Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: Dezember 2017)

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Fell; → Leder

1. Biblische Grundbegriffe

Haut (AT) 01

Gegenüber modernen Hautkonzepten weisen antike Zeugnisse ein eigenes Profil auf. Die Hebräische Bibel stellt hierin keine Ausnahme dar. In ihr ist „Haut“ nicht gleich „Haut“. Die meisten deutschen Übersetzungen der Hebräischen Bibel geben die beiden hebräischen Begriffe בָּשָׂר bāśār und עוֹר ‘or zuweilen mit „Haut“ wieder. בָּשָׂר bāśār bleibt jedoch an fast allen Referenzstellen mehrdeutig. Der Begriff kann dort nicht nur mit „Haut“, sondern auch mit „Fleisch“ übersetzt werden (z.B. Ps 102,6; Hi 4,5; Ex 4,7; → Fleisch). Eindeutigkeit schaffen die Verse, in denen בָּשָׂר bāśār neben עוֹר ‘or genannt wird. Hier lassen sich beide in ihrer Semantik klar voneinander unterscheiden (z.B. Lev 13,2ff.; Hi 10,11): בָּשָׂר bāśār bezeichnet den „Leib“ und עוֹר ‘or dessen Oberfläche, also die „Haut“ des Körpers (ebd.), des Gesichts (Ex 34,29f.) oder der Zähne, d.h. das Zahnfleisch (Hi 19,20).

Allen Lebewesen, also Menschen, Säugetieren und selbst Ungeheuern (Hi 40,31) ist dieselbe עוֹר ‘or zueigen, die ihr Körperinneres von der Umwelt abschirmt. Auch בָּשָׂר bāśār „alles Fleisch“ beschreibt an nicht wenigen Stellen die Gesamtheit aller Lebewesen (Gen 6,17; Ps 145,21). Die Trennung von עוֹר ‘or in „Menschenhaut“ und „Tierfelle“ bzw. „Tierleder“ findet daher erst bei der Übertragung ins Deutsche statt.

Demnach kann עוֹר ‘or sowohl „Haut“ als auch „Leder“ bedeuten. Da diese Nicht-Trennung selbst beim seltenen Synonym גֵּלֶד gelæd fortgeführt wird (Hi 16,15), ist davon auszugehen, dass die Haut im antiken Israel nicht als anthropologisches Alleinstellungsmerkmal, sondern wie im gesamten Alten Orient als ein mit anderen Lebewesen verbindendes Element des Körpers empfunden wurde.

Bei allen Gemeinsamkeiten hat das Hautkonzept der Hebräischen Bibel gegenüber den Kulturen des Alten Orients jedoch auch ein eigenes Profil – besonders in der Darstellung des Göttlichen.

Beispielsweise im Alten Ägypten ist die „Haut der Götter“ entweder golden (Götterstatuen), blau (Amun) oder grün (Osiris). Wie andere körperliche Attribute kann die Haut bei Göttern Veränderungen unterworfen sein – so beispielsweise bei Osiris, dessen Haut im Zuge seines körperlichen Zerfalls schwarz wird (z.B. im aus dem 4. Jh. v.d.Z. stammenden pSchmitt Berlin B. 3057). JHWH, der in der Hebräischen Bibel anthropomorph → Hand (Ex 9,3), → Arm (Jes 5,10), → Mund (Num 12,8) und selbst eine → Nase (Dtn 29,26) zugeschrieben bekommt, wird dort haut-los dargestellt, d.h. ohne diesen im 1. Jt. v.d.Z. kulturgeschichtlich wichtigen Aspekt des göttlichen Anthropomorphismus.

2. Nutzung von Mensch- und Tierhäuten

Wie in allen bekannten menschlichen Kulturen werden im antiken Israel die Häute von Nutztieren im alltäglichen Leben verwendet. Auffällig ist jedoch, dass die in der Antike übliche königsideologische oder rituelle Nutzung von Häuten gejagter Wildtiere (zumeist Löwen oder Panther) in der Hebräischen Bibel nicht belegt ist. Doch werden auch dort Tierhäute nicht nur für alltägliche Zwecke, sondern in vielen Kontexten motivisch genutzt. Sie dienen der Deutung, Gestaltung und der Erzeugung menschlicher Erfahrungen.

