Körperverletzung
(erstellt: Mai 2013)
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→ Recht
1. Begriffsbestimmung und Übersicht
Als Körperverletzung kann die Misshandlung oder das Hervorrufen einer temporären bzw. dauernden Gesundheitsschädigung, auch mit Todesfolge, gelten. Dementsprechend unterscheidet das deutsche Recht die einfache, die gefährliche (Gebrauch von Gift oder Waffen), die schwere (Verlust eines wichtigen Körpergliedes, Entstellung, dauernde Behinderung oder Krankheit) und die fahrlässige Körperverletzung. Dabei ist in jedem Fall zu unterscheiden, ob die Tatfolge absichtlich oder wissentlich verursacht wurde oder der Täter zumindest mit ihr hat rechnen müssen.
Die gesetzlichen Bestimmungen des Alten Testaments unterscheiden bei Körperverletzungen deren Schwere und die Folgen, die vorübergehend oder dauerhaft und sogar tödlich sein können. Bei vorübergehender Bettlägerigkeit als Folge eines Streits wird nicht die Körperverletzung geahndet, sondern der Arbeitsausfall ersetzt; bei bleibenden Schäden (Ex 21,22-25
Die narrativen und weisheitlichen Belege nennen keine Rechtsfolgen für Körperverletzungen (mit Ausnahme der „Selbstjustiz“ Lamechs), sondern greifen sie als lebensweltliche Realität auf, um metaphorisch über Ungerechtigkeit zu sprechen (Hi 16,10-13
Im Gleichnis Jesu über den treuen und ungetreuen Knecht ist die Körperverletzung der Mitknechte Bild für die „Parusievergessenheit“ in der christlichen Gemeinde; im Gleichnis vom barmherzigen Samariter ist die schwere Körperverletzung Auslöser für das weitere Geschehen. Beide Male wird Körperverletzung also negativ konnotiert.
2. Gesetze zu Körperverletzungen
2.1. Bundesbuch
2.1.1. Misshandlung der Eltern (Ex 21,15)
Ex 21,15
Aus Ex 21,15
Die spiegelbildliche Strafe im Kodex → Hammurabi
2.1.2. Körperverletzungen unter Streitenden (Ex 21,18-19)
Die Anordnung des Stoffes in Ex 21,18-27
-
Ex 21,18-19
: Körperverletzung ohne Todesfolge unter freien Bürgern -
Ex 21,20-21
: Körperverletzung an Sklave / Sklavin mit und ohne Todesfolge -
Ex 21,22-23
a: Körperverletzung an einer schwangeren Frau mit und ohne Todesfolge oder hervorgehobener Stellung der Fehlgeburt -
Ex 21,23b-25
: Grundsatzregelung (Talionsformel) -
Ex 21,26-27
: schwere und minder schwere Körperverletzung an Sklave / Sklavin
Ex 21,18-19
Mit dem Thema der Körperverletzung befassen sich auch mehrere altorientalische Gesetzessammlungen. Der Kodex Urnammu (ca. 2100 v. Chr.) sieht in §§ 18-22 für vorsätzlich, außerhalb einer Schlägerei beigebrachte Verletzungen oder Verstümmelungen Geldstrafen bis zu einer Mine vor. Der Kodex Eschnunna (Beginn des 2. Jt.s v. Chr.) sieht in §§ 42-47 ebenfalls Geldbußen für zumeist willentlich beigebrachte Verletzungen, Verstümmelungen und Brüche vor, selbst wenn ein Bürger einem anderen die Nase abbeißt. Ähnliches gilt für die §§ 7-16 der hethitischen Gesetze (um 1600 v. Chr.), die in § 10 für den Fall, dass das Opfer durch die Verletzung (es ist nicht von Streit die Rede) krank wird, vorsehen, dass der Verursacher das Opfer pflegt und an dessen Stelle eine Arbeitskraft stellt. Nach der Gesundung sind 6 Schekel und die Arztkosten zu zahlen. Ohne dass literarische Abhängigkeit besteht, wird hier mit Unterschieden im Detail eine Parallelentwicklung zu Ex 21,18-19
Kodex Hammurabi erlässt in §§ 195-201 Bestimmungen über bleibende Körperverletzungen, die nach dem gesellschaftlichen Stand des Opfers differenzieren: Die Tat eines Bürgers an einem anderen freien Bürger oder dessen Sohn wird talionisch am Täter bestraft (Zerstörung von Augen, Ausschlagen von Zähnen, Brechen von Knochen), bei niedriger Gestellten tritt Geldbuße ein. In §§ 202-205 sind Schläge auf die Wange das Thema. Hier werden je nach gesellschaftlichem Stand von Täter und Opfer Prügelstrafe, Geldstrafe oder Verstümmelung (hat ein Sklave den Sohn eines Bürgers geohrfeigt, wird ihm ein Ohr abgeschnitten) verhängt.
