Jerusalemkollekte
(erstellt: September 2013)
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1. Bedeutung
Die Kollektensammlung der paulinischen Gemeinden für ihre bedürftigen Schwestern und Brüder in Jerusalem stellt eine der faszinierendsten finanziellen Transaktionen dar, die aus der Zeit der Antike überliefert sind. Sie steht auch nicht etwa isoliert am Rande der paulinischen Verkündigungstätigkeit, sondern führt mitten in das Zentrum seiner Rechtfertigungstheologie hinein (Georgi 21994). Nicht allein ihre Logistik, sondern vor allem ihre theologische Relevanz macht sie zu einem festen Bestandteil des paulinischen Erbes.
Als eine singuläre, einmalige Aktion ist diese Sammlung von verschiedenen anderen finanziellen Projekten sorgfältig zu unterscheiden. Immerhin gibt es partielle Überschneidungen etwa zur Frage des apostolischen Unterhaltsrechtes oder zur Armenfürsorge im Allgemeinen. Den weitesten Kontext stellt das frühchristliche Ethos des Teilens dar, das bereits in der Botschaft Jesu verankert ist und das von der Gemeinde in Jerusalem exemplarisch gelebt wird. Darauf nehmen auch die Gemeinden des paulinischen Kreises Bezug.
→ Paulus
Mit seinen verstreuten Reflexionen zum Thema hat Paulus jedoch der werdenden Kirche wichtige Impulse für ihren Umgang mit Geld vermittelt. Der Anspruch dieses Projektes erweist sich auch unter veränderten Strukturen als relevant.
2. Texte
Einzelne Nachrichten über die Kollektensammlung sind über verschiedene Schriften verstreut. Ein größerer Textzusammenhang liegt lediglich in 2Kor 8
-
Gal 2,10
(Vereinbarung): Im Kontext des paulinischen Berichts über den Apostelkonvent findet sich eine kurze, eher nachgeholte Notiz über den Beschluss zur Sammlung. Je nach Anordnung der Paulusbriefe könnte dies die älteste Nachricht zur Kollekte überhaupt sein. -
1Kor 16,1-4
(Anfänge der Sammlung): Der kurze Abschnitt am Schluss des Briefes nimmt mit der einleitenden Wendung “ περί δἑ. … / perí dé / über xy aber …” stilistisch die Abhandlung konkreter Gemeindeprobleme auf, denen sich die Kollektensammlung also auch gleichrangig zuordnet. Mit Verweis auf eine parallele Anordnung an die Gemeinden in Galatien fordert Paulus von den Korinthern ein strukturiertes Verfahren. Zugleich kündigt er die Zusammenstellung einer Delegation sowie seine eigene Beteiligung an. -
2Kor 8
/ 2Kor 9 (Kollektenbriefe / Brieffragmente): Beide Kapitel spielen in der Diskussion, ob der ganze Brief eine Einheit oder eine Briefkomposition sei, eine wichtige Rolle. Ihr Inhalt betrifft ausschließlich die Kollekte. Als “konkurrierende Dubletten” stehen sie dabei in einer unverkennbaren Spannung zueinander: In 2Kor 8 werden die Makedonier den Korinthern als Vorbild präsentiert; in 2Kor 9 wiederum fungieren die Korinther als Vorbild für die Makedonier. Literarkritisch lässt sich dieses Problem durch die Annahme lösen, dass beide Kapitel unterschiedlichen Briefsituationen angehören. Die meisten Teilungshypothesen rechnen 2Kor 8 noch dem “Versöhnungsbrief” (2Kor 1,1-2,13 / 2Kor 7,5-16 ) zu und betrachten 2Kor 9 als selbständiges Brieffragment. Am konsequentesten erscheint indessen die These, dass beide Kapitel Fragmente unabhängiger Verwaltungsschreiben des Paulus seien (Betz). Sachlich verfolgen sie ein doppeltes Anliegen: Einerseits geht es ganz pragmatisch um die Koordinierung und Durchführung der Sammlung, andererseits findet sich hier das Herzstück der paulinischen “Kollektentheologie”. -
Röm 15,25-32
(Plan der Ablieferung): Im Kontext seiner Reisepläne in Richtung Spanien, für die er die römische Gemeinde gewinnen will, bringt Paulus noch einmal die Kollekte zur Sprache. Er fühlt sich verpflichtet, die Sammlung persönlich zum Abschluss zu bringen. Erst dann ist er frei für die geplante Spanienmission. -
Apg 20,4
(Kollektendelegation): Lukas berichtet von Repräsentanten verschiedener Gemeinden, die Paulus nach Jerusalem begleiten, ohne jedoch deren Funktion zu nennen. Dabei kann es sich nur um die in 1Kor 16,3 bereits anvisierte Kollektendelegation handeln. -
Apg 21,15-40
(Ankunft in Jerusalem): Der ganze große Erzählabschnitt bildet den Rahmen für die Übergabe der Geldsammlung in Jerusalem. Dennoch erwähnt Lukas dabei die Kollekte selbst mit keinem Wort. Dieses Schweigen ist indessen so beredt, dass man daran die ganze komplizierte Situation, die letztlich zum Scheitern des Projektes führt, relativ deutlich erkennen kann. Der Abschnitt erweckt den Eindruck einer Partitur, “in der gerade die melodieführende Stimme ausgespart worden ist” (Roloff, 312). -
Apg 24,17
(“Almosen” für Israel): In einer längeren Verteidigungsrede gegenüber dem römischen Prokurator Felix entschlüpft dem lukanischen Paulus dann doch noch die überraschende Bemerkung, er habe “Almosen für sein Volk” nach Jerusalem bringen wollen.
