhausen (1927) ein Ende des priesterschriftlichen Werkes mit dem Tod des → Mose
2.3.2. Die Landnahme
Angesichts der zentralen Bedeutung, die dem Thema Land in der Priesterschrift zukommt (Elliger), stellt die Annahme eines Schlusses mit Dtn 34,7-9
2.3.3. Das Sinaigeschehen
In der neueren Diskussion ist die traditionelle Annahme eines Endes der Priesterschrift mit dem Tod des Mose vor allem durch die Infragestellung einer priesterschriftlichen Herkunft von Dtn 34,7-9
1. Ende von Pg in Lev 9,23-24
2. Ende von Pg mit der Nachricht von der Errichtung des Heiligtums vom Sinai am Neujahrstag des zweiten Jahres nach dem Auszug aus Ägypten (Ex 40,16f
3. Ende von Pg mit Ex 29,46
Ist entsprechend den hier vorgestellten Theorien das Ende der Priesterschrift schon am Sinai zu suchen, dann hat eine solche Annahme vor dem Hintergrund der signifikanten Entsprechungen zwischen Sinai und Schöpfung nochmals ein ganz eigenes Gewicht, insofern auf diese Weise Anfang und Ende des priesterschriftlichen Werkes auf programmatische Weise miteinander verwoben und aufeinander bezogen erscheinen (Janowski, 1990 und 2000). Vor einem solchen Hintergrund geraten umso mehr die als priesterschriftliche Konstrukte geltenden Texte innerhalb des → Leviticusbuches
Dennoch ist die Suche nach einer Weiterführung des priesterschriftlichen Erzählfadens über die Sinaigeschichte hinaus nicht einfach aufzugeben; vielmehr ist ein solcher – begründet keineswegs allein aus der „Sorge um einen sinnvollen oder wenigstens zu erwartenden P-Abschluss“ (Perlitt, 125), sondern vor allem aus inneren Gründen – durchaus anzunehmen (L. Schmidt, 1993; Frevel, 1999). Ansonsten liefe die Verheißung des Landes, der bei Pg eine zentrale Rolle zukommt, ins Leere. Welche Bedeutung gerade der Zusage Ex 6,8
2.3.4. Ein höchst eigenwilliger Schluss der Priesterschrift
Angesichts der dichten Verwobenheit der einander zugeordneten Texteinheiten ist die Frage nach dem Ende der Priesterschrift nicht auf eine Aussage zu reduzieren. Vielmehr handelt es sich hier um eine im Einzelnen vielschichtig angelegte, komplex organisierte Erzählfolge mit einer höchst eigenwilligen Darstellung jener Ereignisse, die sich auf das Hineinkommen ins Land beziehen und insgesamt den in jeder Beziehung überraschenden wie herausfordernden Abschluss des priesterschriftlichen Werkes bilden. Eine eigentümliche Spannung bestimmt hierbei die Geschichte von der Ansage des Exodus bis zum bevorstehenden Hineinkommen der Israeliten ins Land, wobei die im Blick stehenden Zusammenhänge durch den priesterschriftlichen Erzähler ausdrücklich angezeigt und sichtbar gemacht sind. Neben die große, durch Ex 6,8
3. Komposition und Theologie der Priesterschrift
Grenzt sich die Darstellung der Priesterschrift auf den im Ganzen höchst spannungsvoll angelegten Rahmen von Gen 1,1
3.1. Kompositorische Gestalt der Priesterschrift
Vermittelt der vor-priesterschriftliche Pentateuch im Ganzen noch weitaus unmittelbarer den Charakter eines Sammelwerkes, in das verschiedene, ursprünglich einmal selbstständige Traditionen Eingang gefunden haben, so tritt das innerhalb der Priesterschrift unverkennbar zurück gegenüber dem Versuch einer systematischen Durchgestaltung und Durchdringung des Stoffes. „Die hauptsächliche eigene Leistung in Pg ist das System. Überall ist es auf Herstellung eines wohlgeordneten Aufbaus abgesehen“ (Holzinger), eine im Ganzen zutreffende Feststellung, die gleichermaßen für die kompositorische Anlage der verschiedenen Teilkompositionen innerhalb des priesterschriftlichen Werkes wie aber auch für dessen Gesamtanlage gilt, wobei sich Teil- wie Gesamtkomposition in vielfältiger Weise entsprechen (Steck, 1991).
