Genesis
(erstellt: März 2006)
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1. Kontext
Die Genesis bildet das erste Buch des → Pentateuchs
2. Namen des Buches
Die hebräische Bezeichnung „Bereschit“ („Am Anfang“) nimmt wie bei Buchbezeichnungen üblich das erste Wort des Buches auf. In ihrem Licht erscheint die Schöpfungsgeschichte als das prägende Thema des Buches. Dies gilt auch für die vom Griechischen ins Lateinische übernommene Bezeichnung „Genesis“ („Entstehung“). Der traditionellen Auffassung, dass die Tora von Mose geschrieben wurde, verdankt sich Bezeichnung als „Das erste Buch Mose“.
3. Gliederungen
3.1. Die Gliederung in Urgeschichte und Erzelternerzählung
Die Genesis wird üblicherweise in zwei Hauptteile unterteilt: Die Urgeschichte (Gen 1,1-11,26
Von der Erzelternerzählung wird die → Josefsgeschichte
3.1.1. Die Eigenständigkeit der Urgeschichte
Die → Urgeschichte
Die Abfolge von Gen 1
Typisch für die Urgeschichte sind allgemein-menschliche Differenzierungen beispielsweise zwischen nomadischen Hirten und fest ansässigen Ackerbauern (Gen 4,2
3.1.2. Die Eigenständigkeit der Erzelternerzählung
Gegenüber den allgemein menschheitlichen Themen der Urgeschichte entfalten die Erzelternerzählungen Differenzierungen innerhalb der Nachkommen der Träger der Verheißung, → Abraham
3.1.3. Exkurs: „Erzelternerzählung“ statt „Erzvätererzählung“
Nicht zuletzt im Zuge der feministischen Exegese wurde der eigenständige Anteil der Frauen der Erzväter deutlich erkannt: Auch wo sie nicht eigens genannt sind, sind die Erzmütter eigenständige Trägerinnen der Verheißung von Nachkommenschaft. Eine Bezeichnung der sog. Vätergeschichte als Erzelternerzählung ist von daher sachgemäß: Selbst dort, wo Männer scheinbar die Handlung tragen, nehmen Frauen entscheidende Rollen ein.
Diese Entdeckungen sind aber keineswegs auf feministische Bibelauslegungen beschränkt. Bereits die rabbinische Auslegung im Midrasch Bereschit Rabba überliefert eine Reihe von Auslegungen, in denen die Perspektive Saras in die biblische Erzählung hinein reflektiert wird, so beispielsweise eine Klage Saras gegenüber Gott, als sie von ihrem Mann verlassen beim Pharao bleiben muss (Genesis Rabba 40,2 zu Gen 12,17
In neuerer Zeit gibt es beispielsweise eine ganze Reihe von Bildern Marc Chagalls zu Erzählungen der Genesis, in der er auf die besondere Rolle von Frauen in diesen Erzählungen hinweist, so beispielsweise aus der Verve-Bibel II Bild Nr. 20, in dem er Rebekka als die eigentlich Handelnde beim Erschleichen des Segens durch Jakob (Gen 27
3.1.4. Die Problematik der Gliederung
Beide traditionellen Hauptteile der Genesis enthalten Stoff, der sich der üblichen Zweiteilung in Urgeschichte und Erzelternerzählung widersetzt. Die → Völkertafel
Die Genesis bildet damit eine stark von Kontinuitäten geprägte Einheit. Als solche grenzt sie sich von dem nachfolgenden Buch Exodus ab. Das Buch Genesis bildet als ganzes eine Vorgeschichte zur Exoduserzählung bzw. zur Mosebiographie (Ex 1 – Dtn 34).
Die Problematik der Gliederung der Genesis in Urgeschichte und Erzelternerzählung verlangt nach einer Gliederung, die stärker textinternen Vorgaben folgt, deren Ausarbeitung aber forschungsgeschichtlich erst neueren Datums ist.
