Andere Schreibweise: Roma; Rome
(erstellt: Juli 2017)
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1. Name
In den biblischen Texten findet sich der Name der Stadt nur selten. Die erste Erwähnung betrifft die Gesandtschaftsreise im Auftrag des Iudas Makkabäus (1Makk 8,17
2. Historischer Abriss
2.1. Gründungsmythos
Auch wenn der Mythos um Romulus und Remus sowie um andere Gründerheroen wie den Arkadier Euander in der → Antike
2.2. Königszeit
Die mythische Überlieferung von sieben Königen (von Romulus bis Tarquinius Superbus) lässt sich zwar erst in dem fragmentarisch erhaltenen Geschichtswerk des Fabius Pictor, also gegen Ende des 3. Jh.s v. Chr., greifen (Martin, 2-4; Beck / Walter, 68-107), dennoch spricht einiges dafür, dass im frühen Rom monarchische Strukturen, etwa unter dem Kommando von Warlords, vorauszusetzen sind (Momigliano 2011 [1984], 173-187; Raaflaub, 135-137; Walter). Etwa während des 6. Jh.s v. Chr. stand die Stadt wie auch das übrige Latium vorübergehend unter etruskischem Einfluss (Camporeale, 83-85).
Politische Entscheidungsprozesse wurden zwar von den „Königen“ dominiert, aber von anderen Autoritäten, insbesondere einem Ältestenrat und einer Versammlung der Landeigentümer, die zugleich als Soldaten dienten, maßgeblich beeinflusst (Bleicken, 14-15). Hier deuten sich die politischen Strukturen der römischen Republik an, deren Beginn durch die mythifizierende Geschichtsschreibung mit der spektakulären Vertreibung des Königs Tarquinius Superbus markiert und in das Jahr 509 v. Chr. datiert wird (Cornell, 215-223).
2.3. Republik
Nach langwährenden Aushandlungsprozessen und Konflikten zwischen den Patriziern, also den sich auf gentilizische Traditionen stützenden Eliten, und den Plebeiern, der minderprivilegierten Masse, kristallisierte sich in Rom ein politisches System heraus, das die politische Entscheidungsgewalt auf drei Zentren konzentriert (Dreyer, 13-27; Huttner 22013, 38-60): den Senat, die Magistrate und die Volksversammlungen. Der Senat (von lat. senex – „der alte Mann“) setzte sich aus 300 hochrangigen Politikern zusammen, die die Magistratslaufbahn absolvierten und eine generelle Richtlinienkompetenz in der römischen res publica beanspruchten. Die Magistrate, an deren Spitze jeweils zwei Konsuln standen und die mit unterschiedlichen militärischen und politischen Amtsgewalten betraut waren, wurden Jahr für Jahr von den Volksversammlungen neu gewählt. Die einzelnen Ämter ordneten sich in eine relativ starre Hierarchie ein, die von den Kandidaten nach und nach durchlaufen wurde (cursus honorum – „Ämterlaufbahn“). In den Volksversammlungen, die nicht nur die Magistrate wählten, sondern auch Gesetze verabschiedeten und über etwaige Kriegszüge entschieden, kamen nur Männer zusammen, die über das römische Bürgerrecht verfügten. Die Zählung und Gewichtung der Stimmen erfolgten nach ausgefeilten Verfahren, die Vermögenden einen überproportionalen Einfluss gewährleisteten. Schon die logistischen Erfordernisse einer Volksversammlung signalisieren, dass diese Ordnung auf den überschaubaren politischen Raum einer Stadt zugeschnitten war und daher, als sich das römische Bürgergebiet immer weiter über Italien ausdehnte, Konflikte provozieren würde (Meier, 201-205).
