Prediger 7,15-18 | Septuagesimä | 16.02.2025
Einführung in das Predigerbuch
Das Koheletbuch
1. Verfasser
‚Kohelet‘ ist der sprachlichen Form nach kein Name, sondern eine Funktionsbezeichnung, die mit dem hebräischen Begriff für Gemeinde oder Versammlung (qāhāl) zusammenhängt. Man kann ‚Kohelet‘ daher als Versammlungsleiter verstehen. Innerhalb des Buches oszilliert der Begriff zwischen Funktionsbezeichnung und Name. Kohelet ist mit den Weisheitstraditionen
2. Adressaten
Das Koheletbuch richtet sich an weisheitlich gebildete Kreise, die sich mit Kohelet auf den Weg machen, offene Fragen im Umfeld des weisheitlichen Denkens zu bearbeiten. Gibt es etwas Neues unter der Sonne? Stehen Tun und Ergehen in einem Zusammenhang? Was bleibt dem Menschen bei aller seiner Mühe unter der Sonne? Möglicherweise liegt mit dem Koheletbuch ein Lehrwerk für den Unterricht vor, der auf die weisheitliche Grundausbildung folgte. Innerhalb dieses Lehrwerkes wird das bisher Gelernte problematisiert. Damit werden Leserinnen und Leser des Buches zum eigenen Nachdenken angeregt und ermutigt.
3. Entstehungsort
Eine Reihe von Bezügen auf Jerusalem
4. Wichtige Themen
Das Koheletbuch verbindet hermeneutische Tiefenreflexionen über die Möglichkeiten menschlichen Erkennens mit ethischen Überlegungen über das Tun des Menschen in den konkreten Konstellationen des Lebens. Dass es nichts Neues unter der Sonne gebe, ist für Kohelet dabei wohl eine tröstende Botschaft angesichts aufkommender Erwartungen eines katastrophalen Weltuntergangsgeschehens, das nach Kohelet nicht zu erwarten ist, weil die Erde seiner Überzeugung nach fest steht. Dass aufgrund weisheitlicher Anstrengungen das Werk Gottes aber keineswegs von Anfang bis Ende erfasst werden kann, gehört ebenso zu Kohelets Einsichten wie seine Beobachtung, dass das Tun des Menschen und sein Ergehen in keinem korrespondierenden Verhältnis stehen, sondern dass es dem Frevler gut und dem Gerechten schlecht gehen kann und dass am Ende auf beide dasselbe zukommt, dem sich keiner entziehen kann. Weil es keinen bleibenden Gewinn für den Menschen gibt und er am Ende auf den Tod zugeht, ist der Mensch allerdings gut beraten, das Leben in seiner Gegenwart zu einem gelingenden Zeitraum zu machen und nicht nur zu essen, zu trinken und es sich gut gehen zu lassen, sondern sich auch der Einsicht in die eigenen Grenzen zu stellen und gerade aufgrund dieser Einsicht eine gewisse Gelassenheit als Haltung zu entwickeln, mit der den Unwägbarkeiten des Lebens begegnet werden kann. Dass die Freude am Leben eine Gabe Gottes ist, steht für Kohelet fest – wie Kohelet ohnehin von einer beeindruckenden Gottesgewissheit herkommt, die seinem Denken den tieferen Grund gibt.
5. Besonderheiten
Innerhalb der Hebräischen Bibel ist das Koheletbuch diejenige Schrift, die sich am ehesten dem annähert, was man als Autorenliteratur bezeichnen kann. Der Verfasser tritt hier als Ich-Sprecher entgegen und weist die im Buch vorliegenden Betrachtungen der Wirklichkeit als seine Sicht auf die Dinge aus.
Neben dem Hohelied ist das Koheletbuch die biblische Schrift, innerhalb derer am konsequentesten zur Freude
Literatur:
- Krüger, T., 2000, Kohelet (Prediger) (BKAT XIX Sonderband), Neukirchen-Vluyn
- Schwienhorst-Schönberger, L., 2004, Kohelet (HThKAT), Freiburg i. Br. u.a.