3.1.1. Annahme unterschiedlicher Baupläne
Trotz des die Priesterschrift auszeichnenden Bemühens, den ihr zugrunde liegenden Aufbau auch transparent werden zu lassen, unterscheiden sich die innerhalb der Forschung unternommenen Versuche im Einzelnen doch nicht unerheblich. Das ist nicht zuletzt dadurch bedingt, dass sie sich dabei nicht immer an den kompositorischen Gesetzmäßigkeiten selbst orientieren, sondern eher thematischen Gesichtspunkten folgen. Entsprechend der Kennzeichnung als „Vierbundesbuch“ nach Wellhausen (1927), dem sich etwa W.H. Schmidt (1995) anschließt, liegt Pg eine Einteilung in vier Perioden (Schöpfung – Flut – Abraham – Mose) zugrunde, deren jede durch ein einschneidendes Ereignis herausgehoben ist. Nach N. Lohfink (1978) dient die Toledot-Formel (→ Genealogie
3.1.2. Wohlgeordnete Komposition
Um einen wohlgeordneten Aufbau auch transparent werden zu lassen, greift die Priesterschrift zu wenigen, relativ einfachen, auch unmittelbar einsichtigen Kompositionsprinzipien (Lohfink, 1978; Weimar, 1984), von denen hier beispielshalber drei Erwähnung finden:
1. Toledotformel und Wanderungsnotizen (Gen 1,1 → Ex 1,7 → Dtn 34,9). Die Hauptgliederungsebene betrifft das Nebeneinander zweier übergreifender Gliederungssysteme, deren eines durch die Toledotformel (→ Genealogie
2. Die paarweise Zuordnung sog. „theologischer“ Texte. Als zweites, für die Strukturierung des priesterschriftlichen Werkes bedeutsames Mittel kompositorischer Gestaltung ist die in der Regel paarweise Zuordnung sog. „theologischer“ Texte (Lohfink, 1978) anzusehen, womit solche Texte gemeint sind, in denen Gott redend auftritt. Mittels des Stilmittels einer paarweisen Zuordnung werden thematisch verwandte Kompositionseinheiten zueinander in Beziehung gesetzt, wie beispielhaft in der Korrespondenz von Abraham- und Jakobgeschichte in Erscheinung tritt. In ihrem Zentrum ist jeweils eine Gotteserscheinung platziert, als deren zentraler Inhalt in beiden Fällen die Zusage reicher Nachkommenschaft sowie die Übereignung des Landes vorgestellt ist. Trotz gleichen Verheißungsinhalts handelt es sich nicht um eine bloße Wiederholung, vielmehr ist damit eine jeweils andere Akzentsetzung verbunden. Stehen bei Abraham die Verheißungen unter der Deutekategorie des → „Bundes
3. Modultechnik. Eine für die Erfassung des Bauplans von Pg nicht unbedeutsame Hilfestellung eröffnet sich bei Beachtung jener für die Gestaltung der Priesterschrift beachtenswerten Modultechnik, wie sie zum Ausdruck kommt in der auffälligen Korrespondenz zwischen dem Bauplan, wie er für die Gesamtkomposition bestimmend ist, und den für die einzelnen Teilkompositionen innerhalb von Pg maßgebenden Baustrukturen. In solchen beachtenswerten Entsprechungen zwischen Teilstrukturen und der Gesamtstruktur kommt unübersehbar das Interesse des priesterschriftlichen Erzählers an der