Gerade mit der zunehmenden Expansion des römischen Territoriums seit dem 6. und 5. Jh. v. Chr. entwickelte sich Rom mehr und mehr zu einer von militärischen Interventionen unbehelligten Stadt. Die religiösen Vorstellungen sahen die Stadt sogar von einer heiligen Grenze (pomerium) umzogen, die nicht einmal römische Soldaten überschreiten dürften (M. Andreussi, LTUR IV [1999], 96-105; Giardina, 27-31). Zu Beginn des 4. Jh.s (vgl. o.) wurde die Stadt allerdings von gallischen Plünderern aus dem Norden erobert, eine Niederlage, die noch Jahrhunderte später im Gedächtnis der Stadtbevölkerung einen wichtigen Platz einnahm (Kremer, 62-68). Die Stadtmauern, die in republikanischer Zeit die Stadt auf einer Länge von 11 km umspannten und vielleicht auf das 6. Jh. v. Chr. zurückgehen (nach dem vorletzten König Servius Tullius als Servianische Mauern bezeichnet), reichten gegen Ende der römischen Republik nicht mehr aus, um die Stadtbevölkerung aufzunehmen. In der Kaiserzeit verloren sie ihren fortifikatorischen Zweck. Einige Mauerzüge der republikanischen Befestigung lassen sich heute noch nachweisen. Ihre Bausubstanz stammt im Wesentlichen aus dem 4. Jh. v. Chr. (Coarelli, 20-24; Mayer, 111-113).
2.4. Späte Republik und Prinzipat
Aus einer Reihe von Gründen geriet die politische Ordnung Roms während des 2. und vor allem im 1. Jh. v. Chr. in schwere Turbulenzen (Huttner 22013, 104-237): In Italien suchten reiche Landeigentümer aus dem Senat ihre Besitzansprüche gegen verarmte Bevölkerungsschichten zu verteidigen. Italiker, die durch Verträge an Rom gebunden waren, sahen sich durch die selbstbewusste Politik der Stadt bevormundet und strebten nach dem römischen Bürgerrecht. Überdies wussten einzelne römische Kommandeure (z.B. Sulla, Pompeius, Caesar) die ihnen unterstellten Soldaten zu instrumentalisieren, um eine politische Machtbasis in Rom zu errichten. Langwährende Bürgerkriege forderten einen hohen Blutzoll. Die zunehmende Eskalierung der Konflikte mündete in der Diktatur → Caesars
Während der Endphase der Republik und im Übergang zur → Kaiserzeit
3. Urbanität und Stadtbild in der Kaiserzeit
3.1. Demographie und Sozialstruktur
Rom war die größte Stadt des gesamten Mittelmeerraumes. Es spricht viel dafür, dass sie in augusteischer Zeit etwa 1.000.000 Einwohner hatte (Morley; vgl. Tantillo, 85-93). Die Zusammensetzung der Bevölkerung erwies sich sozial und kulturell als höchst heterogen. Wohlhabende Bürger verfügten zuweilen über mehrere Hundert → Sklaven
3.2. Verwaltung und Versorgung
Gerade Augustus und sein Nachfolger → Tiberius
Für die kontinuierliche Versorgung Roms mit Getreide, v.a. aus Ägypten, Africa und Sizilien, zeichneten die curatores annonae bzw. in nachaugusteischer Zeit der praefectus annonae verantwortlich (Eck, 96-98). Da Zehntausende von Stadtrömern Anspruch auf kostengünstige oder sogar kostenlose Versorgung mit Getreide (frumentatio) erheben konnten (Garnsey, 231-243; Tantillo, 99-104; Erdkamp), lassen sich hier Ansätze einer kalkulierten Sozialfürsorge fassen, obwohl gerade auch privilegierte Kreise (z.B. die Prätorianer, vgl. u.) ein Anrecht auf diese Zuwendung hatten. Die frumentatio verhalf dem Prinzeps wiederholt zu der Gelegenheit, sich der römischen Stadtbevölkerung als großzügiger Wohltäter zu präsentieren. Die liberalitas („Freigebigkeit“) entwickelte sich zu einer kaiserlichen Standardqualität, die sich nicht nur auf die Verteilung von Getreide, sondern auch auf unregelmäßige Geldschenkungen bezog und auf Münzen seit dem 2. Jh. n. Chr. explizit gewürdigt wurde (Kloft, 73-177; Alföldi, 125-131). Inwiefern dieses staatliche Versorgungssystem in Konkurrenz zu Mechanismen der in der christlichen Gemeinde wurzelnden caritas stand, ist im Detail kaum zu beantworten (vgl. Bolkestein, 349-379; Veyne, 40-64).