2.1. Die Nähe der Menschen- zur Tierhaut

Der wohl eindrücklichste Beleg der motivischen Nutzung von Tierhaut zur Beschreibung gegenwärtiger Geschehnisse repräsentiert wohl die prophetische Kritik des → Michabuches an der für das Rechtswesen verantwortlichen Oberschicht in Mi 3,1-3. Dort wird den Oberen vorgeworfen, der Bevölkerung „die Haut von den Knochen“ zu reißen, deren Fleisch in einem Topf zuzubereiten und zu konsumieren (→ Sozialkritik). Die Motivik des Verarbeitungsprozesses von Nutztieren zur Gewinnung von Lederwaren und Fleisch ist hier ein drastisches Bild für den Missbrauch richterlicher Kompetenzen gegenüber der Allgemeinbevölkerung. Davon, dass in der → Perserzeit Richterstühle mit den Häuten ihrer bestechlichen Vorgänger gepolstert wurden, berichtet Herodot (Historien IV,25; Text gr. und lat. Autoren).

Ähnlich drastisch wird in einer Rede → Bildads von Schuach das Schicksal der Übeltäter beschrieben. Ihre eigenen Übeltaten sind so hungrig nach ihnen, sodass ihre Haut und Glieder vom „Erstgeborenen des Todes“ aufgefressen werden (Hi 18,12f.).

2.2. Kult und (Non-)Profit

Rechts ist anschließend zu sehen, wie es auf einem dreibeinigen Hocker glatt gezogen wird, um es so geschmeidig und gleichmäßig zu machen. Auf einem schrägen Arbeitstisch (Bildmitte unten) werden dann mit einem sichelförmigen Messer die für die Arbeit notwendigen Lederstücke herausgeschnitten.

Schon → Maimonides hat im 3. Buch seines Ratgebers für die Verwirrten beobachtet, dass die Kultgesetze der → Tora das Alltägliche und Selbstverständliche zum Fundament des Gottesdienstes machen (3,32). Dies deckt sich mit dem historischen Umstand der seit der Frühzeit belegten Zentralisierung der Fleisch- und Lederproduktion um altorientalische Tempel herum (Robertson 1995:446). Auch der israelitische Opfergottesdienst (→ Opfer) steht in einem elementaren Zusammenhang mit der Leder- und Fleischgewinnung. So werden beispielsweise Teile des Opfertieres (Lev 7,6) sowie seine Haut (Lev 7,8) als Lohn für die kultischen Dienste des Priesters vorgeschrieben.

Im Kontext von Ganz- und Sündopfern jedoch gehört auch die Haut explizit mit zu der zu verbrennenden Opfermaterie (Ex 29,14; Lev 4,11; bes. Lev 16,27 und Num 19,5). Aus dieser Opferung fällt demnach kein Profit ab. Das Warum dieser Praxis lässt sich nicht mit letzter Sicherheit klären. Anders als das reiche und detaillierte Erbe antiker Ritualtexte sind die Opfertexte der Hebräischen Bibel wohl bewusst kurzgehalten und wohl auf die Aspekte der Gemeinschaft, der Reinigung und der Kommunikation mit Gott reduziert.

Wenn aus dem Ganzopfer von Haut und Fleisch des Tieres auf menschlicher Seite nicht profitiert werden kann, wird es damit rituell ganz dem göttlichen Besitz zugeschrieben. Es geschieht also eine Anerkenntnis der göttlichen Herrschaft, welche beispielsweise im ägyptischen wie mesopotamischen Opferkult die Wiederherstellung kosmischer Harmonie impliziert.