3.2. Die Gliederung nach Genealogien (Toledot)
3.2.1. Das System der Genealogien
Bereits im biblischen Text gibt es ein Netz von 10 Toledot-Formeln. Das in diesen Formeln verwendete hebräische Wort Toledot kann auch mit „Geschlechterfolge“ oder „Entstehungsgeschichte“ übersetzt werden (→ Genealogie
Das System dieser Formeln leistet wie eine Überschrift zweierlei: Die Genesis wird zunächst in Sinneinheiten untergliedert. Zudem gibt der Text der Überschriften einen Hinweis zum Verständnis des Abschnittes:
Innerhalb dieses Systems der Überschriften ragt Gen 5,1
In dieser Gliederung sind die zweite Schöpfungsgeschichte, die Paradieserzählung und die Mordgeschichten von Kain und seinem Nachkommen Lamech (Gen 1,1-4,26
3.2.2. Besonderheiten in der erzählerischen Umsetzung der Genealogien
Die häufig genannte Trias der drei Erzväter Abraham, Isaak und Jakob ist in den erzählten Geschichten sehr unterschiedlich stark repräsentiert: Mit Ausnahme von Gen 26
Im Ergebnis finden wir in der Genesis nicht drei, sondern lediglich zwei Großerzählungen, um die herum sich die Erzählungen der Genesis gruppieren: Die Erzählung von Abraham und Sara sowie von Jakob und seinen Frauen. Die beiden Erzählkreise von Abraham und Jakob stellen schwerpunktmäßig unterschiedliche Regionen des verheißenen Landes vor: Die Erzähltraditionen um Abraham gehören mit dem lokalen Schwerpunkt Hebron zum Südreich (Juda), während die Jakoberzählung über die Bethellegenden Gen 28
4. Textüberlieferung und Entstehung
4.1. Textüberlieferung
Die Textüberlieferung des biblischen Buches Genesis unterscheidet sich nicht von der der anderen Bücher des Pentateuchs. Das Buch ist in der Handschriftenüberlieferung in der Regel durch eine doppelte Leerzeile als Einheit erkennbar, und zwar auch dort, wo es keine eigenen Überschriften gibt. In der hebräischen Handschriftentradition gilt die des Pentateuchs und damit auch die der Genesis als besonders sorgfältig. Das hängt mit der liturgischen Verwendung des Pentateuchs als Teil der wöchentlichen Lesung eines Pentateuchabschnittes im Sabbatgottesdienst zusammen.
Eine Besonderheit hat die Textüberlieferung der Genesis in der griechischen Übersetzung, der → Septuaginta
4.2. Hypothesen zur Entstehung des Buches
4.2.1. Einzelne Beobachtungen
Traditionell gilt Mose als Verfasser des → Pentateuchs
Die weitere → Pentateuchkritik
Solche einzelnen Beobachtungen, die die Annahme einer Verfasserschaft von Mose für den gesamten Pentateuch problematisch erscheinen lassen, häufen sich in Folge des Humanismus und sind mit den Namen von Andreas Bodenstein (Karlstadt), Thomas Hobbes, Isaak de la Preyrère, Baruch Spinoza und Richard Simon verbunden. Der Hildesheimer Pfarrer Henning Bernhard Witter (1711) und der Leibarzt von Ludwig XIV. → Jean Astruc
4.2.2. Die Urkundenhypothese als Forschungskonsens von 1876-1976
In einer Phase vergleichsweise offener Suche setzt sich im 19. Jahrhundert das Modell von selbständigen Urkunden, die redaktionell zusammengestellt wurden, gegen andere Modelle wie beispielsweise die Ergänzungshypothese durch. Ab 1876 gewinnt die Ausarbeitung der sog. neueren Urkundenhypothese durch Julius Wellhausen für etwa 100 Jahre nahezu uneingeschränkte Zustimmung: Für diesen Zeitraum kann die Zahl und die Reihenfolge der Quellen „Jahwist – Elohist – Deuteronomium – Priesterschrift“ mit dem Kürzel „JEDP“ als Forschungskonsens gelten. Der → Jahwist
Bei näherem Hinsehen betraf dieser Forschungskonsens keineswegs alle Teile der neueren Urkundenhypothese. Die von → Hermann Gunkel
Unter den postulierten Urkunden war der Elohist wegen seiner offenkundigen Unvollständigkeit als Quelle immer besonders umstritten. Bei den anderen Quellen gibt es sehr unterschiedliche Hypothesen zu Vorstufen. Von größter theologischer Relevanz erscheint dabei die Abgrenzung der Gesetzestexte von einer erzählenden Priestergrundschrift, weil so gebotsbegründende Erzähltexte wie Gen 9
Insbesondere der Jahwist wurde in den theologischen Entwürfen von → Gerhard von Rad
4.2.3. Der gegenwärtige Forschungsstand
Gegenwärtig ist die Forschungslage völlig offen. Als Konsens kann allenfalls gelten, dass auf Grund einer veränderten Einsicht über die Religionsgeschichte Israels die Texte in der Regel deutlich später datiert werden. Als einflussreicher Neuentwurf, der die Argumente der Kritik aufnimmt, muss Erhard Blum gelten, der ab dem 6. Jahrhundert im Bereich der Genesis neben einer pentateuchübergreifenden deuteronomistischen und priesterlichen Komposition mit älteren Erzählblöcken im Bereich der Erzelternerzählung rechnet. Da dabei die jeweils jüngeren die älteren Kompositionen aufnehmen, gehört dieser Ansatz zu den Ergänzungshypothesen. Im Detail bleibt hier jedoch vieles offen: Da auch für Blum Gen 1-11 nachträglich der Erzelternerzählung vorgebaut wurde und der Anfang Gen 12
Eine ganze Reihe anderer Neuentwürfe hat demgegenüber alle Elemente der neuesten Urkundenhypothese sogar einschließlich des Elohisten modifiziert wieder aufleben lassen. Angesichts dieser offenen Forschungslage kann von sicheren Ergebnissen der historischen Kritik weder im Detail noch im Großen und Ganzen die Rede sein.
