Deutsche Bibelgesellschaft

Milch und Honig

(erstellt: Juni 2018)

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1. Die Formulierung „Milch und Honig“

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Der Ausdruck „Milch und Honig“ begegnet in der Hebräischen Bibel vor allem in der Formulierung „das Land, in dem Milch und Honig fließen“ (אֶרֶץ זְבַת חָלָָב וּדְּבַשׁ). Diese Formulierung dient – außer in Num 16,13.14 – immer der Beschreibung des Verheißenen Landes (Plöger 1967). Die Belege beschränken sich auf den Hexateuch (→ Pentateuch), → Jeremia und → Ezechiel (Ex 3,8.17; Ex 13,5; Ex 33,3; Lev 20,24; Num 16,13.14; Dtn 6,3; Dtn 11,9; Dtn 26,9.15; Dtn 27,3; Jos 5,6; Jer 11,5; Jer 32,22; mit leicht abweichender Formulierung in Num 13,27; Num 14,8; Dtn 31,20; Ez 20,6.15; vgl. Sir 46,8 [Lutherbibel: Sir 46,10]; Bar 1,20). Sehr wahrscheinlich erscheint der Ausdruck zum ersten Mal in der deuteronomistischen Literatur (→ Deuteronomismus). Überfluss an Milch und Honig ist jedoch kein zwingendes Attribut des Landes; es fehlt z.B. in Dtn 8,7-10; Dtn 32,12-14; 2Kön 18,32.

Nur im → Hohelied begegnet „Milch und Honig“ in anderem Kontext. In Hhld 4,11 preist der Bräutigam die Braut: Unter ihrer Zunge sind Milch und Honig; und in Hhld 5,1 sagt er von sich, dass er Milch und Honig verzehrt.

Eine Steigerung von „Milch und Honig“ bietet „Sahne (חֶמְאָה) und Honig“. Nach Hi 20,17 wird der Frevler keine Bäche sehen, in denen Honig und Sahne fließen. Jes 7,15.22 schildern ideale Lebensverhältnisse, zu denen der Verzehr von „Sahne und Honig“ gehört.

2. Milch und Honig als Nahrungsmittel

Milch und Honig 02
2.1. Milch. Milch, insbesondere von → Ziegen, gehörte in rohem und häufiger noch in verarbeitetem Zustand als haltbarerer Joghurt ab dem 4. Jt. v. Chr. zu den Grundnahrungsmitteln. Zu Butter wurde Milch verarbeitet, indem man sie in einen Tierbalg goss und diesen an einem Gestell aus drei Stangen aufhängte. Durch stetes Schütteln und Stoßen entwickelte sich so im Laufe der Zeit Butter.

2.2. Honig. דְּבַשׁ dəvaš meint einerseits (eingedickten) Saft von Trauben, Feigen oder Datteln und andererseits Bienenhonig. Beide waren im antiken Palästina die einzigen Süßmittel. Auf Tel Rechov (Koordinaten: 1970.2070; N 32° 27' 28'', E 35° 29' 53'') hat man eine Fülle von Bienenstöcken gefunden, so dass Bienenzucht in Israel / Palästina ca. ab dem 10. Jh. v. Chr. belegt ist (Mazar 2007).

Nach der biblischen Überlieferung gehört auch Honig zu den guten Gaben des fruchtbaren Landes (Gen 43,13; Dtn 8,8; 2Sam 17,29); er dient als Geschenk (Ri 14,8-9) bzw. Tauschmittel (Gen 43,11; 1Kön 14,3; Ez 27,17). Honig zu essen ist „gut“ (Spr 24,13), es ist Nahrung für wohlbehütete Kinder (Jes 7,15; Ez 16,13.19). Lev 2,11-12 bietet gesetzliche Bestimmungen zu Honig. Man darf ihn nicht im Feuer opfern, soll aber seine → Erstlinge darbringen (vgl. 2Chr 31,5). Die Aufforderung setzt voraus, dass mit דְּבַשׁ dəvaš ein landwirtschaftliches Produkt gemeint ist, also Sirup von Datteln etc. oder Honig aus Bienenzucht, jedenfalls kein Wildhonig. Dass es in Israel / Palästina viel „Honig“ gab, wird auch im → Aristeasbrief (112; Aristeasbrief) und bei Josephus (Bellum Judaicum 4,469; Text gr. und lat. Autoren) erwähnt.