Herstellung eines wohlgeordneten Baugefüges zum Ausdruck. Dabei handelt es sich bei der Erfassung solcher der Priesterschrift zugrundeliegenden Baustrukturen keineswegs bloß um eine ästhetische Spielerei, sondern um den Versuch, verborgene Sinnzusammenhänge zu erschließen, die auf der Erzählebene zumindest nicht unmittelbar greifbar werden. Hinsichtlich einer Erfassung des Gesamtaufbaus des priesterschriftlichen Werkes ist allem Anschein nach die als Sieben-Tage-Werk organisierte, zweiteilig angelegte Schöpfungsgeschichte Gen 1,1-2,4a
3.1.3. Theologisch bestimmte Komposition
Die gegenüber dem nicht-priesterschriftlichen Pentateuch nicht allein gänzlich andere Art der Darstellung der Priesterschrift, sondern auch die darüber hinaus grundlegend andere Organisation des Erzählstoffes verlangt nachhaltig Aufmerksamkeit, liegt darin doch ein unübersehbarer Hinweis auf deren Profil, das sie von den nicht-priesterschriftlichen Pentateuchüberlieferungen abhebt und als eigenständige Größe hervortreten lässt. Innerhalb der Gesamtkomposition der Priesterschrift heben sich in sich geschlossene Teilkompositionen mit eigener thematischer Akzentsetzung heraus, denen ein eigenständiges Gewicht zukommt, die aber dennoch in den übergreifenden Rahmen des priesterschriftlichen Werkes integriert sind. Die Anordnung der einzelnen Kompositionsteile bestimmt sich in erster Linie nicht am Fortschritt des erzählten Geschehens, ist so auch nicht interessiert an vorgestellten geschichtlichen Abläufen, sondern lässt in der Organisation der Einzelteile wie des Gesamtwerkes thematisch bestimmte Gesichtspunkte in den Vordergrund treten, wobei die hierfür maßgebenden Leitlinien vor allem mittels literarischer Verknüpfungen durch Leitworttechnik wie durch strukturelle Entsprechungen angezeigt sind. Auf diese Weise werden „Schöpfungs“- und Vätergeschichte eng zusammengerückt, bilden dadurch einen thematisch geschlossenen Zusammenhang, wie vor allem durch das chiastische Arrangement mittels der thematischen Leitkategorien → Segen
3.2. Theologische Leitlinien der Priesterschrift
Dass innerhalb des priesterschriftlichen Werkes die Anschaulichkeit in der Darstellung wie der Gestaltung lebensvoller Wirklichkeit nicht im Vordergrund steht, stattdessen das Schema dominiert, ist keineswegs in mangelndem Vermögen literarischer Gestaltungsfähigkeit begründet, erklärt sich vielmehr in erster Linie aus dem Vorrang theologischer Konzeptionen, die die Darstellung bestimmen und sich entsprechend überall zur Geltung bringen. Angesichts der Komplexität der priesterschriftlichen Darstellung ist es nur möglich, einige theologische Leitlinien nachzuzeichnen und sichtbar werden zu lassen. Dass diese nicht im luftleeren Raum, sondern in Auseinandersetzung mit den Nöten der eigenen Zeit entfaltet werden, ist keine Frage und wird implizit immer mitzubedenken sein.