5. Wichtige durchgängige Themen
5.1. Verheißung und Segen
Zu den großen Themen des Buches Genesis, die bis heute von überragender Bedeutung sind, gehört eine Vielzahl von Segenszusagen. Ein → Segen
Die Segenszusage betrifft dabei nicht nur die auf Israel hinführende Hauptlinie. Segen wird im genealogischen Aufriss der Genesis allen Menschen zuteil (z.B. Gen 1,28
Die in der Genesis entfaltete Sicht der Menschheit als weit verzweigter Großfamilie bedarf mindestens in zwei weiteren Themenkomplexen einer praktischen Konkretion: den Heiratsregeln und der Streitschlichtung.
5.2. Heiratsregeln
Auf der sprachlichen Ebene ist die Deutung möglich, dass die jeweiligen Erzväter allein Träger der Verheißung sind. Diese Deutung wird jedoch bereits am ersten Beispiel, bei Abraham, erzählerisch eindeutig widerlegt (vgl. Fischer 1994): Da Sara nicht schwanger wird, versuchen beide zunächst, den verheißenen Nachkommen durch den Wechsel der Frau zu lösen (Gen 16
Abraham mag zwar andere Kinder haben und insofern ein Ahnvater vieler Völker sein (Gen 17,4
Die Wahl der Frau erfolgt dabei weder in der engsten Verwandtschaft noch völlig außerhalb einer verwandtschaftlichen Verbindung. Die Texte vertreten damit eine Mitte als das Optimum zwischen den Extremen von Endogamie und Exogamie. Eine seit Lévi-Strauss (1981) oft hervorgehobene Besonderheit ist die Bevorzugung von Kreuz-Cousinen, d.h. der Tochter des Bruders der Mutter oder der Tochter der Schwester des Vaters, je nachdem ob die mütterliche oder die väterliche Linie bei der Abstammung dominiert.
5.3. Streitschlichtung
Dass jedes Zusammenleben von Menschen Streit hervorruft, repräsentiert die Genesis durch zahlreiche Konflikterzählungen, die sich wie eine Kette beginnend mit den Kindern des ersten Menschenpaares durch das erste Buch der Bibel zieht. Weil die Menschheitsgeschichte als Verwandtschaftsgeschichte dargestellt ist, werden diese Konflikte als Geschwistererzählungen bearbeitet. Dieser erste Fall markiert zugleich die maximal negative Lösung: mit Abel stirbt ein Bruder, mit Kain scheidet der Mörder als Träger der genealogisch weiterführenden Linie aus und wird durch den nachgeborenen Bruder Set ersetzt.
Innerhalb der weiteren Erzählungen dominiert das Modell der räumlichen Trennung zur Konfliktvermeidung: So funktioniert es bei Abraham und Lot, Isaak und seinen Halbbrüdern sowie Jakob und Esau. Erst ganz am Schluss der Genesis, in der Josefsgeschichte, wird dieses Modell dahingehend erweitert, dass der Bruder, der zunächst unfreiwillig von der Familie getrennt wurde, letztlich stellvertretend für das Überleben der Gesamtfamilie sorgt.
6. Zur Auslegungsgeschichte
Die Erzählungen der Genesis gehören zu den am häufigsten ausgelegten Texten der Bibel überhaupt. Wo Bibel kulturelle Relevanz zugebilligt wird, betrifft dies in überragendem Maße ihr erstes Buch. Das dokumentiert sich insbesondere durch die Breite der Aufnahme der Erzählungen der Genesis über alle üblichen Grenzen von Bekenntnissen hinweg. Innerhalb des Judentums gehört die Genesis zu den viel zitierten Texten. Andere Textbereiche haben aber eine größere Verwendungshäufigkeit, beispielsweise in → Qumran
Zu den Auslegungen einzelner Gestalten oder Erzählungen der Genesis muss auf andere Artikel verwiesen werden. Im Folgenden seien Schwerpunkte der Interpretation vorgestellt.
6.1. Schöpfungserzählungen (Gen 1-2)
Ein Schwerpunkt der Rezeption sind die Schöpfungserzählungen. Hier sind es grundlegende Aussagen über das Verhältnis Gottes zur Welt oder den Menschen, die mit Texten und Motiven der ersten Kapitel der Bibel begründet werden.
Christlicherseits kann Adam dabei beispielhaft für den alten, sündigen Menschen stehen, während Christus das Urbild des neuen Menschen ist (Röm 5,12-21
6.2. Die Bindung Isaaks (Gen 22)
Als einzelner Text wird innerhalb der Genesis oft auch die Erzählung Gen 22,1-19
In Gen 22
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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2. Kommentare
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3. Weitere Literatur
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Abbildungsverzeichnis
- Das Buch Genesis in Bildern (Hamilton-Bibel; 1345).
- Umsetzung der Völkertafel in eine moderne Karte. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- Sara schickt Hagar in die Wüste (Gen 21; Weltchronik des Rudolf von Ems; 13. Jh.).
- Versöhnung zwischen Josef und seinen Brüdern (Gen 45; Peter von Cornelius; 1815).
- Die Erschaffung Adams (Michelangelo; 1510).
- Die Bindung Isaaks (Fußbodenmosaik in der Synagoge von Bet Alfa; 6. Jh.).
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