Deutsche Bibelgesellschaft

Übersetzungstypen

Je nachdem, welchen Zweck eine Bibelübersetzung verfolgt, können verschiedene Verfahren des Übersetzens zur Anwendung kommen. Erfahren Sie mehr über die unterschiedlichen Übersetzungstypen.

Übersetzungstypen

Das Spektrum der Bibelübersetzungen erstreckt sich zwischen zwei Extremen: Die Übersetzung kann versuchen, den Wortlaut der fremden Sprache in der eigenen möglichst genau nachzubilden – um den Preis, dass dieser Wortlaut zunächst wie eine Fremdsprache klingt. Oder die Übersetzung kann versuchen, den fremdsprachlichen Text sinngemäß „mit eigenen Worten“ wiederzugeben, sodass er unmittelbar verständlich ist – um den Preis, dass die Leserinnen und Leser darauf vertrauen müssen, dass der Übersetzungstext auch tatsächlich dem ursprünglichen Bibeltext entspricht.

Jeder Übersetzungstyp hat seine Vorteile und seine Nachteile. Sie zu kennen, ist hilfreich bei der Verwendung einer Bibelübersetzung. Manchmal bietet es sich an, beim Lesen der Bibel mehrere Bibelübersetzungen nebeneinander zu benutzen. Wenn diese verschiedenen Übersetzungstypen folgen, gleichen sich die Nachteile aus. Möchten Sie wissen, welche deutsche Bibelübersetzung zu welchem Übersetzungstyp gehört, können sie sich hier informieren.

Die Wort-für-Wort Übersetzung

Dem bloßen Wortlaut des fremden Textes am nächsten kommt eine Übersetzung, die für jedes Wort der Ausgangssprache ein entsprechendes Wort der Zielsprache einsetzt (Wort-für-Wort-Übersetzung). Sie ist nicht nur stilistisch unschön und grammatisch fehlerhaft, sondern auch weithin unverständlich.

In der Wort-für-Wort-Übersetzung wird z.B. »I have been walking« zu »Ich habe gewesen gehend« oder das lateinische »rebus sic stantibus« zu »Dingen so stehenden«. Eine solche Übersetzung dient deshalb in der Regel nur dazu, eine Brücke zum Originaltext zu schlagen. Sie wird deshalb immer im Zusammenhang mit dem fremdsprachlichen Text abgedruckt. Dabei wird die Wort-für-Wort-Übersetzung zwischen die Zeilen des Originaltexts geschrieben und so angeordnet, dass die Wörter einander entsprechen. (Bei einem hebräischen Text folgt damit die Wort-für-Wort-Übersetzung auch der Schreibrichtung von rechts nach links.) Eine solche Anordnung nennt man eine „Interlinearversion“ („zwischen die Zeilen“).

Die philologische Übersetzung („wörtlich“)

Dieser Übersetzungstyp wird auch als „wörtliche Übersetzung“ bezeichnet, unterscheidet sich aber grundlegend von der Wort-für-Wort-Übersetzung in der Interlinearversion. Sie bleibt zwar ebenfalls nahe am Ausgangstext, doch werden Wortfolge und Satzbau der Zielsprache angepasst. Grammatische Formen, die es in der Zielsprache nicht gibt (z.B. das englische Gerundium), werden durch Umschreibungen wiedergegeben. Für ein und dasselbe Wort der Ausgangssprache werden je nach Sinnzusammenhang unterschiedliche Wörter der Zielsprache eingesetzt. Die Faustformel dieses Übersetzungstyps lautet: So wörtlich wie möglich, so frei wie nötig.

Die philologische Übersetzung berücksichtigt, dass sich Sprachen in vielfältiger Weise voneinander unterscheiden. Es ist daher unmöglich, die Aussage eines Originaltexts eins zu eins in einer anderen Sprache wiederzugeben. Das zeigt sich besonders deutlich beim Bedeutungsumfang von Wörtern. Nur in den wenigsten Fällen entspricht dieser dem Bedeutungsumfang in der Zielsprache. Wer in einem Wörterbuch das englische Wort „in“ aufschlägt, findet als Grundbedeutungen im Deutschen „in, an, auf“ und darüber hinaus noch eine Vielzahl von weiteren, speziellen Bedeutungen. Gleiches gilt für die gefüllteren und gewichtigeren Wörter, im Besonderen für die tragenden »Begriffe«. So hatte etwa Martin Luther große Schwierigkeiten, das griechische Wort für „Gerechtigkeit“ angemessen zu verstehen. Denn es besitzt Bedeutungsaspekte, die wir im Deutschen eher mit Treue oder Liebe wiedergeben würden.

