Sklaverei (NT)
(erstellt: Mai 2010)
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1. Sprache
Hauptbegriffe im NT für Sklave / Sklavin sind δου̃λος, δούλη und οι̉κέτης. Das Abhängigkeitsverhältnis der Sklaverei unterscheidet sich von anderen Abhängigkeitsverhältnissen im NT (z.B. Tagelöhnerarbeit, Klienteldienste von Freigelassenen) dadurch, dass Sklavinnen und Sklaven kein Recht auf die eigene Person haben. Konkret bedeutet das: Sie können von ihren Herren willkürlich und straffrei sexuell misshandelt, körperlich gezüchtigt, gefoltert und sogar getötet werden. Für ihre Dienste werden sie nicht entlohnt, sondern mit Unterkunft und Essen versorgt. Die Nachkommenschaft einer Sklavin bzw. eines Sklaven gilt ebenfalls als unfrei. Im Unterschied zur Sklaverei z.B. in den Südstaaten der USA konnten Sklavinnen und Sklaven in neutestamentlicher Zeit freigelassen werden (oft nach Erreichen des 30. Lebensjahres). Aber erst die in Freiheit geborenen Kinder von Freigelassenen erhielten die vollen Rechte der Freigeborenen. In antiken philosophischen Zirkeln galten Sklavinnen und Sklaven als „sprechende Werkzeuge“ (instrumentum vocale).
2. Sozialgeschichte
2.1. Sklaverei in der griechisch-römischen Antike
In neutestamentlicher Zeit konnten Menschen auf unterschiedlichen Wegen in die Sklaverei geraten: Sie wurden von Sklavinnen geboren, gerieten in Kriegsgefangenschaft, wurden von ihrer Familie zur Begleichung von Schulden in die Schuldsklaverei verkauft oder verkauften sich selbst aus unterschiedlichen Gründen in die Sklaverei. Der Anteil der Sklavinnen und Sklaven im Verhältnis zu den Freien in der griechisch-römischen Gesellschaft um die Zeitenwende lässt sich nur schwer schätzen: „Hohe Zahlenangaben des 19. Jh. werden heute vorsichtig auf ein Verhältnis von Sklaven und Freien für Griechenland und Italien nicht höher als 1:3 korrigiert.“ (Kähler, 373)
Die Bewertung der Sklaverei in der Antike fällt in der Forschung unterschiedlich aus: „Bis vor kurzem stellte deutsche, britische und amerikanische altphilologische Gelehrsamkeit die Sklaverei in antiken griechischen Städten und im Römischen Imperium als eine relativ milde Angelegenheit für die Versklavten dar; sie habe Möglichkeiten für den sozialen Aufstieg geboten und glänzende Aussichten auf eine Freilassung mit dreißig Jahren. Erst nach der scharfen Kritik durch den Altphilologen M. I. Finley und die monumentale, vergleichende Geschichtsstudie von Orlando Patterson in den frühen 1980er Jahren untersuchten klassische Historiker die Komplexitäten und Widersprüche eines der repressivsten, entmenschlichendsten, gewalttätigsten und ausbeuterischsten Gefüge der Geschichte auf kritischere Weise.“ (Martin, 2007, 251-252)
Der römische Autor Juvenal (60-128 n. Chr.) gibt einen satirisch überspitzten Einblick in die häuslichen Machtverhältnisse Roms:
„Einige Frauen stellen einen Folterknecht mit jährlichem Lohn ein. Er peitscht, während sie ihr Make-up auflegt, mit ihren Freundinnen spricht und den Goldfaden eines bestickten Kleides untersucht. Er peitscht, während sie die Zahlenkolonnen im Rechnungsbuch durchgeht. Er peitscht und ist erschöpft vom Peitschen – bis sie brüllt: ‚Geh weg!’ Arme Psecas, deren eigenes Haar von ihrer Herrin ausgerissen und deren Kleidung ihr von der Herrin von den Schultern und Brüsten gerissen wurde – sie kämmt und frisiert das Haar ihrer Herrin. ‚Warum sitzt diese Locke so hoch?’, schreit die Herrin, und sofort straft Psecas ein Peitschenhieb für dieses Verbrechen des Lockenstabes und diese Sünde der Haartracht.