§§ 206-208 behandelt den Fall der Schlägerei. Bei einer schwereren Verwundung wird ein Unschuldseid verlangt, dass die Verletzung nicht willentlich (wörtlich: wissentlich) beigebracht wurde. Es sind die Arztkosten zu bezahlen, was wiederum an Ex 21,19
2.1.3. Körperverletzungen einer schwangeren Frau als Unfall (Ex 21,22-25)
Ex 21,22-25
Einen scharfen Kontrast dazu bildet das Prahllied des Lamech Gen 4,23-24
Im vorliegenden Kontext hat die Formel die Funktion, mittels relativ fester Parameter das als höher eingeschätzte Leben der Frau (in diesem Fall würde das erste Glied „Leben um Leben“ evtl. eine Todessanktion ersetzen) bzw. des Kindes in hervorgehobener Stellung zu würdigen und die Wiedergutmachung nicht dem Spiel von Forderung und Verhandlung (Ex 21,22
Ohne dass eine schwangere Frau involviert wäre, handelt es sich in Ex 2,13-14
In den altorientalischen Gesetzen wird nicht von Kindern gesprochen, die wegen eines Schlages aus dem Mutterleib austreten, sondern von der Leibesfrucht, wahrscheinlich ein noch nicht ausgebildeter, nicht lebensfähiger Fötus. Der sumerische Text UM 55-21-71 §§ 4-5 (evtl. zum Kodex Lipit-Eschtar gehörig, um 1930 v. Chr.) bestraft den Abgang der Leibesfrucht mit einer halben Mine Silber, den Tod der Frau (Tochter eines freien Mannes) mit dem Tod des Angreifers, dessen Handeln wohl als vorsätzlich angesehen wird. Der sumerische Text YOS I,28 ist eher als Schulübung denn als eigentliches Gesetz zu betrachten; in §§ 1-2 differenziert er zwischen Anstoßen und Schlagen, verhängt aber beide Male eine Geldstrafe. Die mittelassyrischen Gesetze (um 1100 v. Chr.) §§ 21, 50-52 sehen bei einem Verlust der Leibesfrucht eine Geldstrafe vor und teilweise auch Prügelstrafe, wenn der Schlag absichtlich geführt wurde. Interessant ist § 50, der für zwei Fälle die Todesstrafe vorsieht: wenn die von einem anderen Bürger geschlagene Ehefrau eines freien Bürgers an der Fehlgeburt stirbt und wenn der Mann der von der Fehlgeburt betroffenen Frau noch keinen Sohn hat. Ist die Leibesfrucht weiblich, muss er „das Leben ersetzen“.
