Milch und Honig
(erstellt: Juni 2018)
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1. Die Formulierung „Milch und Honig“
Nur im → Hohelied
Eine Steigerung von „Milch und Honig“ bietet „Sahne (חֶמְאָה) und Honig“. Nach Hi 20,17
2. Milch und Honig als Nahrungsmittel
2.2. Honig. דְּבַשׁ dəvaš meint einerseits (eingedickten) Saft von Trauben, Feigen oder Datteln und andererseits Bienenhonig. Beide waren im antiken Palästina die einzigen Süßmittel. Auf Tel Rechov (Koordinaten: 1970.2070; N 32° 27' 28'', E 35° 29' 53''
Nach der biblischen Überlieferung gehört auch Honig zu den guten Gaben des fruchtbaren Landes (Gen 43,13
3. Milch und Honig in metaphorischer Rede
3.1. Milch und Honig. Viel Honig ist ein Hinweis darauf, dass es sowohl viele Bienen als auch viele blühende Pflanzen gibt. Auch viel Fruchtsirup verweist auf üppige Vegetation. Viel Milch ist ein Hinweis auf viele (Milch gebende) Haustiere und deren Fruchtbarkeit. Während Milch jedoch auch in verarbeiteter Form nur kurze Zeit haltbar ist, ist Honig besonders lange haltbar. Überfluss an Milch und Honig ist insofern ein Merismus für nahrhafte Lebensmittel, für üppige → Fruchtbarkeit
3.2. Milch. Von Milch alleine ist bildlich nur selten die Rede. In Hhld 5,12
3.3. Honig. Honig ist der Inbegriff der Süße (Ri 14,18
Wenn JHWH Jakob (= Israel) Honig aus dem Felsen saugen lässt, wird in einer poetischen Überhöhung die Wüstenzeit (Dtn 32,13
Im Neuen Testament ernährt sich Johannes der Täufer von Heuschrecken und Honig (Mk 1,6
Honig gibt in der gesamten Antike eine Ahnung von Göttlichkeit: Im ägyptischen Karnak wurde Honig als „Tränen des Re“ dem Ammon-Re dargebracht. Das biblische → Manna
4. Milch und Honig in mythischen Überlieferungen
4.1. Das Goldene Zeitalter
In antiken griechischen Texten über das Goldene Zeitalter und die Insel der Seligen sind unerschöpfliche Fruchtbarkeit im Allgemeinen und das Fließen von Milch und Honig im Besonderen ein fester Topos (Hesiod, Werke und Tage 116-120; Horaz, Epoden 16,47; Ovid, Metamorphosen 1,111-112; Vergil, Bucolica 4,21.30 u.v.a.). Überfluss von Nahrung gibt es in zahlreichen utopischen Orten, deren Charakteristika über die Jahrtausende ineinander übergehen, z.B. Arcadia, Elysium, Walhalla, Shangri-la, Fiddler’s Green, das Schlaraffenland (López de Abadia 2008; Lichtblau 2008) oder auch der Garten Eden. So fließen in den vier Paradiesströmen Honig, Milch, Öl und Wein (slaw. Henoch 8,5, Text Frühjüdische Schriften
4.2. Erotik im Garten
Seit der Antike gibt es in utopischen Gärten nie versiegende Gaumen- und Liebesfreuden (Hhld 5,1
4.3. Die Anwesenheit eines Gottes
Die Charakterisierung eines Landes durch seine Fülle an Milch und Honig kann auch seiner Erwählung durch Gott Ausdruck geben (Sinuhe, s. TUAT III,5). → Baal
5. Zur Wirkungsgeschichte
Die Beschreibung Palästinas als eines Landes mit einem Überfluss an Milch und Honig hat sich zu einem Ausdruck für die Sehnsucht nach Überfluss an schönen Speisen entwickelt, die auf eine beliebige Gegend appliziert werden kann. Damit ist der Merismus „Milch und Honig“ von einer festen Formel der Landbeschreibung zu einer umfassenden Heilsbeschreibung geworden. Milch und Honig umfassen nunmehr alles, was paradiesisch schön ist. Entsprechend fließen Milchbäche, in die Semmeln zum Einweichen hineinfallen, auch im Märchen vom Schlaraffenland; es regnet dort Honig in süßen Tropfen.
