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Matthäus 13,44-46 | 9. Sonntag nach Trinitatis | 28.07.2024

Einführung in das Matthäusevangelium

Das MtEv gehört seit seiner Entstehung zu den wichtigsten Büchern des Neuen Testaments und hat die Geschichte der weltweiten Christenheit geprägt wie kein anderes Buch. Entsprechend anhaltend ist das Interesse daran auch in der wissenschaftlichen Forschung. Allerdings hat die Durchsetzung der Mk-Prioriät im 19. Jh. das MtEv als ältestes und apostolisches Evangelium in der historisch-kritischen Forschung zurückgestuft zu einer Parteischrift judenchristlicher Gemeinden, die gegenüber anderen frühchristlichen Milieus das Festhalten an einem wörtlichen Verständnis der Tora des Mose vertraten. Damit verbunden ist die Frage, ob sich die sog. „Gemeinde des Matthäus“ noch als Teil der jüdischen Glaubens- und Volksgemeinschaft verstand (bzw. von dieser noch als Teil derselben akzeptiert wurde) oder ob das Evangelium von einer eigenständigen Entwicklung der sich auf Jesus als Messias beziehenden Gemeinschaften ausgeht, wissend, dass dies mit einem Abweichen vom Weg der Mehrheit in Israel einhergeht. In diesem Fall wird das Evangelium als Versuch einer eigenen Orts- und Zeitbestimmung in Gottes Geschichte mit seinem Volk und den Völkern der Welt verstanden. Eine zentrale Rolle in der Entscheidung dieser Frage hat das jeweils vorausgesetzte Verhältnis des Evangelisten zur Tora. Gegen das in der gegenwärtigen Forschung vielfach vertretene Verständnis eines von Mt intendierten wörtlichen Praktizierens aller Toragebote spricht, dass die kirchliche Praxis sein Evangelium nie in dieser Weise verstanden oder praktiziert hat. Die Interpretation pro Tora würde also bedeuten, dass Mt in der Kirche von Anfang an gegen seine eigene Intention gelesen und gepredigt wurde. Die Folge ist eine weitere Aushöhlung des protestantischen sola scriptura.

1. Verfasser

Das MtEv ist, wie alle neutestamentlichen Evangelien, anonym verfasst. Die Zuschreibung an Matthäus ist handschriftlich seit dem Ende des 2./Beginn des 3. Jh.s bezeugt; die älteste patristische Bezeugung stammt aus dem weitgehend verlorenen Werk des kleinasiatischen Bischofs Papias von Hierapolis. Nach ihm „hat Matthäus die Logien (Jesu) also in hebräischer Sprache zusammengestellt; es übersetzte sie aber jeder, so gut er konnte“ (Eusebius, h.e. III 39,16; Irenäus spricht von seinem „Evangelium in schriftlicher Form“, s. Adv. haer. III 1,1). Die Zuschreibung eines Evangeliums an den Apostel Matthäus bezieht sich in den ältesten Quellen jedoch nur auf das behauptete hebräische/aramäische Original. Für die vorhandene griechische Fassung wurde schon von Hieronymus festgehalten, dass der Übersetzer unbekannt ist (Vir.ill. III 1). Ohne auf die Übersetzungsfrage einzugehen, wurde das MtEv bis lange ins 19. Jh. hinein und mit nicht wenigen Vertretern bis heute als Werk des Apostels u. ehemaligen ‘Zöllners’ Matthäus angesehen. In der deutschsprachigen Forschung wird dagegen mehrheitlich ein unbekannter judenchristlicher Verfasser angenommen, der zwischen 80 und 100 das Evangelium auf der Grundlage älterer Quellen (Mk, Q, Sondergut) geschrieben hat. Die internationale u. nichtprotestantische Forschung ist in dieser Frage allerdings deutlich pluraler als die deutschsprachige Einleitungswissenschaft und Kommentarliteratur. Eine wichtige Rolle spielt in beiden exegetischen Traditionen die singuläre Referenz in der Jüngerliste Mt 10,3 (Matthäus der Zöllner), die erkennbar und absichtsvoll auf die Berufung des Zöllners Matthäus 9,9–13 (der in den Parallelen Mk 2,13–27; Lk 5,27–32 Levi heißt, woraus in der Tradition Matthäus-Levi wurde) zurückverweist. Dies wird weithin als Referenz auf den intendierten (oder eben tatsächlichen) Verfasser verstanden. Die Apostolizität – verstanden in einer Weise, dass wesentliche Teile des Inhalts auf Überlieferungen aus dem Zwölferkreis, repräsentiert durch Matthäus, zurückgehen – kann so in Einklang mit der frühchristlichen Tradition trotz des relativ späten Entstehungsdatums des kanonischen (= griechischen) MtEv vertreten werden.