(Juvenal, Satire 6, 474-511; zit. nach Martin, 2007, 270)
Sklaven wurden mit sehr unterschiedlichen – auch hochqualifizierten – Aufgaben betraut. Diese Vielfalt spiegelt sich auch in neutestamentlichen Texten. Die Tätigkeiten reichten von einfachen Aufgaben wie dem Türhüten (vgl. Mk 13,34
2.2. Umgang mit Sklavinnen und Sklaven in urchristlichen Gemeinschaften
Wie auch immer man das Ausmaß der Sklaverei im Römischen Reich um die Zeitenwende einschätzt, fest steht: Zu den urchristlichen Gemeinden gehörten auch Sklavinnen und Sklaven. Sie hatten die volle Teilhabe am gemeinsamen Glauben. In einer von Paulus zitierten traditionellen Taufformel wird die Einheit von Freien und Sklaven in Christus proklamiert (Gal 3,28
1. In Apg 12,13-17
2. 1Tim 6,2
„Sklaven und Sklavinnen behandle nicht von oben herab. Auch sie sollen nicht hochmütig sein, sondern zur Ehre Gottes noch mehr Sklavendienst leisten, damit sie eine bessere Freiheit von Gott erlangen. Sie sollen nicht darauf brennen, auf Gemeindekosten frei zu werden, damit sie nicht als Sklaven der Begierde erfunden werden.“ (Übers. H. Paulsen)
Diese Ermahnung lässt darauf schließen, dass es zu Freikäufen von christlichen Sklavinnen und Sklaven durch freie Glaubensgeschwister gekommen ist. Ignatius lehnt diese Praxis entschieden ab.
4. Die Haustafeln im Kolosser- und Epheserbrief (Kol 3,22
Diese Anweisungen aus der zweiten oder dritten urchristlichen Generation spiegeln die Interessen der Freien und legitimieren sie mit dem Glauben an Jesus Christus. „Das Ideal der Aufhebung aller Unterschiede zwischen Sklaven und Freien, Juden und Griechen sowie Mann und Frau, das sich in der von Paulus zitierten → |pTaufformel|&x] 54008 findet, scheint einfach ignoriert worden zu sein.“ (Martin, 2007, 268). Einheit im Glauben brachte also letztlich keine egalitären urchristlichen Sozialgemeinschaften hervor (vgl. aber das Idealbild in Apg 4,32-37
Für die Frage, wie sich Paulus selbst zur Frage des Umgangs mit Sklavinnen und Sklaven in urchristlichen Gemeinschaften stellte, sind insbesondere der Philemonbrief und 1Kor 7,21
Philemon ist Christ (Phlm 5
1Kor 7,21
3. Metaphorischer Gebrauch
3.1. Außerhalb der Sklavengleichnisse
Die urchristliche Ambivalenz gegenüber der Sklaverei zeigt sich auch im metaphorischen Gebrauch. Im Gefolge gemeinantiker Gepflogenheiten wird die Unfreiheit der Sklavinnen und Sklaven in einer Reihe von Texten negativ konnotiert (Joh 8,33-35
3.2. In den Sklavengleichnissen
Die Sklavengleichnisse des Neuen Testaments (v.a. Mt 18,23-35
Literaturverzeichnis
- Finley, M.I, 1985, Die Sklaverei in der Antike. Geschichte und Probleme, Frankfurt a.M.
- Glancy, J.A., 2002, Slavery in Early Christianity, Oxford
- Gülzow, H., 1999, Christentum und Sklaverei in den ersten drei Jahrhunderten, Hamburg
- Kähler, C., 2000, Art. Sklaverei II. Neues Testament, Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York, 377-379
- Harrill, J.A., 1995, The Manumission of Slaves in Early Christianity, Tübingen
- Herrmann-Otto, E., 2005, Sklaven und Freigelassene, in: K. Scherberich (Hg.), Neues Testament und Antike Kultur, Bd. 2: Familie – Gesellschaft – Wirtschaft, Neukirchen-Vluyn, 95-99
- Lampe, P., 1985, Keine „Sklavenflucht“ des Onesimus, ZNW 76, 135-137
- Martin, C.J., 2007, Es liegt im Blick – Sklaven in den Gemeinschaften der Christus-Gläubigen, in: R.A. Horsley, Die ersten Christen. Sozialgeschichte des Christentums, Bd. I, Gütersloh, 251-270
- Martin, D.B., 1990, Slavery as Salvation: The Metaphor of Slavery in Pauline Christianity, New Haven Schottroff, L., 2005, Die Gleichnisse Jesu, Gütersloh
- Orlando, O., 1982, Slavery and Social Death. A Comparative Study, Cambridge
- Vollenweider, S., 1989, Freiheit als neue Schöpfung. Eine Untersuchung zur Eleutheria bei Paulus und in seiner Umwelt (FRLANT 147), Göttingen
- Weiser, A., 1971, Die Knechtsgleichnisse der synoptischen Evangelien (StANT 29), München
- Wolter M., 1993, Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon (ÖTK 12), Gütersloh
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