3.3. Sicherheit
Auch wenn Rom traditionell den Status einer entmilitarisierten Zone beanspruchte, wurden seit augusteischer Zeit im und nahe dem Stadtbereich etliche tausend Soldaten stationiert, die zum einen die Sicherheit des Kaiserhauses und zum anderen eine geregelte Ordnung in der Stadtbevölkerung gewährleisteten (Le Bohec, 20-24; Junkelmann, 147-149). Als Elitetruppe sind die anfangs neun Prätorianerkohorten einzustufen, deren Kommandeure (die praefecti praetorio) zu den absoluten Eliten des Ritterstandes zählten. Ihr Lager (die castra praetoria) lag außerhalb der Servianischen Stadtmauer im Nordosten des Zentrums. Die Prätorianer zählten zu den einflussreichsten militärischen Einheiten im gesamten Reich, da sie ihr Gewaltmonopol auf das Regierungszentrum und auf die Person des Kaisers konzentrierten. Ergänzend zu den Prätorianern übernahmen noch weitere Einheiten die Verantwortung für den Schutz des Kaisers, insbesondere die Reitergarde der equites singulares Augusti, die im Bereich des Lateran stationiert war, ehe Konstantin ihr Lager nach seinem Sieg an der Milvischen Brücke schleifen ließ (Speidel 1994). Konkret für Polizeiaufgaben standen die drei städtischen Kohorten (cohortes urbanae) zur Verfügung, die zunächst dem Stadt-, später dem Prätorianerpräfekten unterstellt waren. Eher paramilitärischen Charakter hatten die sieben Wachkohorten (cohortes vigilum), die nachts für Sicherheit sorgten und vor allem bei der Bekämpfung von Bränden in Aktion traten.
3.4. Monumentalisierung und Lebensqualität
Dass Rom als urbaner Raum mit der Regierung des Augustus eine neue Qualität gewann, signalisiert das in der Augustusvita des → Sueton
3.4.1. Tempel und Platzanlagen
Das religiöse Zentrum der Stadt befand sich während der Kaiserzeit nach wie vor auf dem Kapitol, wo der Tempel des Iupiter Optimus Maximus (→ Jupiter
Unmittelbar nördlich des Forum Romanum entstanden nach und nach großzügige Platzanlagen (Zanker 2014, 68-76; Meneghini), die von Portiken flankiert und zum Teil von Tempeln dominiert waren: Da die Baumaßnahmen auf kaiserliche Initiative zurückgingen, spricht man von den Kaiserforen, besonders prächtig das Augustusforum mit dem Marstempel und das Traiansforum, wo dem Kaiser mit der Traianssäule ein kurioses Grabmal errichtet wurde (Knell 2010, 27-62). Jenseits der Kaiserforen zog sich das Marsfeld in Richtung Norden, das ebenfalls von öffentlichen Gebäuden und Tempeln durchsetzt war, unter ihnen das Pantheon, das schon in augusteischer Zeit als rechteckiger Hallenbau errichtet, dann aber unter → Traian
3.4.2. Thermen
Zu den besonders anspruchsvollen öffentlichen Gebäudekomplexen, die sich über das Marsfeld, das Zentrum und den Süden der Stadt verteilten, zählten die Thermenanlagen, deren Betrieb zwar enorme Kosten verursachte, in der Stadtbevölkerung aber derart auf Resonanz stieß, dass eine ganze Reihe von Kaisern die Initiative zu Baumaßnahmen ergriffen: Relativ bescheiden machte sich noch die Badeanlage Agrippas aus der frühen Prinzipatszeit des Augustus aus, während die Thermen Neros, Traians, Caracallas und Diokletians, um nur die wichtigsten zu nennen, immer gigantischere Dimensionen annahmen (Brödner; Künzl, 52-69; Zanker 2014, 87-90).