2.3. Verwendung

Haut (AT) 02

Leder wurde im altorientalischen Kulturraum zur Aufbewahrung und zum Transport von Lebensmitteln genutzt. Auch die Hebräische Bibel kennt Ledergefäße als Behälter von Wasser (Gen 21,19), Wein (1Sam 16,20), Milch (Ri 4,19) und als Schöpfeimer (Num 24,17).

2.4. Kleidung und Status

Hauptpunkt sozialer Distinktion ist das, was auf der Haut zu sehen ist, die Kleidung (→ Kleidung / Textilherstellung; → Kleidung / Verkleidung). Dies zeigt sich besonders daran, wenn sie fehlt. Das mit hebr. עוֹר ‘or „Haut“ verwandte ערה ‘rh „nackt sein" (Adjektiv עָרוֹם ‘ārôm; → Nacktheit) ist mit Kriegsgefangenschaft (Jes 20,4), Flucht (Am 2,16), Mittellosigkeit (Hi 1,21; Pred 5,14), Autoritätsverlust (1Sam 19,24), Schutzlosigkeit (Hi 22,6; Hos 2,5), Ausgestoßen sein (Hi 24,7), dem Erleiden sexueller Übergriffigkeiten (Lev 18,6-19) und Trauer (Mi 1,8) verbunden.

Die mit der Nacktheit verbundene Furcht des Menschen (Gen 3,10) findet erst ihre Lösung, als JHWH → Adam und Eva in Gen 3,21 mit statusgebenden Roben (vgl. Gen 37,3) aus „Haut“ (hebr. עוֹר ‘or) ausstattet. Dies ist die einzige Erwähnung von עוֹר ‘or als statusgebender Oberbekleidung. Analog zur Konnotation in altorientalischen Zeugnissen gehört Leder sonst in der Hebräischen Bibel zur Kleidung der „Anti-Menschen“ (Wiliam Moran), der Nomaden, der Verbannten und Verwahrlosten (2Kön 1,8).

Zu den Aspekten der Nacktheit und der Aussagekraft von Lederkleidung tritt in der Hebräischen Bibel noch der von Bekleidung, die direkt auf der Haut getragen wird. Hierbei handelt es sich ausschließlich um den auch im Deutschen bekannten Sack (hebr. שַׂק śaq; → Kleidung / Textilherstellung 2.1.7.), ein als Teil eines Selbstminderungsritus getragenes grobes Leinenstück, das zur Bewältigung eines bereits geschehenen oder zukünftigen Unheils getragen wurde (Hi 16,15; 1Kön 21,27; 2Kön 19,1-2). Die Haut ist demnach in der Hebräischen Bibel ein Medium, dessen Manipulation stets menschliche oder göttliche Reaktionen hervorruft.

3. Anthropologische Bedeutung

Die Betrachtung der Oberfläche des Menschen, seiner Haut, als dessen – nach dem Mund – zweitwichtigstes Kommunikationsorgan zeigt sich auch, wenn diese nicht nur durch Artefakte, wie Kleidung, sondern als Ganze anders ist oder verändert wird. Kurzum: Nicht nur das, was auf der Haut ist, sondern die Haut selbst hat Signalwirkung.

3.1. Signalwirkung

Hautdarstellungen, die in großer Zahl aus dem Alten Ägypten sogar koloriert erhalten sind, dienen der Grenzziehung zwischen Eigenem und Fremden. Pharao → Amenophis IV. Echnaton (1340-1324 v. Chr.) besingt gar in seiner Hymne an → Aton, dass die verschiedenen Hautfarben der Menschen dem Sonnengott als Grundlage zur Unterscheidung der Nationen dienen. Hierbei geht es vor allem um die Trennung zwischen den rotbraun dargestellten Bewohnern des Niltales, die als einzige das Attribut ägyptisch rmṯ „Mensch“ erhalten und dem schwarzen, beigen oder ockerfarbenen Rest der Menschheit, die dieses Attribut nicht erhalten. Zudem dient die Hautkolorierung auf ägyptischen Darstellungen der Unterscheidung in Männer (rotbraun) und Frauen (gelb).

