Gute Nachricht Bibel Entstehung
Zurück ins Jahr 1968
Damals entstand die Gute Nachricht Bibel. Sie war eine Revolution in der modernen Bibelübersetzung und der Beginn einer Erfolgsgeschichte über Grenzen von Ländern und Kirchen hinweg.
Die „Gute Nachricht Bibel“ war die erste Bibelübersetzung in modernem Deutsch, interkonfessionell übersetzt und auch ohne Kenntnis der klassischen Bibelsprache gut verständlich. Wir laden Sie ein, in die Zeit ihrer Entstehung einzutauchen.
1968 – Die Welt im Aufbruch
Vor mehr als 50 Jahren kommt etwas in Bewegung. Eine Generation steht auf für Frieden, Freiheit und mehr Menschlichkeit. Ob in New York, Paris, Berlin, Tokio oder Sao Paolo. Überall auf der Welt gehen im Frühjahr 1968 junge Menschen auf die Straße. Einige protestieren gegen Benachteiligung und Ausbeutung, andere lehnen sich gegen eine Gesellschaft auf, in der sie selbst mit ihren Wünschen und Träumen keinen Platz haben. Ihre Anliegen sind verschieden, aber es gibt ein Thema, das sie alle verbindet. Die schrecklichen Bilder des Vietnamkriegs und die Forderung nach Frieden.
„I have a dream!“ – Martin Luther King steht wie kaum ein anderer für diesen Aufbruch. Die Bürgerrechtsbewegung in den USA, an deren Spitze der Baptistenprediger steht, ist nur der Anfang. Sie wächst zur Bewegung einer ganzen Generation, die auf der Suche nach Freiheit und neuen Idealen ist und die bestehenden Verhältnisse in Frage stellt. Der 4. April 1968 wird zum einschneidenden Ereignis: Martin Luther King stirbt bei einem Attentat. Der Traum von Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit über die Grenzen von Herkunft und Hautfarbe hinweg bleibt aber lebendig und macht ihn zur Ikone der Bewegung.
Im Frühjahr 1968 erfassen die Studentenproteste auch die Universitätsstädte in der Bundesrepublik Deutschland. Studentinnen und Studenten demonstrieren gegen den Krieg, gegen die befreundete Schutzmacht USA, gegen Nazi-Altlasten, gegen Polizeigewalt und die Notstandsgesetze der Großen Koalition. Es formiert sich die außenparlamentarische Opposition. In der DDR blickt man vor allem auf die Reformen des „Prager Frühlings“ und sein jähes Ende durch russische Panzer. Die Situation ist angespannt – gerade auch für parteikritische, kirchliche Kreise. Die Sprengung der Leipziger Universitätskirche im Mai 1968 wird für die Christinnen und Christen zum symbolträchtigen Ereignis im „real existierenden Sozialismus“.
Kirchen zwischen Aufstand und Stillstand
In Westdeutschland erfasst die Kritik an Politik, Gesellschaft und Kultur bald auch die Kirchen. Zunächst vor allem die Theologen an den Universitäten: Neue Strömungen wie die Befreiungstheologie reagieren auf eine Welt, die man in eine „Erste“ und eine „Dritte“ einteilen wollte. Die Schöpfung zu bewahren und das Reich Gottes in dieser einen Welt zu bauen – das geht nicht, ohne gesellschaftliche Ungerechtigkeit zu bekämpfen! Für viele junge Christen und Christinnen wird die Kirche zum Ort des Umdenkens, von dem Veränderungen für die Welt ausgehen sollen. Sie sehen in Jesus nicht nur den Heiland und Retter der Welt, sondern auch den Revolutionär, der die gesellschaftlichen Verhältnisse in Frage stellt. In den Vereinigten Staaten von Amerika und bald auch in Deutschland wächst die Zahl der „Jesus People“, einer charismatischen Erweckungsbewegung, deren Mitglieder ihr Leben ganz in die Nachfolge von Jesus stellen und es frei von den Konventionen der Kirche gestalten möchten.
Auch der Ruf nach gelebter Ökumene wird lauter. „Siehe, ich mache alles neu“ – unter diesem Motto treffen sich im Juli 1968 Vertreter von über 200 Kirchen zur ökumenischen Weltkirchenkonferenz in Uppsala, wo die drängenden Fragen der Zeit diskutiert werden. In den evangelischen Kirchen in Deutschland kommt davon nur wenig an. „Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren.“ Viele junge Pfarrer und eine wachsende Zahl an Pfarrerinnen beziehen diese 68er-Parole auch auf ihre eigene Berufsgruppe. Mit Kreativität und Mut, Neues auszuprobieren, sind sie es, die Raum für neue Themen und Formen des Glaubens schaffen. Neue Lieder finden Gehör, neue Formate ihr Publikum. So bringt die Theologin Dorothee Sölle mit dem „politischen Nachtgebet“ das Gebet aus der Kirche auf die Straße.
