Maria und Martha
(erstellt: Dezember 2010)
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Maria ist die griechische Form des hebräischen Namens → Mirjam
1. Die neutestamentlichen Texte
Die Schwestern Maria und Martha werden in Lk 10,38-42
1.1. Lk 10,38-42
In Lk 10,38-42
In der Geschichte ist Martha aktiv, sie nimmt Jesus auf – offensichtlich ist es ihr Haus – und sie müht sich im Dienst (diakonia) für Jesus. Im Kontext ist wohl an Vorbereiten und Auftragen von Essen zu denken, aber der theologisch wichtige Begriff weckt weitergehende Assoziationen: Dienen ist eine wichtige Charakterisierung von Jüngerschaft und kann auch Leitungsämter bezeichnen. Trotz dieser positiven Rolle von Martha lehnt Jesus ihr Ansinnen, auch Maria zu solchem Dienst aufzufordern, rundweg ab. Marias Entscheidung für das Zuhören wird unterstützt und positiver gewertet. Maria ist als Schülerin Jesu dargestellt, das Sitzen zu seinen Füßen ist eine übliche Beschreibung für das Lernen bei einem Rabbi (vgl. Apg 22,3
Die Erzählstruktur legt es nahe, die Schwestern gegeneinander auszuspielen. Martha und Maria sind nicht positiv aufeinander bezogen, sie sprechen nicht einmal miteinander, und ihr gewähltes Verhalten scheint die jeweils andere Möglichkeit auszuschließen. Hinzu kommt noch, dass beide Rollen deutlich begrenzt sind: einerseits aktive Hausarbeit im Hintergrund, andererseits stilles Zuhören. Eine aktive Beteiligung am theologischen Gespräch kommt nicht vor!
1.2. Joh 11,1-44 und Joh 12,1-8
Die Fallstricke der lukanischen Geschichte werden im Vergleich mit den johanneischen Geschichten besonders deutlich, denn dort gibt es ein positives Miteinander der Schwestern und für beide eine stärkere Rolle als wichtige Jüngerinnen Jesu (vgl. Brown, 140f.; Conway, 86-92). Joh 11f
In Joh 11
Maria spielt in Joh 11
2. Historische Auswertungen
Die Grundfrage ist zunächst, ob das Johannesevangelium einen unabhängigen Zugang zu alter Tradition bietet, oder ob es die lukanische Geschichte mit eigener Tendenz verarbeitet. Ich halte letzteres für wahrscheinlich, deshalb soll eine historische Auswertung zunächst nur bei Lk 10
Die Geschichte aus Lk 10
Denkbar ist aber auch, dass in der Figur der Martha die Erinnerung an eine frühe Christin und Patronin einer Gemeinde in ihrem Haus erhalten ist und die Geschichte in die Jesuszeit zurückprojiziert wurde. Für einen nachösterlichen Kontext der Perikope spricht die Bezeichnung Jesu mit dem Titel „Herr“ (kyrios) in Lk 10,41
Wenn das Johannesevangelium unabhängig vom Lukasevangelium ist, dann bezeugt es eine Tradition mit einer stärkeren Rolle der beiden Frauen, die nicht nur unterstützend, sondern theologisch aktiv tätig sind. Allerdings scheint das Johannesevangelium in Joh 11,2
Wenn das Johannesevangelium also das Lukasevangelium voraussetzt, dann zeigt es Interesse an der Stärkung von Frauenrollen. Marthas Diskussion und Vertrautheit mit Jesus bekommt eine theologische Dimension und erweist sie als einsichtige Jüngerin. Maria wird von der stillen Zuhörerin zu einer prophetisch handelnden Aktiven. Beide haben so unterschiedliche, aber jeweils bedeutende Rollen. Außerdem agieren sie nicht gegeneinander, sondern unterstützen sich. Zusammen mit Lazarus bilden sie eine Gruppe von Geschwistern, die – wie andere Jüngerinnen und Jünger auch – dem Ideal einer gleichberechtigten Gemeinschaft im Johannesevangelium entsprechen.
3. Weitere frühchristliche Zeugnisse
Maria ist wegen der Namensgleichheit in der westlichen Kirche mit Maria Magdalena identifiziert worden und hinter dieser bunteren Gestalt verschwunden. Martha wird in einigen gnostischen Schriften als Jüngerin und Dialogpartnerin Jesu geschätzt (vgl. Petersen, 254-258.301f.). In der Epistula Apostolorum, einem apokryphen Evangelium aus dem 2. Jahrhundert, gehört Martha zu den Frauen, die am Ostermorgen das Grab besuchen und denen Jesus erscheint. Der Name Maria ist ohnehin mit dieser Tradition verbunden, neben Maria Magdalena begegnet meist noch eine weitere Maria (ursprünglich vermutlich eine weitere Frau aus dem Gefolge Jesu). Der Kirchenvater Hippolyt sieht ausdrücklich die beiden Schwestern Maria und Martha als Osterzeuginnen: In seinem Kommentar zum Hohelied verbindet er Mt 28,9f
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Collins, R.F., 1992, Art. Martha, ABD 4, 573f.
- Collins, R.F., 1992, Art. Mary, 3. Mary of Bethany, ABD 4, 581f.
- Kitzberger, I.R., 4. Aufl. 2002, Art. Maria und Martha, RGG 5, 802f.
- Trautmann, M., 1995, Art. Maria, die Schwester der Marta, NBL II, 717
- Trautmann, M., 1995, Art. Marta, NBL II, 724f.
- Volkmann, E., 2. Aufl. 2006, Art. Marta, Calwer Bibellexikon 2, 879
2. Monographien und Aufsätze
- Bieberstein, S., 1998, Verschwiegene Jüngerinnen – vergessene Zeuginnen. Gebrochene Konzepte im Lukasevangelium (NTOA 38), Freiburg (Schweiz)
- Bonwetsch, G.N., 1902, Hippolyts Kommentar zum Hohenlied (TU II 23,2), Leipzig
- Brown, R.E., 1978, Die Rolle der Frau im vierten Evangelium, in: E. Molmann-Wendel, Frauenbefreiung. Biblische und theologische Argumente, München u.a., 133–147
- Conway, C.M., 2003, Gender Matters in John, in: A.-J. Levine, A Feminist Companion to John. Volume II, Sheffield, 79–103
- Hentschel, A., 2007, Diakonia im Neuen Testament: Studien zur Semantik unter besonderer Berücksichtigung der Rolle von Frauen (WUNT 2/226), Tübingen
- Kitzberger, I.R., 1995, Mary of Bethany and Mary of Magdala – Two Female Characters in the Johannine Passion Narrative (NTS 41), 1995, 564-584
- Kitzberger, I.R., 2003, Transcending Gender Boundaries in John, in: A.-J. Levine, A Feminist Companion to John. Volume I, Sheffield, 173–207
- Moltmann-Wendel, E., 5. Aufl. 1985, Ein eigener Mensch werden. Frauen um Jesus, Gütersloh
- Petersen, S., 1999, „Zerstört die Werke der Weiblichkeit!“ Maria Magdalena, Salome und andere Jüngerinnen Jesu in christlich-gnostischen Schriften (NHMS 48), Leiden u.a.
- Schaberg, J., 1998, Luke, in: C.A. Newsome / S.H. Ringe, Women’s Bible Commentary. Expanded Edition, Louisville 1998, 363-380
- Schüssler Fiorenza, E., 1992, Arachne – Weaving the Word. The Practice of Interpretation: Luke 10:38-42, in: Dies., But She Said. Feminist Practices of Biblical Interpretation, Boston, 51-76
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