An den Beschreibungen der Geliebten im wohl sehr ägyptisch beeinflussten → Hohelied zeigt sich, dass das Ideal eines roten Mannes (Hhld 5,10) und einer weiß-gelblichen Frau (Hhld 6,10) auch auf das antike Israel ausgestrahlt hat.

Doch finden sich im selben Text auch kritische Töne zum Thema Hautfarbe. Letztere ist nicht nur ein ethnisches, sondern auch ein soziales Distinktionsmerkmal. Ein durch dauerhaften Kontakt mit Sonnenstrahlen gefärbter Teint ist Zeichen der Zugehörigkeit zur Gruppe der Landarbeiter und Landarbeiterinnen, Hirten und Tagelöhner. So lässt es sich als Erniedrigungsmaßnahme der Brüder der Braut verstehen, dass diese sie zur Arbeit in den Weinbergen zwingen und sie demnach direkter Sonneneinstrahlung aussetzen (Hhld 1,5ff.).

Noch deutlicher wird das eigene Profil biblischer Literatur zum Thema Hautfarbe bei den vor allem als Palastpersonal und Söldnern bekannten → Kuschiten, in allen altorientalischen Zeugnissen dunkelhäutig dargestellten Menschen ostafrikanischen Ursprunges. Ihre Hautfarbe dient beispielsweise in der prophetischen Rede als Vergleichsmotiv für etwas Unveränderliches (Jer 13,23). Es ist jedoch bedeutsam, dass die in der Regel negative Darstellung der Kuschiten, wie sie etwa in zeitgenössischen ägyptischen Darstellungen kolportiert wird (pBM 604), in der Hebräischen Bibel nicht übernommen wird. Sie werden hier vielmehr als Prophetenretter (Jer 37,7-13) oder Siegesboten (2Sam 18,21ff.) angesprochen.

Die betonteste Erwähnung, in der zudem das Spiel zwischen dunkler und heller Hautfarbe als motivischer basso continuo der Episode auftaucht, findet in Num 12 statt. Dort wird „die kuschitische Frau“ → Moses (Num 12,1b; wohl kaum die midianitische → Zippora) zum Anlass eines Aufstandes von Miriam und Aaron gegen dessen Weisungsbefugnis genommen. Das Gottesurteil über diesen Streit fällt eindeutig aus, indem Miriam, durch Hautauschlag von JHWH geschlagen, weiß „wie Schnee“ (Num 12,10b) wird und erst nach Moses → Fürbitte und sieben Tagen Ausschluss wieder ins Lager zurückkehren kann.

Hauptgrund dieses Gottesurteiles ist nach dem Narrativ der Tora jedoch kein – möglicher aber nicht zwingender – Rassismus der Mosegeschwister, sondern vielmehr deren Hinterfragung der Gottesbeziehung Moses, die an anderer Stelle wiederum durch dessen Haut signalisiert wird.

An einer narrativ exponierten Stelle, der Erneuerung der Bundestafeln, kommt Mose nach 40 Tagen vom Gottesberg herab; ohne zu wissen, dass seine Gesichtshaut durch das Reden mit JHWH zu strahlen begonnen hatte. Mose, vor dem die Israeliten und Israelitinnen eine numinose Furcht bekommen, partizipiert durch diese Ausstrahlung am göttlichen Strahlen JHWHs, was an der einzigen Erwähnung mit JHWH als Subjekt bei Habakuk als „Vorratskrug seiner Kraft“ (Hab 3,4) umschrieben wird. Das Strahlen der Haut verleiht ihrem Träger einen quasigöttlichen Status. Nur noch → David wird nach Ps 132,7 diese göttliche Ehrung zuteil.

