8. Die große Strafrede Jesu gegen die Schriftgelehrten und Pharisäer
1Damals richtete Jesus an das Volk und an seine Jünger folgende Worte:
a) Eingang der Rede: Rüge des verwerflichen Verhaltens der geistlichen Führer des Volks in ihrer hohen Stellung
2»Auf den Lehrstuhl Moses haben sich die Schriftgelehrten und die Pharisäer gesetzt. 3Alles nun, was sie euch sagen (= zu tun gebieten), das tut und befolgt, aber nach ihren Werken (= ihrem Tun) richtet euch nicht; denn sie sagen es nur, tun es aber nicht. 4Sie binden schwere Lasten zusammen und legen sie den Menschen auf die Schultern, sie selbst aber wollen sie mit keinem Finger anrühren. 5Alle ihre Werke tun sie in der Absicht, von den Leuten gesehen zu werden; denn sie machen ihre Gebetsriemen breit und ihre Mantelquasten (4. Mose 15,38-39) lang; 6sie lieben den ersten Platz bei den Gastmählern und die Ehrensitze in den Synagogen; 7sie wollen auf den Märkten (oder: öffentlichen Plätzen) gegrüßt sein und lassen sich von den Leuten gern ›Rabbi‹ (d. h. Meister, Lehrer) nennen. 8Ihr aber sollt euch nicht ›Meister‹ nennen lassen; denn einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder. 9Und niemand auf Erden sollt ihr euren ›Vater‹ nennen; denn einer ist euer Vater, der im Himmel. 10Auch ›Lehrer (oder: Führer)‹ sollt ihr euch nicht nennen lassen; denn einer ist euer Lehrer (oder: Führer), nämlich Christus. 11Der Größte unter euch soll euer Diener sein. 12Wer sich aber selbst erhöht, wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.« (Lk 14,11; 18,14)
b) Die sieben Weherufe über die Schriftgelehrten und Pharisäer
13»Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler (= Scheinheiligen)! Denn ihr verschließt das Himmelreich vor den Menschen. Ihr selbst geht ja nicht hinein, laßt aber auch die nicht hinein, welche hineingehen wollen.
14[Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler! Denn ihr bringt die Häuser der Witwen gierig an euch und verrichtet zum Schein lange Gebete. Darum werdet ihr ein um so strengeres Gericht erfahren.]
15Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler! Denn ihr durchreist Land und Meer, um einen einzigen Glaubensgenossen zu gewinnen; und wenn er es geworden ist, macht ihr aus ihm ein Kind der Hölle, das doppelt so schlimm ist als ihr selbst.
16Wehe euch, ihr blinden Führer, die ihr sagt (= lehrt): ›Wenn einer beim Tempel schwört, so hat das nichts zu bedeuten; wer aber beim Gold des Tempels (oder: am Tempel) schwört, der ist gebunden.‹ 17Ihr Toren und Blinde! Was steht denn höher: das Gold (= der Goldschmuck) oder der Tempel, der das Gold erst heilig gemacht hat? 18Ferner (sagt ihr): ›Wenn einer beim Altar schwört, so hat das nichts zu bedeuten; wer aber bei der Opfergabe schwört, die auf dem Altar liegt, der ist gebunden.‹ 19Ihr Blinden! Was steht denn höher, die Opfergabe oder der Altar, der die Gabe erst heilig macht? 20Wer also beim Altar schwört, der schwört bei ihm und bei allem, was auf ihm liegt; 21und wer beim Tempel schwört, der schwört bei ihm und bei dem, der in ihm wohnt; 22und wer beim Himmel schwört, der schwört bei Gottes Thron und bei dem, der auf ihm sitzt.
23Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr entrichtet den Zehnten von Minze, von Anis und Kümmel, laßt aber das Schwierigere (oder: Wichtigere) im Gesetz außer acht, nämlich das Gericht (oder: die Rechtspflege), die Barmherzigkeit und die Treue (oder: den Glauben). Diese sollte man üben und jenes nicht außer acht lassen. 24Ihr blinden Führer, die ihr die Mücke seihet (d. h. durch Seihen der Getränke entfernt), aber das Kamel hinuntertrinkt!
25Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler! Denn ihr haltet die Außenseite des Bechers und der Schüssel rein, inwendig aber sind sie gefüllt mit Raub und Unmäßigkeit (d. h. mit dem, was ihr durch Raub an euch gebracht habt und mit Unmäßigkeit genießt). 26Du blinder Pharisäer! Mache zuerst das rein, was den Inhalt des Bechers bildet, dann wird auch seine Außenseite rein werden (können).
27Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler! Denn ihr gleicht frischgetünchten Gräbern, die von außen schön aussehen, im Innern aber voll von Totengebeinen und lauter Verwesung sind. 28Ebenso zeigt auch ihr euch den Menschen von außen gerecht, inwendig aber seid ihr voll von Heuchelei und Gesetzlosigkeit (oder: Gesetzesbruch).
29Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler! Denn ihr baut die Grabstätten der Propheten aus und schmückt die Grabdenkmäler der Gerechten 30und sagt: ›Hätten wir zur Zeit unserer Väter gelebt, wir hätten uns nicht mit ihnen am Blut der Propheten schuldig gemacht!‹ 31Damit stellt ihr euch selbst das Zeugnis aus, daß ihr die Söhne (= Nachkommen) der Prophetenmörder seid. 32So macht denn ihr das Maß (der Schuld) eurer Väter voll! 33Ihr Schlangen, ihr Otternbrut! Wie wollt ihr dem Strafgericht der Hölle entrinnen?!«
c) Schluß der Strafrede
aa) Drohung gegen das seinem Heil widerstrebende, blutbefleckte Volk
34»Deshalb seht: ich sende zu euch Propheten und Weise und Schriftgelehrte (oder: Lehrer); von diesen werdet ihr die einen töten und kreuzigen, die anderen in euren Synagogen geißeln und von Stadt zu Stadt verfolgen, 35damit über euch alles gerechte (= unschuldige) Blut komme, das auf der Erde vergossen worden ist, vom Blut des gerechten Abel an (1. Mose 4,8) bis zum Blut Sacharjas (= Zacharias), des Sohnes Berechjas, den ihr zwischen dem Tempelhause und dem Brandopferaltar ermordet habt (vgl. 2. Chr 24,19-22). 36Wahrlich ich sage euch: (Die Strafe für) dies alles wird über dieses Geschlecht kommen!«
bb) Jesu Abkehr von der Stadt Jerusalem und Ankündigung seiner Wiederkehr
37»Jerusalem, Jerusalem, das du die Propheten tötest und die zu dir Gesandten steinigst! Wie oft habe ich deine Kinder um mich sammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel sammelt; doch ihr habt nicht gewollt. 38Nunmehr wird euer Haus euch verödet überlassen (Jer 22,5); 39denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt an nicht (mehr) sehen, bis ihr (einst bei meiner Wiederkunft) ausruft: ›Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!‹« (Ps 118,26)