Messias / Christus
(erstellt: Januar 2011)
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(Messias / Messiah / Christ / Χριστóς / χρíω)
Die Bezeichnung Messias („Der Gesalbte“, → Messias
1. Die Weiterentwicklung der Messias-Hoffnung im Frühjudentum
In einer aktualisierenden Lektüre des AT konnten auch die Stellen, die ursprünglich den gegenwärtigen → König
In den bei → Qumran
Eine ähnliche Doppelspitze wie in Qumran sehen die apokryphen → Testamente der zwölf Patriarchen
Der Aufstand gegen Rom 66-70 n.Chr. war nach → Josephus
Bei aller Aufwertung von Gott her bleibt der messianische Herrscher ein Mensch, den Gott unter Menschen geboren werden lässt (vgl. 1QSa 2,11f nach wahrscheinlicher Lesart). Wenn er aber den endgültigen Sieg Gottes über die Weltreiche herbeiführen soll, bedarf er einer übermenschlichen Qualifikation. Deshalb schaute man in Apokalyptikerkreisen nach einer himmlischen Gestalt aus. In der Vision Daniel 7 ist es der mit den Wolken des Himmels zu Gott gelangende, von ihm mit ewiger Herrschaft über alle Völker belehnte → „Menschensohn“
2. Hat sich Jesus als Messias verstanden?
Fraglich ist, wieweit der nachösterliche Christusglaube ins irdische Leben Jesu zurückgetragen wurde, aber auch, woran er sich beim → historischen Jesus
Die Akklamation als „Sohn Davids“ (Mk 10,47f
3. Jesus als Messias im frühen Bekenntnis der Urgemeinde
Wir können nach dem Vorigen annehmen, dass der missverständliche Kreuzestitel nicht Ausgangspunkt des nachösterlichen Christusbekenntnisses war, sondern dass es dafür positive Ansätze im Verhalten Jesu gab. Sein Tod am Kreuz schien ihn aber als Messias zu desavouieren. Neuen Antrieb erhielt der Glaube an Jesus als Messias durch seine → Auferweckung
4. Jesus als Χριστóς in den Schriften des Neuen Testaments
In den Paulusbriefen ist dieser Prozess schon weit fortgeschritten, wie die Rede von „(unserem) Herrn Jesus Christus“ bezeugt. Auch bei gelegentlicher Umstellung ist nicht „der Messias Jesus“ zu übersetzen. Nur in bestimmten Zusammenhängen, wo der heilsgeschichtliche Vorzug Israels und die Treue Gottes zu seinen Verheißungen zur Sprache kommt, wird die titulare Bedeutung des Wortes und seine Verwurzelung in der davidischen Messianologie spürbar (vgl. Röm 1,2-4
Die synoptischen Evangelien sind von dem apologetischen Interesse geleitet, Jesus schon in seinem irdischen Wirken einschließlich der Passion als schriftgemäßen Messias darzustellen. Bei Mk steht der Doppelname „Jesus Christus“ schon in der Überschrift 1,1; er wird aber durch „Sohn Gottes“ ergänzt (Textvarianten zu 1,1; Mk 14,61
Mt und Lk betonen über Mk hinaus in ihren ersten Kapiteln den davidischen Ursprung Jesu, „der Christus genannt wird“ (Mt 1,1-16
Auch das vierte Evangelium setzt sich mit der traditionellen Anschauung vom Messias auseinander, seiner verborgenen Herkunft (Joh 7,27
Der dort so wichtige priesterliche Messias aus dem Haus Aaron spielt im NT nirgends eine Rolle. Für den Hebr, der Christus als Hohepriester zeichnet, ist die „Ordnung des Melchisedek“ maßgebend (Hebr 5,6
5. Zusammenfassung
Mögen auch die Messiaserwartungen des zeitgenössischen Judentums vielgestaltig gewesen sein, das NT knüpft meist an die königlich-davidische Hoffnung an. Um sie in Jesus erfüllt zu sehen, muss sie allerdings an sein faktisches Leben und Geschick angepasst werden. Manchmal, so wohl bei der Geburt in Bethlehem, ist freilich auch der umgekehrte Vorgang zu beobachten. Zugleich zeigt sich ein gewisses Ungenügen der hergebrachten Vorstellung, um die erfahrene Bedeutung Jesu gerade für nicht-jüdische Menschen auszusagen. Das jüdische Messias-Ideal wird deshalb aufgebrochen durch die Rede vom zum Gericht kommenden „Menschensohn“ bzw. vom präexistenten oder durch den Geist gezeugten „Sohn Gottes“ und andere transzendentere Konzepte, die teilweise auch schon im Judentum – wenn auch nicht unter dem Stichwort „Messias“ – angedacht worden waren.
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