Dalman, Gustaf
(1855-1941)
(erstellt: Juni 2015)
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1. Jugend und Ausbildung
Gustaf Dalman wurde am 9. Juni 1855 in Niesky in der Oberlausitz als Gustav Hermann Marx geboren. 1886 nahm er den Mädchennamen seiner aus Schweden stammenden früh verstorbenen Mutter an. Er hat an ihr und den schwedischen Verwandten sehr gehangen und wollte so diesen Zweig der Familie fortsetzen. Das ist ihm auch gelungen, allerdings anders als er gedacht hatte, denn er hatte nur einen Sohn, Knut Olof, der im Alter von 28 Jahren starb. Aber der Name Dalman ist durch sein wissenschaftliches Werk berühmt geworden und bis heute weltbekannt.
Niesky gehörte zur Brüdergemeine und in diesem geistigen Umfeld, das geprägt war durch lebendigen Umgang mit der Bibel und große Weltoffenheit durch die Herrnhuter Missionare, die in nahezu allen Gegenden der Erde arbeiteten, wuchs Dalman auf und wollte ursprünglich auch Missionar (und Tischler) werden. Zunächst besuchte er die Ortsschule in Niesky und anschließend dort das berühmte Pädagogium, wo er auf Kosten der Brüdergemeine auf den geistlichen Dienst vorbereitet wurde. Nach dem Abitur im Jahre 1874 fuhr er zum ersten Mal nach Schweden und studierte anschließend am Theologischen Seminar der Brüdergemeine in Gnadenfeld in Schlesien Theologie. Wie in der Brüdergemeine üblich, war er dann als Lehrer und Erzieher an den Internatsschulen in Kleinwelka und Gnadenfrei tätig, wo die Kinder der Missionare lebten sobald sie schulpflichtig waren.
2. Beruflicher Werdegang
Im Jahre 1881 wurde er – für ihn selbst überraschend – als Dozent an das Theologische Seminar in Gnadenfeld berufen, also an die Einrichtung, an der er selbst studiert hatte. Bis 1887 lehrte er dort Altes Testament und Praktische Theologie. Es war keine sehr glückliche Zeit für ihn. Zu weit lagen die Vorstellungen und Erwartungen der Brüdergemeine einerseits und seine eigenen andererseits bezüglich der Ausbildung und deren Ziel auseinander. Die Brüdergemeine erwartete redegewandte Prediger mit solider Bibelkenntnis – mehr nicht. Dalman wollte die Studenten mit den theologischen Strömungen der Zeit bekannt machen und sie schulen für die Auseinandersetzung mit der historisch-kritischen Exegese. Das führte oft auch zu Differenzen in der Frage, wie weit Brüdergemeine und Landeskirche theologisch übereinstimmten.
Schließlich gab es auch zwischenmenschliche Probleme. Als Unverheirateter musste Dalman nach der Ordnung der Brüdergemeine im Haus der ledigen Brüder wohnen. Dort gab es allerhand Missstände organisatorischer Art, die Dalman mit viel Geschick zu beheben suchte. Dabei überschritt er bisweilen seine Kompetenzen, was zu Spannungen zwischen den Kollegen führte. So verließ er 1887 nicht nur Gnadenfeld sondern löste auch grundsätzlich seine Verbindung zur Brüderkirche, später kehrte er aber zur Brüdergemeine zurück. Nach seinem Weggang von Gnadenfeld berief ihn der Leipziger Alttestamentler →
Franz Delitzsch
Bereits in Gnadenfeld hatte er den Licentiatengrad erworben und zum Dr. phil. promoviert. In Leipzig habilitierte er sich dann für Altes Testament und hatte damit alle Voraussetzungen für eine Berufung auf einen Lehrstuhl erfüllt. Zweimal stand er auch tatsächlich auf einer Liste (in Rostock und in Wien), aber für sein Spezialgebiet, die Beziehungen und die Zeit zwischen Altem und Neuem Testament, gab es nirgends eine Stelle, so nötig das auch gewesen wäre. So konnte er nur als Privatdozent an der Leipziger Theologischen Fakultät lehren.