- Schellenberg, A., 2013, Kohelet (ZBK.AT 17), Zürich
- Saur, M., 2023, Gelassenheit. Eine Auslegung des Koheletbuches, Berlin/Boston
A) Exegese kompakt: 7,15–18
Übersetzung
15 Das alles sah ich in meinen flüchtigen Tagen:
Da ist ein Gerechter, der zugrunde geht in seiner Gerechtigkeit, und da ist ein Frevler, der lange lebt in seinem Frevel.
16 Sei nicht allzu gerecht und gib dich nicht gar zu weise.
Wozu willst du dich zugrunde richten?
17 Sei nicht allzu frevelhaft und sei kein Tor.
Wozu willst du sterben vor deiner Zeit?
18 Gut ist es, wenn du das eine ergreifst, aber auch vom anderen deine Hand nicht lässt.
Ja, wer Gott fürchtet, geht aus allem heraus.
Auslegung
Der Predigttext Koh 7,15–18 findet sich im dritten Teil des Koheletbuches, das nach einer Grundlegung in Koh 1–3 und Vertiefungen in Koh 4–6 in Koh 7–9 vor allem ethische Implikationen aus den vorangehenden Reflexionen herausarbeitet.
In Koh 7,15 wird mit dem Satz „Das alles sah ich in meinen flüchtigen Tagen“ (ʼæt-hakkol rāʼītī bīmē hæblī) ein neuer Gedankengang eingeleitet. Wie an anderen Stellen innerhalb des Koheletbuches verweist rāʼītī („ich sah“) auch hier auf eine Beobachtung, die Kohelet gemacht hat. Diese Beobachtung wird durch die Wendung bīmē hæblī (wörtlich: „in den Tagen meiner Flüchtigkeit“), die sich nur an dieser Stelle im Koheletbuch findet, in den Horizont des Nichtigen und Flüchtigen gestellt.
Der Gedankengang endet eigentlich erst mit der begründeten Ermahnung in V. 21f., wie der literarische Neueinsatz im folgenden V. 23 zeigt. Formal ist die literarische Einheit in V. 15–22 durch eine Reihe von Mahnungen miteinander verknüpft, die sich im Umfeld der Gerechtigkeitsthematik bewegen. Ein zentraler Akzent wird allerdings in V. 18b mit dem Verweis auf den Gottesfürchtigen gesetzt, was die Abgrenzung des Predigttextes rechtfertigt.
In V. 15a bezieht sich Kohelet mit „ich sah“ (rāʼītī) explizit auf seinen eigenen Erfahrungshorizont. Was er beobachtet, führt Kohelet in V. 15b in der Form eines antithetischen Parallelismus aus: Es gibt einen Gerechten, der in seiner Gerechtigkeit zugrunde geht, und es gibt einen Frevler, der in seinem Frevel lange lebt. Es geht Kohelet dabei nicht um einen konkreten Gerechten oder einen konkreten Frevler, sondern um eine Beobachtung, die man vielfach machen kann. Und genau diese Beobachtung stellt die Grundannahme der Weisheitstradition, dass sich nämlich das Tun des Menschen und sein Ergehen entsprechen, in Frage: Gerechtigkeit sollte nicht dazu führen, dass man zugrundegeht, und noch weniger sollte Frevel dazu führen, dass man lange lebt. Würde der Tun-Ergehen-Zusammenhang in Geltung stehen, müsste das Gegenteil der Fall sein: Der Gerechte sollte lange leben und der Frevler zugrundegehen. Kohelet führt anhand seiner Beobachtung vor Augen, was auch die Verfasser des Hiobbuches oder die Psalmisten, die Ps 73 dichten, umtreibt: Ein Blick in die reale Welt zeigt, dass die Annahme eines Zusammenhangs von Tun und Ergehen nicht notwendigerweise mit der Erfahrung in Einklang steht.
