VI. Jesu Leidensgeschichte und die Auferstehungsberichte
1. Mordanschlag der Führer des Volks
1So kam denn das Fest der ungesäuerten Brote, das sogenannte Passah, heran; 2und die Hohenpriester und Schriftgelehrten suchten Mittel und Wege, wie sie ihn beseitigen (oder: umbringen) könnten; denn sie fürchteten sich vor dem Volke.
2. Verrat des Judas
3Da fuhr der Satan in Judas, der den Beinamen Iskariot führte und zur Zahl der Zwölf gehörte: 4er ging hin und verabredete mit den Hohenpriestern und den Hauptleuten der Tempelwache, wie er ihnen Jesus in die Hände liefern wollte (oder: könnte). 5Darüber freuten sie sich und kamen mit ihm überein, ihm Geld zu geben; 6er war einverstanden und suchte nun nach einer guten Gelegenheit, um ihnen Jesus hinter dem Rücken des Volkes in die Hände zu liefern.
3. Vorbereitung des Ostermahles
7Als dann der Tag der ungesäuerten Brote gekommen war, an dem man das Passahlamm schlachten mußte, 8sandte er Petrus und Johannes ab mit der Weisung: »Geht hin und richtet uns das Passahmahl zu, damit wir es essen können!« 9Auf ihre Frage: »Wo sollen wir es zurichten?« 10antwortete er ihnen: »Gebt acht: sobald ihr in die Stadt hineinkommt, wird euch ein Mann begegnen, der einen Krug mit Wasser trägt; folgt ihm in das Haus, in das er hineingeht, 11und sagt dem Eigentümer des Hauses: ›Der Meister läßt dich fragen: Wo ist der Speisesaal, in welchem ich das Passahlamm mit meinen Jüngern essen kann?‹ 12Dann wird er euch ein geräumiges, mit Tischpolstern ausgestattetes Obergemach zeigen: dort richtet das Mahl zu!« 13Sie gingen hin und fanden es so, wie er ihnen gesagt hatte, und richteten das Passahmahl zu.
4. Jesu letztes Mahl im Jüngerkreise; Einsetzung des heiligen Abendmahls
14Als dann die Stunde gekommen war, setzte er sich zu Tisch und die Apostel mit ihm. 15Da sagte er zu ihnen: »Herzlich habe ich mich danach gesehnt, dieses Passahmahl vor meinem Leiden noch mit euch zu essen; 16denn ich sage euch: ich werde es nicht mehr essen, bis es im Reiche Gottes seine Vollendung (oder: volle Erfüllung) findet.« 17Dann nahm er einen Becher, sprach das Dankgebet und sagte: »Nehmt diesen (Becher) und teilt ihn unter euch! 18Denn ich sage euch: Ich werde von nun an von dem Erzeugnis des Weinstocks nicht mehr trinken, bis das Reich Gottes kommt.« 19Dann nahm er Brot, sprach den Lobpreis (Gottes), brach das Brot und gab es ihnen mit den Worten: »Dies ist mein Leib [der für euch dahingegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis!« 20Ebenso tat er mit dem Becher nach dem Mahl und sagte: »Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird]. 21Doch wisset wohl: Die Hand meines Verräters ist mit mir zusammen (= neben mir) auf dem Tische. 22Denn der Menschensohn geht zwar dahin, wie es bestimmt ist; doch wehe dem Menschen, durch den er verraten wird!« 23Da fingen sie an, sich untereinander zu besprechen, wer von ihnen es wohl sein möchte, der dies tun würde.
5. Worte des Abschieds an die Jünger
a) Jesus tadelt den Ehrgeiz der Jünger, erkennt aber ihr treues Ausharren bei ihm lohnverheißend an
24Da entstand auch noch ein Streit unter ihnen darüber, wer von ihnen als der Größte zu gelten habe. 25Er aber sagte zu ihnen: »Die Könige der Völker herrschen gewaltsam über sie, und ihre Machthaber lassen sich ›Wohltäter‹ (= gnädige Herren) nennen. 26Bei euch aber darf es nicht so sein, sondern der Größte unter euch muß wie der Jüngste sein und wer obenan sitzt, wie der Aufwartende. 27Denn wer ist der Größere: der zu Tische sitzt oder der dabei bedient? Doch wohl der zu Tische Sitzende. Ich aber bin in eurer Mitte wie der Aufwartende. 28Ihr aber seid es, die in meinen Anfechtungen bei mir ausgeharrt haben. 29So vermache ich euch denn die Königswürde (oder: Königsherrschaft), wie mein Vater sie mir vermacht (= bestimmt) hat: 30ihr sollt (dereinst) in meinem Reiche an meinem Tische essen und trinken und sollt auf Thronen sitzen, um die zwölf Stämme Israels zu richten (= als Herrscher zu leiten).«
b) Warnung an den selbstbewußten Petrus und Weissagung seiner Verleugnung
31»Simon, Simon! Wisse wohl: der Satan hat sich (von Gott) ausgebeten, Gewalt über euch zu erhalten, um euch zu sichten (eig. zu sieben = im Siebe zu schütteln), wie man Weizen siebt; 32ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht ausgehe (oder: ganz aufhöre); und du, wenn du dich einst bekehrt hast, stärke deine Brüder!« 33Da antwortete ihm Petrus: »Herr, ich bin bereit, mit dir sowohl ins Gefängnis als auch in den Tod zu gehen!« 34Jesus aber entgegnete: »Ich sage dir, Petrus: Der Hahn wird heute nicht krähen, bis du dreimal geleugnet hast, mich zu kennen!«
c) Hinweis auf die von den Jüngern bisher in Sicherheit durchlebte Zeit und auf die ernste und schwere Zukunft
