Deutsche Bibelgesellschaft

6.6.03. Der Prophet Amos (Am)

Übersicht über das Amosbuch

1,3-2,16 Sprüche (Zahlensprüche) gegen Israels Nachbarn, auf Israel zielend
3-6 Sprüche gegen Israel
7,1-9,6 Visionen und Berichte
9,7-15 Heilsausblick

Wirksamkeit

Amos („der [von JHWH] Getragene“) ist der älteste Prophet, von dem ein eigenes Buch erhalten blieb. Er wirkte um 750 im Nordreich Israel (kurz vor Hosea), obwohl er offenbar aus Tekoa im Südreich Juda stammte. Amos war kein Prophet, sondern er wird als Schafzüchter vorgestellt (1,1; 7,14). Er fühlte sich von JHWH in den Norden gesandt, wo er zur Zeit der wirtschaftlichen Blüte unter Jerobeam II. gegen die ausbeuterischen Methoden der Oberschicht das Gericht über dieses Land prophezeien sollte. Die Frage, ob Amos auch eine Heilsperspektive für Israel hatte (vgl. 5,4-7.14f.; 9,11ff.), ist außerordentlich umstritten. Sicher ist, dass auch er die besondere Erwählung Israels durch JHWH formuliert hat, aus der dann auch eine besondere Verantwortung Israels resultiert, vgl. 3,2: „Euch allein habe ich erwählt von allen Geschlechtern der Erde, darum suche ich an euch heim all eure Schuld.“

Wichtige Einzeltexte

Neben dieser groben Gliederung sollte man die wichtigsten Einzeltexte im Kopf haben:

Völkersprüche

Die Völkersprüche Kap. 1-2 lassen sich wohl in echte und unechte (Tyrus, Edom und Juda) unterscheiden. Dies weist einmal mehr darauf hin, dass die Botschaft der Propheten später aktualisierend erweitert wurde. Die gegen Israel geäußerte Anklage läutet das Thema des Amos ein, die Kritik an den sozialen Zuständen: Die Unschuldigen werden ausgebeutet, kommen nicht zu dem ihnen zustehenden Recht, weil dies die Oberschicht verhindert. Erneut (2,10) wird auf den Exodus aus Ägypten als Grunddatum der Geschichte Gottes mit Israel verwiesen.

Gerichtsansagen

In Kap. 3-6 fallen zunächst die textinternen Gliederungsmerkmale auf: „Höret“ in 3,1; 4,1; 5,1. Die Kapitel sammeln Gerichtsansagen gegen Israel, die besonders mit Kritik an den sozialen Zuständen, aber auch mit mangelhaftem Kultus begründet werden, vgl. etwa 4,1-5. 3,3-8 spiegeln das Ergriffensein des Amos durch Gottes Stimme, die ihn zum Prophetenamt treibt: „Der Löwe brüllt, wer fürchtet sich nicht? Mein Herr JHWH redet, wer weissagt nicht?“

Kapitel 5 nimmt die Vorstellung vom Tag JHWHs auf (V. 18) und wendet sie gegen Israel, indem die Leichenklage angestimmt wird: Jener Tag wird kein Heil, sondern nur Verderben bringen. In 5,8f. findet sich eine seltene schöpfungstheologische Begründung, die mit den anderen Doxologien (Lobreden) in 4,13 und 9,5f. zu vergleichen ist.

Visionen

In den Kapiteln 7-9 finden sich fünf Visionen, die ersten vier sind eingeleitet mit „Solches ließ mein Herr JHWH mich schauen“ (7,1; 7,4; 7,7; 8,1). Visionär sieht Amos zunächst eine Heuschreckenplage und eine Feuersbrunst, die Gott aber nach einer Fürbitte abwendet. Darauf erscheint ihm der Herr auf einer Mauer aus Zinn (nicht: mit einem Senkblei), und in der vierten Vision sieht Amos einen Korb reifen Obstes. Nun ist keine Fürbitte mehr möglich, das Volk ist reif für das Gericht. In der fünften Vision 9,1-4 (Echtheit umstritten) sieht Amos Gott selbst über dem Altar, der die Unwiderruflichkeit des Unheils bestätigt, 9,4: „Ich richte mein Auge auf sie zum Bösen und nicht zum Guten“.

Amos und Amazja

7,10-17 berichten von der Begegnung zwischen Amos und Amazja („JHWH ist stark“), dem Priester des königlichen Heiligtums von Bet-El. Der Priester fordert Amos auf, nach Juda zu flüchten und dort (Unheil) zu prophezeien. Amos antwortet mit dem Hinweis auf seine göttliche Sendung und wiederholt die Gerichtsansage, welche die Ankündigung der Deportation der Israeliten einschließt.

Heilsansagen

Das Buch schließt mit den (in ihrer Authentizität strittigen) Heilsansagen 9,7-15; wichtig ist vor allem 9,11: „An jenem Tage will ich die zerfallene Hütte Davids wieder aufrichten“. Diese Stücke sind daher so strittig, weil man Amos als reinen Gerichtspropheten ansieht, dem man dann folglich keine Heilsperspektive für das Volk Israel mehr zutraut. Jedoch stellt sich die Frage, ob das wirklich sachgemäß ist. Kann der Prophet mit seinem Auftreten nicht auch die Hoffnung auf Umkehr, also auf die Wirksamkeit seiner Botschaft verbunden haben?

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Die Texte auf dieser Seite sind mit freundlicher Genehmigung übernommen aus:

Cover der Bibelkunde des Alten Testaments von Martin Rösel

Rösel, Martin: Bibelkunde des Alten Testaments. Die kanonischen und apokryphen Schriften. Mit Lernübersichten von Dirk Schwiderski, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 11., veränd. Aufl. 2021.

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