Deutsche Bibelgesellschaft

Luthers Übersetzungsmethode

„Dem Volk aufs Maul sehen“

Martin Luther war nicht der Erste, der eine deutsche Bibelübersetzung anfertigte. Doch im Unterschied zu Übersetzern vor ihm orientierte er sich an den hebräischen und griechischen Ausgangstexten. Und vor allem: Er wollte „dem Volk auf das Maul sehen“ und so übersetzen, dass es die „Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, der gemeine Mann auf dem Markt“ verstehen.

Der „Sendbrief vom Dolmetschen“ (1530)

Der Ausdruck „dem Volk aufs Maul sehen“ stammt aus einem offenen Brief Martin Luthers aus dem Jahr 1530, der den Titel „Sendbrief vom Dolmetschen“ trägt. Darin verteidigte Luther seine Bibelübersetzung – nicht ohne Polemik – gegenüber verschiedenen Vorwürfen. Kritisiert wurde vor allem Luthers Übersetzung von Röm 3,28: „allein durch den Glauben“, denn für das Wort „allein“ gibt es keine wörtliche Entsprechung im griechischen bzw. lateinischen Text. Luther zeigt im Sendbrief, dass das „allein“ in der deutschen Übersetzung sprachlich notwendig ist und darüber hinaus auch im Einklang mit der Theologie des Apostels Paulus steht. Im Folgenden seien Auszüge aus dem „Sendbrief vom Dolmetschen“ zitiert, die einen guten Einblick in Luthers Übersetzungsarbeit bieten:

Hier den „Sendbrief vom Dolmetschen“ (1530) lesen.

Mit der Wendung „dem Volk aufs Maul sehen“ wendet sich Luther also gegen eine falsch verstandene Wortwörtlichkeit beim Übersetzen. Ihm ging es darum, gutes Deutsch zu sprechen. Statt fremde Sprachformen ungelenk nachzubilden, wollte Luther den natürlichen deutschen Ausdruck nutzen. Denn jede Sprache und jede Kultur hat seine eigenen Formulierungen, die sich nicht einfach wörtlich in eine andere Sprache übersetzen lassen. Zum Übersetzen gehört mehr, als nur die Vokabeln zu kennen und dann Wort für Wort zu übertragen. Wer Texte übersetzt, muss die Ausgangssprache beherrschen, muss den ursprünglichen Sinn verstehen, muss dabei im Blick behalten, wie die Menschen sprechen, für die er übersetzt, und muss in dieser Sprache Möglichkeiten finden, den Sinn treffend auszudrücken.

Kein Gassenjargon und keine Nachlässigkeit beim Übersetzen

Dass Luther als Bibelübersetzer die Möglichkeiten der deutschen Sprache ausschöpfte wie keiner vor ihm, hat zu dem durchschlagenden Erfolg seiner Bibel geführt. Er hat dabei auch manche volkstümliche oder sprichwörtliche Wendung aufgenommen, aber er hat nicht „dem Volk nach dem Maul geredet“. Kraftausdrücke und Gassenjargon hat Luther aus seiner Bibel bewusst ferngehalten, so gern er sich ihrer in seinen Streitschriften bedient hat (vgl. die Rede von den „Eselsköpfen“ im Zitat oben).

Das lässt sich mit Beispielen belegen. An der Stelle, wo Saul in die Höhle geht, um seine Notdurft zu verrichten (1. Samuel 24,4), schrieb Luther zuerst in sein Manuskript: „Und Saul ging hinein, zu scheißen“. Aber im Druck heißt es dann: „seine Füße zu decken“, und dazu die Randbemerkung: „So züchtig ist die Heilige Schrift“. Und an der Stelle, wo Saul von einem bösen Geist geplagt wird (1. Samuel 16,14), verkneift Luther es sich, die nahe liegende Redensart zu gebrauchen: „Er wurde vom Teufel geritten“, so treffendes Deutsch das auch sein mochte.

Auch wenn Luther darauf bedacht war, die Bibeltexte ihrem Sinn nach zu übersetzen, so war das für ihn kein Freibrief zur Nachlässigkeit. Wo nötig, lernte er von Fachleuten am Objekt sogar die präzisen Bezeichnungen für Edelsteine oder ließ sich die einzelnen Teile eines Tieres zeigen und benennen. Schwierige Aussagen hat er also nicht „heruntergebrochen“, dass es jeder versteht. Das ist gemeint, wenn es im Sendbrief heißt: „Ich habe eher der deutschen Sprache Abbruch tun wollen, als von dem Wort zu weichen.“

Beispiele für Luthers Übersetzungsarbeit

Im folgenden Abschnitt sind einige markante Beispiele für Luthers fortwährende Übersetzungsarbeit angeführt. Nicht immer hat Luther in der ersten Fassung eine überzeugende Wiedergabe gefunden. Bis an sein Lebensende hat er im Einzelnen Verbesserungen seiner Übersetzung vorgenommen. An solchen Verbesserungen lässt sich besonders gut ablesen, worauf es Luther bei seiner Übersetzung ankam, nämlich rein und klar Deutsch zu reden.

Hier Beispiele für Luthers Übersetzungsarbeit ansehen.

Deutsche Bibelgesellschaftv.4.25.2
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