Jehu
(erstellt: Dezember 2017)
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Die bekannteste biblische Figur namens Jehu ist Israels König Jehu ben Joschafat ben Nimschi (gelegentlich auch ben Nimschi ben Joschafat genannt, s.u.). Aus der Kombination von biblischen und neuassyrischen Angaben kann man seine Regierungszeit auf etwa 843-815 v. Chr. datieren. Seine Geschichte wird in 2Kön 9-10 überliefert (vgl. die Kurzdarstellung in 2Chr 22,7-9
1. Der Name
Der Name „Jehu“ (יֵהוּא jehû’) besteht vermutlich aus dem hebräischen Personalpronomen הוּא hû’ „er / es“ sowie dem theophoren Element יהוה jhwh „JHWH“, das zu je verkürzt ist. Damit vermittelt der Name so etwas wie ein kurzes Glaubensbekenntnis: „JHWH ist es“ oder „JHWH ist derjenige“.
2. Jehu, König von Israel (843-815 v. Chr.)
2.1. Das biblische Bild
2.1.1. Jehus Hintergrund und Stellung nach 2Kön 9-10
Die ausführlichste biblische Darstellung von Jehu steht in 2Kön 9-10. An rein biographischen Daten bieten die Kapitel jedoch wenig: Im masoretischen Text und in der Kaige Rezension (→ Septuaginta
2.1.2. Jehu als gewalttätiger Putschist (2Kön 9,11-10,14)
Ein Schwerpunkt der biblischen Erzählung liegt auf Jehus gewaltsamem politischem Aufstand gegen den regierenden König → Joram
2.1.3. Jehu als religiöser Eiferer für JHWH und Gegner des Baalskults (2Kön 10,15-28)
Im folgenden Erzählverlauf begegnet Jehu Jonadab ben Rechab (2Kön 10,15-17
2.1.4. Jehu als JHWH-treuer und Gott-gewählter König in 2Kön 9-10
Wiederholt macht der Text auf die Unterstützung Jehus durch Gottesmänner aufmerksam. So wurde Jehu nach 2Kön 9,1-10
2.1.5. Jehus außenpolitisches Versagen in 2Kön 9-10
2Kön 10,32-33
2.1.6. Jehus deuteronomistische Beurteilung
Dass die Geschichte des Königs Jehu in 2Kön 9-10 einer deuteronomistischen Bearbeitung unterzogen wurde (→ Deuteronomismus
2.1.7. Jehu als Begründer einer Dynastie in 2Kön 13-15
Das Buch der Könige sieht Jehu als Begründer der am längsten regierenden Dynastie des Nordreichs: Sein Sohn (→ Joahas
2.1.8. Jehu als gerechter Richter in 2Chr 22
Die → Chronik
2.1.9. Jehu und seine Blutschuld in Hos 1
Eine Anspielung auf Jehus gewaltsamen Putsch bietet Hos 1. Bei der Namensgebung in Hos 1 wird Hoseas erster Sohn „Jesreel“ genannt (Hos 1,3-5
2.2. Die akkadischen Quellen und der Bezug zu Assyrien
Es liegt eine ganze Reihe von akkadischen Texten vor, die von Jehu berichten. Das bekannteste epigraphische Zeugnis stellt immer noch der Schwarze Obelisk von → Salmanassar III.
Der Zusammenhang zwischen den biblischen und akkadischen Texten bedarf einiger Erklärung: In vielen Inschriften ließ Salmanassar von seinen Kriegszügen gegen eine Koalition von Königen des östlichen Mittelmeerküstenraums berichten. Ab 853 v. Chr. berichtet er über eine Koalition von zwölf Königen, unter anderem Hadadezer von Damaskus und Ahab von Israel. Diese Koalition scheint bei seinen Kriegszügen in 849, 848 und 845 wiederholt gegen ihn zu kämpfen. Das heißt, dass z.Z. Ahabs eine anti-assyrische Außenpolitik in Israel als Teil einer Koalition unter der Leitung von Damaskus begann. Vermutlich wurde diese antiassyrische Außenpolitik auch unter Ahabs Söhnen fortgesetzt, obwohl das nur angedeutet und in den Inschriften nicht expliziert wird; die Koalition tritt weiter in den Inschriften auf, aber weder Israel noch sein König (sowie die meisten anderen Koalitionspartner) werden darin aufgelistet. Bei dem Kriegszug Salmanassars im Jahre 841 aber scheint diese Koalition zerbröselt zu sein. Zumindest wird aus Salmanassars Berichten zu diesem Jahr ersichtlich, dass er gegen Hasaël von Damaskus kämpfte, während er Tribut von Jehu empfing. Konkret bedeutet dies, dass zwischen 845 und 841 sowohl in Damaskus (vgl. auch 2Kön 8) als auch in Samaria ein neuer König an die Macht gekommen war und dass sich der König von Israel jetzt der assyrischen Oberherrschaft unterwarf, vermutlich freiwillig (vgl. Smith 90), während Hasaël weiter eine antiassyrische Politik fuhr.