3.4.3. Showgeschäft
Theaterbauten existierten in Rom schon in republikanischer Zeit, auch wenn das früheste permanente Bühnengebäude erst gegen Mitte des 1. Jh.s v. Chr. durch → Pompeius
3.5. Wohngebiete
Das typische Wohnhaus (die domus) einer gut situierten Familie gruppierte sich um einen Innenhof. Auch wenn solche Atriumhäuser in Rom schwer oder nur in Spuren nachzuweisen sind, prägten sie ohne Zweifel einige Straßenzüge des urbanen Zentrums (Guidobaldi, 136-140). Im Laufe der Kaiserzeit konzentrierte sich indes der Großteil der stadtrömischen Bevölkerung auf zwei- oder dreistöckige, manchmal auch noch höhere Häuser, die sich jeweils auf mehrere Wohneinheiten aufteilten (Storey, 155-162). Die archäologischen Relikte solcher Mietshäuser in Rom sind allerdings ebenfalls dürftig. Der Satiriker Iuvenal bietet einen eindrucksvollen, wenn auch überzeichneten Einblick in die kargen und wegen der Feuers- und Einsturzgefahr riskanten Wohnverhältnisse im oberen Stockwerk unter dem Dach (3,197-211). Mehrstöckige Wohnhäuser, die zuweilen instabil und unsachgemäß konstruiert waren, reihten sich im Straßengeviert aneinander und bildeten Häuserblocks, die man als insulae bezeichnete. Sie prägten neben slumartigen Bezirken vor allem die Viertel der Subura nordwestlich des Zentrums, die der Epigrammdichter Martial (Ende 1. Jh. n. Chr.) als „lärmerfüllt“ (clamosa) bezeichnete (12,18,2), und jenseits des Tibers (Trans Tiberim = Trastevere). Es ist damit zu rechnen, dass sich dort auch die minderprivilegierten Teile der Stadtbevölkerung konzentrierten (Maischberger, LTUR V [1999], 77-83; Dumser, 145-146).
4. Jüdische und christliche Gemeinden
Sowohl der hohe Anteil an Migranten als auch die strukturelle Offenheit der römischen Gesellschaft gegenüber kulturellen Einflüssen bereiteten in Rom einer ganzen Reihe von Kulten den Boden, die ihre Wurzeln im östlichen Mittelmeerraum und jenseits davon hatten (Turcan). Ein frühes Beispiel dieser innovativen Tendenz ist die Etablierung des Kultes der kleinasiatischen Muttergottheit (Kybele) während der Endphase des Zweiten Punischen Krieges (205 / 204 v. Chr.; Livius 29,10,4-11,8 u. 14,5-9), deren kastrierte Priester in Rom für einige Irritationen sorgten (Valerius Maximus 7,7,6; vgl. Catull 63).
4.1. Juden
Das früheste authentische Zeugnis für jüdische Präsenz in Rom bietet Cicero, der im Jahr 59 v. Chr. den Prätorier L. Valerius Flaccus als Prozessredner verteidigte. Während er die Vorwürfe zu entkräften sucht, Flaccus habe als Statthalter der Provinz Asia Gelder aus dem Bestand der jüdischen Tempelsteuer veruntreut, erwähnt er die Resolutheit und Schlagkraft jüdischer Gruppierungen in der stadtrömischen Öffentlichkeit, die ihn dazu anhielten, seine Stimme zu senken (Cicero, Pro Flacco 66; vgl. Schäfer, 260-264). Wie groß der jüdische Anteil an der Bevölkerung Roms war, ist umstritten: Schätzungen reichen von 20.000 bis 60.000 (Noy 2000, 257; Gruen, 15). Besonders viele Juden konzentrierten sich in den Vierteln jenseits des Tiber, wie man einer Bemerkung Philons entnehmen kann (Legatio ad Gaium 155; vgl. Lampe, 26). Spätantike Auszüge aus Valerius Maximus (1,3,3) machen deutlich, dass der praetor peregrinus Cn. Cornelius Scipio Hispanus im Jahr 139 v. Chr. Juden aus Rom auswies (Noethlichs, 13; Gruen, 16-19). Man assoziierte also schon in der Zeit vor Cicero ein erhebliches Unruhepotential mit der religiösen Gruppierung.
Über die Organisationsformen jüdischer Gemeinden erteilen insbesondere Inschriften Aufschluss, die im Wesentlichen in die spätere Kaiserzeit (ab dem 3. Jh.) und in den Grabkontext von Katakombenanlagen gehören (van der Horst, 85-96; Rajak; Noy 1995; Angerstorfer, 325-363). Eine der großen jüdischen Katakombenanlagen (Monteverde) lag an der Ausfallstraße zum Hafen von Portus und somit dem Stadtbezirk von Trastevere benachbart. Dort kamen etwa 200 Epitaphien zutage (Noy 1995, nr. 1-202). Insgesamt dokumentieren die jüdischen Inschrifttexte etwa ein Dutzend Synagogen, die jeweils eigene Namen tragen und als selbständige Organisationseinheiten zu verstehen sind (Lampe, 366-367; Noy 2000, 264-266). Zwei von ihnen lassen auf eine Gründung in der frühen Kaiserzeit schließen, die Synagoge der Agrippesier und die Synagoge der Augustesier, die ihre Namen vermutlich von M. Vipsanius Agrippa (gest. 12 v. Chr.) und Kaiser Augustus herleiten. Der überwiegende Anteil der jüdischen Grabinschriften ist in griechischer Sprache abgefasst; hebräische Texte spielen abgesehen von vereinzelten Formeln keine Rolle.