3. Terminologie
Auffälligerweise gebraucht Paulus für die Bezeichnung der Kollektensammlung keine einheitliche Terminologie. Vielmehr verwendet er eine Vielzahl von Begriffen, die bereits durch die Vielfalt ihrer Konnotationen den komplexen Charakter der Sammlung sichtbar machen.
- λογεία / logeía / Sammlung (1Kor 16,1
.2 ): Der Begriff betont vor allem die Pragmatik des Sammelvorgangs. Auch wenn er auf Papyrustexten gelegentlich im sakralen Bereich vorkommt, geht es dabei nie um eine Erhebung fester Steuern, sondern stets um das Einsammeln freiwilliger Spenden. - εύλογία / eúlogía / Segensgabe (2Kor 9,5
): Damit bringt Paulus die theologische Dimension der Sammlung kurz und stringent auf den Punkt. Aller Segen, d.h. die Zuwendung von Heil und Lebensfülle, geht von Gott aus; Menschen geben diesen Segen aneinander weiter. Zugleich kehrt der Segen als Lobpreis des Menschen wieder zu Gott zurück. Beide Aspekte sind in der Kollektensammlung enthalten. Weil aber der Segen Gottes unerschöpflich und überfließend ist, darf auch seine Weitergabe nicht knausrig erfolgen: Aus diesem Grunde ist in 2Kor 9,5 der Gegensatz zur “Segensgabe” auch die “Geizesgabe” (πλεονεξία / pleonexia). Die Wirkung der “Segensgabe” erscheint wiederum als Danksagung vieler an Gott (2Kor 9,12 ). Ob auch ein Wortspiel mit dem Klang der Begriffe λογεία / εύλογία beabsichtigt ist, bleibt ungewiss. - χάρις / cháris / Liebesgabe (1Kor 16,3
; 2Kor 8,4 .6 .7 .19 ): Dieser facettenreiche Terminus deckt ein breites Bedeutungsspektrum ab und steht etwa für Gnade, Gunst, Wohlwollen, Fürsorge, Gnadenwerk oder Dank. Die Kollekte verdankt sich nicht primär nobler Gesinnung, sondern erwächst aus der Wirksamkeit von Gottes Gnade. Die paulinischen Gemeinden sind letztlich nur Werkzeuge der göttlichen Fürsorge und geben weiter, was auch sie empfangen haben. - κοινωνία / koinōnía / Gemeinschaftsaktion (2Kor 8,4
; Röm 15,26 ): Der Begriff erinnert an Gal 2,10 ; die in Jerusalem per Handschlag vereinbarte “Gemeinschaft” findet ihren Ausdruck in einer konkreten “Gemeinschaftsaktion”. Nach Gal 6,6 soll der Katechumene mit dem Katecheten “Gemeinschaft haben in allen Gütern”, d.h. ihn materiell unterstützen. Paulus gebraucht den Begriff auch mit Blick auf die finanzielle Unterstützung aus Philippi (Phil 4,14 .14 ). Hinsichtlich der Kollekte geht es ihm primär um die Gemeinschaft im Geben und Nehmen (Röm 15,27 ); die Sammlung reagiert auf die geistlichen Gaben der Jerusalemer und mündet in gemeinsames Gotteslob (2Kor 9,12-14 ). - διακονία / diakonía / Dienst (2Kor 8,4
; 9,12; Röm 15,25 ): Immer wieder bezeichnet Paulus gerade seine apostolische Verkündigung als “Dienst” (1Kor 12,5 ; 16,15; 2Kor 4,1 ; 5,18; 11,8; Röm 11,13 ; 12,7); der Begriff meint also mehr als nur organisatorische oder flankierende Aufgaben. Die Sammlung selbst ist ein integraler Bestandteil der Evangeliumsverkündigung und dient in gleicher Weise dem Gemeindeaufbau. - καρπός / karpós / Frucht (Röm 15,28
