Deutsche Bibelgesellschaft

5.1. Das Buch Hiob/Ijob (Hi)

Übersicht über das Hiobbuch (kursiv: Rahmenhandlung

  3 Ijobs Klage
1. Rede Ijobs Antwort 2. Rede Ijobs Antwort 3. Rede Ijobs Antwort
4 + 5: Elifas 6 + 7 15: Elifas 16 + 17 22: Elifas 23 + 24
8: Bildad 9 + 10 18: Bildad 19 25 : Bildad ? 26
11: Zofar 12-14 20: Zofar 21 ?: Zofar 27?
  28 Preis der göttlichen Weisheit
  29-31 Herausforderung Gottes durch Ijob
  32-37 Elihu -Reden
  38-42,6 Gottesreden, darin 40,3-5 + 42,1-6 : Antworten Ijobs

Name und Position

Der Name Ijob bedeutet (nach dem Akkadischen) „Wo ist der Vater“, die bekanntere Namensform „Hiob“ entspringt der Übersetzung Martin Luthers. In deutschen Bibeln steht das gleichnamige Buch in der Regel als erstes der Lehrbücher vor dem Psalter, in der Hebräischen Bibel steht es an zweiter (oder an dritter) Stelle nach den Psalmen.

Aufbau

Wichtig ist die Erkenntnis, dass das Hiobbuch aus einer Rahmenhandlung und dahinein gestellten Reden in Versform (Poesie) besteht. Prolog und Epilog sind dagegen in Prosa verfasst. Man muss davon ausgehen, dass diese Gliederung dem ursprünglichen Wachstum des Buches entspricht. (Zusätzlich sind noch weitere Wachstumsspuren innerhalb des Redeteils festzustellen.)

Rahmenteil

Der Inhalt des Rahmenteils 1,1-2,13; 42,7-17 schildert das Schicksal des frommen Dulders Hiob aus dem (arabischen?) Lande Uz. Angestachelt durch den Satan erlegt Gott dem Hiob Prüfungen auf, um dessen Treue auf die Probe zu stellen. Hiob verliert zunächst Güter und Kinder (das ist der Inhalt der sogenannten „Hiobsbotschaften“), doch er versündigt sich nicht, sondern preist Gott mit den Worten „der Herr hat´s gegeben, der Herr hat´s genommen, der Name des Herrn sei gepriesen“ (1,21). Bei dieser Überzeugung bleibt er auch, als ihm Gott auf Zuraten des Satan die Gesundheit nimmt und ihm sogar seine Frau rät, von Gott abzulassen. Drei Freunde Hiobs kommen und beweinen mit ihm sein Schicksal. Am Ende stellt Gott jedoch das Glück des Hiob wieder her und gibt ihm doppelt so viel, wie er gehabt hatte (42,10).

Datierung

Hiob erscheint hier als der urzeitlich Fromme, der auch in Ez 14,14.20 zusammen mit Noach und Daniel erwähnt wird. Besonders durch das nicht weiter bekannte Land Uz wird der Verdacht erhärtet, dass es sich bei diesen drei Gestalten um außerisraelitische Fromme handeln soll. Das Alter der vorliegenden weisheitlichen Erzählung ist sehr umstritten. Die Erwähnung des Satan in Sach 3 und die Nähe der Erzählweise zur Josefsnovelle und dem Jonabuch weisen aber darauf hin, dass die Teile in nachexilischer Zeit entstanden sind. Es ist gut denkbar, dass die Erzählung auf eine ältere Legende zurückgreift, die nicht schriftlich erhalten ist.

Redenteil

In diese Erzählung hinein wurde in späterer Zeit ein Kranz von Neuinterpretationen des Problems „der leidende Gerechte“ gestellt. Anknüpfungspunkt war die Erwähnung der drei Freunde, Elifas, Bildad und Zofar, die nach 2,11ff. mit Hiob klagen. (Oder sind die drei Freunde erst zur Überleitung zu den Reden eingefügt worden?) Kap. 3 schildert als Auftakt des Gesprächsgangs Hiobs Klage, auf die dann die drei Freunde antworten.

Die nun folgenden Gesprächsgänge sind parallel aufgebaut. Auf die Kritik oder Argumentation des jeweiligen Freundes antwortet Hiob direkt, dann ist der nächste Freund an der Reihe, dann wieder Hiob, dann wiederum der nächste Freund. Dies wiederholt sich dreimal, wobei in Kap. 24-27 offenkundig Teile weggebrochen sind.

So fehlt die letzte Rede des Zofar; die Antwort Hiobs darauf ist vielleicht in Kap. 27 erhalten. In Kap. 28 wurde dann ein Lobpreis der unerfindlichen Weisheit zugefügt, der einmündet in den Spruch: „Siehe, die Furcht des Herrn, das ist Weisheit, und Böses meiden, das ist Erkenntnis“ (28,28).

Klage Hiobs

Kap. 29-31 wiederholen die Klage Hiobs über sein Schicksal, spitzen sie aber zu zur Anklage gegen Gott. Hiob ist sich sicher, wegen seiner Gerechtigkeit in einem Gerichtsverfahren gegen Gott bestehen zu können (31,35f.).

