Kalk / Kalkstein
(erstellt: September 2020)
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1. Einleitung / Kulturgeschichte
Durch sein weit verbreitetes Auftreten in der südlichen Levante ist Kalkstein eines der am meisten verwendeten Baumaterialien – von der prähistorischen Zeit bis heute.
Kalkstein wird aus natürlichen Steinbrüchen gewonnen und konnte von dort in Form von bearbeiteten Steinblöcken abtransportiert werden, z.B. für den Bau von Gebäuden oder die Weiterverarbeitung. Durch Brennprozesse in speziellen Öfen kann aus ihm Kalk bzw. Kalkmörtel hergestellt werden, der z.B. zum Tünchen von Hauswänden dient. Dieses Tünchen wird im Alten Testament mehrfach erwähnt.
Seit wann Kalkstein und Kalk verwendet wurden, lässt sich nicht genau sagen. Jedenfalls lässt sich in der südlichen Levante bereits in der Zeit des „pre-pottery Neolithic B (PPNB)“ ein extensiver Gebrauch von Kalk im architektonischen Bereich feststellen.
Durch das Hinzufügen von sogenannter Puzzolan-Erde zum gelöschten Kalk entstand in römischer Zeit das sogenannte opus cementitium, ein betonähnlicher Baustoff.
2. Kalkstein und Kalk
2.1. Geologische Definition
Die genaue Zusammensetzung sowie die äußere Erscheinungsform des Gesteins sind äußerst variabel. Die typische Farbe des Kalksteins ist eher hell, variiert jedoch abhängig von den Verunreinigungen und dem Eisenoxid- oder Mangangehalt, welche das Gestein dunkler färben.
Frisch gebrochener Kalkstein ist eher hell oder hellgrau, wohingegen nach einer Zeit des Aussetzens an der Luft sich die Oberfläche eher gelblich oder rötlich färbt.
Seine Härte auf der Mohs‘schen Härteskala beträgt 3, das heißt, man kann ihn mit der Fingerspitze, jedem Metall oder Steinwerkzeug ritzen. Diese Eigenschaft macht den Kalkstein zu einem beliebten Material für Bauwerke oder Schnitzereien.
2.2. Entstehung von Kalkstein
Natürlicher Kalkstein entsteht durch eine Wechselwirkung von Organismen und Meerwasser. Das im Wasser gelöste Calciumkarbonat wurde entweder direkt durch den Stoffwechsel der Organismen zum Fällen gebracht oder sie bauten es in ihre körpereigenen Skelett- und Schalenteile ein und entzogen es so dem Meerwasser. Nach deren Absterben sammelten sich am Grund des Meeresbodens Schlämme bestehend aus den Resten dieser Organismen. Durch vielschichtige geologische Prozesse (Diagenese) verfestigten sich die Karbonatschlämme zu Kalkstein. Durch die Form der im Kalkstein vorliegenden Fossilien ist es den Geologen heute möglich, das Alter des Gesteins sehr genau zu bestimmen.
2.3. Herstellung von Kalk
Die Herstellung von Kalk gilt als eine der frühesten pyrotechnologischen Vorgänge. Der Prozess lässt sich in 3 Schritte aufteilen:
1. Der erste Schritt bedarf einer Hitze von ca. 780 Grad Celsius. Dabei wird das Calciumcarbonat (CaCO3) des Kalksteins vom Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasser getrennt. Daraus entsteht der sogenannte gebrannte Kalk (CaO).
2. Dieser wird durch das Hinzugeben von Wasser („Löschen“) zum gelöschten Kalk. Hierbei werden Wasserstoff und Sauerstoff durch den vorher gebrannten Kalk absorbiert. Es entsteht Calciumhydroxid (Ca(OH)2) in Form von feinem, weißem Pulver.
3. Das so entstandene Pulver kann trocken oder nass gelagert werden. Sobald es mit Luft in Verbindung kommt (zum Beispiel beim Auftragen auf eine Wand), verhärtet es sich.
Das Kalkpulver kann, vermischt mit Sand oder Kies, als feiner Mörtel für Stein- oder Ziegelkonstruktionen verwendet werden.
