Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: September 2011)

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1. Name

Wenn → Paulus von „Priska“ spricht (1Kor 16,19; Röm 16,3), gebraucht er die griechische Form (Πρίσκα – Priska die „Ehrwürdige“) des lateinischen Namens, die → Apostelgeschichte verwendet das Diminutivum Πρίσκιλλα (Priskilla) (Apg 18,2.18.26; zu den Namensformen vgl. bes. Kurek-Chomycz).

2. Vorkommen in der Bibel

Es sind im → Neuen Testament keine längeren Passagen oder ausführliche Erzählungen zu finden, die von der Bedeutung Priskas und ihres Mannes → Aquila Zeugnis geben: Apg 18,1-3.18-19.26; 1Kor 16,19; Röm 16,3-5 sowie 2Tim 4,19; außerbiblische Quellen lassen sich nicht ausmachen.

2.1 Voranstellung der Frau

Priska wird im Neuen Testament stets neben Aquila genannt; nach Apg 18,2 handelt es sich um ein Ehepaar (vgl. Müller 2008). Der Name der → Frau steht im Neuen Testament in der Regel voran (Apg 18,18.26; Röm 16,3; 2Tim 4,19; anders in Apg 18,2; 1Kor 16,19). Zu dieser Vorordnung sind vielfältige Vermutungen angestellt worden; schon für Heinrich Schlier ließ sich aus der Vorordnung „auf die größere Bedeutung dieser Frau in der Gemeinde schließen“ (Schlier, 443). Auf jeden Fall kann ihr eine besondere Rolle in der urchristlichen → Mission zugeschrieben werden; ihre Bedeutung für das Leben der jungen christlichen Gemeinden bzw. für die paulinische Mission dürfte die ihres Mannes überragt haben.

2.2 Beruf

Priska und Aquila sind dem → Apostel Paulus nicht nur durch ihre Glaubensgeschichte eng verbunden, da sie wie er als Juden zum Glauben an → Jesus Christus gekommen sind. Sie üben auch denselben oder zumindest einen vergleichbaren Beruf wie Paulus aus; vgl. Apg 18,3: „… denn sie waren Zeltmacher von Beruf“. Diese Angabe der Apostelgeschichte lässt sich mit den Selbstaussagen des Apostels zu seinem handwerklichen Broterwerb (vgl. 1Kor 4,11-13; 1Thess 2,9) gut vermitteln. Priska und Aquila, wie auch Paulus selbst, sind Handwerker; sie üben damit einen Beruf aus, der in der Antike, wie wir aus unterschiedlichen Quellen wissen, eher der Geringschätzung, zuweilen auch der Verachtung ausgesetzt war (vgl. z.B. Cicero, De officiis I, 42 [150f]). In → Korinth arbeiten Aquila und Priska als Zeltmacher bzw. Lederarbeiter, offensichtlich selbständig, im eigenen Betrieb. Untersucht man das entsprechende Inschriftenmaterial oder archäologische Zeugnisse wie Aushängeschilder o.ä., so lässt sich auch für die Antike feststellen: „Frauen sind in einer ganzen Reihe von produzierendem Gewerbe bezeugt, allein oder zusammen mit ihren Ehemännern“ (Gardner, 241; vgl. auch Günther, 109-125; Eichenauer, 44-46; Lindner). Bei σκηνοποιοί (skēnopoioi; Zeltmacher) handelt es sich um Handwerker, die sich vor allem mit der Herstellung von Sonnensegeln beschäftigen (vgl. z.B. Plinius, Naturgeschichte 19,23f). Solche Segel wurden nicht nur für Warenstände auf dem Markt, sondern auch für das Theater, öffentliche Veranstaltungen oder den privaten Bereich benötigt. Das Handwerk, das Paulus mit Aquila und Priska ausübte, war nach seiner persönlichen Wahrnehmung (vgl. 1Kor 4,11-13; 1Thess 2,9) ein ausgesprochen harter Job, „nachts und tags“ betrieben. Diesen Beruf üben sie im Miteinander aus; das gilt zunächst für das „Handwerkerehepaar, das gemeinsam seine Ware herstellt“ (Richter Reimer, 214), dann aber auch für Paulus, den das Paar in seinen Betrieb integriert. Ihre Zusammenarbeit – ihre „Teamfähigkeit“ – zeigt sich in der Folge auch im Bereich der → Verkündigung, des Aufbaus und der Integrationskraft neu gegründeter christlicher Gemeinden. Ihr Haus wird zur „Kernzelle der paulinischen Stadtmission“ (Klauck, 78) in Korinth, später auch in → Ephesus. Das Haus (vgl. Gehring u.a.) erweist sich damit nicht nur als Arbeitsstätte; die Werkstatt wird über das Produzieren von Segeln hinaus zu einem wichtigen Ort der Kommunikation und zum Versammlungsort einer Hausgemeinde.