Ferner ist auffällig, dass Salmanassar Jehu als „Sohn des Omri“ bezeichnen lässt. Den biblischen Nachrichten zufolge war er das gerade nicht (s.o.). Drei Erklärungen bieten sich an. Einerseits ist es möglich, dass Jehu tatsächlich aus der Familie des Omri stammte, allerdings aus einer Nebenlinie, die nicht unmittelbar zum Thron hätte führen können (so z.B. Schneider; vgl. aber dagegen Na’aman). Andererseits – und m.E. plausibler – stellt im Zusammenhang assyrischer Inschriften „Omri“ eine Bezeichnung des Herrschaftsgebietes Israel und nicht die herrschende Familie dar (vgl. bereits Ungnad sowie Weippert; Halpern; Robker, 216-218). Immerhin bleibt der Begriff „Omri“ in der assyrischen Nomenklatur für Israel bis zur Regierungszeit Tiglat-Pilesers III. in Gebrauch – über ein Jahrhundert nach dem letzten omridischen Regenten, zumindest aus der Perspektive biblischer Angaben. Die dritte Möglichkeit, dass diese Inschriften gar nicht von Jehu, sondern von Joram berichten (so McCarter), hat keine oder nur wenige Anhänger gefunden.
Ein letzter wichtiger Punkt: Nach der biblischen Erzählung hatten die Israeliten zur Zeit Jehus und seiner Vorgänger noch keinen Kontakt mit dem neuassyrischen Reich. Es scheint, als hätten biblische Autoren diese Beziehung entweder nicht (mehr) gekannt oder sogar verschwiegen, um die Bedeutung der Omriden und ihre wohl erfolgreiche Teilnahme an der antiassyrischen Koalition in 853, 849, 848 und 845 herunterzuspielen. Gleichzeitig würde eine bewusste Auslassung dieser Daten Jehu aufwerten, dessen Unterwerfung aus der biblischen Geschichte gelöscht. Damit scheinen die Annalen Salmanassars eine wichtige ergänzende Quelle zur Geschichte Israels im 9. Jh. v. Chr. zu sein. Zumindest in ihren Grundzügen dürften sie glaubwürdig sein, auch wenn einige Details hinterfragt werden können.
2.3. Die Tel Dan Inschrift und die Beziehung Israels unter Jehu zu Aram-Damaskus unter Hasaël
Eine aramäische Inschrift, freigelegt 1993-1994 in → Dan
Dann ist jedoch die Frage zu klären, ob Jehu (so 2Kön 9,24.27
Gegen die erste Möglichkeit spricht, dass die biblischen Autoren eine Tötung durch die Aramäer kaum verschwiegen hätten. An anderen Stellen haben sie nämlich kein Problem damit, einen Sieg der Aramäer zu vermelden (vgl. 1Kön 22). Die Inschrift aus Dan dient in dem neu eroberten Gebiet der Propaganda. So kann es sein, dass Hasaël sich nur rühmt, die Könige getötet zu haben, um ihre Nachfolger sowie die Bevölkerung einzuschüchtern.
Für die zweite Möglichkeit spricht, dass die biblischen Erzähler die Tötung der beiden Könige durch Jehu kaum erfunden hätten. Weshalb hätten sie das tun sollen? Letztlich wird Jehu negativ dargestellt und wegen der angewandten Gewalt verurteilt (so z.B. Hos 1). Seine gewaltsame Amtsübernahme scheint somit nicht auf großen Respekt gestoßen zu sein, widerspricht also der Tendenz der Tradenten und dürfte somit nicht ihren Wünschen entsprechen, sondern auf historischen Vorgaben beruhen. Andererseits wird die Gewalt in der Erzählung von 2Kön 9-10 aber auch nicht verurteilt.
Gegen die dritte Möglichkeit spricht vor allem, dass Aram und Israel zu dieser Zeit wohl verfeindet waren: Aus der Schlussnotiz von Jehus Regierungszeit in 2Kön 10,28-36
Damit scheint Jehu wohl derjenige zu sein, der Ahasja von Juda und Joram von Israel gestürzt hat. Die Frage, ob Jehu oder doch Hasaël der Initiator dieses Sturzes war, bleibt aber noch offen.