3.2. Marker der Vergänglichkeit

Der Mensch ist vergänglich. Bei der Untermalung seiner daraus resultierenden Verletzlichkeit nimmt die Haut – z.B. in Klagegebeten an JHWH – eine prominente Rolle ein. JHWH ist in der Hebräischen Bibel derjenige, der den Menschen mit Haut und Fleisch einkleidet (Hi 10,11) und ihn auch in einem prophetischen Bild für das nach dem Exil wieder aufstehende Israel erneut mit Haut überziehen kann (Ez 37,6ff.). In den beiden schöpfungstheologischen Katalogen Ez 37 und Hi 10 gehört die Haut (עוֹר ‘or) neben dem Fleisch (בָּשָׂר bāśār), den Sehnen (גִּדִים gidîm) und dem Wind (רוּחַ ruaḥ) zu den vier Grundsubstanzen des menschlichen Körpers – noch vor den an anderer Stelle so bedeutsamen inneren Organen, dem → Herzen, den → Nieren sowie dem → Blut.

Die anthropologische Zentralstellung der Haut liefert den Gedankenhintergrund für die Antwort des → Satans in Hi 2,3, die er auf JHWHs Kritik (Hi 2,3) der ohne Gewinn über → Hiob hineingebrochenen Schläge gibt: „Haut für Haut und alles, was ein Mensch besitzt, gibt er für sein Leben her“ (Hi 2,4).

Diese satanische Darstellung der Haut als Gesamtheit des menschlichen Lebens findet großen Widerhall in den Klagen, die Hiob im Verlauf des Textes an Gott richtet. In Klagetexten wie denen des Hiobtextes (ausschließlich im Munde Hiobs) oder den → Klageliedern Jeremias findet eine sehr intensive Verwendung des Hautmotives in der Hebräischen Bibel statt.

Auch hier ist es JHWH, der den Zustand der Haut zu verantworten hat: „Mein Fleisch und meine Haut hat er zerfallen lassen“ (Klgl 3,4).

Auch Hiob ist sich im Klaren, wen er als eigentlichen Urheber seines Hautausschlages auszumachen hat:

Hi 19,6a.20.26: „Erkennt also, dass Gott mich gebeugt hat […]. 20 An meiner Haut und meinem Fleisch klebt mein Skelett […]. 26 Und nachdem meine Haut so zerschlagen wurde, werde ich aus meinem Fleisch Gott schauen.“

Diese (exegetisch hoch umstrittene) Stelle verdeutlicht, dass in den Zeugnissen der Hebräischen Bibel keine andere Instanz als JHWH für Wohlergehen und Verfall der Haut als Urheber ausgemacht wird. Dies deckt sich auch mit altorientalischen Konzepten, in denen das Zerschlagen der Haut in der Regel auf Götterurteile zurückgeht. Demnach entspricht die göttliche Erlaubnis an den Satan, Hiobs Haut zu schlagen (Hi 2,6), zeitgenössischen Selbstverständlichkeiten.

Den in Klagetexten stereotypen Darstellungen des Hautverfalls (Hi 7,5), der Entstellung (Klgl 4,8; Hi 2,12) sowie der Verfärbung (Klgl 5,10; Hi 30,30) liegt das Verständnis zugrunde, durch diese eine Änderung des göttlichen Beschlusses bewirken zu können. Die Hautklagen sind in den biblischen und altorientalischen Kulturräumen Teil der Leidens- und Todesbewältigung (z.B. ägyptische Osirisliturgien).

Eine Kollektivierung dieser sehr verbreiteten Motive ist vermutlich bei Jesaja zu finden. Das Auftaktkapitel scheint rituelle Klageformulare zum Ausgangspunkt der prophetischen Umkehrbotschaft zu nehmen und zum Motiv für das Schicksal des gesamten Landes zu machen:

Jes 1,5f.: „Warum lasst ihr euch schlagen? Ihr setzt immer noch die Abkehr [von JHWH] fort. Jeder Kopf ist in Krankheit und jedes Herz ist krank. 6 Vom Fuß bis zum Kopf gibt es keine von Wunde, Strieme und frischem Schlag heile Stelle. Man versorgt sie nicht, man verbindet sie nicht und man lindert nicht mit Öl.“