Meine Sprache ist anders
Auch in der Katholischen Kirche betreten immer häufiger Priester mit Jeans und Gitarre die Kirche. Doch unter der Oberfläche brodelt es. Zwar findet seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Heilige Messe in deutscher Sprache und nicht mehr auf Latein statt. Doch für viele Gläubige bleiben die drängenden Fragen der Zeit unbeantwortet. Auf dem Katholikentag in Essen treten die Konflikte offen zu Tage. Es geht um weltpolitische Themen ebenso wie um Glaubensfragen, um mehr Partizipation, mehr Gewissensfreiheit und Ämter für Frauen. Es geht aber auch um eine neue Sprache. So sagt ein Mann bei einer Kundgebung: „Man übergibt mir die Bibel. Ich verstehe sie nicht. Meine Sprache ist anders.“ Das Wort Gottes in einer modernen Sprache – der Aufbruch hat gerade erst begonnen.
Grenzen überwinden – eine moderne Bibel
Am Anfang steht die Vision: eine Bibel in modernem, zeitgemäßem Deutsch, die auch Menschen verstehen, die nicht mit der Kirchensprache vertraut sind. Für die Württembergische Bibelanstalt (Vorgängerin der Deutschen Bibelgesellschaft) ist es ein Experiment und Wagnis zugleich. Journalisten und Schriftsteller werden angefragt, um die Texte in die „Sprache von heute“ zu übersetzen. Theologen bleiben beratend im Hintergrund. Schließlich soll es eine Bibel sein, die sprachlich am Puls der Zeit ist – nicht aus der Kirche, sondern aus der Mitte der Gesellschaft.
Das Ergebnis erscheint 1968: die „Gute Nachricht für Sie. NT68“. Ein Taschenbuch mit Fließtext ohne Kapitel- und Versziffern, dafür mit ausdrucksstarken Zeichnungen von Horst Lemke, dem Illustrator der Erich Kästner-Bücher. Die abgebildeten Namenszüge großer Tageszeitungen auf dem Cover (siehe unten in der Bildergalerie) sagten unmissverständlich: Hier geht es nicht um eine kirchlich-betuliche „Frohe Botschaft“, sondern um eine „Gute Nachricht“ – klar, prägnant, aktuell!
Das NT68 wird zum Erfolg. Weit über 300 000 Exemplare werden in den ersten Jahren verkauft. Bereits für 1971 plant man eine neue Ausgabe mit überarbeitetem Text. Auch dabei wird Neuland betreten: Mit Beginn der Überarbeitung werden nun auch die katholischen Bibelwerke für das Projekt gewonnen: das Katholische Bibelwerk in Stuttgart ebenso wie die Bibelwerke in Österreich und der Schweiz, außerdem die Biblisch-pastorale Arbeitsstelle der Berliner Bischofskonferenz der DDR. Auch evangelische Freikirchen beteiligen sich. Es beginnt eine Arbeit über Länder- und Kirchengrenzen hinweg. 1982 erscheint schließlich die vollständige Ausgabe mit Altem und Neuem Testament: die „Gute Nachricht. Bibel in heutigem Deutsch.“ Sie ist die erste Bibel, die gemeinsam von katholischen und evangelischen Bibelwerken sowie von Freikirchen im deutschsprachigen Raum verantwortet wird.
Über die Jahre kommen viele zeitgemäße Bibelübersetzungen hinzu. Die Maßstäbe aber hat die Gute Nachricht Bibel gesetzt und ihre Vorreiterrolle behalten. Neben der Lutherbibel und der katholischen Einheitsübersetzung etabliert sie sich als die dritte große Bibelübersetzung in Deutschland, als Bibel für alle.
Die Geschichte der Guten Nachricht Bibel in Bildern
Dokumente und Fotos geben Einblicke in die bewegte Geschichte der Guten Nachricht Bibel: Vom ersten Erscheinen in der Ausgabe „Gute Nachricht für Sie. NT68“ über die Vollbibel 1982 bis zur Präsentation der Neuausgabe 2018 auf der Buchmesse in Frankfurt. Klicken Sie auf die Bildergalerie und tauchen Sie ein in die Geschichte von mehr als 50 Jahren „Gute Nachricht Bibel“.