Manche philologische Übersetzungen bemühen sich, die tragenden Begriffe der Ausgangssprache stets mit ein und demselben Wort in der Zielsprache wiederzugeben. Dieses Verfahren nennt man begriffskonkordant („übereinstimmend“ in den beiden Sprachen). Die Schwierigkeit besteht darin, dass Leserinnen und Leser darauf gefasst sein müssen, dass das betreffende deutsche Wort in der Übersetzung eine andere als die gewohnte Bedeutung hat. Ein solches Wort muss man dann wie ein Fremdwort behandelt und seinen Sinn aus dem Zusammenhang erst erschließen. So bezeichnet das griechische Wort für „Fleisch“ häufig den „vergänglichen Menschen“ und nicht das, was bei uns gelegentlich auf den Tisch kommt.

Für philologische Übersetzungen gilt mehr oder weniger, dass sie erklärungsbedürftig sind. Leserinnen und Leser sind dazu herausgefordert, sich auf die hinter der Übersetzung stehende Lebenswelt einzulassen und sich den fremden Text Zug um Zug zu erschließen. Friedrich Schleiermacher hat Übersetzungen ganz allgemein in zwei Typen eingeteilt: solche, die den Text zum Leser hinbewegen, und solche, die es nötig machen, dass der Leser sich zum Text hinbewegt. Die philologische Übersetzung steht in der Mitte.

Die kommunikative Übersetzung („sinngemäß“)

Eine ganze Reihe von Bibelübersetzungen hat sich zum Ziel gesetzt, den Text so weit wie möglich zum Leser hinzubewegen. Sie tun nicht nur, was „nötig“ ist, um einen Text nach Grammatik und Satzbau der Zielsprache anzupassen. Vielmehr tun sie alles, was „möglich“ ist, um dem Textinhalt in der Übersetzung so darzubieten, dass er auf Anhieb verstanden werden kann.

Um der leichteren Verständlichkeit willen verzichtet dieser Übersetzungstyp auf den Versuch, die sprachliche Form des Originaltextes in der Übersetzung mehr oder weniger nachzuahmen. Statt formaler Entsprechung zwischen Original und Übersetzung streben sie vor allem die inhaltliche Übereinstimmung an. Der Sinn des Ausgangstextes soll so deutlich und verständlich wie möglich wiedergegeben werden, auch wenn die sprachliche Form der Wiedergabe mit der Sprachform des Originals nichts mehr gemein hat.

Wo eine wörtliche Übersetzung sagt: „Johannes der Täufer verkündete die Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden“ (Markus 1,4), heißt es dann sinnentsprechend und auf Anhieb verständlich: „Johannes sagte zu den Menschen: ›Lasst euch taufen und fangt ein neues Leben an, dann wird Gott euch eure Schuld vergeben!“

Die Information, die im Originaltext teils explizit, teils implizit enthalten ist, wird hier ausdrücklich und in voller Breite in der Übersetzung vermittelt. Komprimierte Aussagen werden verdeutlichend aufgelöst; an die Stelle eines Einzelwortes oder einer Wortverbindung des Originaltextes kann in der Zielsprache ein ganzer Satz treten. Längere Zusammenhänge werden unter Umständen zur besseren Verständlichkeit in der Zielsprache neu aufgebaut („umstrukturiert“).

Auf Begriffskonkordanz muss eine solche Übersetzung um der Verständlichkeit willen verzichten. Sie wird einen Begriff der Ausgangssprache durch unterschiedliche Begriffe oder Wendungen der Zielsprache wiedergeben, je nach der Bedeutung, die er im jeweiligen Zusammenhang hat. Statt begriffskonkordant zu sein, ist eine solche Übersetzung kontextorientiert: Ihr geht es weniger um Beziehungen, die durch einen bestimmten Begriff zwischen verschiedenen Texten (oft locker und willkürlich) hergestellt werden, sondern um die genaue Aussage innerhalb des jeweiligen Zusammenhangs.

Eine solche Übersetzung bezeichnet man als „kommunikativ“, weil ihr alles an der Mitteilung des Sinnes, an der Kommunikation mit den Leserinnen und Lesern gelegen ist. Unter formalen Gesichtspunkten ist sie „frei“, aber unter inhaltlichen Gesichtspunkten kann sie, wenn sie gelungen ist, so genau und zuverlässig sein wie eine „wörtliche“ Übersetzung. Sie kürzt lediglich für die Empfänger den Prozess des Verstehens ab, weil sie ihnen die Mühe erspart, die „Fremdsprache“ des Textes erst zu entziffern. Ihr Nachteil ist, dass sie den Sinn eines Textes zu eindeutig festlegen will und dadurch gewisse „Untertöne“ unhörbar macht. Mögliche Nuancen oder Assoziationen werden ausgeschlossen.

Deutsche Bibelgesellschaftv.4.25.2
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