Schon seit längerer Zeit hatte ihn die Frage beschäftigt, wie die Worte Jesu für seine Zeitgenossen geklungen hätten. Als Ergebnis seiner Studien erschien 1898 sein Buch "Die Worte Jesu mit Berücksichtigung des nachkanonischen jüdischen Schrifttums und der aramäischen Sprache", wofür er ein Stipendium der Leipziger Albrechtstiftung erhielt.
Mit diesem Stipendium und der finanziellen Unterstützung der schottischen und englischen Judenmission reiste er von März 1899 bis Juni 1900 durch Palästina, besuchte die entsprechenden Missionsstationen und studierte vor allem Land und Leute, übernachtetete in Bauernhäusern und Beduinenzelten und beobachte unter anderem das Wetter, das Pflügen, das Brotbacken, das Weben und probierte es auch selbst aus. Diese Art des Studierens, stets an Gegenständen und durch eigene Anschauung, gefiel ihm außerordentlich und er ahnte noch nicht, dass er schon bald ausführlicher dazu Gelegenheit haben sollte.
3. Jerusalem
Als am Reformationstag 1898 in Jerusalem in Gegenwart des deutschen Kaisers die Erlöserkirche eingeweiht wurde, äußerten die Vertreter der deutschen Landeskirchen den Wunsch, in Jerusalem auch ein deutsches archäologisches Institut zu gründen, wie es das bereits die Engländer, Franzosen und Amerikaner hatten. Der Kaiser bewilligte die Bitte und 1900 wurde das Deutsche Evangelische Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes gegründet und Gustaf Dalman zu seinem Direktor berufen. Im September 1902 reiste er mit seiner Frau – seit 1901 war er mit Karoline Sophie von Treskow, Tochter des preußischen Generalmajors Franz von Treskow, verheiratet – nach Jerusalem und hatte dort die Aufgabe, jeweils im Frühjahr in einem Lehrkurs von drei Monaten deutschen Theologen das Heilige Land zu zeigen und zu erklären. In der übrigen Zeit setzte er das Studium von Land und Leuten fort, wie er es bereits auf seiner ersten Palästinareise betrieben hatte. Den Sommer 1914 verbrachte er mit seiner Familie in Europa, als der Krieg ausbrach. Die Rückkehr nach Jerusalem und die Wiederaufnahme der Institutsarbeit wurde im Verlauf des Krieges immer unwahrscheinlicher, sodass er schließlich 1917 einen Ruf nach Greifswald auf ein alttestamentliches Extraordinariat annahm. Bis zu seiner Emeritierung zum 30.9.1929 hielt er alttestamentliche Vorlesungen und daneben Übungen zu seinem Spezialgebiet – der Palästinakunde.
4. Greifswald und die Rückkehr nach Herrnhut
Von Anfang an verfolgte er den Plan, auch in Greifswald ein Palästinainstitut einzurichten, damit man sich dort auf eine Reise ins Heilige Land vorbereiten konnte und auch für diejenigen, die nicht nach Palästina reisen konnten, würde ein solches Institut eine ganz wesentliche Ergänzung ihrer Studien bieten. Dalman bemühte sich, zu diesem Zweck einen Teil seiner Sammlungen aus Jerusalem nach Greifswald zu holen.
Im Jahr 1922 trafen diese Dinge zusammen mit seinem persönlichen Besitz aus seiner Jerusalemer Wohnung in Greifswald ein und wurden zunächst in zwei gemieteten Räumen untergebracht. An seinem 70. Geburtstag, dem 9.6.1925, war er zum letzten mal in Jerusalem. In Deutschland hatte Gerhard Kittel im Vorfeld dieses Tages Kollegen, Schüler und Freunde Dalmans zu einer Geldsammlung für das Palästinainstitut in Greifswald aufgerufen. Mit dem Geld wurde schließlich die Gustaf Dalman Stiftung errichtet und seit 1925 trug das Palästinainstitut den Namen Dalmans: Gustaf Dalman Institut für biblische Landes- und Altertumskunde.