2.3 Missionarisches Engagement

Ob Priska, deren Abstammung (im Unterschied zu Aquila, der nach Apg 18,2 ursprünglich aus der Provinz Pontus stammte) bisher im Dunkeln bleibt, bereits an ihrem früheren Wohnort → Rom zum christlichen Glauben gekommen war, ist aus der Apostelgeschichte nicht mit letzter Sicherheit zu entnehmen. Ihr in Korinth einsetzendes missionarisches Engagement (mit und neben Paulus) spricht eher dafür. Dann wären die beiden zu den ersten uns namentlich bekannten stadtrömischen Christen zu rechnen. Als Juden bzw. → Judenchristen wurden sie durch ein Edikt des Kaisers Claudius im Jahre 49 n. Chr. aus Rom vertrieben (Sueton, Claudius 25,4: „Iudaeos impulsore Chresto assidue tumultuantis Roma expulit“; vgl. dazu bes. Alvarez Cineira, 201-208). Im Spätherbst 49, spätestens aber im Jahr 50, lernt Paulus die beiden kurz nach ihrer Ankunft (Apg 18,2) in Korinth kennen. Priska und Aquila sind in Korinth auf jeden Fall Christen – und das offenbar zunächst unabhängig von Paulus. Ihr Haus wird zu einem wichtigen Versammlungsort der Gemeinde; es kann als „Stammzelle“ einer Hausgemeinde angesehen werden. Nach einem Zeitraum von etwa 1,5 Jahren reist Paulus (nach Apg 18,18 mit Aquila und Priska) per Schiff nach Ephesus, wo das Ehepaar wiederum entscheidende Vorarbeiten für die paulinische Mission leistet. Für den in Ephesus predigenden → Apollos werden – so Apg 18,24ff – Priszilla und Aquila zu einer Lernschule des Glaubens. Um die beiden bildet sich auch in Ephesus eine Hausgemeinde (1Kor 16,19: „… Es grüßt euch im Herrn vielmals Aquila und Priska mit der Gemeinde in ihrem Haus).“