2.4. Archäologische Evidenzen
Der Name Nimschi ist epigraphisch mehrfach belegt (s. die Belege bei Frevel, 215). Auf einem Krug, der auf Tel ‘Amal (Koordinaten: 1926.2123; N 32° 30' 17'', E 35° 27' 06''
3. Weitere Personen namens Jehu
3.1. Der Prophet Jehu ben Hanani (1Kön 16,1-7; 2Chr 19,2; 20,34)
Der erste Jehu, dem man im Alten Testament in der kanonischen Reihenfolge der Bücher begegnet, ist Jehu ben Hanani in 1Kön 16,1-7.12
Die Chronik bietet zwei weitere aus den Königsbüchern nicht bekannte Daten zu Jehu ben Hanani. Zum einen soll es eine schriftliche Quelle über ihn gegeben haben (2Chr 20,34
3.2. Jehu ben Obed (1Chr 2,38)
Ein Sohn des Obed aus dem Stamm Juda zeugt einen Sohn namens Jehu (1Chr 2,38
3.3. Jehu ben Joschibja (1Chr 4,35)
Laut 1Chr 4,35
3.4. Jehu, der Anatotiter (1Chr 12,3)
1Chr 12,1-8
3.5. Epigraphische Belege
Der Name Jehu findet sich auch auf einem Siegel, das ihn als Besitzer dieses Siegels ausweist (WSS Nr. 519).
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Tübingen 1957-1965
- Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
- The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
2. Weitere Literatur
- Athas, G., 2005, The Tel Dan Inscription, London
- Becking, B., 1999, Did Jehu Write the Tel Dan Inscription, SJOT 13, 187-201
- Cogan, M. / Tadmor, H, 1988, II Kings (AB 11), New York
- Frevel, C., 2016, Geschichte Israels (Studienbücher Theologie), Stuttgart
- Grayson, A.K., 1996, Assyrian Rulers of the Early First Millennium BC, Vol. II (RIMA 3), Toronto
- Halpern, B., 1987, Yaua, Son of Omri, Yet Again, BASOR 265, 81-85
- Irvine, S., 1995, The Threat of Jezreel (Hos 1:4-5), CBQ 57, 494-503
- Kaiser, O. (Hg.), 1984, Texte aus der Umwelt des Alten Testaments (TUAT), Bd. 1/4, Gütersloh
- Lamb, D., 2007, Righteous Jehu and His Evil Heirs, Oxford
- McCarter, P.K., 1974, Yaw, son of ‚Omri‘, BASOR 216, 5-7
- Minokami, Y., 1989, Die Revolution des Jehu, Göttingen
- Na’aman, N., 1998, Jehu Son of Omri, IEJ 48, 236-238
- Otto, S., 2001, Jehu, Elia und Elisa (BWANT 152), Stuttgart
- Renz, J. / Röllig, W., 1995, Handbuch der althebräischen Epigraphik, Bd. 1, Darmstadt
- Robker, J., 2012, The Jehu Revolution (BZAW 435), Berlin
- Shuichi, H., 2012, Aram and Israel during the Jehuite Dynasty (BZAW 434), Berlin
- Smith, C.C., 1977, Jehu and the Black Obelisk of Shalmaneser III, in: A.L. Merrill / T.W. Overholt (Hgg.), Scripture in History and Theology (FS J.C. Rylaarsdam), Pittsburgh, 71-105
- Schneider, T., 1996, Rethinking Jehu, Bib. 77, 100-107
- Ungnad, A., 1906, Jaua, Mâr Ḫumrî, OLZ 9, 224-226
- Weippert, M., 1978, Jau(a) Mār Ḫumrî, VT 28, 113-118
- Wesselius, J.-W., 1999, The First Royal Inscription from Ancient Israel, SJOT 13, 163-186
- Wray Beal, L.M., 2007, The Deuteronomist’s Prophet (LHB/OTS 479), New York
- Würthwein, E., 1984, Die Bücher der Könige 1. Kön. 17-2. Kön. 25 (ATD 11,2), Göttingen
Abbildungsverzeichnis
- Der Schwarze Obelisk aus Kalchu zeigt, wie Salmanassar III. (858-824 v. Chr.) Tribute gebracht werden, auch von Israels König Jehu. Mit Dank an © The Trustees of the British Museum; BM 118885
- Israels König Jehu unterwirft sich Salmanassar III. (zweites Register der Vorderseite des Schwarzen Obelisken). British Museum, London. Foto des Autors
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