): Diese Bezeichnung steht im Kontext der paulinischen “Agrartheologie” (Betz) in 2Kor 9 . Wer reichlich gibt, investiert in Zukunft und Wachstum. Die Sammlung ist einerseits Frucht, indem sie aus den von Jerusalem ausgehenden geistlichen Gütern erwächst; sie ist andererseits Frucht im Blick auf das, was sie an gefestigter Gemeinschaft bewirkt. - ἁδρότης / hadrótēs / Ertrag (2Kor 8,20
): Dieser Begriff korrespondiert am ehesten mit dem der Frucht - er bezeichnet die volle Reife oder die Fülle. Im Blick auf die Kollekte betont er den reichen Ertrag, die beachtliche Summe. Die Gemeinden haben sich in ihrer Spendenfreudigkeit selbst übertroffen (vgl. 2Kor 8,2-4 ). - ἐλεημοσύναι / heleēmosýnai Almosen (Apg 24,17
): Wörtlich meint dies “Barmherzigkeiten”; der Ausdruck fungiert als terminus technicus für Almosen. Nach Apg 10,2 .4 .31 zeichnet sich der römische Hauptmann Kornelius durch solche Almosen gegenüber der jüdischen Gemeinde aus; es kann sich damit also auch um größere Summen im Sinne antiker Wohltätigkeit handeln. Dieser Zungenschlag des lukanischen Paulus rückt die Kollekte (auf die sich die Aussage in Apg 24,17 nur beziehen kann) jedoch in ein ganz neues Licht. Almosen oder Wohltaten bleiben deutlich hinter der Intention einer Gemeinschaftsaktion, Gnaden- oder Segensgabe zurück.
4. Geschichte
Die Geschichte der Sammlung wird weder von → Paulus
4.1.Vereinbarung
Der Plan zu einer Geldsammlung, die im paulinischen Gemeindekreis für die Jerusalemer Gemeinde veranstaltet werden soll, entsteht am Rande des sogen. Apostelkonventes (Gal 2,1-10
In Gal 2,10
Lukas verschweigt in seiner Darstellung des Apostelkonventes (Apg 15,1-33
4.2. Durchführung
Paulus hat sich von Anfang in der Tat “eifrig bemüht” (Gal 2,10
Das Hauptproblem liegt dabei in der Koordinierung der Sammlung, da der paulinische Gemeindekreis noch keine feste Struktur aufweist. Den losen Zusammenhang sichern allein reisende Gemeindegesandte sowie die briefliche Kommunikation. In diesem Zusammenhang ist die Rolle des → Titus
Eine wichtige Rolle spielen vermutlich verschiedene Schreiben, die Paulus an die betreffenden Gemeinden verschickt. Erhalten geblieben sind sie nur im Rahmen der Korintherkorrespondenz. Immerhin hat das Thema für Paulus genug Gewicht, um nach dem theologisch bedeutsamen Abschnitt über die Auferstehungshoffnung in 1Kor 15,1-58
Die beiden Schreiben 2Kor 8
4.3. Absicherung
Wer mit größeren Geldsummen umgeht, setzt sich zwangsläufig auch Verdächtigungen aus. Dieser Situation ist sich Paulus bewusst. Er reagiert darauf in unterschiedlicher Weise.