3.2.1. Schöpfung als programmatische Eröffnung
Von programmatischer Bedeutung ist die Eröffnung des priesterschriftlichen Werkes mit der Schöpfungsgeschichte, da sich in ihr Perspektiven und Leitlinien zu dessen Verständnis auftun. Der aufgrund seiner Monotonie höchst eindrucksvolle Zusammenhang von Wort (Gottesrede) und Tat (Durchführung) prägt deren Grundklang, vermittelt in der engen Zuordnung beider Größen nachhaltig den Eindruck, dass Gottes Wort wirksam und verlässlich ist, und rückt so die nachfolgende Darstellung von vorneherein unter ein bestimmtes Vorzeichen. Durch Über- (Gen 1,1
Ein weiterer Aspekt vermittelt sich durch die Überschrift in Gen 1,1
Eine eigentümliche Spannung kommt in die Darstellung der Schöpfungsgeschichte überdies von deren Schluss her, indem der Folge von sechs Schöpfungstagen ein weiterer, siebter Tag beigefügt ist, der sich von den anderen gerade dadurch abhebt, dass hier kein weiteres Schöpfungswerk folgt, sondern die Schöpfung dadurch zum Abschluss gebracht wird, dass Gott am siebten Tag von seiner Arbeit aufhört und ruht (šābat). Doch wird mit dem siebten Tag nicht allein die Schöpfung abgeschlossen, sondern es geschieht zugleich etwas Neues, die Segnung und Heiligung dieses Tages, womit Gott in die Schöpfung ein lebensförderliches Prinzip einstiftet, dessen tiefere Bedeutung sich erst im Fortgang des priesterschriftlichen Werkes erschließt. Eingelöst wird die in die Schöpfung eingestiftete Zukunftsverheißung erst im Zusammenhang der Errichtung des Heiligtums am Sinai, wobei die tief greifenden Verbindungslinien zwischen Schöpfung und Heiligtumsbau durch entsprechende Signale nachdrücklich unterstrichen sind. Indem Schöpfung und Heiligtumsbau bei Pg derart auf zwei literarische Zusammenhänge verteilt sind, erscheint das Heiligtum als Ort der Begegnung von Gott und Mensch betont als Symbol jener Befreiungserfahrung, die Israel im Exodus gemacht hat.
3.2.2. Abrahambund als Grundlage der Israelgeschichte
Der → Bund
3.2.3. Exodus als Werden zum „Volk JHWHs“
Nicht allein wegen der betonten Rückbindung an Gen 17 bekommt die Deutung des Exodus eine eigentümliche Prägung. Die Befreiung aus Ägypten erscheint keineswegs ausschließlich als Errettung aus aktueller Not, stellt sich vielmehr eingebunden dar in eine geschichtsübergreifende Aussageperspektive (vgl. Ex 6,4
3.2.4. Übergreifender Zusammenhang von Exodus- und Sinaigeschichte
Angesichts ihrer Unabgeschlossenheit drängt die Exodusgeschichte über sich hinaus, verlangt nach Fortführung in der Sinaigeschichte, obschon beide eigenständige literarische Kompositionen mit jeweils eigener thematischer Ausrichtung darstellen. Dennoch sind beide durch übergreifende literarisch-thematische Querbezüge zueinander in Beziehung gesetzt, wie beispielsweise in dem Motiv des Sich-Verherrlichens JHWHs (Ex 14,4
3.2.5. Errichtung des Heiligtums als Vollendung der Schöpfung
Die durch die Priesterschrift mit großer Sorgfalt vorgenommene Inszenierung der Gotteserscheinung am Sinai lässt diese in vielfältiger, sorgsam bedachter Weise zur Schöpfung in Beziehung treten, wobei die Entsprechungen zwischen beiden Erzählkomplexen über allgemeine Bezugnahmen hinausgehen, wie die signifikanten Berührungen gerade mit Gen 2,2f
Wie die kompositorischen und thematischen Leitlinien unverkennbar zu erkennen geben, handelt es sich bei der Sinaigeschichte um einen geschlossenen theologischen Entwurf. Bemerkenswert ist die große Zurückhaltung gegenüber einer kultisch-rituellen Ausgestaltung. Das Heiligtum als ein sich an der → Arche
3.2.6. Ende mit Blick auf das schon übereignete Land