2. Adressaten

Das Evangelium selbst enthält keine direkten Hinweise auf Adressaten, Abfassungszeit oder -ort. Alle diesbezüglichen Aussagen sind aus dem vorliegenden Text abgeleitet und angesichts deren Spärlichkeit entsprechend hypothetisch. Die patristischen Autoren berichten, dass Matthäus das Evangelium für die „Hebräer“ (d.h. die jüdischen Jesusgläubigen in Israel) schrieb, bevor er „zu den anderen Völkern“ gehen wollte (Eusebius, h.e. III 24 6). Die Annahme, dass das Evangelium ursprünglich an überwiegend judenchristliche Gemeinden gerichtet war und in deren Kontext entstanden ist, wird auch heute mehrheitlich vertreten. Nur wenige machten und machen sich für einen heidenchristlichen Ursprungskontext stark. Allerdings gibt es auch hier eine starke, insbesondere englischsprachige Forschungstradition, die solche Partikularadressierungen ablehnt und stattdessen von einer von Anfang an universalen Adressatenschaft ausgeht („The Gospel For All Christians“). In der deutschsprachigen Evangelienforschung dominiert dagegen ein Partikular- und Konfliktmodell, nach dem die einzelnen Evangelien an bestimmte Gemeindegruppen adressiert sind und sich dabei gleichzeitig von den Empfängergruppen der anderen Evangelien mehr oder weniger polemisch absondern. Der Zuweisung des MtEv an ein judenchristliches Milieu impliziert darum oft die Abgrenzung gegenüber anderen frühchristlichen Milieus (repräsentiert u.a. durch Paulus oder das MkEv, das Mt angeblich verdrängen oder ersetzen wollte). Damit wird das MtEv in erster Linie zu einem Zeugnis für die angenommene Konfliktgeschichte innerhalb des frühen Christentums zwischen 70 und 100, und die in ihm vermittelten Jesustraditionen gelten als so ausgewählt bzw. reformuliert, dass sie der Selbstvergewisserung dieser besonderen Gruppe dienten (die manche mit den Apg 15,5 genannten christlichen Pharisäern verbinden). Alternativ kann man im MtEv, basierend u.a. auf seiner breiten Rezeptionsgeschichte seit dem 2. Jh. in den geographisch sehr verschiedenen Milieus des frühen Christentums und im Hören auf die patristischen Traditionen, ein in seinen Anfängen apostolisches Zeugnis sehen, dessen griechische Endgestalt das Mk- und möglicherweise auch das LkEv bereits voraussetzt. In diesem Fall stellt es die abschließende synoptische Stimme im neutestamentlichen Kanon dar, in der die Verkündigung von Jesus im Kontext einer „kerygmatischen Biographie“ (so Martin Hengel) einschließlich ihrer fortlaufenden Formatierung bis ungefähr zum Jahr 85–90 enthalten ist.

3. Entstehungsort

Aufgrund der judenchristlichen Charakteristika wird häufig eine Entstehung in Antiochien vermutet, was dadurch gestützt wird, dass Bischof Ignatius von Antiochien das MtEv schon im 1. Drittel des 2. Jh.s zu kennen scheint. Aber auch andere Orte in Israel bzw. Syrien werden diskutiert. Mt 4,24f. beschreibt den unmittelbaren geographischen Radius von Jesu Wirksamkeit (und damit einen möglichen ersten Adressatenkreis), aber das Evangelium selbst lässt keinen Zweifel an seiner universalen Perspektive (24,9.14; 26,13; 28,18–20), die sich zudem in der wiederholten Erwähnung von nichtjüdischen Personen als Empfängern der guten Botschaft konkretisiert (Mt 1,5; 2,1; 8,5–13.28–34; 15,21–28; 27,54).

4. Wichtige Themen

Wichtige Themen der exegetischen Interpretation sind die Christologie (Jesus als Sohn Davids neben der Menschensohn-Christologie), Soteriologie (Vergebung der Sünden als Zielvorgabe von Jesu Wirken [1,21] und als Vollendung [26,28: nur Mt verbindet die Worte vom Bundesschluß im Abendmahl mit der Vergebung der Sünden εἰς ἄφεσιν ἁμαρτιῶν]; Gericht und Eingang ins Leben als wichtige Orientierungspunkte) und Ethik (6,1; 7,24; 25,40.45: die Betonung des Tuns/ποιέω) aus der besonderen Perspektive hinsichtlich des Verhältnisses zu den Traditionen Israels, dem jüdischen Volk in Vergangenheit und Gegenwart sowie der Tora. Das MtEv enthält einige der bekanntesten neutestamentlichen Texte, darunter die weltweit in allen Kirchen benützte Fassung des Vaterunsers und die Bergpredigt, aber auch problematische Texte wie die große Scheltrede gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten (Mt 23), die antijüdische Voreingenommenheiten (z.B. Klischees über die Pharisäer) bis heute befeuern. Diese Gefahr bestand immer dann, wenn die Entstehungssituation des Evangeliums nicht reflektiert und die polemische Rhetorik einer Gemeinde in einer bedrängten Minderheitensituation, die gleichwohl selbstbewusst für ihre Botschaft eintrat, von einer sich über das jüdische Volk erhebenden christlichen Kirche bruchlos übernommen wurde. Das wirkte sich so unheilvoll aus, weil kein Evangelium im Lauf der Kirchengeschichte mehr gepredigt wurde als Matthäus. Dabei ist es vor allem der mt Redestoff, der für katechetische und homiletische Zwecke herangezogen wurde und wird, während im Erzählstoff die farbigeren Darstellungen bei Mk und Lk bekannter sind.