Die Wahrnehmung der Brüchigkeit der Grundannahme eines Tun-Ergehen-Zusammenhangs führt Kohelet nun allerdings nicht in die Verzweiflung, sondern zu einer sehr mäßigenden Mahnung, die nicht nur von einer Seite, sondern von zwei Seiten her formuliert werden muss, wie das Nebeneinander von V. 16 und V. 17 zeigt. V. 16a warnt vor zu großer Gerechtigkeit und Weisheit und V. 17a warnt vor zu großer Frevelhaftigkeit und Torheit. Beides führt nach V. 16b und V. 17b in den Tod. Mit den eindringlichen Fragen in V. 16b und V. 17b wird die Orientierung Kohelets an seinen Adressaten deutlich greifbar, denn hier wird der Leser nicht mehr oder weniger abstrakt belehrt, sondern direkt angesprochen und hinterfragt. Man steht hier offenkundig an einer zentralen Stelle des Buches, an der Kohelets Wirklichkeitsverständnis besonders verdichtet zu greifen ist. Auf der Skala zwischen Gerechtigkeit und Frevel auf der einen und zwischen Weisheit und Torheit auf der anderen Seite empfiehlt Kohelet seinen Leserinnen und Lesern, sich nicht an den äußersten Rändern, sondern in der Mitte zu verorten und damit der Gefahr der selbstverschuldeten Vernichtung zu entgehen. Es ist daher sehr treffend, den Abschnitt durch die Überschrift ‚via media‘ zu charakterisieren (vgl. Schwienhorst-Schönberger, 383–393). Kohelet zeigt sich hier als Anti-Extremist und Gegner allen übertriebenen Eifers. Die Einsicht, dass Torheit und Frevel in den unzeitigen Tod führen, wie V. 17b in Form der Frage ausführt, überrascht dabei weniger als die Aussage in V. 16b, derzufolge übermäßige Gerechtigkeit und Weisheit den Menschen der Gefahr aussetzen, sich zugrunde zu richten.
Die Empfehlung, es weder mit der Weisheit noch mit der Torheit zu sehr zu übertreiben, weist Kohelet als einen Denker des μηδὲν ἄγαν (medén ʼágan) aus, dessen Ethik sich auf eine Mitte hin ausrichtet. Mit dieser Ausrichtung ist implizit eine Kritik an Extrempositionen und vor allem an extremen Haltungen verbunden. Das theonome Fundament des Ansatzes Kohelets legt V. 18 offen. Hier wird V. 16f. noch einmal mit anderen Worten zusammengefasst: Das eine zu tun und das andere nicht zu lassen, ist für Kohelet der Schlüssel zum gelingenden Leben. Die Schlusswendung des Satzes kī-jereʼ ʼælohīm jeṣeʼ ʼæt-kullām (Übersetzungsvorschlag: „Ja, wer Gott fürchtet, geht aus allem heraus.“) ist schwer zu interpretieren. Dass derjenige, der Gott fürchtet, aus allem herausgeht, kann aber wohl nichts anderes bedeuten, als dass der Gottesfürchtige falschen Extrempositionierungen entgeht und in der Mitte zwischen den Extremen seinen richtigen und angemessenen Weg findet.
Thomas Krüger übersetzt V. 18b unter Verweis auf die Mischna mit: „Wer Gott fürchtet, wird beidem gerecht“ (Krüger, 255). Nach Schwienhorst-Schönberger „erweist sich der Begriff der Gottesfurcht als der hermeneutische Schlüssel für Kohelets Torainterpretation. Gottesfurcht ist eine Art regulatives Prinzip hinsichtlich eines angemessenen Verständnisses der Tora, das zu einem sittlich guten – und im Kontext eudämonistischer Ethik – zu einem erfolgreichen Verhalten führt“ (Schwienhorst-Schönberger, 389). Einer solchen, an der Mäßigung ausgerichteten Ethik wohnt durchaus ein Moment der Kritik an übertriebenem Eifer im Blick auf das Gesetz und seine Gebote inne. Gottesfurcht als ‚regulatives Prinzip‘ zu verstehen, bedeutet daher immer auch, mit der Möglichkeit einer konstruktiven Distanzierung von der Tora und vor allem ihrer rigoristischen Auslegung zu rechnen: „Kohelet scheint die Gottesfurcht der Toraobservanz vorzuordnen.“ (Schwienhorst-Schönberger, 393).
