Deutsche Bibelgesellschaft

7.03. Zusätze/Stücke zum Buch Ester (ZusEst)

Textformen

Das Buch Ester existiert in unterschiedlichen Fassungen, einer kürzeren, hebräischen und einer längeren, griechischen Textform. Zu dieser gibt es zudem eine kürzere Variante, den sogenannten Alpha-Text. Die Hauptüberlieferung des griechischen Textes weist mehr als 100 zusätzliche Verse auf, die in Blöcken an verschiedenen Stellen des Buches zugefügt wurden. In der Geschichte der Bibelausgaben gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, mit diesen Zusätzen umzugehen: In der Septuaginta werden sie an der Stelle geboten, an der sie sich nach dem Erzählzusammenhang sinnvoll in den hebräischen Text einfügen. Die einzelnen Verse erhalten dann entweder die Nummer des Verses, an den sie angeschlossen sind und werden mit Buchstaben weitergezählt. Eine andere Option ist, die Zusätze mit Buchstaben zu kennzeichnen und dann die Verse wie auch sonst üblich durchzuzählen; dieses System wenden die neueren Ausgaben an.

In Übersetzungen, die von der lateinischen Vulgata des Hieronymus abhängig sind, der sich stärker am hebräischen Text orientierte, stehen die Zusätze als 10,4-16,24 im Anschluss an den Text der hebräischen Kurzfassung. Dem ist die Lutherbibel gefolgt; hier werden die griechischen ganz von den hebräischen Texten getrennt und separat bei den Apokryphen geboten, nun mit konventioneller Kapitel- und Verszählung auf Zahlenbasis. Manche Bibelausgaben enthalten zwei getrennte Übersetzungen des hebräischen und des griechischen Esterbuches (so z. B. die Gute Nachricht oder die Bibel in gerechter Sprache). Andere haben einen Mischtext, in dem der hebräische Grundtext und die griechischen Erweiterungen zu einem fortlaufenden Text zusammengestellt werden, den es aber so nie im Altertum gegeben hat (vgl. die Einheitsübersetzung).

Inhalt

Die Zusätze zum Esterbuch wollen inhaltliche Defizite ausgleichen, die man offensichtlich in der kurzen Form empfand. Im hebräischen Text wurde nur in 4,14 auf Gottes Macht angespielt; die Zusätze fügen nun in Gebeten und Träumen Bezugnahmen auf Gott und seine Macht ausdrücklich ein. Die Historizität des Dargestellten soll zusätzlich durch die Zitation von offiziellen Erlassen des Königs erhöht werden.

In Zusatz A am Anfang des Buches wird ein Traum von Mordechai, Esters Vormund, berichtet, der an die Visionen in Dan 2; 10-12 erinnert. Zudem wird berichtet, wie Mordechai von der Verschwörung gegen Xerxes erfährt, die für das spätere Geschehen wichtig wird. Die Deutung des Traumes geschieht am Ende des Buches nach Kap. 10 in Zusatz F, wo die im Esterbuch geschilderten Ereignisse mit den Elementen des Traums in Übereinstimmung gebracht werden.

In Zusatz B zu 3,13 wird der Erlass des Artaxerxes zur Ausrottung aller Juden nachgetragen, in Zusatz E zu 8,12 der zweite Erlass des Königs, der den ersten außer Kraft setzt und die Juden unter seinen Schutz stellt.

Zusatz C zu 4,17 ergänzt Gebete des Mordechai und der Ester, die Gott anrufen und ihr Wohl in seine Hände legen.

Zusatz D zu 5,1 und 5,2 berichtet ausführlicher, wie Ester „in blühender Schönheit“ vor dem König erscheint. Am Buchende erklärt der Anhang F, 11, wie die griechische Übersetzung im Jahre 114 v. Chr. nach Alexandrien gekommen sei.

Entstehung

Die Erweiterungen des Esterbuches sind gewiss in einem schriftgelehrten Umfeld (in Palästina?) entstanden, in dem das heute erhaltene hebräische Buch bereits in Geltung stand. Gleichzeitig hatte man aber auch inhaltliche Standards entwickelt, denen eine solche Geschichte entsprechen sollte. So mussten die jüdischen Hauptdarsteller in ihrer Gottesfurcht und Gesetzestreue ausgezeichnet werden, die Geschichtsmächtigkeit Gottes wurde dadurch betont.

Die einzelnen Zusätze sind in ihrer sprachlichen Gestaltung nicht einheitlich, so dass verschiedene Entstehungsstadien angenommen werden müssen. Es scheint sicher zu sein, dass die beiden königlichen Erlasse ursprünglich in Griechisch formuliert wurden, die anderen Zusätze können auch einen hebräischen Ursprung haben. Zur Datierung lassen sich nur Vermutungen anstellen. Sicher ist immerhin, dass der jüdische Geschichtsschreiber Josephus im 1. Jh. n. Chr. die Zusätze kannte, teilweise stammen sie sicher aus dem 2. vorchristlichen Jahrhundert.

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Die Texte auf dieser Seite sind mit freundlicher Genehmigung übernommen aus:

Cover der Bibelkunde des Alten Testaments von Martin Rösel

Rösel, Martin: Bibelkunde des Alten Testaments. Die kanonischen und apokryphen Schriften. Mit Lernübersichten von Dirk Schwiderski, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 11., veränd. Aufl. 2021.

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