5. Besonderheiten

Das MtEv enthält eine Vielzahl klar abgrenzbarer Einheiten, die in sich deutlich strukturiert sind, insbesondere durch Dreiergruppen (vgl. 1,17, wo diese Struktur sogar benannt wird) oder „chiastische Ringkompositionen“ (U. Luz). Dagegen fehlt eine erkennbare Gesamtstruktur, indem der Aufbau insgesamt eher schlicht ist: Als Auftakt die Genealogie als Brücke in Israels Geschichte und die Kindheitsgeschichte als Erfüllungsgeschehen (vier der insgesamt 12 bzw. 13 Erfüllungszitate sind in Kapitel 1–2, beginnend mit 1,22: τοῦτο δὲ ὅλον γέγονεν ἵνα πληρωθῇ τὸ ῥηθὲν „Dieses alles aber ist geschehen, damit erfüllt werden würde, was gesagt worden ist durch …“, vgl. außerdem 2,15.17.23; 4,14; 8,17; 12,17; 13,14.35; 21,4; 26,56; 27,9), daran anschließend das Wirken in Galiläa, und ab 16,21 eine zunehmende Fokussierung auf Jerusalem; Passionsbericht und Auferstehung bilden den Abschluss. Einzelne Perikopen werden durch Schlüsselworte und gleichartige Formulierungen zu thematischen Erzählfäden verbunden, so dass sich die Gesamtsicht der mt Botschaft am besten durch wiederholtes und zusammenhängendes Lesen erschließt. Das macht es wahrscheinlich, dass das Evangelium von Anfang an für den gottesdienstlichen Gebrauch intendiert war. Herausragendes Merkmal sind die fünf großen Reden in den Kapiteln 5–7, 10, 13, 18 und 24f., die alle nahezu identisch abgeschlossen werden (7,28; 11,1; 12,53; 19,1; 26,1). Der biographisch-historische Rahmen ist durch die gleichlautenden Einleitungen in 4,17 (Ἀπὸ τότε ἤρξατο ὁ Ἰησοῦς + Infinitiv als Einleitung in das öffentliche Wirken Jesu vor allem in Galiläa) und 16,21 (als Beginn der Passionserzählung mit dem Fokus auf Jerusalem) markiert. Auch die Passionsgeschichte, die weitgehend mit Mk parallel geht, ist als Erfüllung dessen dargestellt, was der Evangelist in Israels Heiligen Schriften an Vorausverweisen auf Jesus fand (26,54.56; 27,9).

Literatur:

  • Aktueller Kommentar: Matthias Konradt, Das Evangelium nach Matthäus, NTD 1, Göttingen 2015 (theologisch gehaltvolle Auslegung, aber kaum Hinweise auf Literatur; diese findet sich reichlich verarbeitet in dem Band: Matthias Konradt, Studien zum Matthäusevangelium, WUNT 358, Tübingen 2016).
  • Grundlegend: Ulrich Luz, Das Evangelium nach Matthäus, EKK I/1-4, Neukirchen-Vluyn u.a. 1985 (5., völlig neubearbeite Aufl. 2002), 1990, 1997, 2002 (umfassendster Kommentar in deutscher Sprache mit ausführlichen Hinweisen zur Auslegungs- und Wirkungsgeschichte).
  • Zur Diskussion um die Tora: R. Deines, Jesus and the Torah according to the Gospel of Matthew, in: The Gospel of Matthew in its Historical and Theological Context. Papers from the International Conference in Moscow, September 24 to 28, 2018, hg. v. M. Seleznev, W. R. G. Loader u. K.-W. Niebuhr, WUNT 459, Tübingen 2021, 295–327 (in diesem Band auch weitere Aufsätze zu dem Thema, so dass die verschiedenen Positionen gut erkennbar sind).
  • Angelsächsische Literatur und Auslegungsgeschichte: Ian Boxall, Matthew Through the Centuries, Wiley Blackwell Bible Commentaries, Hoboken: Wiley Blackwell, 2019.

A) Exegese kompakt: Matthäus 13,44–46

44Ὁμοία ἐστὶν ἡ βασιλεία τῶν οὐρανῶν θησαυρῷ κεκρυμμένῳ ἐν τῷ ἀγρῷ, ὃν εὑρὼν ἄνθρωπος ἔκρυψεν, καὶ ἀπὸ τῆς χαρᾶς αὐτοῦ ὑπάγει καὶ πωλεῖ πάντα ὅσα ἔχει καὶ ἀγοράζει τὸν ἀγρὸν ἐκεῖνον.

45Πάλιν ὁμοία ἐστὶν ἡ βασιλεία τῶν οὐρανῶν ἀνθρώπῳ ἐμπόρῳ ζητοῦντι καλοὺς μαργαρίτας· 46εὑρὼν δὲ ἕνα πολύτιμον μαργαρίτην ἀπελθὼν πέπρακεν πάντα ὅσα εἶχεν καὶ ἠγόρασεν αὐτόν.

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Übersetzung

44 Gleich(end) ist das Himmelreich einem versteckten Schatz in dem Feld, welchen – nachdem er ihn gefunden hatte – ein Mensch versteckte, und aus seiner Freude heraus hingeht und alles verkauft, was er hat, und jenen Acker kauft.

45 Ebenso gleich(end) ist das Himmelreich einem Menschen, einem Händler, der schöne Perlen sucht. 46 Als er eine hochpreisige Perle fand, davongehend verkaufte er alles, was er hatte, und kaufte sie.