Nachdem die priesterschriftliche Darstellung mit dem Sinai an ihren Höhepunkt gekommen ist, richtet sich das Augenmerk auf die noch ausstehende, in der jüngeren Diskussion um die Priesterschrift häufiger als spätere Erweiterung beurteilte Gabe des Landes (s.o. 2.3.). In deren kompositorischem Gefüge tritt sie korrespondierend dem Exodus gegenüber, von diesem dadurch eklatant unterschieden, als im Aufbruch der Israeliten vom Sinai der triumphale Weg inmitten der Wasser des Meeres keine Fortführung erlebt, vielmehr ins Stocken gerät, geradezu vom Scheitern bedroht ist, was der Darstellung eine im Ganzen recht eigentümliche, irritierend wirkende Färbung gibt. Vor allem da der Besitz des Landes „als das eigentliche Ziel, als Inbegriff der göttlichen Geschichtslenkung“ anzusehen ist (Elliger), muss das Fehlen einer ausgeführten Landgabegeschichte als nicht unerhebliches Problem angesehen werden, zumal die Verheißung des Landes an den für die Komposition der Priesterschrift entscheidenden Scharnierstellen (vgl. Gen 17,7f
4. Entstehungshorizont der Priesterschrift
Wenn sich auch im Gefolge der von Wellhausen propagierten Erkenntnis, wonach die Priesterschrift die im Deuteronomium erst geforderte Einheit des Kultus schon voraussetzt, eine Spätdatierung des priesterschriftlichen Werkes (spätexilisch bzw. frühnachexilisch) durchgesetzt hat, so hat es auf der anderen Seite auch nicht an Stimmen gefehlt, die eine vorexilische Datierung für möglich oder gar wahrscheinlich halten.
4.1. Vorexilischer Ursprung der Priesterschrift?
Bei ihren Entdeckern ist es gerade die „Scheingenauigkeit“ der Priesterschrift gewesen, die dazu geführt hat, sie für die älteste literarische Schicht innerhalb des Pentateuchs zu halten. Ein starker Impuls in diese Richtung scheint sich aufgrund ihres archaisch erscheinenden Charakters zu eröffnen, insofern sie sich den Anschein gibt, als suche sie „mit Fleiß das Kostüm der mosaischen Zeit festzuhalten und seine eigene so viel es immer geht zu verschleiern“ (Wellhausen, 1927, 9). Eine derart für die Priesterschrift anzunehmende archaisierende Tendenz, ohne aber wirklich eine archaische Schrift darzustellen, wird von all denen bestritten, die in ihr, gleich ob aus sprach- oder kultgeschichtlichen Gründen heraus, eine in vorjosianischer Zeit (→ Josia
4.2. Exilisch-nachexilischer Ursprung der Priesterschrift
Die für einen exilisch-nachexilischen Ursprung des priesterschriftlichen Werkes vorauszusetzenden Gründe sind eher indirekter Art, ergeben sich auch nicht in erster Linie aufgrund sprachlicher Besonderheiten, sondern aufgrund seiner literarisch-theologischen Eigenart. Was innerhalb der komplexen Darstellung des priesterschriftlichen Werkes vor Augen geführt wird, ist eine neben die älteren Pentateucherzählungen mit der Absicht, sie zu ersetzen, tretende Neuerzählung der Ursprungsgeschichte Israels. Sie ist wohl in erster Linie dadurch notwendig geworden, dass angesichts der konkreten Zeitumstände eine Vergewisserung der Grundlagen der eigenen Geschichte gefordert war. Diesem Zweck dient auch die auf Transparenz bedachte, die Tiefenstruktur des erzählten Geschehens erschließende, Zusammenhänge eröffnende Art der Darstellung, ebenso aber auch ihr archaisierendes Sprachgewand. Es ist bewusst als sprachliches Mittel eingesetzt, um der eigenen Darstellung ein größeres Gewicht und eine höhere Autorität zu verleihen, und ist im Zusammenhang mit der im Ganzen höchst reflex eingesetzten theologischen Durchgestaltung Zeichen der vom priesterschriftlichen Erzähler in Gang gesetzten