Bereits mit Blick auf das Unterhaltsrecht für wandernde Apostel vertritt Paulus eine klare Position: Ein solches Recht besteht ohne wenn und aber (1Kor 9,1-27
Dass die ganze Sammlung korrekt verläuft, wird durch Verantwortungsträger aus den Gemeinden sichergestellt. Titus, der die Sammlung koordiniert, gehört zu ihnen; nach Gal 2,3
In der Anfangsphase hält es Paulus noch für möglich, die Repräsentanten der Gemeinden allein - legitimiert durch Empfehlungsbriefe - mit der Kollekte nach Jerusalem zu schicken (1Kor 16,3
4.4. Übergabe
Die Pläne, vor allem aber die Sorgen und Befürchtungen des Paulus in Röm 15,25-33
Für Paulus, den es nach Spanien drängt und der sich in Korinth schon auf halbem Wege nach Rom befindet, gibt es nur einen einzigen Grund, noch einmal nach Jerusalem zu fahren - nämlich den Abschluss des Kollektenprojektes. Er weiß, dass er damit seine Spanienmission gefährdet. Aber er braucht die Rückenfreiheit einer geklärten Beziehung. In der Erzählung des Lukas hingegen fehlt jeder einsichtige Grund, warum Paulus nach seiner sogen. dritten Missionsreise Jerusalem überhaupt noch einmal aufsuchen müsste. Der Wunsch, das Pfingstfest in Jerusalem zu feiern (Apg 20,16
Von den Spannungen gegenüber Jerusalem, die Paulus in Röm 15,30-32
Auf den Vorschlag der Gemeindeleitung hin versucht er deshalb, seine Gesetzestreue öffentlich unter Beweis zu stellen: In der Gemeinde gibt es gerade vier → Nasiräer
Dieser Plan schlägt fehl. Noch vor Ablauf der Reinigungsfrist kommt es im Tempelvorhof zu einem Tumult, als Paulus von Juden aus der Asia gemeinsam mit dem Heidenchristen → Trophimus
Für die christliche Gemeinde ist die Annahme einer großen Geldsumme unter den gegebenen Umständen kaum noch möglich. Sie würde sich dadurch nur selbst jene Vorwürfe zuziehen, die gegen Paulus und die Kollektendelegation erhoben werden. Eine demonstrative Solidarisierung mit “Apostaten”, die zudem in einem laufenden Gerichtsverfahren stehen, müsste ihre ohnehin schwierige Lage erst recht unhaltbar machen. Sie, die schon zwischen allen Stühlen sitzen, können sich ihre materielle Notlage jedenfalls nicht mehr mit Geld aus den paulinischen Gemeinden ausgleichen lassen.
Damit ist das Kollektenprojekt gescheitert. Entweder weisen die “Heiligen” zu ihrem eigenen Schutz das Geld nun öffentlichkeitswirksam zurück, oder sie nehmen es in aller Stille und ohne großes Aufsehen in Empfang, um davon nur im äußersten Notfall und möglichst unauffällig Gebrauch zu machen. Das erste müsste die große Opferfreudigkeit der paulinischen Gemeinden (vgl. 2Kor 8,2-4
Weitere Nachrichten gibt es nicht. Mit den Ereignissen des jüdischen Krieges hat sich der Konflikt dann ohnehin überholt. Die judenchristliche Gemeinde Jerusalems geht darin unter oder flieht nach Pella im Ostjordanland (wenn man Euseb, HistEccles III 5,2-3, vertrauen kann), wo sich ihre Spuren rasch verlieren. Was bleibt, sind die Reflexionen des Paulus zur theologischen Relevanz finanzieller Hilfsaktionen. Was bleibt, ist seine “Kollektentheologie”.
5. Analogien
Die Kollektensammlung erscheint als ein singuläres Projekt, das hinsichtlich seiner Größenordnung, seiner Durchführung und seiner theologischen Sinngebung weder Vorläufer hat noch Nachahmer findet. Dennoch führt das hohe Ethos einer Ethik des Teilens je nach Bedarf, das vor allem von Lukas als ein Ideal der Anfangszeit dargestellt wird (Apg 2,45
Antiochenische Kollekte - Apg 11,27-30
Unterstützung aus Philippi - Phil 4,10-20
6. Logistik
Zu den interessantesten Aspekten der paulinischen Kollekte gehört ihre Logistik. Nicht allein die zeitgleich an verschiedenen Orten begonnene Sammlung, sondern auch der Transport nach Jerusalem musste für die Gemeinden eine enorme Herausforderung darstellen. Geld wird in der Antike weder überwiesen noch durch Scheck oder Papiergeld übertragen, sondern zunächst ganz unmittelbar in Form von klingender Münze weitergegeben.
Um die Sammlung zu organisieren, bedient sich Paulus der brieflichen Kommunikation sowie verschiedener Verantwortungsträger aus den Gemeinden, namentlich des Titus. Wo aber werden die Beträge während der ca. sieben Jahre dauernden Aktion aufbewahrt? Die wöchentlichen Beträge, zu denen Paulus rät, enthalten sicher auch viel Kupfergeld in kleiner Münze. Wo wird dieser Fundus in Silber- und Goldmünzen eingewechselt? Wie sichern sich die Verantwortlichen gegen Diebstahl? Und gibt es dafür spezielle, schließlich auch transportable Behältnisse? Silbergeld hat immerhin ein hohes Gewicht! Über solche Fragen lassen sich nur Mutmaßungen anstellen.
