Licht / Dunkelheit (AT)
(erstellt: März 2016)
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→ Nacht
1. Wortfelder
Die Phänomene Licht und Dunkelheit bzw. Finsternis werden im Alten Testament je für sich und in ihrem Bezug aufeinander unter unterschiedlichen Aspekten thematisiert.
1.1. Licht
Licht (אוֹר ’ôr) bezeichnet zumeist das Licht des Tages, welches im präsolaren Weltbild des Alten Testaments nicht ursächlich mit dem Licht der Sonne verbunden wird. Die als Verb und Nomen vorkommende Wurzel אור ’wr ist mit Ugaritisch ’r „hell sein / lassen“ sowie Akkadisch urru „Tag“ verwandt.
Das Licht einer Lampe oder eines Feuers wird zumeist mit Derivaten der Wurzelbasis נר nr bezeichnet (vgl. נֵר ner „Lampe“, מְנֹורָה mənôrāh „Leuchter“). Als Verbum fungiert die seltene, erweiterte Form נהר nhr „leuchten / strahlen“, die auch in נְהָרָה nəhārāh „Lichtschein“ zu finden ist. Vgl. zudem biblisch-aramäisch נְהֹור nəhôr „Licht“ (Dan 2,22
Als weitere Bedeutungsäquivalente sind נגה ngh „leuchten“ (Jes 9,1
1.2. Dunkelheit / Finsternis
Die Dunkelheit ist in der Regel den natürlichen Phänomenen der Nacht bzw. des Schattens zugeordnet, sie wird zudem mit der Unterwelt bzw. dem Bereich des → Chaos
Am häufigsten wird dabei die Wurzel חשׁך ḥšk verwendet, die auch die uranfängliche Finsternis bezeichnet (Gen 1,2
Vor allem die durch → Schatten
2. Licht und Finsternis in der Umwelt des Alten Testaments
2.1. Ägypten
Die zentrale Bedeutung des Lichts in der ägyptischen Religion lässt sich spätestens ab der 5. Dynastie (2504-2347 v. Chr.) belegen, in der der Kult des Sonnengottes → Re
Die Finsternis der Nacht, dem Tod assoziiert, ist dagegen das Reich der Diebe und Raubtiere (849f.): „Die Finsternis ist ein Grab, die Erde liegt in Schweigen: ihr Schöpfer ist untergegangen in seinem Lichtland.“ Die Vertreibung der Finsternis zu Beginn des Morgens ist zugleich die Wiederbelebung der zur Nacht erstarrten Welt.
Aufschlussreich für die biblische Wahrnehmung der Bedeutung von Finsternis als Bedrohung in Ägypten ist die Massierung der Finsternis in den Plagen (Ex 10,21-29
2.2. Mesopotamien
In der babylonisch-assyrischen Religion spiegelt sich die Hochschätzung des Lichts in der hohen Stellung des Mondgottes Sin (→ Mond
Die Unterwelt ist das „Haus der Dunkelheit“ und entsprechend sehen die in ihr wohnenden Totengeister kein Licht. Neben der Lebens- und Todesmetaphorik wird zudem das Licht als Sinnbild von Weisheit und Recht verwendet, das alle Morgen wieder gegen die chaotische Dunkelheit durchgesetzt werden muss.
3. Licht und Finsternis in der alttestamentlichen Schöpfungsordnung
Entsprechend dem Schöpfungsbericht der → Priesterschrift
Die in Gen 1,4
Licht und Finsternis werden entsprechend dem Werk des vierten Schöpfungstages von den Himmelskörpern regiert, die „das Licht von der Finsternis scheiden“ sollen (Gen 1,18
4. JHWH in Licht und Finsternis
JHWH hat das Licht erschaffen (→ Schöpfung
4.1. JHWH in der Finsternis
Entsprechend dem Tempelweihspruch in 1Kön 8,12
Neben der besonderen Affinität des Berg- und Wettergottes JHWH zur Finsternis gibt es noch etliche Stellen, an denen seine Macht gerade damit gerühmt wird, dass Finsternis vor ihm keinen Bestand bzw. keine Fähigkeit zum Verbergen hat (vgl. Ps 139,12
4.2. JHWHs Rettung als Licht
Obwohl es also genügend Belege für die Affinität JHWHs zur Finsternis gibt, wird – vor allem auch in der übertragenen Rede – die Gottesnähe als lichte der finsteren Gottverlassenheit gegenübergestellt. So wird gerade die Hilfe JHWHs mit der Zeit des Morgens assoziiert (Ps 46,6
Dabei ist auch dieser Befund differenziert zu betrachten: So zeigt etwa der Unterschied zwischen Ps 104, der von der lichthaften Erscheinung JHWHs berichtet (Ps 104,2
Gottes rettendes Eingreifen ist „alle Morgen neu“ (Klgl 3,22f
5. Der Mensch in Licht und Finsternis
In Bezug auf den Menschen bezeichnen „Licht“ und „Finsternis“ metaphorisch sowohl das Verhalten als auch das Ergehen des Menschen.
5.1. Licht und Finsternis als Wertung menschlichen Handelns
Es sind die Frevler, die in der Finsternis ihr Unwesen treiben. Sie verlassen die gerade Bahn und wandeln auf finsteren Wegen (Spr 2,13
Wer hingegen im „Licht wandelt“, geht auf einem Weg des Wohlergehens und des Heils, zu dem JHWH bewahrende Führung gibt (Ps 43,3
5.2. Licht und Finsternis im Ergehen des Menschen
Wie auch in der Umwelt Israels sind Dunkelheit und Finsternis im Alten Testament der Todessphäre (→ Tod
Die Finsternis ist eine Sphäre der Bedrohung, sie ist ein Zeichen des Gerichts (Ps 35,6
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928ff
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
- Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
- Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
- Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 5. Aufl., München / Zürich 1994-1995
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, Darmstadt 2006
2. Weitere Literatur
- Aalen, S., 1951, Die Begriffe „Licht“ und „Finsternis“ im Alten Testament, im Spätjudentum und im Rabbinismus, Oslo
- Janowski, B., 1989, Rettungsgewissheit und Epiphanie des Heils. Das Motiv der Hilfe Gottes „am Morgen“ im Alten Orient und im Alten Testament, Bd. I: Alter Orient (WMANT 59), Neukirchen-Vluyn
- Janowski, B., 2010, Das Licht des Lebens. Zur Lichtmetaphorik in den Psalmen, in: P. Van Hecke / Antje Labahn (Hgg.), Metaphors in the Psalms (BEThL 231), Leuven u.a., 87-113
- Langer, B., 1989, Gott als „Licht“ in Israel und Mesopotamien. Eine Studie zu Jes 60,1-3.19f (ÖBS 7), Klosterneuburg
- Lemmelijn, B., 2012, Light and Darkness. From Reality to Literature, Scriptura 111, 555-568
- Müller, R., 2010, Der finstere Tag Jahwes. Zum kultischen Hintergrund von Am 5,18-20, ZAW 122, 576-592
- Podella, T., 1996, Das Lichtkleid JHWHs. Untersuchungen zur Gestalthaftigkeit Gottes im Alten Testament und in seiner altorientalischen Umwelt (FAT 15), Tübingen
- Zgoll, Annette, 2003, Die Kunst des Betens. Form und Funktion, Theologie und Psychagogik in babylonisch-assyrischen Handerhebungsgebeten zu Ištar (AOAT 308), Münster
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