Begründungsstrategie. Dass die Priesterschrift derart abrupt mit dem Tod von Aaron und Mose endet, ohne dass das Hineinkommen der Israeliten ins Land, woraufhin die ganze Darstellung der Priesterschrift ausgerichtet ist, eigens geschildert ist (s.o. 2.3.), mag der Situation der Entstehungszeit der Priesterschrift geschuldet sein, wie denn überhaupt der spannungsvolle Zusammenhang von Sinai als Höhepunkt der priesterschriftlichen Darstellung und Landgabe als deren Ziel vor allem durch die zeitgeschichtlichen Umstände bedingt sein wird. So scheint gerade gegen Ende des priesterschriftlichen Werkes, das sich im Gegensatz zu den vorangehenden Teilen wohl ganz dem priesterschriftlichen Erzähler selbst verdankt, jene Situation angesprochen und reflektiert zu sein, die in der priesterschriftlichen Darstellung zur Sprache gebracht wird. Einen Hinweis in diese Richtung gibt hierbei – neben dem Ende von Pg – die eigentümliche Spannung zwischen schon erfolgter Landübergabe und noch ausstehendem Hineinkommen in das Land. Entsprechende Hinweise ergeben sich nicht minder von der schöpfungstheologischen Fundierung der Geschichte Israels, aber auch von der gegenüber einem deuteronomistischen Verständnis des Bundes eklatant sich abhebenden Konzeption eines unbedingten, durch nichts in Frage gestellten Bundes als Grund der Geschichte der Israeliten, ganz abgesehen von der Heraushebung der → Beschneidung
4.3. Die Priesterschrift als utopisch-eschatologischer Entwurf
Wird die Priesterschrift – wie weithin angenommen – als eine Ätiologie der nachexilischen Kultgemeinde von Jerusalem mit anti-eschatologischer Ausrichtung betrachtet, dann kann sie erst nachexilischer Herkunft sein, setzt sie doch schon die Existenz des wiederaufgerichteten Tempels und seiner kultischen Einrichtung voraus (L. Schmidt, 1993). Abgesehen davon, dass innerhalb von Pg der Vollzug von Opfern mit Ausnahme jener ersten Opferfeier anlässlich der Aufrichtung des Heiligtums vom Sinai keine Rolle spielt und die ganzen Kult- und Opfergesetze Pg selbst nicht zuzurechnen, sondern erst Ps bzw. einer nachpriesterschriftlichen Redaktion zu verdanken sind, gibt es innerhalb des priesterschriftlichen Werkes sonst keinerlei Hinweise, die in eine entsprechende Richtung deuten. Nicht allein der offene Schluss des ganzen priesterschriftlichen Werkes, auch der gleichfalls über sich hinausweisende offene Schluss der Exodusgeschichte mit ihrer Ausrichtung auf das als Ort der Nähe Gottes erscheinende Heiligtum vom Sinai vermitteln im Hinblick auf ein Verständnis der Priesterschrift eine utopisch-eschatologische Perspektive, zumal das zur Arche der Flut in Beziehung gesetzte „Zelt der Begegnung“ denkbar ungeeignet ist, um für den zweiten Jerusalemer Tempel als Begründung dienen zu können. So hat es den Eindruck, als mische sich die Priesterschrift mit ihrer Heiligtumskonzeption kritisch in die laufende Diskussion um den Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels ein. Angesichts dessen verweist Pg mit ihrer Darstellung der Geschichte Israels in die Zeit um 520 v. Chr., eine Datierung, die einen weiteren Impuls durch die der Priesterschrift eigene Vorstellung vom Exodus als Annahme zum „Volk JHWHs“ bekommt. Darin ist indirekt zugleich eine Aufforderung an die im Exil Befindlichen zu sehen, auch entgegen allen Schwierigkeiten ins Land der Verheißung zurückzukehren. Dass die Adressaten des priesterschriftlichen Werkes im Exil zu suchen sind, legt sich angesichts der ihm eigenen theologischen Akzentsetzungen nahe.
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