Auch die Zusammenstellung eines regelrechten Geldtransportes aus räumlich weit auseinander liegenden Gemeinden stellt eine große Herausforderung dar. Sie lässt sich an einer Analogie studieren - der Überbringung der Tempelsteuer aus den jüdischen Gemeinden der Diaspora nach Jerusalem (Ben-David). In rechtlicher Hinsicht bedurfte es dazu staatlicher Privilegien. Sicherheitstechnisch war militärischer Geleitschutz erforderlich, da die Straßen vor allem in den Provinzen von Räuberunwesen und das Mittelmeer bis zur Zeit des Augustus immer wieder von Piraterie bedroht waren. Auch wenn die Kollekte deutlich kleiner ausfiel als die Tempelsteuer, bleibt sie ein aufwändiges Unternehmen. Die Delegaten aus den Gemeinden könnten dabei durchaus auch die Funktion eines Geleitschutzes übernommen haben. In Jerusalem wird es nur schwer zu verbergen gewesen sein, mit welchem Gepäck Paulus und die Repräsentanten seines Gemeindekreises anreisten.
7. Bewertungen
In der exegetischen Forschung hat die paulinische Kollektensammlung sehr unterschiedliche Bewertungen erfahren.
Lange Zeit betrachtete man die Kollekte in Analogie zur jüdischen Tempelsteuer - und das nicht nur in logistischer, sondern vor allem in theologischer Hinsicht (Holl). Eine solche Analogie ist jedoch ganz unwahrscheinlich: Die Kollekte hat gerade nicht den Charakter einer regelmäßigen Steuer, sondern den einer einmaligen Hilfsaktion, die zudem auf völlig freiwilliger Basis erfolgt. Der Gedanke einer Steuer stünde zudem in frontalem Gegensatz zur Intention des Paulus, insofern sie eine Überordnung der Jerusalemer signalisieren würde. Paulus hingegen verficht vehement die Gleichrangigkeit der Gemeinden und betrachtet die Sammlung als Instrument wie Ausdruck von “Gemeinschaft”. Eine andere Deutung versteht die Sammlung als den Versuch, die “eschatologische Existenz” der Jerusalemer Gemeinde zu unterstützen (Georgi). Dafür muss man jedoch den Ehrentitel “die Armen” (Gal 2,10
Paulus selbst liefert in seiner “Kollektentheologie” eine stringente Deutung: Für ihn ist die Sammlung in erster Linie ein Zeichen der Einheit. Diese Einheit hat wenigstens drei Aspekte.
Einheit im materiellen Ausgleich: Die Sammlung fügt sich in die urchristliche Strategie eines Güterausgleichs im Bedarfsfall ein. Wer gerade hat, gibt davon ab. In 2Kor 8,13-14
Einheit im Geben und Nehmen: Die Sammlung ist keine Einbahnstraße. Vielmehr profitieren beide Seiten, wenngleich auf unterschiedliche Weise. Paulus attestiert den Gebern in Röm 15,27
Einheit im Dank gegenüber Gott: Die Differenzen zwischen Jerusalem und dem paulinischen Gemeindekreis können am besten dadurch überwunden werden, dass beide Seiten gemeinsam in das Lob Gottes einstimmen. Beide erfahren sich darin als von Gott Beschenkte, deren unterschiedliche Gaben den überfließenden Reichtum der Güte Gottes sichtbar machen. Das glatte Parkett einer schwierigen Beziehung wird dadurch trittsicherer, denn “der Dienst dieser Sammlung hilft nicht allein dem Mangel der Heiligen ab, sondern wirkt auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken” (2Kor 9,12
Die paulinische Kollekte ist der Versuch, die gefährdete Einheit der frühchristlichen Gemeinden durch eine finanzielle Gemeinschaftsaktion zu festigen. Dieser Versuch wird theologisch fundamental begründet und am Vorbild Christi orientiert. Die “Gnadengabe” der Kollekte (2Kor 8,1
Auch wenn das Kollektenprojekt letzten Endes in Jerusalem gescheitert ist, behalten die grundsätzlichen Überlegungen des Paulus zur theologischen Relevanz materieller Hilfe ihren bleibenden Wert.
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