Die hethitischen Gesetze sehen in §§ 17-18 Geldzahlungen für die abgegangene Leibesfrucht entsprechend den Schwangerschaftsmonaten vor, wobei der Betrag bei einer Sklavin nur halb so hoch ist wie bei einer Freien. Es wird von einem Unfall, nicht von Vorsatz oder Absicht ausgegangen, was auch im Kodex Hammurabi der Fall zu sein scheint, der in den §§ 209-214 nach dem sozialen Stand der Opfer bzw. Geschädigten unterschiedliche Geldzahlungen für die Leibesfrucht bzw. den Tod der Frau vorsehen. Handelt es sich um die Tochter eines freien Bürgers, die an der Fehlgeburt stirbt, soll die Tochter des Verursachers getötet werden. Der Schlag ist offenbar nicht vorsätzlich geführt worden; nach § 206 (Körperverletzung während einer Schlägerei mit Unschuldseid, dass die Verletzung ungewollt war) kann vermutet werden, dass auch im Fall der Schwangeren ein solcher Eid geleistet wurde.
2.1.4. Misshandlung von Schuldsklaven (Ex 21,20-21.26-27)
In Ex 21,20-21
Zerstörte Augen und ausgeschlagene Zähne (als Beispiele für bleibende Körperschäden) ziehen die Freilassung des Sklaven bzw. der Sklavin nach sich und damit wiederum den Verlust der Restschuld (diese stellt die Ersatzleistung dar, die für freie Bürger zu zahlen ist und von der Talionsformel gefordert, hier jedoch auf die Verhältnisse der Schuldknechtschaft übertragen wird). Die faktische Gleichstellung der Sanktionen in diesen Fällen des Verlustes von Körperteilen einerseits und der Züchtigung mit späterer Todesfolge andererseits, mithin ohne Tötungsabsicht, ist so zu erklären, dass der Verlust der Restschuld als Strafe und Selbstschädigung angesehen wird, der „Wert“ von Schuldsklaven also berechnet wurde. Nur der eigentliche Mord bzw. schwere Totschlag unterlag in jedem Fall, auch bei Sklaven, der Blutrache.
2.2 Kriterien für den Tatvorsatz (Num 35,16-23)
In seiner erweiterten Form ist Num 35,9-29
Die Kriterien für die Beurteilung von absichtlicher und unabsichtlicher Tötung lassen auf eine entsprechende Jurisdiktion schließen. Sie zeigen, dass auch der Eventualvorsatz und die bewusste Fahrlässigkeit (beim Eventualvorsatz erkennt der Täter die Möglichkeit des Erfolgseintritts, hier den Tod, nimmt ihn jedoch billigend in Kauf; bei bewusster Fahrlässigkeit liegt dieselbe Erkenntnis vor, doch vertraut der Täter darauf, dass der Erfolg nicht eintreten werde) mit der Tötungsabsicht gleichgesetzt werden.
2.3. Talionische "Generalregel" (Lev 24,18-22)
Innerhalb eines umfangreichen chiastischen Aufbaus (Lev 24,13-23
3. Körperverletzungen im narrativen und weisheitlichen Kontext
Von Körperverletzungen spricht die Bibel auch in Kontexten, die nicht im eigentlichen Sinn juristisch sind, wobei es sich um Strafen zur Wahrung des Rechtes oder zur Durchsetzung einer bestimmten Werteordnung handeln kann. In Hi 29,17
Spr 17,10
Etwas Ähnliches stößt der Freundin in Hhld 5,7
Körperverletzung als Ausdrucksmittel einer prophetischen Zeichenhandlung findet sich in 1Kön 20,35-43
Ebenfalls im prophetischen Kontext findet sich die Notiz über Menschen, die den Rücken des Propheten schlagen und seine Wangen, d.h. den Bart raufen (Jes 50,6
In Gleichnisreden werden Körperverletzungen als bildhafte, jedoch der lebensweltlichen Realität entlehnte Vergleiche herangezogen. Hiob kleidet in Hi 16,10-13
Im „Gleichnis vom barmherzigen Samariter“, das eigentlich ein Schul- bzw. Streitgespräch ist (Lk 10,25-37
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