Der auf bestimmte Katakomben konzentrierte epigraphische Befund lässt in den Juden zwar eine ziemlich deutlich abgegrenzte Gruppierung erkennen, die Konfliktträchtigkeit dieser Konstellation erschließt sich allerdings nur aus den literarischen Zeugnissen. Schon vor dem großen jüdischen Aufstand der 60er und 70er Jahre eskalierten die Spannungen in Rom punktuell so sehr, dass die Regierung rigoros gegen die Juden vorging (vgl. auch o.). Unter Tiberius im Jahre 19 wurden die Juden aus Italien vertrieben, Claudius verhängte zunächst ein Versammlungsverbot gegen sie, ehe er sie wenige Jahre später, 49, erneut aus der Stadt wies (Botermann, 29-140; Gruen, 29-41). Die Vertreibung des Jahres 49 fand ihren Niederschlag im Bericht der Apostelgeschichte, wonach Paulus in Korinth auf ein aus Kleinasien stammendes jüdisches Ehepaar, Aquila und Priscilla, getroffen sei, die Rom auf Befehl des Claudius verlassen hätten (Apg 18,2
4.2. Christen
Der älteste eindeutige Beleg für die Präsenz einer christlichen Gemeinde in Rom ist der Römerbrief, den Paulus im Jahr 56 von Korinth aus „allen Geliebten Gottes“ der Stadt sandte (Röm 1,7
Weiteren Aufschluss über das stadtrömische Milieu, in dem sich christliche Gemeinschaften entwickelten, gibt der Philipperbrief, der vermutlich um das Jahr 60 in Rom entstand (Schnelle, 159-163; anders Bormann 22012, 265-266). Paulus richtet darin seinen Adressaten Grüße „von allen Heiligen, insbesondere denen aus dem Kaiserhaus“ (πάντες οἱ ἅγιοι, μάλιστα δὲ οἱ ἐκ τῆς Καίσαρος οἰκίας / pantes hoi hagioi, malista de hoi ek tēs Kaisaros oikas) aus (Phil 4,22
Ähnlich wie die Juden zählten die Christen in Rom zu den Randgruppen, die in politischen und sozialen Problemlagen Repressalien zu gewärtigen hatten. Diese prekäre Situation zeigte sich, als Kaiser Nero im Jahr 64 Sündenböcke suchte, denen er angesichts einer aufgebrachten Öffentlichkeit die Schuld an einem verheerenden Stadtbrand zuschieben konnte. Laut Tacitus sei damals eine „gewaltige Menge“ (multitudo ingens) von Christen verhaftet und im Rahmen einer grausamen Inszenierung hingerichtet worden (Tacitus, Annales 12,44,2-5; vgl. Champlin, 121-126; de Ste. Croix, 107-109). Dass auch Paulus und Petrus dem von Tacitus geschilderten Pogrom zum Opfer fielen, lässt sich nicht nachweisen (Barnes, 23-35), auch wenn sich die Tradition im Laufe der Kaiserzeit soweit verfestigte, dass die frühe Kirchengeschichtsschreibung jene Martyrien in Rom lokalisierte und durch Nero veranlasst sah (Eusebius, Kirchengeschichte 2,25,5; vgl. Tertullian, Scorpiace 15,3; Lactanz, De mortibus persecutorum 2,5-6; dazu u.). Problematisch ist auch die Quellenlage für das Martyrium des Ignatius von Antiocheia in Rom, der in seinem in Smyrna verfassten Brief, den er an die Gemeinde der Kaiserresidenz vorausschickte, seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, am Zielort von den wilden Tieren gefressen zu werden (Ignatius, Römer 4-5; vgl. Brent, 14-19). Zu den Christen, die während des 2. Jh.s in Rom hingerichtet wurden, sind diejenigen Bischöfe der Stadt zu zählen, die Irenäus aufzählt (Adversus haereses 3,3,3), aber auch der philosophisch ambitionierte Iustinus samt seinen Gefährten, die nach einem Verhör vor dem Stadtpräfekten Q. Iunius Rusticus zum Tode verurteilt wurden, wie aus den Acta Iustini hervorgeht (ed. Hilhorst / Ronchey; Frend, 253-255; vgl. o.). Dass im Falle des Apollonius, der ebenfalls zu den Bildungseliten zählte, der Prätorianerpräfekt Perennis den Prozeß leitete, um die Enthauptung in die Wege zu leiten, erscheint eher unwahrscheinlich (Eusebius, Kirchengeschichte 5,21,2-5; vgl. Frend, 315-317; Lampe, 270-277; Barnes, 46). Abgesehen von den genannten Fällen ist mit Gerichtsverhandlungen gegen römische Bürger zu rechnen, die von den Statthaltern unter dem Verdacht eines christlichen Bekenntnisses nach Rom verwiesen wurden (Plinius, Epistulae 10,96,4; Eusebius, Kirchengeschichte 5,1,44).