1. Fragen und Hilfen zur Übersetzung

V.44 Die konsequente Verbindung der Gleichnisverkündigung Jesu mit dem Himmelreich/Reich Gottes ist typisch für das MtEv. Durch ὁμοία (fem. Adj. von ὅμοιος homoios gleich, ähnlich; außer hier auch in 13,31.33.47), das in den Synoptikern regelmäßig zur Einleitung eines Gleichnisses verwendet wird (vgl. auch das dazugehörende Verb ὁμοιόω homoioō gleichen, vergleichen, bei Mt erstmals gebraucht in 7,24, auch in 13,24) wird der Gleichnischarakter des nachfolgend Gesagten eindeutig markiert. Etwas freier könnte übersetzt werden: „Vergleichbar ist das Himmelreich“ oder „Mit dem Himmelreich verhält es sich wie“.

V.45 ἔμπορος (nur hier und Apk 18,3.11.15.23) bezeichnet den umherziehenden Großkaufmann, vgl. Jak 4,13 für das dazugehörige Verb ἐμπορεύομαι und die damit verbundene Tätigkeit: für eine bestimmte Zeit in eine Stadt ziehen, um dort Gewinn zu machen (das Verb sonst nur noch 2Petr 2,2). Die Wortgruppe, zu der im NT auch noch ἐμπορία (Großhandel, nur Mt 22,5) und ἐμπόριον = Handelsplatz (nur Joh 2,16) gehört, ist im NT selten; einen Schwerpunkt bildet Apk 18, wo die Kaufleute zu denen gehören, die den Untergang der großen Hure Babylons (d.i. Roms) betrauern, weil mit ihr auch ihre Verdienstmöglichkeiten untergehen. Hier in Mt 13,45 ist die Bezeichnung neutral, an allen anderen Stellen negativ.

μαργαρίτης „Perle“ ist ein maskulines Nomen u. αὐτόν in V.46 darauf zu beziehen. In der Bibel stehen Perlen häufig in einer Reihe mit Luxusgütern, deren Besitz abgelehnt wird (1Tim 2,9; Offb 17,4; 18,12.16, vgl. Hes 28,13; in TestJud 13,5 ist es eine perlengeschmückte Frau, die Juda verführt). Ihre Kostbarkeit dient aber auch positiven Vergleichen (Spr 31,10; Hld 1,10), und am Ende der biblischen Geschichte erwarten die Tore aus Perlen die Gläubigen im neuen Jerusalem (Offb 21,21). Für den mit Matthäus zeitgleichen römischen Autor C. Plinius Secundus (23–79 n.Chr.) sind Perlen, „die von allen Gegenständen den ersten und höchsten Preis einnehmen“ (n.h. IX 116), zusammen mit Purpurgewändern der Inbegriff des (in seinen Augen schädlichen) Luxus (n.h. IX 114; zwei Fälle von exzessiver Verschwendungssucht beschreibt er in IX 117–122). Besonders kritisiert er, dass sie nur „unter Einsatz der Lebenskraft des Menschen errungen“ werden können (n.h. IX 195), weil Haifische die Taucher bedrohen und die scharfen Muschelränder manche Hand abgetrennt habe, die nach der begehrten Perle griff (n.h. IX 110). Am Ende seiner Beschreibung der verschiedenen Arten von Perlen, ihrer Entstehung und ihrer geographischen Herkunft (aus dem Indischen Ozean einschließlich des Persischen und Arabischen Meerbusens, s. NW I 1/2.2 140 Anm. 1) macht er noch einmal deutlich, was ihre Begehrlichkeit ausmacht: „sie sind ein nahezu ewiger Besitz“ (aeternae prope possessionis) und bringen auch dem Erben noch Gewinn, weil sie nicht an Wert verlieren (n.h. IX 124).

V.46 πέπρακεν Die Perfektform des Verbs πιπράσκω „verkaufen“ steht hier für den Aorist (das gewöhnliche Erzähltempus, um darzustellen, dass eine Handlung stattgefunden hat), der für πιπράσκω nicht bezeugt ist.

2. Literarische Gestalt und Kontext

Die beiden Gleichnisse sind Teil der Gleichnisrede (Mt 13,1–53), das ist der dritte große Redeblock im MtEv nach der Bergpredigt (Mt 5–7) und der Aussendungsrede (Mt 10). Diese dritte Rede Jesu reagiert auf die wachsenden Zweifel und Widerstände, die seit Kapitel 11 zunehmend die Darstellung bestimmen. Sie lässt sich ihrerseits wieder in drei Teile gliedern (13,3b–23.24–43.44–52), die von 13,1–3a und 13,53 gerahmt sind. Gemeinsam ist diesen Aussaat-, Wachstums- und Fanggleichnissen das unwiderstehliche Wachstum des Reiches Gottes durch die Predigt Jesu: Der Samen, den der Sämann = Jesus zu säen begonnen hat, bringt Frucht trotz Widerstand des Feindes/des Bösen, wobei Senfkorn (13,31f.) und Hefe (13,33) auf die Kleinheit und Verborgenheit des Anfangs verweisen. Den dritten Teil bilden drei kurze Sondergutgleichnisse und eine abschließende Ermahnung an die Jünger (13,51f.). Die Einleitungen dieser letzten drei Gleichnisse sind gleichlautend formuliert (gleich[end] ist das Himmelreich + Dativobjekt), wobei das zweite und dritte Gleichnis durch πάλιν („ebenso“, „wiederum“) als Paralleltext zum voranstehenden Gleichnis markiert ist. In den beiden Gleichnissen des Predigttextes tritt zum unwiderstehlichen Wachstum die Freude des Findens in Form des glücklichen Zufalls und nach der bewussten Suche.