Nach dem Tod seiner Frau im Januar 1940 zog Dalman nach Herrnhut, wo er am 19. August 1941 starb. Er ist, wie auch seine Frau, auf dem Friedhof in Herrnhut begraben. Die Gustaf Dalman Stiftung hatte seine Bibliothek und seine Sammlungen erworben und der Theologischen Fakultät zum Geschenk gemacht.
5. Werke in Auswahl
In Greifswald entstand Dalmans Hauptwerk „Arbeit und Sitte in Palästina“, 7 Bände mit mehr als 3000 Seiten. Der 8. Band blieb unvollständig und wurde 2001 als Fragment herausgegeben.
Dalman begann mit einer Beschreibung des Landes, wie es sich dem Betrachter darbietet ohne Einwirkung des Menschen: Berge und Täler, Bodenbeschaffenheit und Vegetation im Wechsel der Jahreszeiten, die genauestens geschildert werden. Dann aber geht es darum, wie der Mensch das Land bearbeitet und gestaltet: Um Saat und Ernte, um Brot backen, Wein keltern und Öl pressen, um die Herstellung von Kleidung, um die Herstellung von Zelten und den Bau von Häusern und das jeweilige Leben darin. Alle Objekte werden in ihren verschiedenen Typen bis ins kleinste Detail beschrieben, wie auch die entsprechenden Werkzeuge, die dafür erforderlich waren. Ab Band 2 endet jedes Kapitel mit einem Abschnitt „Im Altertum“. Denn aus dem, was Dalman auf seinen Exkursionen beobachtete, schloss er unmittelbar auf die Erzählungen des Alten und Neuen Testaments. Man könne diese Texte nur verstehen, wenn man das Land und das gesamte Umfeld, in dem sie spielten, berücksichtige. Es war ihm wichtig zu betonen, dass die Heilsgeschichte sich in einem ganz konkreten Land ereignet hatte, in Gegenden und Orten, die man noch immer aufsuchen konnte.
Dalman ist nicht der erste Palästinawissenschaftler, aber er hat die verschiedenen Aspekte, die andere vor ihm bearbeitet hatten (Geschichte, Ethnologie, Landeskunde, Botanik, Archäologie und andere) erweitert und gebündelt und Palästinakunde als theologische Disziplin betrieben. Darin liegt sein besonderes und einmaliges Verdienst.
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Hamm 1975ff (im Internet
)
2. Hauptwerke in Auswahl
- Dalman, G., 1898, 2. Auflage 1930, Die Worte Jesu, Leipzig
- Dalman, G., 1908, Petra und seine Felsheiligtümer, Leipzig
- Dalman, G., 1912, Neue Petra-Forschungen und der heilige Felsen von Jerusalem (Palästinische Forschungen zur Archäologie und Topographie 2), Leipzig
- Dalman, G., 1919ff, Orte und Wege Jesu, Gütersloh
- Dalman, G., 1928-1942, Arbeit und Sitte in Palästina, Band 1-7, Gütersloh
- Dalman, G., 1930, Jerusalem und sein Gelände, Gütersloh
- Dalman, G., 2001, Arbeit und Sitte in Palästina, Band 8 (Fragment) mit Register, hg. von J. Männchen, Berlin
3. Sekundärliteratur
- Männchen, Julia, Gustaf Dalmans Leben und Wirken in der Brüdergemeine, für die Judenmission und an der Universität Leipzig 1855-1902, Wiesbaden 1987
- Männchen, Julia, Gustaf Dalman als Palästinawissenschaftler in Jerusalem und Greifswald, 1902-1941, Wiesbaden 1993
- Männchen, Julia, Das Herz zieht nach Jerusalem. Gustaf Dalman zum 150. Geburtstag. Im Auftrag der Theologischen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald zusammengestellt und kommentiert, Greifswald 2005
Abbildungsverzeichnis
- Gustaf Dalman um 1902. Aus: Dalman-Nachlass, Greifswald
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