Der Institutionalisierungsprozess der stadtrömischen Gemeinde lässt sich in seinen Anfängen nicht mehr rekonstruieren (Harnack, 836-866). In der Traditio apostolica des Hippolytos spiegelt sich immerhin eine hierarchisch geordneten Funktionsstruktur wider (Saxer, 838-841), die um die Mitte des 3. Jh.s dem Bischof 46 Presbyter, sieben Diakone und sieben Subdiakone unterstellte (Eusebius, Kirchengeschichte 6,43,11). Irenäus geht von einer kontinuierlichen Linie von Episkopen aus, die bei den Aposteln Petrus und Paulus ansetzt und sich über Linus, Anacletus, Clemens und Euaristus fortsetzt (Irenäus, Adversus haereses 3,3,1-3; vgl. Saxer, 828-829; Panzram, 79-80; zur direkten Abfolge Petrus – Clemens Tertullian, De praescriptione haereticorum 32,2). Für Clemens, der gegen Ende des 1. Jhs. seine Autorität nutzte, um in einem Brief die Gemeinde von Korinth zur Ordnung zu rufen, wird man allerdings den ἐπίσκοπος-Titel (Episkopos) zur Kennzeichnung einer klaren Spitzenstellung noch nicht in Anspruch nehmen können (1. Clemensbrief 44; Wagner, 217-241). Zu den relativ wenigen vorkonstantinischen Inschriften aus christlichem Kontext, die sich in Rom erhalten haben, zählen einige vorwiegend griechische Epitaphien für Bischöfe des 3. Jh.s, die durch den Titel des ἐπίσκ(οπος) gekennzeichnet sind (Kaufmann, 234-237; Guarducci, 547-549; Carletti, 147-148).
Die Formierung der Gemeindestruktur während des 2. Jh.s könnte mit den theologischen Konflikten eine Stabilisierung erfahren haben. Valentinus, der eine eigenwillige Schöpfungslehre vertrat, machte sich selbst Hoffnungen auf den Episkopat (Tertullian, Adversus Valentinianos 4,1; skeptisch Markschies, 308-309). Überdies berichtet Tertullian, dass die als Häretiker gebrandmarkten Marcion und Valentinus aus der christlichen Gemeinde Roms ausgeschlossen wurden (Tertullian, De praescriptione haereticorum 30,2; skeptisch Lüdemann, 112-123), was eine funktionierende Hierarchie der Autoritäten voraussetzt. Marcion, Valentinus und andere Abweichler, in der Regel Zuwanderer aus dem östlichen Mittelmeerraum, scheinen in Rom eine nicht zu unterschätzende Anhängerschaft hinter sich versammelt zu haben (Lampe, 203-270; Markschies, 293-336; Räisänen, 103-104; Kollmann, 84-99). Zu den ältesten christlichen Inschriften der Stadt, die sich möglicherweise noch dem 2. Jh. zuordnen lassen, zählen griechischsprachige Texte aus einem „häretischen“, vielleicht valentinischen, Kontext (Guarducci, 529-533 nr. 1; Carletti, 130-131 nr. 2 u. 134-135 nr. 6; Snyder).