Die Rede von Milch und Honig wird auch metaphorisiert und kann dann auf andere Größen bezogen werden, z.B.:
- auf Christus: „vergönne mir, o Jesulein, / dass ich dein mündlein küsse, / das mündlein, das den süszen Wein, / auch milch und honigflüsse / weit übertrifft in seiner kraft“ (Paul Gerhard, „Ich steh an deiner Krippen hier“, v. 39);
- auf die Poesie: „hab ich gleich die poesie verlezet / dasz sie mich nicht, wie dich, mit milch und honig speist“ (Johann Christian Günther, „Nichts anders als Verdruss bestürmet Seel und Geist“);
- auf die Liebe: „Bis (...) der verliebten Schäfer Paare wieder / an Milch- und Honigströmen zärtlich wandeln“ (Kleist, Hermannschlacht II,5).
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Deutsches Wörterbuch, Stuttgart 1854-1971.
- Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1949-1973.
- Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1970-2016.
- Enzyklopädie des Märchens, Berlin 1977-2012.
- Lexikon sprichwörtlicher Redensarten, Freiburg/Br. 1991-1992.
- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001.
- Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003.
- A Dictionary of Literary Symbols, Cambridge 1999.
- Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003.
- Sozialgeschichtliches Wörterbuch zur Bibel, Gütersloh 2009.
- Encyclopedia of the Bible and its Reception, Berlin 2009ff.
- Wörterbuch alttestamentlicher Motive, Darmstadt 2013.
2. Weitere Literatur
- Börner, K., Auf der Suche nach dem irdischen Paradies. Zur Ikonographie der geographischen Utopie, Frankfurt 1984.
- Dershowitz, I., „A Land Flowing with Fat and Honey“, VT 60 (2010), 172-176.
- Kelhoffer, J., The Diet of John the Baptist „Locusts and Wild Honey“ in Synoptic and Patristic Interpretation (WUNT 176), Tübingen 2005.
- Knipping, B.R., Die Wortkombination „Land, fließend von Milch und Honig“. Eine kurze Problematisierung ihrer Ausdeutung, ihrer Überlieferungsgeschichte und der Tragweite eines Pentateuchmodells, BN 98 (1999), 55-71.
- Mazar, A. / Pamitz-Cohen, N., It is the Land of Honey. Beekeeping at Tel-Reḥov, NEA 70 (2007), 202-219.
- Lichtblau, K., Locus amoenus. Der „liebliche Ort“ – ein Topos in der Literatur des Mittelalters, in: U. Müller / W. Wunderlich (Hgg.), Burgen, Länder, Orte (Mittelalter-Mythen 5), Konstanz 2008, 497-510.
- Levine, E., The Land of Milk and Honey, JSOT 87 (2000), 43-57.
- López de Abadia, J.M., Schlaraffenland, in: U. Müller / W. Wunderlich (Hgg.): Burgen, Länder, Orte (Mittelalter-Mythen 5), Konstanz 2008, 803-813.
- Loretz, O., šmn (arṣ) „wohlriechende(s) Öl / Fett / Salbe (der Erde)“ als Metonymie für „Regen“. Die ugaritisch-hebräischen Parallelismen ṭl ǀǀ šmn, šmn ǀǀ nbt und das biblische Binom „Milch und Honig“, in: Manfried Dietrich (Hg.), Orbis Ugariticus ( AOAT 343), Münster 2008, 207-221.
- Plöger, J.G., Literarkritische, formgeschichtliche und stilkritische Untersuchungen zum Deuteronomium (BBB 26), Bonn 1967.
- Stern, Ph.D., The Origin and Significance of „The Land Flowing with Milk and Honey“, VT 42 (1992), 554-557.
- Ziffer, I. (Hg.), It is the Land of Honey. Discoveries from Tel Reḥov, the Early Days of the Israelite Monarchy, Tel Aviv 2016
Abbildungsverzeichnis
- Frau mit Butterfass (Gilat, um 4000 v. Chr.). Mit Dank an © Stiftung BIBEL+ORIENT, Freiburg / Schweiz
- Eine Frau macht Milch durch Schütteln in dem Tierbalg zu Butter. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
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