Zu beachten ist jedoch, dass die beiden Gleichnisse trotz der großen inhaltlichen Übereinstimmung sprachlich nicht aneinander angeglichen sind:

  • die Verwendung des Präsens für die Tätigkeit der Hauptperson im ersten Gleichnis, aber Vergangenheitstempus im zweiten Gleichnis
  • die Freude des Finders wird im ersten, aber nicht mehr im zweiten Gleichnis erwähnt
  • der Vergleich bezieht sich im ersten Gleichnis auf den Schatz, im zweiten auf den Händler, obwohl es möglich gewesen wäre, in beiden Fällen entweder die Sache – Schatz, Perle – oder die Finder als Ausgangspunkt zu nehmen

Das spricht dafür, dass der Evangelist die ihm vorliegende Form der Gleichnisse bewahrte und sie wohl ursprünglich nicht als Parallelgleichnisse formuliert waren, sondern von Matthäus zusammen mit dem dritten Gleichnis Mt 13,47–50 zu einer Gruppe zusammengefasst wurden.

Der norwegische Neutestamentler Ernst Baasland rechnet die beiden Gleichnisse zu den „Einsatzgleichnisse[n]“, deren Plot als „Pläne machen–durchführen“ bestimmt werden kann. Entscheidend ist dabei „eine zielgerichtete Handlung eines Akteurs“, der zudem häufig als Einzelperson vorgestellt wird. Dieser Akteur stellt zugleich die Beziehung zum Leser oder Hörer dar, indem sein Verhalten appellativ vorgestellt wird: „Die Hörer werden in diese Welt eingewoben und müssen zu den Handlungen der (Mit-)Akteure Stellung nehmen“ (Baasland, 215, vgl. auch Zimmermann, 82). Die „Appellstruktur“ der Gleichnisse erlaubt kein bloßes Zuhören, sondern verlangt eine Reaktion, anders ausgedrückt: wenn das Himmelreich da ist, dann kann man es nicht mehr ignorieren, sondern nur noch erlangen oder verfehlen.

3. Historische Einordnung

Vergrabene Schätze sind im Altertum ein viel verbreiteteres Phänomen als in der Gegenwart. Das Eingraben von Wertgegenständen war für die meisten Menschen der einzige Schutz vor Diebstahl und Plünderung insbesondere in Kriegs- und Krisenzeiten (vgl. Mt 25,18.25). Entsprechend häufig kommen in archäologischen Ausgrabungen sog. “Hortfunde” vor. Dabei handelt es sich um absichtlich vergrabene (oder z.B. in einer Höhle versteckte) Münzen oder Wertgegenstände, die zumeist in einem Tongefäß, seltener in Textilien (vgl. Lk 19,20) oder anderen Behältern so gut als möglich geschützt wurden. Wahrscheinlich war es sicherer, Wertgegenstände im Gefahrenfall außerhalb des eigenen Hauses oder Gartens zu vergraben, denn einen im Haus oder Garten vergrabenen Schatz finden Räuber (oder militärische Eroberer bzw. Plünderer) leichter als einen im Feld (zum Einbruch in ein Haus s. Mt 12,29f. parr. Mk 3,27; Lk 11,21f.). Entsprechend finden sich in der antiken Literatur eine Vielzahl von Erzählungen und Sprichwörtern über zufällige Schatzfunde bzw. über die Hoffnung, einen solchen zu machen. Die Redewendung von „einem Sechser im Lotto“ kommt diesen Hoffnungen wohl am nächsten, da sie sowohl konkret auf einen Lottogewinn als auch auf einen überraschenden Glücksfund oder positiven Zufall angewandt werden kann („diese Stelle ist wie ein Sechser im Lotto“ o.ä.). Jesus knüpft hier also an ein weit verbreitetes Motiv an, das ohne weiteres verständlich war. Ob es sich bei dem glücklichen Finder um den Pächter des Feldes oder einen Lohnarbeiter handelte, wird nicht erwähnt. Entscheidend ist allein, dass ihm der Acker nicht gehört. Zum Kauf der kostbaren Perle gibt es dagegen keine wirkliche Parallele in der jüdischen oder griechisch-römischen Überlieferung, sondern lediglich Berichte über den besonderen Wert von Perlen als Schmuck- und Wertgegenstände (s.o. die Erklärung zu V.45).

4. Schwerpunkte der Interpretation

In beiden Gleichnissen ist der ganze erzählte Vorgang (etwas Kostbares finden —> alles verkaufen, um genügend Geld zusammenzubekommen —> den „Glücksfund“ erwerben, um ihn wirklich zu besitzen) der entscheidende Vergleichspunkt. Die Intention der Gleichnisse ist also nicht primär, das Himmelreich (oder Jesus, wie in der Auslegungsgeschichte häufig geschieht) mit einem Schatz oder einer kostbaren Perle zu vergleichen (auch wenn dieser Gedanke wohl immer mitschwingt), sondern den „Einsatz“ (s.o. die Beschreibung als „Einsatzgleichnis“) zu betonen, der nötig ist, wenn sich einem die Chance eröffnet, das Himmelreich zu ›besitzen‹ (vgl. die Wendung „das Himmelreich erben“ in 25,34; dasselbe Verb, κληρονομέω „erben“ auch noch 5,5 und 19,29), das jeden Preis wert ist. Ausführlicher zur Auslegungsgeschichte im Verlauf der Kirchengeschichte s. U. Luz, EKK I/2, 354–356; Müller, 425–427.

