Epheserbrief
(erstellt: Dezember 2015)
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1. Überblick
1.1. Inhalt
Der Epheserbrief nennt → Paulus
1.2. Komposition
Der Epheserbrief ist klar gegliedert (vgl. Gese, 7-8; Schnelle, 354):
1.2.1 Der briefliche Rahmen
Der Eingangsgruß (Eph 1,1-2
Formal auffällig ist das Nacheinander von Lobpreis und Danksagung. In den unumstrittenen Paulusbriefen findet sich nur eines der beiden Elemente. Insofern stellt der Epheserbrief ein „hyperkorrektes“, „superpaulinisches“ Gebilde dar (Ostmeyer, 130).
1.2.2 Das Briefkorpus
Das Briefkorpus ist – wie in (paulinischen) Briefen üblich (vgl. → Erster Thessalonicherbrief
Der ermahnende Teil (s. 4.4) nimmt das Leben der Gemeindemitglieder als Individuen und als Glieder einer antiken Hausgemeinschaft in den Blick, zu der nach antikem Verständnis alle Hausangehörigen ungeachtet des Verwandtschaftsgrades zählten.
1.2.3 Der Briefschluss
Der Briefschluss beginnt mit einer letzten ausführlichen Ermahnung: Ausgerüstet mit der Waffenrüstung Gottes sollen die Adressatinnen und Adressaten für ihren Glauben kämpfen. Anders als in unumstrittenen Paulusbriefen fehlen im Epheserbrief Grußwünsche. Der Epheserbrief übernimmt aus dem Kolosserbrief (Kol 6,21.22
2. Textüberlieferung und Stil
Der Zusatz „in Ephesus“ fehlt in mehreren alten Handschriften. Nach den Kriterien der äußeren Textkritik ( → Textkritik
Die literarische Integrität des Epheserbriefes ist unbestritten.
Stilistisch zeichnet sich der Epheserbrief durch sehr lange, verschachtelte Sätze aus. So bestehen die Verse 1,3-14 aus einem einzigen, kunstvoll gestalteten Satzgefüge (vgl. die Analyse bei Gese 2015, 20-21).
3. Entstehung
3.1 Verfasser
Das Präskript nennt Paulus als Verfasser. Mehrere Gründe sprechen aber dafür, hinter dieser Angabe eine andere Person(engruppe) zu vermuten: (1) Der ganze Brief wirkt allgemein und unpersönlich. Paulus jedoch hat nach Apg 19,1-10
Wie ist es zu bewerten, wenn neutestamentliche Briefe – z.B. der Epheserbrief – „falsche“ Verfasserangaben machen? Angesichts moderner Urheber- und Plagiatsdiskussionen mag uns dieses Vorgehen von vornherein suspekt erscheinen. Aber wie verhielt es sich im ersten nachchristlichen Jahrhundert? Die Einschätzungen dazu gehen in der Forschung auseinander. Zwei grundsätzliche Alternativen lassen sich unterscheiden: (1) Es handelt sich um Verfasserfiktionen ohne Täuschungsabsicht. Die „falsche“ Verfasserangabe dient dazu, für alle erkennbar deutlich zu machen, in wessen Tradition der Brief steht. (2) Der „echte“ Verfasser will seine Adressaten bewusst täuschen. Er benutzt den Namen „Paulus“, um bestimmte paulinische Traditionen in seinem Sinne zu überschreiben. Die Frage nach der jeweiligen Funktion der → Pseudepigraphie
Wie steht der Epheserbrief zur paulinischen Tradition? Will er das Vermächtnis des Paulus nach dessen Tod angemessen bewahren will (Gese)? Oder will er einige Elemente aus der paulinischen Tradition überschreiben, also korrigieren und ersetzen (Merz; s. 5.4)? Sicher ist: Der Epheserbrief setzt neben dem Kolosserbrief auch (andere) Paulusbriefe voraus. Der bzw. die tatsächliche(n) Verfasser lassen sich daher wahrscheinlich einer Paulusschule zuordnen.
3.2 Abfassungszeit und -ort
Hier lassen sich nur Vermutungen anstellen. Der Epheserbrief setzt den Tod des Paulus sowie den Kolosserbrief voraus. Die Abfassungszeit wird daher zwischen 80 und 90 n. Chr. angesetzt. Geographisch weist die Vertrautheit mit dem Kolosserbrief auf Kleinasien als Entstehungsort, vielleicht auf dessen Hauptstadt, Ephesus.
3.3 Adressatinnen und Adressaten
Wenn es sich bei „in Ephesus“ um einen späteren Zusatz handelt, ist der Brief an „die Heiligen, die es gibt“ adressiert. Wie ist das zu verstehen? Eine These besagt, dass die ungewöhnliche Formulierung bewusst eine Leerstelle markiert, die jeweils neu gefüllt werden konnte. Der Brief wäre dann ein Rundschreiben, das sich an mehrere Gemeinden richtet. Allerdings fehlen für dieses Phänomen antike Parallelen. Eine andere These rechnet daher nicht mit einer intendierten Leerstelle, sondern deutet die Formulierung in Eph 1,1
Mit dieser Frage hängt eine weitere zusammen: Stellt der Epheserbrief ein situationsloses theologisches Traktat dar (Lindemann) oder spricht er in eine konkrete Situation hinein? Wehrt er sich z.B. gegen die Einführung einer episkopalen Gemeindeordnung mit feste(re)n Ämtern (Fischer)?