4. Rechtliche Regelungen

Der oben angeführte Vers aus dem → Jesajabuch (Jes 1,6) wäre beispielsweise im Rahmen mesopotamischer Heilkunst nicht weiter aufgefallen. Ähnliche Präskriptionen finden sich dort zuhauf. Für die Hebräische Bibel jedoch ist er sehr bedeutsam. Denn von medizinischen Maßnahmen zur Linderung akuter Hautschädigungen ist in ihren Schriften nur sehr selten die Rede (→ Krankheit / Heilung). Wohl darum gehören Erzählungen wie die der Behandlung und Heilung des Syrers → Naaman von Hautausschlag (2Kön 5) zum sehr überschaubaren Korpus jesuanischer Verweise auf Erzählungen der Hebräischen Bibel (Lk 4,27).

In der Anamnese findet keine begriffliche Unterscheidung zwischen Hautschädigungen statt, die mittels oder ohne physische Einwirkung aufgetreten sind. In beiden Fällen handelt es sich jeweils um „Schläge“ (hebr. Wurzel נכה nkh; → schlagen) oder Verletzungen (hebr. Wurzel נגע ng‘), die von außen herbeigeführt werden und – theologisch betrachtet – als Teil des biblischen sowie altorientalischen Arsenals göttlicher Wehrhaftigkeit (vgl. Ex 7-12, bes. Ex 9,15) galten. Besonders die ägyptische Heilkunst hat umfassende und kulturgeschichtlich einflussreiche Fachliteratur zur Diagnose und Behandlung von Hautschädigungen erstellt. Diese gehören zusammen mit dem Kindstod sowie Überfällen durch Nomaden zu den drei zentralen Ängsten altorientalischen sesshaften Lebens und haben daher auch eine intensive Dynamik der rituell-medizinischen Bewältigung angestoßen. Nicht von ungefähr widerfahren Hiob in Hi 1f. genau diese drei Schläge.

Die enorme Relevanz der Hauterscheinung für das Selbstkonzept des Betroffenen sowie die gesellschaftliche Öffentlichkeit erklärt, warum auch in der Hebräischen Bibel der Begriff „Haut“ statistisch am häufigsten im Kult- und Sozialrecht auftaucht. In den zentralen kultrechtlichen Regelungen aus Lev 13f. ist der Begriff „Haut“, wie in medizinischen Texten des Alten Orients, mit einer Fülle an nur dort auftauchenden diagnostischen und differentialdiagnostischen Fachtermini verbunden. Die diagnostischen Verfahren sind standardisiert und professionalisiert.

Ihre Besonderheiten zeigen sich besonders an drei Leerstellen, die sie gegenüber zeitgenössischen Behandlungsweisen aufweisen:

1. Vom im Alten Orient fast immer gleichen Schema diagnostischer Prozess – Behandlung – Gesunderklärung – Reintegration und der dazugehörigen Arbeitsteilung wird in Lev 13ff. nur das Schema diagnostischer Prozess – Gesunderklärung – Reintegration übernommen. Sowohl die Behandlung wie der praktisch Behandelnde, der therapeutische Maßnahmen einleitet, fehlen.

2. Zur dermatologischen Diagnostik gehört in der Regel die Frage, ob das Leiden des Betroffenen durch Schadenszauber oder eigene Vergehen induziert wurde. Diese häufig diagnostizierte und rituell zu behandelnde Störung der kosmischen Harmonie wird in Lev 13f. als Ursache nicht aufgeführt.

3. Obwohl die zeitgenössische medizinische Literatur unheilbare Krankheiten kennt, bei denen Kranke gelegentlich nur noch durch Palliativmaßnahmen begleitet werden können, gibt es in Lev 13f. keinen Hinweis auf die Unheilbarkeit der Krankheit oder deren möglichen tödlichen Verlauf.