2.4 Wertschätzung durch Paulus

Die Rückkehr der aus Rom vertriebenen Juden und Judenchristen wurde nach dem Tod des Claudius im Jahr 54 möglich. Priskas und Aquilas Rückkehr dürfte im Interesse der paulinischen Mission erfolgt sein. Vor allem kann sie dazu gedient haben, die Wirksamkeit des Paulus in Rom vorzubereiten (vgl. zu den Plänen des Apostels Röm 1,13; Röm 15,23f). Paulus nennt sie im Schlusskapitel des → Römerbriefs seine συνεργοί (synergoi) (vgl. auch 1Kor 3,9; 1Kor 16,16; 2Kor 1,24; 2Kor 6,1; Röm 8,28; Röm 16,21); so lautet der Gruß in Röm 16,3: „Grüßt Priska und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus“. Sie bilden für Phoebe, die den Römerbrief überbringt, die erste Adresse, die Paulus nicht ohne Grund auch als erste grüßen lässt, knüpft er doch wiederholt bei ihrer Gastfreundschaft und Verkündigung an. Die ganz persönliche Wertschätzung des Völkerapostels kommt in Röm 16,3-5 deutlich zum Ausdruck. Sie haben, wie Paulus zu verstehen gibt, ihr Leben aufs Spiel gesetzt; sie haben für sein Leben „den Hals dargeboten“ (V. 4), ein Ausdruck für die Übernahme einer Lebensgefahr (Deissmann, 84). Das Team hat sich gerade in der Gefahr bewährt (vgl. die Kennzeichnung von Andronikus und Junia in Röm 16,7). Aber nicht nur Paulus selbst bringt seine persönliche Dankbarkeit zum Ausdruck; „alle“ heidenchristlichen Gemeinden sind nach Röm 16,4 Priska und Aquila, einem jüdischen (bzw. judenchristlichen) Ehepaar, bleibend dankbar. In der frühen Zeit der Kirche blieb für die Bedeutsamkeit solcher Paare nur mancherorts ein waches Gespür (vgl. die Erwähnung von Priska und Aquila in 2Tim 4,19). Johannes Chrysostomus drückt in seinem Röm-Kommentar (PG 60,661ff) vor allem Bewunderung aus: „Sieh, auch Aquila und Priscilla waren verheiratet und leuchteten doch gewaltig hervor, obzwar ihr Beruf nicht gerade ein glänzender war; sie waren nämlich Zeltmacher. Aber ihre Tugend verdeckte alles und machte sie glänzender als die Sonne.“

Literaturverzeichnis

Schlier, H., 1979, Der Römerbrief (HThK), Freiburg i.Br. u.a.

1. Kommentare

  • Schlier, H., 1979, Der Römerbrief (HThK), Freiburg i.Br. u.a.

2. Monographien und Aufsätze

  • Alvarez Cineira, D., 1999, Die Religionspolitik des Kaisers Claudius und die paulinische Mission (HBS 19), Freiburg i.Br. u.a.
  • Deissmann, A., 1909, Licht vom Osten, Tübingen
  • Eichenauer, M., 1988, Untersuchungen zur Arbeitswelt der Frau in der römischen Antike (EHS Reihe III Geschichte und Hilfswissenschaften 360), Frankfurt a.M. u.a.
  • Gardner, J. F.,1995, Frauen im antiken Rom. Familie, Alltag, Recht (übers. von Kai Brodersen), München
  • Gehring, R. W., 2000, Hausgemeinde und Mission (Bibelwissenschaftliche Monographien 9) Gießen
  • Günther, R.,1987, Frauenarbeit – Frauenbindung. Untersuchungen zu unfreien und freigelassenen Frauen in den stadtrömischen Inschriften, München
  • von Harnack, A., 1900, Über die beiden Recensionen der Geschichte der Prisca und des Aquila in Act. Apost. 18,1-27, SPAW, 2-13
  • Klauck, H.-J., 1992, Gemeinde zwischen Haus und Stadt, Freiburg i.Br. u.a
  • Kurek-Chomycz, D. A., 2006, Is There an „Anti-Priscan“ Tendency in the Manuscripts?, JBL 125, 107-128
  • Lindner, R., 2002, Frau und Beruf in der frühen römischen Kaiserzeit, BiKi 57, 153-157
  • Müller, Ch. G., 2003, Priska und Aquila, MThZ 54, 195-210
  • Müller, Ch. G., 2008, Frühchristliche Ehepaare und paulinische Mission (SBS 215), Stuttgart
  • Myrphy-O’Connor, J., 1992, Prisca and Aquila, BiRe 8, 40-51.62
  • Ollrog, W.-H., 1979, Paulus und seine Mitarbeiter (WMANT 50), Neukirchen-Vluyn
  • Richter Reimer, I., 1992, Frauen in der Apostelgeschichte des Lukas. Eine feministisch-theologische Exegese, Gütersloh

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