4. Religionsgeschichtlicher Hintergrund
Der religionsgeschichtliche Hintergrund des Epheserbriefes ist – wie derjenige des Kolosserbriefes – umstritten. Eine gewisse Tendenz geht dahin, die Haupteinflüsse nicht mehr primär im gnostischen (Pokorný, Lindemann) ( → Gnosis
5. Theologie
5.1 Ekklesiologie
Zentral ist die Vorstellung von der Einheit der ἐκκλησία (Sellin). In der einen ἐκκλησία sind die einzelnen Ortsgemeinden aufgehoben. Der Leib bildet eine Einheit (Eph 4,4-6
Die ἐκκλησία ist soteriologisch qualifiziert. Sie ist am Kreuz entstanden (Eph 2,14-18
Der Bau der ἐκκλησία ruht auf dem Fundament der Apostel und Propheten. Ihnen wurde das Geheimnis des Christusgeschehens offenbart (Eph 3,5
Wie verhält sich die ἐκκλησία zur Welt? Laut Eph 1,22
5.2 Christologie
5.3 Eschatologie
Zur Beschreibung eschatologischer Vorstellungen benutzt der Epheserbrief einerseits statische, räumliche Kategorien: Gott und Jesus Christus thronen im himmlischen Bereich, der → Kosmos
5.4 Ethik
In Eph 4,17-5,21
Abschließend ermutigt der Epheserbrief die Christustreuen, die Waffenrüstung Gottes anzuziehen, um sich gegen die „listigen Anschläge des Teufels“ zu wehren (Eph 6,11
Literaturverzeichnis
1. Kommentare
- Gese, M., 2015, Der Epheserbrief (Die Botschaft des Neuen Testaments), Neukirchen-Vluyn
- Gnilka, J., 1982, (Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament X,2), Freiburg / Basel / Wien
- Lindemann, A., 1985, Der Epheserbrief (Zürcher Bibelkommentare Neues Testament 8), Zürich
- Luz, U., 1998, Der Brief an die Epheser (Neues Testament Deutsch 8 / 1), Göttingen, 107-180.
- Pokorný, P., 1992, Der Brief des Paulus an die Epheser (Theologischer Handkommentar 10 / II), Leipzig
- Schnackenburg, R., 1982, Der Brief an die Epheser (Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament X), Neukirchen-Vluyn
2. Weitere Literatur
- Fischer, K.M., 1973, Tendenz und Absicht des Epheserbriefes, Berlin / Göttingen
- Gerber, C., 2013, Die alte Braut und Christi Leib. Zum ekklesiologischen Entwurf des Epheserbriefs, New Testament Studies 59, 192-221
- Gese, M., 1997, Das Vermächtnis des Apostels. Die Rezeption der paulinischen Theologie im Epheserbrief (WUNT II 99), Tübingen
- Kuhn, K.G., 1960 / 61, Der Epheserbrief im Lichte der Qumrantexte, New Testament Studies 7, 334-346
- Lindemann, A., 1975, Die Aufhebung der Zeit (StNT 12), Gütersloh
- Merz, A., 2001, Warum die reine Braut Christi (2Kor 11,2) zur Ehefrau wurde (Eph 5,22-33): Thesen zur intertextuellen Transformation einer ekklesiologischen Metapher, in: C. Janssen / L. Schottroff / B. Wehn (Hg.), Paulus. Umstrittene Traditionen – lebendige Theologie, Gütersloh, 148-165
- Mußner, F., 1963, Beiträge aus Qumran zum Verständnis des Epheserbriefes (FS J. Schmid), Regensburg, 185-198
- Ostmeyer, K.-H., 2006, Kommunikation mit Gott und Christus (WUNT 197), Tübingen
- Roloff, J., 1993, Die Kirche im Neuen Testament (NTD Ergänzungsreihe 10), Göttingen
- Roose, H., 2004, Eschatologische Mitherrschaft. Entwicklungslinien einer urchristlichen Erwartung, Göttingen
- Roose, H., 2005, Die Hierarchisierung der Leib-Metapher im Kolosser- und Epheserbrief als „Paulinisierung“. Ein Beitrag zur Rezeption paulinischer Tradition in pseudo-paulinischen Briefen, Novum Testamentum 47, 117-141
- Schnelle, U., 2002, Einleitung in das Neue Testament, Göttingen
- Sellin, G., 1998, Adresse und Intention des Epheserbriefes, in: M. Trowitzsch (Hg.), Paulus, Apostel Jesu Christi (FS G. Klein), Tübingen, 171-186
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