Deutsche Bibelgesellschaft

3.1. Das Buch Josua (Jos)

Das Buch Josua setzt den Tod des Mose voraus; nun ergeht der Befehl Gottes, Israel über den Jordan in das gelobte Land zu führen. Es folgt die Schilderung der Inbesitznahme und Verteilung dieses Landes.

Übersicht über das Buch Josua

1-12 Jordandurchzug und Eroberung Kanaans
13-22 Verteilung des Landes an die Stämme Israels
23+24 Josuas Mahnrede und der „Landtag zu Sichem

Die Rahmung des Buches durch die Kapitel 1 und 23-24 bringt die besondere theologische Zielsetzung zum Ausdruck: In Kap. 1 wird Josua dazu verpflichtet, sich an Gottes Weisungen zu halten (V. 7f.), damit sein Weg gelinge.

In den Schlusskapiteln gibt Josua nach der Verteilung des Landes (vor seinem Tod, wie Mose es getan hatte) diese Mahnung an das Volk weiter, vgl. 23,16. Das Volk bekräftigt daraufhin den Vorsatz, sich an Gottes Bundessatzungen halten zu wollen (24,24). Die Struktur des Bundesschlusses ist dabei erneut dieselbe wie beim Sinaibund: Zunächst bewirkt Gott die Einlösung der Verheißungen, dann folgt die Verpflichtung des Volkes, diesem Gott dienen zu wollen. In dogmatischer Sprache gesprochen: Erst geschieht die rettende Tat, das Evangelium, daraus resultiert die Verpflichtung, das Gesetz.

Übersicht Jos 1-12

1 Beistandszusage und Befehl/Verheißung zur Eroberung des Landes
2 Die Kundschafter in Jericho und die Dirne Rahab
3+4 Jordandurchzug, Errichtung der Steine in Gilgal
5 Beschneidung und Passa im gelobten Land, Aufhören des Manna, Erscheinung des Obersten des Heeres des Himmels, vgl. Ex 3
6 Wunderbare Eroberung Jerichos
7 Achans Diebstahl von gebanntem Gut, Losorakel
8 Eroberung von Ai
V. 30-35 Gesetzesverlesung auf dem Ebal/Garizim, vgl. Dtn 27
9 Die Bewohner Gibeons schließen durch List einen Bund mit Israel
10 Sieg bei Gibeon, Eroberung des Südens
11 Eroberung des Nordens
12 Geschichtsrückblick : Liste der besiegten Könige

Die Kapitel 1-12 wollen pars pro toto erzählen, wie die Eroberung des Landes geschehen ist. Nach dem Jordandurchzug Kap. 3-4 und der Feier der Ankunft im Lande (Kap. 5) wird Jericho als erste große Stadt erobert (Kap. 6), der Bericht über die Erkundung Jerichos war bereits in Kap. 2 zur Steigerung der Spannung vorgeschaltet worden. Es folgt die Eroberung des bei Bet-El gelegenen Ai (dt.: Ruinenhügel), Kap. 7-8, dann, weiter südwestlich, Gibeons, Kap. 9. Schematisch berichten dann Kap. 10-11 über die Eroberung des restlichen Landes.

Diese Kapitel sind teilweise erkennbar aus Einzelüberlieferungen, ätiologischen Sagen, zusammengesetzt. Sie setzen das typisierte Bild eines gesamtisraelitischen Heerbannes voraus, den es zu dieser Zeit sicher nicht gegeben hat. Es fällt auf, dass sich das in Kap. 3-9 berichtete Geschehen nur auf dem Gebiet eines Stammes, Benjamins, abspielt. Die scheinbar historisch zuverlässige Geschichtsschreibung ist durchsetzt mit theologisch bedeutsamen Zügen und Rückverweisen auf die Tora: Das Manna hört auf (5,12), nun gibt das Land (in dem Milch und Honig fließen, vgl. Ex 3,8) seine Gaben. Die Eroberungen müssen aber durch das Passafest kultisch vorbereitet werden. Da gemäß Ex 12,48 kein Unbeschnittener am Passa teilnehmen darf, wird vorher das ganze männliche Volk beschnitten (5,5-8). Josua wird mehrfach parallel zu Mose gezeichnet, etwa bei seinem wunderbaren Sieg (vgl. 10,12f. mit Ex 17,11f.) oder bei seiner Fürbitte (7,7-9; vgl. auch Ex 32,11ff.).

Im Zentrum des Buches Josua stehen die bibelkundlich kaum zu erfassenden Kapitel 13-22, in denen das Land an die Stämme Israels verteilt wird. Damit gelten die Verheißungen als erfüllt (vgl. 21,43-45).

Wichtig ist die geographische Orientierung über die Gebiete der einzelnen Stämme: Im Ostjordanland siedeln Ruben, Gad und Halb-Manasse, im Süden Simeon, Juda und Benjamin, in der Mitte des Landes Josef [= Efraim und Halb-Manasse]. Dan (wandert vom Süden nach Norden), Sebulon, Issachar, Ascher und Naftali werden im Norden lokalisiert. In Kap. 22 werden die Oststämme entlassen und bauen einen Altar am Jordan. Dieser Vorgang wird von den Israeliten als Treuebruch erachtet (vgl. Dtn 12), doch der Altar soll nur zur Erinnerung dienen, nicht für Opfer verwendet werden.

Das abschließende Kap. 24 schildert die Ereignisse am so genannten „Landtag zu Sichem“. Hier ist besonders der Geschichtsrückblick von Abraham bis zur Landverteilung von Interesse, vgl. 1Kön 8. Nach Josuas Tod und Beerdigung werden auch die Gebeine Josefs begraben. So wird der Eid, den Josefs Söhne in Gen 50,25 geschworen hatten, ihren Vater nicht in Ägypten zu beerdigen, eingelöst.

Exkurs: Die 12 Stämme Israels

Traditionell werden die Stämme Israels auf die 12 Söhne Jakobs zurückgeführt: Ruben, Simeon, Levi, Juda, Issachar, Sebulon, Dan, Naftali, Gad, Ascher, Josef, Benjamin (Gen 29,31ff.+35,16). Bei der Verteilung des Landes in Jos 13–22 und der Lagerordnung in Num 2 wird allerdings der Stamm Levi nicht berücksichtigt. Nach Num 3 gelten die Leviten als Auslösung für die Erstgeburt der Israeliten, daher haben sie keinen eigenen Landbesitz.
Erbbesitz erhalten demgegenüber die Stämme Efraim und Manasse, nicht aber Josef. So entsteht wieder der Verbund von 12 Stämmen. Dies wird erzählerisch in Gen 48 durch die Segnung der beiden Josefsöhne durch Jakob vorbereitet. In Jos 16+17 gelten sowohl Josef als auch Efraim und Manasse als erbberechtigte Stämme, nach 17,17 werden die beiden zum „Haus Josefs“ zusammengefasst. Im Mosesegen Dtn 33 gilt Josef als Stamm; in den Listen im Numeribuch werden aber nur Efraim und Manasse als Stämme genannt, nicht Josef. Die Tradition ist also nicht einheitlich.
Auch daher gilt die Zwölfzahl der Stämme Israels nicht als historische Tatsache, sondern als eine spätere Konstruktion.

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Die Texte auf dieser Seite sind mit freundlicher Genehmigung übernommen aus:

Cover der Bibelkunde des Alten Testaments von Martin Rösel

Rösel, Martin: Bibelkunde des Alten Testaments. Die kanonischen und apokryphen Schriften. Mit Lernübersichten von Dirk Schwiderski, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 11., veränd. Aufl. 2021.

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