Die Mehrheit der Auslegerinnen und Ausleger von Lev 13f. geht davon aus, dass es sich beim zentralen diagnostischen Begriff צָרַעַת ṣāra‘at nicht um die erst seit dem 13. Jh. n.d.Z. mit dem griechischen Begriff lépra oder dem deutschen „Aussatz“ identifizierten Elephantiasis Graecorum handelt. Vielmehr hat sich das Verständnis von צָרַעַת ṣāra‘at als Oberbegriff verschiedener kultisch verunreinigender Anomalien von menschlicher Haut, Leder (Lev 11,32), Kleidung (Lev 13,47ff.) und Häuserwänden (Lev 14,34ff.) durchgesetzt. Das zentrale Symptom ist dabei die Farbe der jeweiligen Oberfläche (→ Reinheit / Unreinheit).

Anders als in anderen biblischen Texten (z.B. Num 12,10; Dtn 24,9; 2Kön 5,27; 2Kön 15,15) wird der in anderen semitischen Sprachen ebenfalls zum Wortfeld „Schlag“ gehörende Begriff צָרַעַת ṣāra‘at in Lev 13f. durchweg ohne ethische Implikationen aufgeführt. Die nur durch den Priester zu stellende Diagnose führt zu keiner weiteren Klärung oder Ahndung einer möglichen Ursache. JHWH gilt zwar als Urheber (Lev 14,34), jedoch werden Gründe wie Gotteszorn, Dämonenbefall oder Schadenszauber nicht erwähnt. Die durch das vorgeschriebene Ganzopfer erreichte kultische Wiederherstellung einer Harmonie (s.o.) findet als Reintegrationsmaßnahme erst nach erfolgter Heilung statt. Dabei wird nicht etwa ethisches Fehlverhalten, sondern die kultische Unreinheit des Betroffenen bewältigt (Lev 14,19), die auf dieselbe Weise auch nach Körperausflüssen (bei → Geburten, → Menstruation oder Ejakulation) geschehen muss. Es lässt sich also generell feststellen, dass die Hautoberfläche von Menschen und Tieren (z.B. Lev 22,19f.) als grundlegender Teil ihrer Kultfähigkeit („rein“) oder Kultunfähigkeit („unrein“) verstanden wurde. Ferner ist der Betroffene vom Priester nach Befall mit Aussatz (צָרַעַת ṣāra’at) und dessen Beseitigung wieder für kultfähig zu erklären (Lev 13,12f.).

Die einheitliche Konsequenz der Diagnose „Aussatz“ (צָרַעַת ṣāra’at) ist in allen anderen Fällen ausschließlich eine Quarantänepflicht für den Zeitraum des Befalls, die als Maßnahme auch aus den königlichen Archiven in → Mari bekannt ist (Archives Royales de Mari X [19,8]). Therapeutische Maßnahmen durch einen Arzt (akkadisch asû) werden möglicherweise deswegen nicht erwähnt, weil Lev 13f. ausschließlich den Verlust und die Wiederlangung der Kultfähigkeit im Fokus haben oder auch, weil mit der Heilung (ggf. durch JHWH, vgl. Ex 15,26) allgemein gerechnet wurde.

In anderen Rechtstexten fällt eine deutliche Tendenz zur Begrenzung negativer Einwirkungen auf die Haut auf. Generell sind Verletzungen oder Veränderungen des größten, offensichtlichsten und ungeschütztesten Organs des Menschen verboten.

Besonders eindrücklich zeigt dies Ex 21,25, der Folgevers des sprichwörtlich gewordenen Verses „Auge um Auge“ (Ex 21,24): „Brandmal anstelle von (hebr. תַּחַת taḥat) Brandmal, Wunde anstelle von Wunde, Strieme anstelle von Strieme (25).“

Bei der Auslegung dieses Verses findet die von der rabbinischen Exegese einhellig gegenüber der Deutung von Lev 24,19f. favorisierte Lesart von Ex 21,24 als Verweis auf eine Ersatzleistung immer mehr Widerhall. Als hermeneutischer Schlüssel gelten hier die Verse Lev 24,26f., denn hier wird diese Formel in einem paradigmatischen Fall expliziert: Sollte es bei einem Sklaven oder einer Sklavin zu einer Schädigung des Auges (26) oder eines Zahnes (27) durch ihre Herren gekommen sein, erlangen sie „anstelle des Auges / Zahnes“ die Freiheit (→ Recht; → Körperverletzung).

