Kanon
Das Wort »Kanon« bezeichnet eine Zusammenstellung von heiligen Schriften, die von einer religiösen Gemeinschaft als verbindlich anerkannt wird. Das Wort wurde aus dem Hebräischen ins Griechische übernommen und bedeutete ursprünglich »Rohrstab, Richtschnur«. Seine Bedeutung als normatives Verzeichnis anerkannter heiliger Schriften ist erstmals in der Alten Kirche belegt. So gibt es aus dem 2. Jh. n. Chr. ein Verzeichnis (der sogenannte Kanon Muratori), das für das Neue Testament festlegt, welche Schriften zum Kanon gehören und welche als nichtapostolische Schriften aus dem Kanon ausgeschieden werden.
Das frühe Judentum kennt den Begriff des Kanons nicht, begrenzt aber ebenfalls die zur Heiligen Schrift gehörenden Bücher in einem Diskussionsprozess. Noch im 1. Jh. n. Chr. wird die Frage erörtert, ob die Schriften Hoheslied und Kohelet/Prediger »die Hände verunreinigen«, das heißt, ob sie zu den heiligen Schriften gehören oder nicht. Dahinter steht die Vorstellung, dass Menschen die Berührung von etwas Heiligem nicht zusteht und sie sich dadurch kultisch verunreinigen würden. Auf diese Vorstellung lässt sich denn auch der Brauch zurückführen, dass in der Synagoge beim Vorlesen aus der »heiligen« Tora (den ersten fünf Büchern der Hebräischen Bibel) statt des Zeigefingers ein Torazeiger benutzt wird.
Die Entstehung des Kanons hat sich in mehreren Etappen vollzogen und nicht alle Schriften, die damals im Judentum bzw. im Christentum in Gebrauch gewesen sind, wurden in die Sammlung der heiligen Schriften aufgenommen.
Unterschiede zwischen dem jüdischen und dem christlichen Kanon heiliger Schriften bestehen in der Anordnung und im Umfang der biblischen Bücher. So kommt in der christlichen Bibel zum Alten Testament noch das Neue Testament hinzu.