Ein wichtiger Unterschied zwischen den beiden Gleichnissen, lässt sich homiletisch ausgestalten: im ersten Fall handelt es sich um einen Glücks- oder Zufallsfund, dem kein eigentliches Suchen voranging, im zweiten Fall geht es um das erfolgreiche Ende einer gezielten Suche. Übertragen auf das Himmelreich kann dies bedeuten, dass es dem einen unverhofft und unerwartet begegnet, von einem anderen dagegen als Folge einer intensiven Suche gefunden wird. Aber das – zufällige oder erfolgreiche – Finden bedeutet noch nicht das Besitzen - und auf „das Ergreifen dieser einmaligen Gelegenheit" (Ringleben, 415) kommt es vor allem anderen an. In beiden Fällen muss der Finder darum alles, was er hat, verkaufen, um diesen Fund für sich zu erwerben. Die insbesondere für V.44 in Kommentaren viel diskutierte rechtliche bzw. moralische Frage, ob es ›recht‹ ist von dem Finder, den Besitzer sozusagen ›auszutricksen‹, spielt dagegen nur eine Nebenrolle. Vermieden wird jedoch der Eindruck, dass der glückliche Finder den Schatz einfach an sich nimmt, d.h. stiehlt. Entscheidend ist: Den beiden Personen eröffnet sich eine Chance, und sie ergreifen sie ohne Zögern und unter Einsatz aller Mittel.

5. Theologische Perspektivierung

Die beiden Gleichnisse können als Illustration für Mt 6,33 gelesen werden: angesichts des Himmelreiches ist es nötig, alles zu investieren und alles auf eine Karte zu setzen. Auch die Aufforderung an den reichen Jüngling (Mt 19,21) ist hier zu nennen: alles verkaufen und Jesus nachfolgen ist die einzige Weise, einen Schatz im Himmel zu bekommen (so auch Mt 6,20). Eine zeitgenössische Analogie ist die Ansage in Passagierflugzeugen vor dem Start: „In case of an emergency, you must leave all your belongings behind.“ Wenn es um das Leben geht, dann ist aller Besitz zweitrangig und muss zurückgelassen werden. Das gilt noch mehr für das ewige Leben. Bei Matthäus steht die ganze Verkündigung, die sich an die Jünger bzw. die Gemeinde richtet, unter dem Vorzeichen des Gerichts als einem Eingang zum (ewigen) Leben (Mt 25,46) oder zum Verderben (Mt 7,13f.). Darum ist das dritte Gleichnis dieser Gruppe (13,47–50) mit seiner abschließenden Warnung vor dem ›Aussortiertwerden‹ im Gericht (13,49f.) im Blick zu behalten. Denn das entschiedene Handeln, um das Himmelreich ›mit allen Mitteln‹ (das ist möglicherweise auch Bedeutung des schwierigen Verses 11,12) zu erlangen, ist zwar ein entscheidender Anfang, aber noch nicht das Erreichen des Ziels (vgl. 7,21–23; 10,22.32f.37–39; 13,20–22 u.ö.).

Literatur

  • Als gut lesbare Einführung in die Gleichnisforschung eignet sich: Ruben Zimmerman, Parabeln in der Bibel. Die Sinnwelten der Gleichnisse Jesu entdecken, Gütersloh 2023.
  • Für antike Parallelen zu Schatzfunden und Perlen: Schnelle, Udo u. Manfred Lang (Hg): Neuer Wettstein. Texte zum Neuen Testament aus Griechentum und Hellenismus, Bd. I/1.2, Teilband 2: Matthäus 11–28, Berlin/Boston 2022, 132–140.
  • Ernst Baasland, Zum Beispiel der Beispielerzählung. Zur Formenlehre der Gleichnisse und zur Methodik der Gleichnisauslegung, Novum Testamentum 28 (1986), 193–219.
  • Gerhard Lohfink, Die vierzig Gleichnisse Jesu, Freiburg 2020, 65–73.
  • Peter Müller, Die Freude des Findens (Vom Schatz im Acker und von der Perle) Mt 13,44.45f. (EvThom 76; 109), in: Kompendium der Gleichnisse, hg. v. Ruben Zimmermann, Gütersloh 2007, 420–427.
  • Joachim Ringleben, Jesus. Ein Versuch zu begreifen, Tübingen 2008, 415-418.

B) Praktisch-theologische Resonanzen

1. Persönliche Resonanzen

Die beiden Gleichnisse in Mt 13,44-46 sind sparsam erzählt. Im Griechischen ist jedes gerade mal einen Satz lang. Trotzdem oder gerade deshalb entstehen vor meinem inneren Auge sofort Bilder. Ich sehe dem ersten Mann beim Pflügen des Ackers zu und folge kurz darauf dem zweiten durch Basare und dämmrige Verhandlungszimmer. Ich sehe ihre staunenden Gesichter in Großaufnahme, während der erste den Schatz hebt und der andere die Perle entdeckt. Schließlich schaue ich beiden dabei zu, wie sie einen Kaufvertrag unterzeichnen.

