Galatien
(erstellt: August 2023)
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1. Der Begriff „Galatien“
Der Terminus „Galatien“ bezeichnet einerseits die historische Landschaft der Galater im Innern → Kleinasiens
„Galatien“ war andererseits der Name einer im Jahr 25 v. Chr. gegründeten → römischen Provinz
Die Doppeldeutigkeit des Ausdrucks „Galatien“ trägt neben anderen Faktoren zur Unsicherheit darüber bei, wo die paulinischen „Gemeinden Galatiens“ (Gal 1,2
2. Bis zur Provinzgründung
2.1. Kelten in Kleinasien
In der Zeit der → Diadochenkämpfe
Zumindest in der Frühzeit lebten möglicherweise noch nicht alle von ihnen durchgehend sesshaft. Bekannt sind aber die Gebiete, die sie dauerhaft besiedelten. Der Stammesverband der Tolistobogier lebte im Umkreis von Gordion und Pessinus, die Tektosagen westlich von ihnen um Ancyra und die Trokmer am östlichsten in der Gegend um Tavium. Wie die Ansiedlung im Einzelnen vonstattenging – möglicherweise verblieben die Tektosagen zunächst in Pontus und kamen erst in den späten 240er-Jahren nach Galatien – ist ebenso umstritten wie der Umgang der Galater mit der phrygischen Vorbevölkerung (Coşkun 2011, 2013a; Strobel 1996, 2007). Von Galatern verfasste Quellen besitzen wir nicht; auch archäologisch haben sie in ihrer Frühzeit keine aussagekräftigen Spuren hinterlassen (Coşkun 2014b). Entsprechend wenig wissen wir über ihr Leben. Überliefert ist aber, dass sie ihre keltische Sprache viele Jahrhunderte hindurch beibehielten (Lukian. Alexandros 51; Greg. Nyss. epist. 20,1 u.a.). Eine ganze Reihe von Ortschaften scheint von ihnen mit einem keltisch gebildeten Namen versehen worden zu sein (Coşkun 2009a). Die meisten Galater lebten in Dörfern im Umkreis der Kastelle ihrer Clanchefs (Strab. 12,5). Der hellenistischen Welt gegenüber öffnete sich ihre Elite nur ansatzweise (Coşkun 2011).
2.2. Die Klientelkönige Deiotaros und Amyntas
Nachdem Cn. Manlius Vulso im Jahr 189 v. Chr. noch gegen die Seleukiden und die mit ihnen verbündeten Galaterstämme zu Felde gezogen war, wandelte sich in der Mitte des 2. Jh. v. Chr. die römische Interessenslage. Nach der Zurückdrängung Makedoniens erübrigte sich → Pergamon
Sein Nachfolger wurde Amyntas, der letzter (Klientel-)König der Galater werden sollte. Amyntas’ Herrschaftsgebiet umfasste neben den Gebieten der Galaterstämme weite Teile im Süden und Südwesten der kleinasiatischen Halbinsel, von denen er einige selbst eroberte, einige für Freundschaftsdienste erhielt. Im römischen Bürgerkrieg brachten die Galater eine große Streitmacht auf der Seite der Caesarmörder auf. Unter dem Oberkommando des Amyntas wechselten die galatischen Truppen im Jahr 42 v. Chr. in der ersten Schlacht von → Philippi
2.3. Von Amyntas beherrschte Gebiete
Amytas’ Herrschaftsgebiet umfasste wirtschaftlich starke Regionen, die den Südteil der späteren Provinz Galatien bilden sollten. Phrygien am Gebirge zählte durch seine naturräumlichen Gegebenheiten zu den fruchtbarsten Gegenden Zentralkleinasiens. Die sich in den Bergmassiven verfangenden Regenwolken sorgten für Bewässerung und machten die niedrigeren Gebirgshänge zu günstigen Anbaugebieten. Infrastrukturell profitierte Phrygien am Gebirge von der Anbindung an die zwischen Ägäis und Euphrat verlaufende Fernstraße (French 1998). In → Antiochia
3. Römische Provinz
3.1. Südgalatien
Vom Tod des Amyntas im Kampf gegen die Homonadeis erfuhr Augustus (Octavian) in Spanien. Unter Einschluss Pamphyliens gliederte er die Gebiete des Galaters unverzüglich in das → Römische Imperium
3.2. Die Galatergebiete
Während sich Interessen und Herrschaftsausübung der Römer auf Südgalatien konzentrierten, blieben die Gebiete der keltischen Stämme im Hinblick auf ihre inneren (Clan-) Strukturen bis weit in das 1. Jh. n.Chr. hinein von römischer Herrschaft praktisch unberührt (Coşkun 2008, 154–157). Rund zwanzig Jahre nach der Provinzialisierung bauten die Galater ihrerseits ein monumentales Sebasteion in Ancyra, um mit dem dort stattfindenden Kult ihre Loyalität gegenüber dem Imperium zum Ausdruck zu bringen (Coşkun 2009b; 2014a; Mitchell 2007). Erst in der zweiten Hälfte des 1. Jh. n.Chr. begann die Integration der Galatergebiete in die Strukturen des Imperiums. Ihre Urbanisierung und Erschließung erfolgten auf Grund der seit Nero verstärkt wahrgenommenen parthischen Bedrohung. Von einer zentralen Verwaltung der Provinz Galatien kann erst ab dem 2. Jh. n.Chr. gesprochen werden. Ab hadrianischer Zeit ist die Residenz eines Statthalters im nun Metropolis genannten Ancyra belegt. Die städtischen Eliten bildeten in dieser Zeit ein provinziales Selbstbewusstsein aus (Coşkun 2013b).
