Hohepriester
(erstellt: Januar 2010)
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1. Die jüdischen Hohepriester im ersten Jahrhundert n. Chr.
In der neutestamentlichen Erzählliteratur wird (ähnlich wie bei Josephus) als Hohepriester (griech. ἀρχιερεύς) im engeren Sinn der höchste Würdenträger und Kultrepräsentant des jüdischen Volkes bezeichnet. Im weiteren Sinn wird die Bezeichnung (meist pluralisch: ἀρχιερεῖς) auch auf ehemalige Amtsinhaber, besonders den einflussreichen Hannas, und Mitglieder der priesterlichen Führungsschicht angewendet.
In neutestamentlicher Zeit hatte das Amt des Hohepriesters deutlich an religiöser Autorität verloren. Mit der Beseitigung von Onias III. (vgl. 2Makk 4,32-38
Höhepunkt des kultischen Wirkens war der dem Hohepriester vorbehaltene Sühnopferdienst für das Bundesvolk am Großen Versöhnungstag (vgl. Lev 16
2. Hohepriester im Neuen Testament
Namentlich werden aus dem Alten Testament Aaron als erster Hohepriester (Lk 1,5
Die Evangelien schildern die zeitgenössischen Hohepriester in dunklen Farben als erbitterte Gegenspieler Jesu und weisen ihnen maßgebliche Verantwortung für dessen Hinrichtung zu (z.B. Mk 11,27f
In der Zeit Jesu erwies sich Hannas, Sohn des Seth, als hintergründig höchst beziehungsreich (Lk 3,2
Rätselhaft scheint die Gestalt des jüdischen ἀρχιερεύς Skeuas, dessen „sieben Söhne“ zu Ephesus als Exorzisten praktizieren (Apg 19,13f
3. Jesus Christus als Hohepriester
Die urchristliche Symbolsprache ist vielfältig von Kultmetaphorik und -typologie geprägt. Einen (titular nicht entwickelten) Ansatz zur hohepriesterlichen Deutung des Sühnetods bietet bereits Röm 3,25
(1) Voraussetzung: Der Hohepriester Jesus, wie Aaron und seine Nachkommen von Gott selbst eingesetzt, teilt irdische Seinsweise und menschliche Schwachheit, sodass er „mit-fühlend“ zwischen Gott und Mensch vermitteln kann (Hebr 4,14-5,10
(2) Amt: Das Hohepriestertum Jesu wird mit Hilfe seines himmlischen Prototyps, des ewigen Priestertums des Melchisedek (vgl. Gen 14,17-20
(3) Opfer: Im ersten Bund bringt der levitische Hohepriester einmal im Jahr, am Großen Versöhnungstag, das Sühnopfer für Israel dar, indem er den Vorhang vor dem Allerheiligsten mit dem Blut des Sühnopfers durchschreitet (Lev 16
Über den religionsgeschichtlichen Hintergrund der Vorstellung von Christus dem Hohepriester wird kontrovers diskutiert. Melchisedek mutiert im Zug der Tradition vom „Priester des höchsten Gottes“ zum „höchsten Priester des einen Gottes“. Für den Hebr sind gerade die spärlichen Angaben über seine Gestalt insofern dienlich, als dieser erste Priester, den die Tora nennt, aufgrund der spärlichen Angaben zu seiner Vita wie aus dem Ewigen in die Geschichte zu treten scheint (vgl. Gen 14,17-20
Insgesamt wird die Hohepriester-Christologie des Hebr ohne Voraussetzungen aus der Apokalyptik, den Qumranschriften oder der Gnosis verständlich. Dagegen sind entferntere Analogien zur Denkfigur des Logos-Hohepriesters bei Philo Alexandrinus wahrzunehmen. Sie lassen sich durch das gemeinsame biblische Textgut und einen ähnlichen ideengeschichtlichen Hintergrund im Mittelplatonismus erklären. Die theologische Leistung des Hohepriester-Motivs in Hebr liegt darin, dass es hellenistische Metaphysik und Christologie auf biblischer Grundlage integriert und so eine anspruchsvolle und nachhaltig wirksame Reinterpretation des überlieferten Christus-Bekenntnisses ermöglicht.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Hossfeld, F.-L. / Schöllgen, G., 1994, Art. Hoherpriester, RAC XVI, 4–58
2. Weitere Literatur
- Horsley, R.A., 1986, High Priests and the Politics of Roman Palestine, JSJ 17, 23–55
- Jeremias, J., 31963, Jerusalem zur Zeit Jesu, Göttingen, 167–223
- Klauck, H.-J., 1996, Magie und Heidentum in der Apostelgeschichte des Lukas (SBS 167), Stuttgart
- Loader, W.R.G., 1981, Sohn und Hoherpriester. Eine traditionsgeschichtliche Untersuchung zur Christologie des Hebräerbriefes (WMANT 53), Neukirchen-Vluyn
- Schürer, E., 1979, The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ (175 B.C.–A.D. 135). hg.v. G. Vermes / F. Millar / M. Black, Bd. II, Edinburgh, 227–236
- VanderKam, J.C., 2004, From Joshua to Caiaphas. High Priests after the Exile, Minneapolis, Minn. / Assen
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