Ob mein innerer Film von der Bibelwissenschaft gute Kritiken bekäme, bezweifle ich. Dafür geht er wohl einerseits zu frei mit dem Material um (nirgendwo steht, dass der Schatz beim Pflügen gefunden wird) und lässt anderseits außer Acht, dass wir hier ja nicht einfach zwei schöne Geschichten vor uns haben, sondern Variationen über das Reich Gottes. Aber wo steckt das Reich Gottes in diesen Gleichnissen? Wo stecken wir als Leserinnen und Hörer darin? Wo also kann eine Predigt „über“ Mt 13,44-46 ansetzen?

Viele Predigten gehen den Weg, den Schatz im Acker und die kostbare Perle als Bilder für das Reich Gottes auszuloten. Roland Deines macht deutlich, dass dies an der Intention der Gleichnisse vorbeigeht. Denn abgesehen davon, dass die gegenwärtige Forschung solchen allegorischen Auslegungen der Gleichnisse skeptisch gegenübersteht, sucht dieser Ansatz den Sinn des Doppelgleichnisses ja gerade in einem Aspekt, der beide Geschichten voneinander unterscheidet. Der kostbare Fund ist nur in einem der beiden Gleichnisse der grammatische Referenzpunkt des Vergleichs. Im zweiten ist es der Kaufmann.

Gemeinsam ist beiden Geschichten dagegen – wie Roland Deines deutlich macht –, dass sie erstens einen beglückenden Fund schildern, zweitens davon berichten, dass die Finder ihre komplette Habe verkaufen, um drittens das kostbare Gut in ihren Besitz zu bringen. Mir fällt bei diesen drei Vorgängen die Mixtur aus Besonderem und Alltäglichem auf, wie ich sie auch von anderen neutestamentlichen Gleichnissen kenne. Ja, da machen zwei den Fund ihres Lebens. Doch dann müssen sie ihn ganz profan käuflich erwerben. Der Preis, den sie zahlen, ist allerdings wieder ungewöhnlich hoch, und zwar aus der Perspektive der Käufer. Immerhin müssen sie all ihren Besitz dafür hergeben.

Roland Deines vertritt die These, dass das Doppelgleichnis die Hörer und Hörerinnen auffordert, das Himmelreich um „jeden Preis“ zu ergreifen. Ich will diese Lesart von Mt 13,44-46 nicht in Abrede stellen, kenne aber auch andere Deutungen. Im „Kompendium der Gleichnisse Jesu“ steht die Auslegung des Doppelgleichnisses zum Beispiel unter der Überschrift „Von der Freude des Findens“. Von Ruben Zimmermann habe ich gelernt, dass Gleichnisse programmatisch vieldeutig sind (ohne deswegen beliebig auslegbar zu sein): Sie stiften die Hörerinnen und Leser an, sich ihren eigenen Reim auf das Erzählte zu machen. Ob eine Predigt zu Mt 13,44-46 diese Einsicht aufgreifen könnte?

2. Thematische Fokussierung

Der Anbruch des Gottesreiches (im Matthäusevangelium des „Reichs der Himmel“) ist dem Zeugnis der synoptischen Evangelien zufolge die zentrale Botschaft Jesu, einhergehend mit dem Aufruf, dieser Ankunft des Gottesreiches mit  einer neuen Lebenseinstellung zu entsprechen (Mk 1,15).

Dabei meint Jesus mit seiner Rede vom Reich Gottes das Offenbarwerden der bis dato verborgenen Königsherrschaft Gottes über die Welt, also die Manifestation des göttlichen Heilswillens für seine Geschöpfe. „Heil“ darf dabei nicht zu eng verstanden und nur auf das Seelenheil der Menschen bezogen werden. Es schließt auch die körperliche Integrität jedes und jeder Einzelnen ein, genauso wie Lebensverhältnisse, die sich am Maßstab der göttlichen Gerechtigkeit orientieren und sich daher besonders für Menschen am Rande der Gesellschaft positiv auswirken. In der jesuanischen Reich-Gottes-Predigt artikulieren sich auf diese Weise Hoffnungen und Erwartungen, die angesichts der krisenhaften Verhältnisse unserer Gegenwart immer noch hochaktuell sind. Daran kann eine Predigt über Mt 13,44-46 anknüpfen.

Zu bedenken ist dabei aber, dass dieses Reich Gottes, von dem Jesus redet, nur in Spannungen beschrieben werden kann. In räumlicher Hinsicht zeigt es sich einerseits schon hier „auf Erden“, kann aber andererseits niemals in innerweltlichen Bezügen aufgehen, sondern ist ein Bereich, der über das Irdische hinausgeht. Es ist zeitlich betrachtet schon gegenwärtig erfahrbar (Mt 12,28; Lk 17,20f), steht aber auch noch aus (Lk 11,2 und Mt 6,10). Es ist einerseits vollkommenes Geschenk Gottes, Gabe, „gratis“. Andererseits fordert es die Umkehr des Menschen, seine Bereitschaft, etwas aufzugeben (vgl. z.B. Lk 9,62). Diese Spannungsverhältnisse lassen sich auch in unserem Doppel-Gleichnis entdecken, zum Beispiel in der Dialektik von Vorhandensein und Verborgenheit, im Nebeneinander von Finden und Kaufen, Alltäglichem und Außergewöhnlichem.