5. Babylon: die Diskreditierung Roms in jüdisch-christlicher Tradition
In zwei Schriften des Neuen Testaments wird Rom verklausuliert als Babylon bezeichnet und damit als Hort allen Übels diskreditiert: Während am Ende des 1. Petrusbriefes lapidar den Adressaten Grüße der „Gemeinde in Babylon“ (ἡ ἐν Βαβυλῶνι συνεκλεκτὴ / hē en Babylōni syneklektē) vermittelt werden (1Petr 5,13
Die Identifizierung Roms mit Babylon leitet sich aus einer jungen jüdischen Tradition her, die auf der Basis einer grundsätzlichen Kritik an der römischen Hegemonie an der Zerstörung des Tempels in Jerusalem im Jahre 70 anknüpft und von der ersten Zerstörung Jerusalems durch den babylonischen König Nebukadnezar einen metaphorischen Bogen zur zweiten durch die Römer schlug (Fuchs, 21-22 u. 62-75; Kirschner, 29-30): In syrBar 67,7 und in einigen der Sibyllinischen Orakel (Sib 3,97-104; Sib 4,94-95; Sib 5,137-161; vgl. Mazza, 342-349) werden die römische Herrschaft oder konkret der römische Kaiser mit Babylon assoziiert. Noch deutlichere Analogien zur Johannesapokalypse ergeben sich im 4. Buch Esra, wo zum einen Babylon als Ort des sündigen Überflusses seinen Platz hat (4Esr 3,1-2; 4Esr 28) und zum anderen ein visionärer Adler mit drei Köpfen inszeniert wird (4Esr 11,1-4), der vermutlich als das flavische Kaiserhaus (Vespasian, Titus, Domitian) zu deuten ist (Harnisch, 253; Pagels, 79-86).
6. Die Stadt der Apostel
Die Diffamierung Roms als exotischer Sündenpfuhl wurde konterkariert durch eine gegenläufige Nobilitierung, in die auch der Führungsanspruch der römischen Bischöfe einmündete, wie er seit dem 3. / 4. Jh. immer deutlicher formuliert wurde (Girardet, 458-461; Panzram, 84-99), ehe Gelasius zum Abschluss einer stadtrömischen Synode im Jahr 495 vom akklamierenden Chor der Bischöfe und Presbyter als vicarius Christi gefeiert wurde (Thiel 1867, 447, ep. 30,15). Dabei lässt sich die mit einer reichsweit wirkenden Autorität angereicherte Rolle auch schon für das 2. Jh. belegen, wie neben dem 1. Clemensbrief noch weitere Nachrichten über die Einflussnahme römischer Bischöfe auf die Belange christlicher Gemeinden im griechischen Osten (Eusebius, Kirchengeschichte 4,23,9-10; 5,24,9) zeigen. Dass ausgerechnet in einer der frühesten christlichen Inschriften (gegen Ende des 2. Jh.s), dem Epitaph für Aberkios von Hieropolis in Phrygien, Rom als wichtige Reisestation des Bischofs gewürdigt wird (Guarducci, 377-386 nr. 1), signalisiert den Stellenwert der Kaiserstadt in der Perspektive der Christen in Kleinasien.
Die bei Irenäus zu greifende Bischofsliste (s.o.), deren Anfänge in der christlichen Überlieferung nach und nach ausgeschmückt wurden (Humphries, 285-286), gerann immer mehr zum Argument, um den stadtrömischen Bischofssitz mit einer apostolischen Tradition auszustatten, die sowohl im Liber Pontificalis als auch in der Titulierung als sedes apostolica, die sich im Laufe des 4. Jh.s herauskristallisierte (Pietri, 1505-1510; Maccarrone, 275-302), Ausdruck findet. Petrus und Paulus begründeten den hegemonialen Anspruch der stadtrömischen Kirche, wobei Aufenthalt und Martyrium der beiden Apostel in Rom vorausgesetzt wurden (vgl. o.).