Elihu-Reden

Die dann folgenden Kapitel 32-37, die Reden des Elihu, sind sicher spätere Zufügung, die die bisherige Argumentation weiterführen wollen. Elihu wirft den anderen Freunden vor, nicht energisch genug gegen Hiobs Argumente vorgegangen zu sein, die er als Lästerungen einschätzt. Als neue Argumente bringt Elihu, dass das Leiden auch pädagogischen Sinn haben kann, der Mensch soll so vom Unrecht abgebracht werden (33,17). Dieselbe Überzeugung findet sich auch in den jüngeren Stücken des Proverbienbuches, vgl. Prov 3,11f. Zudem geht der Redner davon aus, dass Gott nicht ungerecht handele, sondern dass die Gerechtigkeit seines Handelns den Menschen unzugänglich sei. Das verweist bereits auf das Ergebnis der Gottesreden voraus.

Gottesreden

Als Antwort auf Hiobs Herausforderungen in Kap. 29-31 spricht dann Gott selbst in zwei Reden, wobei 40,1-2 als eigene, separate Anrede gestaltet ist. Nach 38,1 werden die Reden als Erscheinung aus dem Wind, als Theophanie geschildert. Sie betonen Gottes Übermacht und Hiobs Ohnmacht. Die Schöpfung beweist Gottes planendes Wirken, der Mensch ist in dieser Schöpfung nur ein kleines Element. Hiob antwortet mit Unterwerfung: „Siehe, ich bin zu gering, was soll ich dir antworten“ (40,4), und er bekennt: „darum habe ich geredet in Unverstand, Dinge, die zu wunderbar sind für mich, die ich nicht begriff“ (42,3).

Wichtige Einzeltexte

Wirkungsgeschichtlich wichtige Einzeltexte des Hiobbuches sind 19,25f., „Ich aber weiß, mein Löser lebt, und ein Vertreter/Anwalt ersteht mir aus dem Staub. Selbst wenn meine Haut an mir zerschlagen ist, mein Fleisch geschwunden, werde ich Gott schauen“. Die Verse wurden im Gefolge der griechischen und lateinischen Bibelübersetzungen oft auf eine Auferstehungshoffnung Hiobs gedeutet. Doch dafür fehlen weitere Anzeichen; es geht wohl nur um die Wiederherstellung des früheren Zustands. Als weisheitliche Sentenz ist 14,1f. bekannt: „Der Mensch, vom Weibe geboren, ist kurzen Lebens und voller Unruhe. Wie eine Blume geht er auf und welkt, schwindet dahin wie ein Schatten und hat nicht Bestand.“

Krise der Weisheit

Das Problem, um das es im Hiobbuch geht, ist die Krise der früheren Überzeugung, gutes Handeln sorge für ein gutes Leben, die Frevler dagegen gingen zugrunde (Ps 1). Bisher wurden Krankheit und Leid als Strafe für Sünde oder Vergehen angesehen, diese Strafe sollte zur Umkehr auf den gerechten Weg führen. Dieser Zusammenhang von Tun und Ergehen wurde dann aber den Menschen fraglich, immer öfter schien es so zu sein, dass es den Sündern gut gehe, die Gerechten aber leiden. (Vgl. dazu das Themenkapitel „Theodizee“.) In dieser Krise der israelitischen Weisheit bemühte man sich um neue Lösungen. Dabei ist Hiob in den Reden als jemand zu verstehen, der alle möglichen Argumente gegen die bisherige Denkart sammelt. Seine Freunde dagegen versuchen, am Konsens der Weisen festzuhalten und den Anfragen Hiobs Überzeugendes entgegenzusetzen. Sie gehen davon aus, dass Hiob in irgendeiner Weise doch Schuld auf sich geladen habe. Dabei befindet sich die Diskussion durchweg auf sehr hohem sprachlichen und theologischen Niveau. Das Bild vom klugen und allein im Recht stehenden Hiob, den seine unverständigen, übelwollenden Freunde angreifen, ist sicher unangemessen.

Dem Hiobbuch vergleichbare Texte sind auch aus Babylon und Ägypten bekannt. Das Problem des Leidens, dessen Sinn nicht erkennbar ist, war also schon damals ein internationales Phänomen.

Es lohnt sich, die einzelnen Reden und Hiobs Antworten je für sich und in Ruhe zu lesen, um einen Eindruck von der Ernsthaftigkeit beider Seiten zu bekommen. Eine allen akzeptable Lösung kann das Hiobbuch letztlich nicht geben, den Argumenten Hiobs wird nicht widersprochen. Es bleibt bei der Erkenntnis, dass der Mensch keine Einsicht in Gottes Willen haben kann, es also Bereiche gibt, zu denen man nur Fragen äußern kann, schlüssige Antworten aber ausbleiben.

Digitale Bibelkunde

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Die Texte auf dieser Seite sind mit freundlicher Genehmigung übernommen aus:

Cover der Bibelkunde des Alten Testaments von Martin Rösel

Rösel, Martin: Bibelkunde des Alten Testaments. Die kanonischen und apokryphen Schriften. Mit Lernübersichten von Dirk Schwiderski, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 11., veränd. Aufl. 2021.

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