Hier wird nicht nur eine Ethik der Mitte, sondern auch ein entsprechendes Gottesbild entworfen: Gottesfurcht ist für Kohelet die Anerkenntnis der Souveränität Gottes vor dem Hintergrund des Wissens um die eigenen Erkenntnisgrenzen; Gottesfurcht ist aber zugleich die sich aus dieser Erkenntnis ergebende Haltung einer Gelassenheit, die aufgrund des Wissens um das beschränkte Wesen des Menschen keinen Rigorismus entfaltet oder im Einfordern des Unmöglichen stetige Erfahrungen des Scheiterns produziert, sondern vor dem Hintergrund des μηδὲν ἄγαν (medén ʼágan) den Menschen auf Gott bezieht und in dieser Beziehung das dem Menschen Mögliche erkennt. Es ist für einen in dieser Art fundierten Menschen dann auch keine Anfechtung mehr, wenn der Frevler trotz seines Frevels lange lebt. Eine gelassene Haltung dem Frevel gegenüber gibt dem Frevel am Ende nicht den Raum, sich als Seinssphäre um den Menschen zu legen und ihn zugrunde zu richten. Die Dinge sind nicht bis an ihr Ende einsehbar und es ist daher auch nicht sinnvoll, dem Frevel als einer grundlegend bösen Handlungsorientierung bis in seine Abgründe hinein nachzudenken und damit über jedes Maß hinaus weise sein zu wollen. Aus den Erkenntnisgrenzen des Menschen ergibt sich die ethische Leitlinie des μηδὲν ἄγαν (mēdén ʼágan) im Umgang mit dem frevelhaften Bösen, dessen Entfaltungsraum Kohelet in seiner Orientierung an der Mitte zwischen den Extremen möglichst klein zu halten bemüht ist.
B) Praktisch-theologische Resonanzen
1. Persönliche Resonanzen
Wird der Predigttext flüchtig gelesen, erweckt er den Eindruck ethischer Indifferenz oder Opportunität. Denn dazu könnte die Einsicht aus V. 15 ja führen: Wenn Tun und Ergehen in keinem Zusammenhang stehen, mir als Mensch natürlicherweise aber an meinem Ergehen gelegen ist, mögen ja zum Zweck eines guten Ergehens gerechte wie frevelhafte Mittel zielführend sein. So der erste Eindruck. Doch die Exegese lädt mich ein, genauer hinzusehen. So geht es der Exegese nach dem Text nicht um Indifferenz gegenüber Gerechtigkeit und Frevel, sondern um ein angemessenes Verhältnis zu diesen beiden ethisch-religiösen Kategorien. Zumal der Frevel wird eingegrenzt, indem eine gelassene Haltung ihm gegenüber ihn seiner daseinsbestimmenden Macht beraubt. Dies wiederum ist weise, ohne sich selbst unbedingt als weise zu erkennen. Gegen eine zu erstarrte Fokussierung auf Tugend oder Untugend legt der Predigttext die Kardinaltugend der Gottesfurcht nahe. Durch sie kann der Mensch sein Maß finden und „geht aus allem heraus“.
2. Thematische Fokussierung
Die Exegese weist auf zwei Aspekte hin, die jeweils für sich genommen oder in Kombination miteinander den biblischen Text mit der gegenwärtigen Lebenswelt verknüpfen. So ist der Gedanke eines Mittelweges oder μηδὲν ἄγαν (mēdén ʼágan) auf verschiedene Weise für heutige Lesende anschlussfähig. Er hat in einer sich polarisierenden Gesellschaft seine bleibende Aktualität. Der Text lädt zu einer gesunden Skepsis gegenüber der eigenen Weisheit und Gerechtigkeit auf der einen Seite und einer konstruktiven Neugierde auf den Frevel der anderen ein. Gegründet ist dies in einer Gottesfurcht, die um die Größe Gottes und die Kleinheit der eigenen Erkenntnis weiß. Der Gedanke eines Mittelweges hat seine bleibende Bedeutung auch in Bezug auf das individuelle Lebensglück. Menschen leben in Bedürfnisspannungen. Der Bibeltext lässt sich als Einladung lesen, ehrlich auch auf jene Bedürfnisse zu blicken, die in der eigenen moralischen Orientierung mit dem Verdikt der Frevelhaftigkeit belegt sind und ihnen dennoch einen guten Ort zu suchen. Zudem lässt sich der Text als eine Warnung vor religiöser Überhitzung und Fundamentalismus lesen. Der Mensch, der meint, Frevel und Gerechtigkeit abschließend definieren und zuordnen zu können, verhält sich eben nicht gottesfürchtig. Vielmehr setzt er sich selbst an die Stelle Gottes und erkennt die ihm von Gott gesetzten Erkenntnisgrenzen nicht an.