Dass Paulus als Untersuchungsgefangener mindestens zwei Jahre in Rom weilte, belegt die Apostelgeschichte (Apg 28,30
Während des 2. Jh.s zeichnet sich unter den Christen immer deutlicher die Auffassung ab, dass Paulus und Petrus gemeinsam in Rom gewirkt und das Martyrium erlitten hätten. Nach Andeutungen im 1. Clemensbrief (5,2-7) und im Römerbrief des Ignatios von Antiocheia (4,3) liefert Dionysios von Korinth um 170 den ersten eindeutigen Beleg (Eusebius, Kirchengeschichte 2,25,8; Zwierlein, 32-33 u. 134-140). Gegen Ende des 2. Jh.s entstanden mit den Acta Pauli und den Acta Petri zusammenhängende Erzählungen, die im Martyrium gipfeln: Beide werden unter Nero in Rom hingerichtet. Paulus wird der Kopf abgeschlagen, worauf Milch aus seinem Hals spritzte. Petrus setzte sich zuvor noch erfolgreich mit dem Zauberer Simon auseinander, ehe er kopfüber gekreuzigt wurde (Lipsius, AAA I; vgl. Zwierlein, 337-449 zu den Martyrien; deutsche Übers. mit Kommentar Schneemelcher, 193-289; weiterführend Klauck 2005, 61-124). In beiden Martyriumsberichten wird das jeweilige Apostelgrab explizit erwähnt (Martyrium Petri 11,2; Martyrium Pauli 7,1). Abgesehen von diesen hagiographischen Nachrichten finden sich die ersten konkreten Hinweise auf Gedenkstätten für die beiden Apostel in dem nur in wenigen Fragmenten überlieferten antimontanistischen Traktat des Gaius, der um 200 in Rom als Presbyter fungierte (Tabbernee 1997, 211-213; Tabbernee 2007, 68-79): Sowohl am Weg zum Vatikan als auch Richtung Ostia fänden sich Siegesmale (τρόπαια) der Apostel (Eusebius, Kirchengeschichte 2,25,7; vgl. o.). Es handelt sich um diejenigen Örtlichkeiten, wo unter Konstantin und Theodosius im 4. Jh. die Basiliken für den Heiligen Petrus (San Pietro in Vaticano) und den Heiligen Paulus (San Paolo fuori le mura) entstanden. Die archäologischen Zeugnisse für ein Märtyrergedenken reichen im Falle von St. Peter möglicherweise bis ins 2. oder 3. Jh. zurück, während sich in St. Paul allein ein konstantinischer Vorgängerbau nachweisen lässt (zu St. Peter Pietri, 51-69; Guarducci, 552-556; Carletti, 74-76; Zwierlein, 4-7; Bauer, 155-156; Zander, 51-364; zu St. Paul Pietri, 33-37; Brandenburg 2005/2006; Filippi; Bucarelli, 219-221). Abgesehen vom Martyrium von Petrus und Paulus untermauerte man die Führungsstellung Roms im Laufe des 2. Jh.s auch mit dem Prozess gegen Johannes: Der Apostel sei in der Stadt gefoltert und dann in die Verbannung geschickt worden (Tertullian, De praescriptione haereticorum 36,3; vgl. Klauck 2005, 58-59 zu den Johannesakten).
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Paulys Realencyclopädie, Stuttgart 1893-1978
- Der Kleine Pauly, Stuttgart 1964-1975 (Taschenbuchausgabe, München 1979)
- Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
- Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003
- LTUR: Steinby, E.M. (Hg.), 1993 – 2000, Lexicon topographicum Urbis Romae, 6 Bde., Roma
- LTUR Suburbium: La Regina, A. (Hg.), 2001 – 2008, Lexicon topographicum Urbis Romae – Suburbium, 5 Bde., Roma
2. Weitere Literatur
- Aigner-Foresti, L., 2003, Die Etrusker und das frühe Rom, Darmstadt
- R.-Alföldi, M., 1999, Bild und Bildersprache der römischen Kaiser, Mainz
- Alföldy, G., 42011, Römische Sozialgeschichte, Stuttgart
- Angerstorfer, A., 2012, Antike jüdische Grabinschriften aus christlicher Zeit (ca. 100 – 500 n. Chr.). Spuren von Hoffnung auf eine Auferstehung der Toten und die „kommende Welt“, in: J. Dresken-Weiland / A. Angerstorfer / A. Merkt (Hgg.), Himmel, Paradies, Schalom. Tod und Jenseits in antiken christlichen und jüdischen Grabinschriften, Regensburg, 277-386
- Bachmann, M., 2012, Wo bleibt das Positive? Zu Offb 6,1 f. und 17,5 in Rezeptionsgeschichte und Exegese, in: M. Labahn / M. Karrer (Hgg.), Die Johannesoffenbarung. Ihr Text und ihre Auslegung, Leipzig, 197-221
- Barnes, T.D., 2010, Early Christian hagiography and Roman history, Tübingen.
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