3.3. Gebietsveränderungen der Provinz
Die inhomogene Zusammensetzung der römischen Provinz Galatien resultierte aus den Gebietssammlungen der galatischen Klientelkönige (Abb. 2) (→ Klientelherrscher
4. Galatien im Neuen Testament
2Tim 4,10
Die zweifellos von ihm (mit-)gegründeten „Gemeinden Galatiens“ führt → Paulus
Versuche, die im Gal geführte Kontroverse über die Bedeutung jüdischer Identitätsmarker für paganstämmige Christusgläubige mit regionalen Gegebenheiten wie dem Kaiserkult oder einer vermeintlichen spezifischen religiösen Mentalität in Verbindung zu bringen, haben sich als unplausibel erwiesen (John 2016, 161–193; Coşkun 2022, 331). Bekanntlich ist die Lokalisierung der Adressaten des Galaterbriefs umstritten. Nach der Landschafts- oder nordgalatischen Hypothese lebten die Adressaten des Schreibens in den keltisch bewohnten Gebieten Zentralkleinasiens. Für ihre Bereisung durch Paulus werden zumeist Apg 16,6
Im Hinblick auf den lukanischen Bericht sprechen der Aufweis zahlreicher Anspielungen auf südgalatisches Lokalkolorit in Apg 13f
Weitere Argumente zugunsten Südgalatiens beruhen auf dem aus der Inhomogenität der Provinz Galatien resultierenden Nord-Süd-Gefälle (John 2014, 2016, 2021; 2022; kritisch aus althistorischer Sicht hierzu Coşkun 2022). Als wichtiger Faktor ist an die Verkehrsinfrastruktur zu denken: Angesichts der Strapazen des Reisens in der Antike stellten die κοινὴ ὁδός und die Via Sebaste eine erhebliche Erleichterung der Reisen auch (des Barnabas und) des Paulus dar (Wilson 2018a). Schließlich spricht die spätere Christentumsgeschichte Südgalatiens für die Nachwirkung der paulinischen Mission in dieser Region (Breytenbach 2014; Zimmermann).
Literaturverzeichnis
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3. Literaturempfehlungen
- Breytenbach, C., 1996, Paulus und Barnabas in der Provinz Galatien. Studien zu Apostelgeschichte 13f; 16,6; 18,23 und den Adressaten des Galaterbriefs (AGJU 38), Leiden u.a.
- Coşkun, A., Annäherungen an die lokalen Eliten der Galater in hellenistischer Zeit, in: B. Dreyer / P.F. Mittag (Hg.), Lokale Eliten und hellenistische Könige. Zwischen Kooperation und Konfrontation, Oikumene 8, Berlin, 80-104
- Gazda, E.K. / Ng, D.Y. (Hg.), 2011, Building a New Rome. The Imperial Colony of Pisidian Antioch (25BC-AD 700), Ann Arbor
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- Sänger, D., 2016, Die Adresse des Galaterbriefs. Neue (?) Überlegungen zu einem alten Problem (= 2010), in: Ders., Schrift – Tradition – Evangelium. Studien zum frühen Judentum und zur paulinischen Theologie, Neukirchen-Vluyn, 229-274
Abbildungsverzeichnis
- Sterbender Galater, Rom, Kapitolinische Museen; BeBo68. Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Dying_Gaul.jpg?uselang=de; CC-BY-SA 3.0.
- Grenzen der Provinz Galatien im mittleren 1. Jh. n. Chr (schematische Darstellung). Quelle Reliefkarte: maps-for-free.com.
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