Der durch die anderslautende Anwendung in Lev 24,19f. gelenkte Fokus auf eine Spiegelstrafe in der Rezeption überdeckt leicht die Intention dieser didaktisch-prägnanten Formulierung. Sie soll, positiv formuliert, zunächst vor der externen Zufügung aller möglichen Arten von Hautverletzungen schützen. Damit etablieren Ex 21,24ff. und Lev 24,19f. die körperliche Unversehrtheit als grundlegendes Recht des Menschen.

Darüber hinaus findet in strafrechtlichen Präskripten eine Begrenzung des hautschädigenden Strafmaßes beispielsweise in Dtn 25,1-3 auf höchstens vierzig Schläge statt, „sodass er [der Richter] ihn nicht noch mehr schlagen lässt und dein Bruder vor deinen Augen entehrt / verflucht wird (hebr. נִקְלָה niqlāh)“ (Dtn 25,3).

Aber auch kleine Hautveränderungen werden im biblischen Recht verboten. So verbietet Lev 19,28 das Einritzen der Haut, welches beispielsweise in ägyptischen Funerärritualen als Trauergestus bekannt ist. Die ebenfalls durch Einritzen geschehende Beschriftung der Haut mit schwarzer Farbe im selben Vers wurde hingegen in den Kulturen des Mittelmeerraumes von den Sumerern bis in die Spätantike zur lebenslangen Markierung von Sklaven und Sklavinnen angewandt (→ Tätowierung). Da selbst die ältesten Teile des biblischen Rechts (Ex 20-23) nicht selten für einen Aufstieg von Sklaven und Sklavinnen in höhere Rechtsstatus werben (z.B. Ex 21,1-3.7-11), ist im besagten Vers ein Verbot lebenslanger Hautmarkierungen von Sklaven und Sklavinnen durchaus denkbar. Hierzu zählen auch die im oben zitierten Vers (Ex 21,24) verbotenen Brandmale auf menschlicher Haut, die seit dem 3. Jt. v.d.Z. ebenfalls eine legale Art der Markierung von Sklaven und Sklavinnen darstellten.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

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  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
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  • Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995
  • Dictionary of Judaism in the Biblical Period. 450 B.C.E. to 600 C.E., New York 1996
  • The Oxford Encyclopedia of Archaeology in the Near East, Oxford / New York 1997
  • New International Dictionary of Old Testament Theology and Exegesis, Grand Rapids 1997
  • The Oxford Encyclopedia of Ancient Egypt, Oxford 2001
  • Lexikon der ägyptischen Götter und Götterbezeichnungen, Leuven 2002-2003

2. Weitere Literatur

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  • Keel, O. / Uehlinger, Chr., 5. Aufl. 2001, Göttinnen, Götter und Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte Kanaans und Israels aufgrund bislang unerschlossener ikonographischer Quellen (QD 134), Freiburg / Basel / Wien
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  • Pantelia, M., 2014, Thesaurus linguae Graecae. A Digital Library of Greek Literature, (http://stephanus.tlg.uci.edu/), Irvine
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  • Wolff, H.W., 2. Aufl. 2011, Anthropologie des Alten Testaments, Gütersloh

Abbildungsverzeichnis

  • Lederverarbeitung: Fleischreste werden von der Tierhaut geschabt (oben), in Krügen wird das Leder eingeweicht und gegerbt (links), auf einem dreibeinigen Hocker wird es glatt gezogen (rechts) und schließlich wird es geschnitten (Mitte), (Ägypten; 18. Dynastie, 1539-1292 v.Chr.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • In einem Tierbalg konnte aus Milch durch stetes Schütteln und Stoßen Butter hergestellt werden. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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