3. Lebensweltliche und kirchenjahreszeitliche Anknüpfungspunkte

Den „Fund des Lebens“ zu machen (unabhängig davon ob zufällig oder als Ergebnis intensiver Suche) scheint mir eins der existentielle Motive des biblischen Textes zu sein, an das eine Predigt anknüpfen kann. Sicher fällt vielen Menschen im Gottesdienst eine eigene Geschichte zu diesem Thema ein.

Auch die Frage danach, was Menschen aufbieten, einsetzen oder investieren, um sich einen Lebens-Fund  zu sichern bzw. ein bestimmtes materielles oder immaterielles Gut anzueignen,  wird vielen vertraut sein: Es gibt Liebesbeziehungen, die große Opfer erfordern. Es gibt musikalische oder sportliche Begabungen, die Menschen in sich finden, die aber nur unter erheblichem Aufwand realisiert werden können. Manch einer findet seine Lebensaufgabe darin, für Freiheit und Demokratie zu kämpfen, und verzichtet dafür auf eine eigene Familie oder nimmt (wie Alexej Nawalny) Gefängnisstrafen und Schlimmeres in Kauf. Religiös gewendet prägt dieser zweite Gedanke auch das Proprium des 9. Sonntag nach Trinitatis, sofern einige der Texte und auch das zweite Wochenlied stark machen, dass auch Glauben etwas mit Engagement, großem Einsatz (vgl. EG.E 32 und die Epistel Phil 3,7-14) und Risikobereitschaft (Mt 25,14-30) zu tun hat.

4. Anregungen

Wie schon erwähnt, akzentuiert Roland Deines im Anschluss an Ernst Baasland die appellative Dimension des Doppelgleichnisses. Auch die Predigt, die mir ChatGPT zu Mt 13,44-46 anbietet, geht diesen Weg. Sie endet mit den Worten: „Diese Gleichnisse erinnern uns daran, dass das Reich Gottes nicht nur etwas ist, das wir nebenbei erreichen können. Es erfordert Hingabe und die Bereitschaft, alles für Jesus aufzugeben.“

Ich selbst würde allerdings anders ansetzen und zum einen versuchen, das Schwebende und Spannungsreiche aufzugreifen, das die neutestamentliche Reich-Gottes-Vorstellung (auch in Mt 13,44-46) prägt. Zum anderen ist es mir wichtig, die Deutungsoffenheit der jesuanischen Gleichnisse ernst zu nehmen und die ihnen innewohnende Einladung zur Geltung zu bringen, dass Menschen ihre eigenen Schlüsse aus dem Gehörten ziehen.

Beiden Aspekten könnte eine Predigt gerecht werden, die als eine Art Erkundung angelegt ist. Diese Erkundung würde auf einer ersten Ebene auf das Gleichnis selbst zielen und verschiedene Lesarten durchspielen. Hier könnten auch die jeweiligen Besonderheiten der beiden Geschichten in den Blick genommen werden. Fragen für diese Erkundung wären etwa, was das Reich Gottes mit einem Schatz im Acker, was mit einem Kaufmann gemeinsam hat. Unter welchen Bedingungen es sich als unverhoffter Fund, unter welchen als Ergebnis intensiver Suche präsentiert. Natürlich auch, welchen Einsatz es uns abverlangt bzw. was Menschen „in ihrer Freude“ (Mt 13,44) tun, nachdem sie das Reich Gottes gefunden haben.

Auf einer zweiten (mit der ersten verschränkten) Ebene würde sich die Predigt der Frage nach dem Reich Gottes in unserem Leben bzw. in unserer Welt widmen. Wo ist das Reich Gottes (noch) verborgen? Wo offenbart es sich schon? An welchen Stellen zeigt es sich in seiner alltäglichen Außergewöhnlichkeit bzw. außergewöhnlichen Alltäglichkeit? In welchem Verhältnis steht es zu unseren „Lebensfunden“?

Zwischen beiden Ebenen ließe sich immer wieder hin und her blenden. Verschiedene Deutungsmöglichkeiten könnten vorgeschlagen und in ihrem Für und Wider bedacht werden, ohne dass sich die Predigt definitiv auf eine Option festlegen müsste. Ich persönlich würde in so einer Predigt auch die Frage wagen, ob sich das zweite Gleichnis (Mt 13,45f) nicht auch als Suche des Himmelreiches nach uns Menschen verstehen lässt. Immerhin fungiert der Kaufmann in diesem zweiten Gleichnis grammatisch als Vergleichspunkt für das Gottesreich. Und dass der Kaufmann alles, was er hat, einsetzt, um seinen kostbaren Fund zu erwerben, ließe sich vielleicht sogar christologisch ausdeuten.

Literatur

  • Zimmermann, Ruben: Die Gleichnisse Jesu. Eine Leseanleitung zum Kompendium, in: Ders. (Hrsg.): Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh 2007, 3-46.

Autoren

  • Prof. Dr. Roland Deines (Einführung und Exegese)
  • Dr. Kathrin Mette (Praktisch-theologische Resonanzen)

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