Für die Herstellung von Kalk sind spezielle Kalkbrennöfen nötig. Viele solcher Öfen sind in Israel / Palästina vor allem aus der osmanischen Periode bekannt, wohingegen ein Großteil der antiken Öfen entweder undatiert oder gänzlich unausgegraben bleibt. Die wenigen archäologisch gut erforschten Beispiele stammen meist aus der Eisenzeit.
Der typische Kalkbrennofen der Antike wurde, außerhalb von Siedlungen, in den Boden gehauen oder gegraben. Der runde Durchmesser beträgt ca. 3,5–5 m. Es wurde eine Mauer um die sogenannte Feuerkammer errichtet, wo der Kalkstein verbrannt wurde. Im oberen Aufbau befanden sich meist ein oder zwei Öffnungen – eine zur Luftzirkulation, eine andere zum Hinzufügen von Befeuerungsmaterial (Pflanzen, Holz etc.). Nach dem Brennvorgang wurde der Kalk gelöscht und zu seinem Bestimmungsort weitertransportiert.
3. Schriftliche Erwähnungen
3.1. In der Bibel
Wenn in der Bibel von Kalk (hebr. שִׂיד śîd und גִּר gir bzw. aram. גִּיר gîr) gesprochen wird, ist meist nicht Kalkstein gemeint, sondern von gebranntem und gelöschtem Kalk, der zum Tünchen (hebr. טוח ṭûḥ) verwendet wird, damit ein Wandanstrich entsteht (hebr. תָּפֵל tāfel). Das Tünchen mit Kalk erscheint in der Bibel in zwei verschiedenen Kontexten: In Dtn 27,2.4
Andererseits kann Tünche auch eine äußere Glätte und die scheinbare Haltbarkeit von brüchigen Mauern bewirken. Daher wird sie im Alten Testament auch als Bild für vorgetäuschte Zuverlässigkeit verwendet (Ez 13,10-15
In Jes 33,12
Die zahlreichen biblischen Erwähnungen des Materials zeugen von einer weiten Verbreitung von gelöschtem und gebranntem Kalk in der damaligen Architektur.
3.2. In weiteren schriftlichen Quellen
Auch in römischer Zeit sind Kalkstein und Kalk ein weit verbreitetes Material zum Hausbau. Hiervon zeugen präzise Anleitungen zur Herstellung von Kalk und dem dazugehörigen Brennprozess.
In der ersten Hälfte des 2. Jh.s v. Chr. erwähnt der römische Geschichtsschreiber Cato den Baustoff calx in seinem die Landwirtschaft beschreibenden Werk De agri cultura. Er beschreibt den korrekten Bau eines Kalkbrennofens sowie den Vorgang des Kalkbrennens (Cato, De agri cultura 14-16;38).
Auch der römische Architekt und Ingenieur Vitruv gibt im 1. Jh. v. Chr. eine Beschreibung des Baustoffes Kalk und seiner Verwendung sowie eine Anleitung zu seiner Herstellung (Vitruv, De architectura II.5). Er beschreibt sowohl das richtige Mischverhältnis für eine gute Mörtelmischung als auch den eigentlichen Brennprozess.
4. Archäologische Funde und Befunde
In der Archäologie ist Kalkstein in verschiedenen Formen zu finden. Da der Stein in großen Mengen vorkommt und leicht zu bearbeiten ist, stellt er sowohl in der Architektur als auch in der Kleinkunst ein beliebtes Material dar. Das Fundgruppenspektrum ist daher breit. Es reicht von Baumaterial über Skulpturen, Gewichte und Schmuck, bis hin zu Gefäßen (→ Kalksteingefäße
4.1. Steinbrüche und Archäologie
Im Großen und Ganzen ist es schwierig, einen Steinbruch archäologisch zu datieren. Er selbst gibt selten datierbares Material her. Daher ordnen die Ausgräber Steinbrüche meist anhand von nahe gelegenen Siedlungen oder Steinverarbeitungsplätzen ein.
Innerhalb des Steinbruches können zum Beispiel Werkzeugspuren einen Hinweis auf das Alter geben. Auch anhand von Steinblockgrößen oder Abfallprodukten können Altersbestimmungen vorgenommen werden. Da diese Plätze jedoch über eine lange Zeit in Benutzung waren, ist die Datierung über solche Methoden nicht exakt.