3. Theologische Aktualisierung
Religiöser Rigorismus und Fundamentalismus haben in einer komplexen Welt Konjunktur. Sie versprechen einfache Antworten auf komplizierte Fragen, die dann aber doch wieder an einer widersprüchlichen Wirklichkeit scheitern müssen. Diese Grundstruktur menschlichen Lebens nimmt der Text auf und führt sie weiter. Der Text sieht dabei zum einen die Grenzen eines eifernden Menschen, der im Streben nach einem gottgefälligen Leben Gott selber aus dem Blick verliert. Gott nicht nur als Grund, sondern eben auch als Grenze der eigenen Wirklichkeit und Erkenntnisfähigkeit wird nicht mehr anerkannt. In seiner extremsten Ausprägung führt dies in einen Fundamentalismus, dessen Widergöttlichkeit der Text aufdeckt. Zum anderen sieht der Text aber auch die Grenzen eines Menschen, der nicht mehr nach dem Willen Gottes fragt. In seiner modernen Variante vielleicht auch als Reaktion auf den beschriebenen religiösen Übereifer. Doch auch hier sagt der Text „Sei nicht allzu frevelhaft und sei kein Tor“. Es ist wichtig, die Hand nicht von der Suche nach Gerechtigkeit und Weisheit zu lassen, die Suche nach Gott nicht aufzugeben. Denn es sind weder Weisheit noch Torheit die dem menschlichen Leben letztlich Orientierung geben. In ihnen bleibt der Mensch auf sich selber ausgerichtet. Es ist die Gottesfurcht, durch die der Mensch aus allem heraus geht und die den Menschen über sich selbst hinaus hin zu Gott führt.
4. Bezug zum Kirchenjahr
Der Sonntag Septuagesimä intoniert seinem Namen nach mit dem Hinweis auf die 70 Tage bis zum Ende der Osterwoche schon die Passionszeit. Dieser Horizont der Passionszeit kann in einer produktiven Korrespondenz mit dem Predigttext stehen. So bietet Passionsfrömmigkeit in ihrer Geschichte teils ein skurriles Sammelsurium fehlgeleiteten religiösen Eifers dar. Gleichzeitig entgehen die großen Chancen der Passionszeit, als geprägte Zeit der Besinnung und Orientierung, wo sie eine Zeit wie jede andere ist. Das Evangelium von den Arbeitern im Weinberg in Matthäus 20,1–16 stellt die Frage nach der Gerechtigkeit, bzw. irritiert das gängige Verständnis ebensolcher. In dieser Spur auf der Suche göttlicher Gerechtigkeit lässt sich auch der Predigttext aufnehmen. Die Frage, wie der Mensch vor und mit Gott leben soll, hallt so in beiden Texten wieder. Miteinander stellen die beiden Text dem eigenen Verdienst die Gnade und der Selbstgerechtigkeit die Gottesfurcht gegenüber.
5. Anregungen
Basierend auf dem Text sind ganz unterschiedliche Predigten denkbar. Wer narrativen Predigten zugeneigt ist, könnte vom Evangelium ausgehend die Figur eines der Arbeiter im Weinberg aufnehmen, der irritiert von Gottes anderer Gerechtigkeit auf der Suche nach Antworten ist und auf jenen Text aus Kohelet stößt. Wer die Auseinandersetzung mit religiösem Fundamentalismus in den Fokus der Predigt stellen will, könnte mit konkreten Beispielen für diesen beginnen und sich dann eben anhand des Textes damit auseinandersetzen. Der Natur des Textes nach aber wiederum den Grenzen der eigenen Weisheit und Gerechtigkeit auch im Umgang mit dem frevelhaften Fundamentalisten eingedenk. Für das Thema des Mittelweges eignet sich ein meditativer Predigtstil, vielleicht auch mit Blick auf Bedürfnisse und Bedürfnisspannungen. Zum Beispiel aus Sicht eines Menschen, der nach dem Sinn und Unsinn verschiedener Tugenden und Untugenden fragt und dem Text entsprechend schließlich als Kardinaltugend zur Gottesfurcht geführt wird.
Autoren
- Prof. Dr. Markus Saur (Einführung und Exegese)
- Dr. Andreas Stahl (Praktisch-theologische Resonanzen)
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/500097
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