35Dann fuhr er fort: »Als ich euch ohne Geldbeutel, ohne Ranzen (oder: Reisetasche) und Schuhe aussandte, habt ihr da Mangel an irgend etwas gelitten?« Sie antworteten: »Nein, an nichts!« 36Er fuhr fort: »Jetzt aber – wer einen Beutel (mit Geld) hat, der nehme ihn mit sich, ebenso auch einen Ranzen, und wer nichts (derartiges) hat, verkaufe seinen Mantel und kaufe sich ein Schwert! 37Denn ich sage euch: Folgendes Schriftwort muß sich an mir erfüllen (Jes 53,12): ›Er ist unter die Gesetzlosen (= Verbrecher) gerechnet worden‹; denn in der Tat: das mir bestimmte Geschick kommt jetzt zum Abschluß.« 38Da sagten sie: »Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter!« Er antwortete ihnen: »Das genügt.«
6. Jesu Seelenkampf und Gebet am Ölberg
39Er ging dann (aus der Stadt) hinaus und begab sich nach seiner Gewohnheit an den Ölberg; es begleiteten ihn auch seine Jünger. 40Als er an Ort und Stelle angelangt war, sagte er zu ihnen: »Betet darum, daß ihr nicht in Versuchung geratet!« 41Darauf entfernte er sich etwa einen Steinwurf weit von ihnen, kniete nieder und betete 42mit den Worten: »Vater, wenn du willst, so laß diesen Kelch an mir vorübergehen! Doch nicht mein Wille, sondern der deine geschehe!« 43Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. 44Und als er in angstvollen Seelenkampf geraten war, betete er noch inbrünstiger; und sein Schweiß wurde wie Blutstropfen, die zur Erde niederfielen. 45Nach dem Gebet stand er auf, und als er zu seinen Jüngern kam, fand er sie vor Traurigkeit eingeschlafen 46und sagte zu ihnen: »Was schlaft ihr? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet!«
7. Gefangennahme Jesu
47Während er noch (zu ihnen) redete, erschien plötzlich eine Volksschar, und der mit dem Namen Judas, einer von den Zwölfen, ging an ihrer Spitze und trat auf Jesus zu, um ihn zu küssen. 48Jesus aber sagte zu ihm: »Judas, mit einem Kuß verrätst du den Menschensohn?« 49Als nun die Begleiter Jesu sahen, was da kommen würde, sagten sie: »Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen?«, 50und einer von ihnen schlug (wirklich) nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das rechte Ohr ab. 51Jesus aber antwortete: »Laßt ab! Bis hierher und nicht weiter!« Dann rührte er das Ohr an und heilte ihn. 52Zu den Hohenpriestern aber und den Hauptleuten der Tempelwache und den Ältesten, die gegen ihn hergekommen waren, sagte Jesus: »Wie gegen einen Räuber seid ihr mit Schwertern und Knütteln ausgezogen. 53Während ich täglich bei euch im Tempel war, habt ihr die Hände nicht gegen mich ausgestreckt. Aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis!«
8. Verleugnung und Reue des Petrus
54Als sie ihn dann festgenommen hatten, führten sie ihn ab und brachten ihn in das Haus des Hohenpriesters; Petrus aber folgte von weitem. 55Als sie dann mitten im Hof ein Feuer angezündet und sich zusammengesetzt hatten, nahm auch Petrus mitten unter ihnen Platz. 56Da sah ihn eine Magd am Feuer sitzen; sie blickte ihn scharf an und sagte: »Dieser ist auch bei ihm gewesen.« 57Petrus aber leugnete mit den Worten: »Weib, ich kenne ihn nicht!« 58Nach einer kleinen Weile bemerkte ihn ein anderer und sagte: »Du gehörst auch zu ihnen!« Petrus aber entgegnete: »Mensch, ich nicht!« 59Nach Verlauf von etwa einer Stunde versicherte ein anderer bestimmt: »Wahrhaftig, dieser ist auch mit ihm zusammen gewesen, er ist ja auch ein Galiläer!« 60Da entgegnete Petrus: »Mensch, ich verstehe nicht, was du sagst!«; und unmittelbar darauf, während er noch redete, krähte der Hahn. 61Da wandte der Herr sich um und blickte Petrus an; und Petrus dachte an das Wort des Herrn, wie er zu ihm gesagt hatte: »Ehe noch der Hahn heute kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.« 62Und er ging hinaus und weinte bitterlich.
9. Verspottung und Mißhandlung Jesu; Verhör vor dem Hohen Rat
63Die Männer aber, die Jesus zu bewachen hatten, trieben ihren Spott mit ihm und schlugen ihn; 64sie verhüllten ihm das Gesicht und richteten dann die Frage an ihn: »Weissage uns: Wer ist’s, der dich (eben) geschlagen hat?« 65Auch noch viele andere Schmähungen stießen sie gegen ihn aus.
66Als es dann Tag geworden war, versammelte sich der Rat der Ältesten des Volkes, Hohepriester und Schriftgelehrte; sie ließen ihn in ihre Versammlung führen 67und sagten: »Wenn du Christus (= der Messias) bist, so sage es uns!« Doch er erwiderte ihnen: »Wenn ich es euch sage, werdet ihr es mir doch nicht glauben, 68und wenn ich Fragen an euch richte, werdet ihr mir keine Antwort geben. 69Aber von nun an wird der Menschensohn zur Rechten der Macht Gottes sitzen!« (Dan 7,13; Ps 110,1) 70Da sagten sie alle: »So bist du also der Sohn Gottes?« Er antwortete ihnen: »Ja, ihr selbst sagt es: ich bin’s.« 71Da erklärten sie: »Wozu haben wir noch weitere Zeugenaussagen nötig? Wir haben es ja selbst aus seinem Munde gehört!«