4.2. Abbau von Kalksteinblöcken
Wird Kalkstein aus einem vertikalen Kliff abgebaut, so passiert dies in sogenannten Galerien. Hierbei wird zunächst eine Reihe von Stufen in die Klippe gehauen. Danach schneidet der Steinbrucharbeiter eine Art Korridor entlang der Decke dieser Galerie, sodass der gewünschte Steinblock von hinten herausgehauen werden kann. So wird sich allmählich weiter nach hinten in die Galerie gearbeitet.
Beim Abbau von Kalkgestein werden vor allem → Meißel
Der abgebaute Kalkstein wurde anschließend zu seinem Bestimmungsort gebracht, sodass er an der Baustelle selbst (Tempel, Grab etc.) weiter bearbeitet (z.B. mit Dekoration versehen) werden konnte. Verschiedene Steinmetzzeichen können Aufschluss geben über die organisatorischen und bürokratischen Verbindungen von Steinabbau und Bauprozess.
4.3. Kalksteinvorkommen und die Verwendung von Kalkstein und Kalk
4.3.1. In Ägypten
Auch für die Anfertigung von Skulpturen, Reliefs oder anderen Kleinfunden ist Kalkstein beliebt.
4.3.2. In Israel / Palästina
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928ff
- Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003
2. Weitere Literatur
- Aston, B.G. / Harrel, J.A. / Shaw, I., Stones, 2000, in: P. Nicholson / I. Shaw (Hgg.), Ancient Egyptian Materials and Technology, Cambridge, 5-77.
- Eliyahu-Behar, A. / Yahalom-Mack, N. / Ben-Shlomo, D., 2017, Excavation and Analysis of an Early Iron Age Lime Kiln, IEJ 67, 14-31.
- Frumin, A. u.a., 2014, In-situ Dating of Ancient Quarries and the Sources of Flowstone (‘calcite-alabaster’) Artifacts in the Southern Levant, Journal of Archaeological Science 41, 749-758.
- Gibson, S.,1984, Lime Kilns in North-East Jerusalem, PEQ 116, 94-102.
- Kingery, W.D. u.a.., 1988, The Beginnings of Pyrotechnology, Part II: Production and Use of Lime and Gypsum Plaster in the pre-Pottery Neolithic Near East, Journal of Field Archaeology 15, 219-244.
- Klemm, R., / Klemm, D., 1993, Steine und Steinbrüche im Alten Ägypten, Berlin / Heidelberg
- Klemm, R., / Klemm, D., 2007, Die Herkunft der Pyramidenbausteine, in: G.A. Wagner (Hg.), Einführung in die Archäometrie, Heidelberg, 153-178.
- Magen, Y., 2002, The Stone Vessel Industry in the Second Temple Period, Jerusalem.
- Sparks, R.S., 2007, Stone Vessels in the Levant, Leeds.
- Vieweger, D. / Förder-Hoff, G. (Hg.), 2012, Der archäologische Park unter der Erlöserkirche von Jerusalem, Berlin.
Abbildungsverzeichnis
- Kalkstein in Israel / Palästina. © Jennifer Zimni
- Calciumhydroxid Pulver, gelöschter Kalk. Aus: Wikimedia Commons; © public domain; Zugriff 9.9.2020
- Steinbruch Khafra bei den Pyramiden von Gizeh. © Jon Bodsworth, transferred from www.egyptarchive.co.uk
, copyrighted free use (https://commons.wikimedia.org ); Zugriff 9.9.2020 - Großes Hypostyl des Tempels von Dendera (römische Zeit). © public domain; Foto: Klaus Koenen, 2010
- Büste Amenhoteps I. aus Kalkstein. Aus: Wikimedia Commons; © Keith Schengili-Roberts, Wikimedia Commons, lizenziert unter Creative-Commons
-Lizenz, Attribution-Share Alike 2.5 generic ; Zugriff 9.9.2020 - Privatstele aus Kalkstein (Ende 18. Dynastie – Anfang 19. Dynastie; BIBEL+ORIENT Datenbank Online
). Mit Dank an © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz - Westliche Mauer des Tempels Herodes’ des Großen in Jerusalem. © Jennifer Zimni
- Skaraboid aus Kalkstein (EZ IIA-EZ IIB, 1000-800 v. Chr.; BIBEL+ORIENT Datenbank Online
). Mit Dank an © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
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