3. Milch und Honig in metaphorischer Rede

3.1. Milch und Honig. Viel Honig ist ein Hinweis darauf, dass es sowohl viele Bienen als auch viele blühende Pflanzen gibt. Auch viel Fruchtsirup verweist auf üppige Vegetation. Viel Milch ist ein Hinweis auf viele (Milch gebende) Haustiere und deren Fruchtbarkeit. Während Milch jedoch auch in verarbeiteter Form nur kurze Zeit haltbar ist, ist Honig besonders lange haltbar. Überfluss an Milch und Honig ist insofern ein Merismus für nahrhafte Lebensmittel, für üppige → Fruchtbarkeit, für ein kultiviertes Land mit Bienenzucht und Haustierhaltung, also mit reichen Lebensmöglichkeiten und darüber hinaus für Gottes → Segen. Verstärkt wird das Bild dadurch, dass Milch und Honig als Flüssigkeiten nicht zählbar sind. Wenn nun noch das Verb „fließen / überfließen“ (hebr. זוב zwb) dazu kommt, ist die versprochene Wonne schier unübersehbar. Der Überfluss von nahrhaften Lebensmitteln ist in Zeiten und Gegenden, die den Hunger besser kennen als das Sattsein, ein Traum von einem sorglosen Ort, an dem man nicht arbeiten muss (im Gegensatz zum Garten Eden; Gen 2,15). Das Überfließen, der Überfluss ist als besonders vielversprechende Angabe überzeitlich verständlich. Auffällig ist die Formulierung, dass Land fließe von Milch und Honig, „so wie es heute ist“ (Jer 11,5; s. noch Jer 32,22; Sir 46,8 [Lutherbibel: Sir 46,10]).

3.2. Milch. Von Milch alleine ist bildlich nur selten die Rede. In Hhld 5,12 bietet das Baden in Milch ein Bild für Überfluss. Jes 60,16 verheißt Israel, die Milch der Völker zu trinken, also ihre Schätze zu genießen. Die weiße Farbe von Milch kann zum Vergleich für saubere Zähne (Gen 49,12) und einen reinen Körper (Klgl 4,7) herangezogen werden.

3.3. Honig. Honig ist der Inbegriff der Süße (Ri 14,18; Ez 3,3; Ps 19,11; Spr 16,24; Spr 24,13) und kommt in diesem Sinn in der gesamten Antike auch metaphorisch vor, besonders als Bild für eine schmeichelnde Rede, deren Worte süßer als Honig sind (Spr 5,3-4; Spr 16,24; Spr 25,27; Homer, Ilias, 1,249, ders., Odyssee 12,187; Text gr. und lat. Autoren), aber auch für das göttliche Wort (Ps 19,11; Ps 119,103; s. auch die Auslegung → Philos von Alexandrien, Quod deterius potiori insidiari soleat 117 zu Dtn 32,13), und sei es das schriftliche (Ez 3,3; Apk 10,9-10).

Wenn JHWH Jakob (= Israel) Honig aus dem Felsen saugen lässt, wird in einer poetischen Überhöhung die Wüstenzeit (Dtn 32,13) oder die Zukunft (Ps 81,17) zur Zeit der umfänglichen und wunderbaren Fürsorge. Das ist wohl auch in Hi 20,17 gemeint.

Im Neuen Testament ernährt sich Johannes der Täufer von Heuschrecken und Honig (Mk 1,6; Mt 3,4), jedoch nicht aus Armut oder einem asketischen Ideal, sondern weil eine derartige Ernährung im Alten Orient keineswegs ungewöhnlich war (Kelhoffer 2007). Beide Belegstellen sind im Licht des Alten Testaments zu verstehen.

Honig gibt in der gesamten Antike eine Ahnung von Göttlichkeit: Im ägyptischen Karnak wurde Honig als „Tränen des Re“ dem Ammon-Re dargebracht. Das biblische → Manna schmeckt wie Honig (Ex 16,31). Hier geht das Wunderbare des Honigs mit seiner göttlicher Herkunft einher (Ex 16,15; s. auch Ps 81,17). In der griechischen Literatur ist Honig „Himmelstau“ (Aristoteles, Historia animalium 5,22 u.v.a.) und damit ein Geschenk der Götter (Vergil, Georgica 4,1).

4. Milch und Honig in mythischen Überlieferungen

4.1. Das Goldene Zeitalter

In antiken griechischen Texten über das Goldene Zeitalter und die Insel der Seligen sind unerschöpfliche Fruchtbarkeit im Allgemeinen und das Fließen von Milch und Honig im Besonderen ein fester Topos (Hesiod, Werke und Tage 116-120; Horaz, Epoden 16,47; Ovid, Metamorphosen 1,111-112; Vergil, Bucolica 4,21.30 u.v.a.). Überfluss von Nahrung gibt es in zahlreichen utopischen Orten, deren Charakteristika über die Jahrtausende ineinander übergehen, z.B. Arcadia, Elysium, Walhalla, Shangri-la, Fiddler’s Green, das Schlaraffenland (López de Abadia 2008; Lichtblau 2008) oder auch der Garten Eden. So fließen in den vier Paradiesströmen Honig, Milch, Öl und Wein (slaw. Henoch 8,5, Text Frühjüdische Schriften; vgl. Koran 47,17, Text Koran).

4.2. Erotik im Garten

Seit der Antike gibt es in utopischen Gärten nie versiegende Gaumen- und Liebesfreuden (Hhld 5,1; Lichtblau 2008). Honig und Milch unter der Zunge sind in der Liebespoesie des Hohelieds intime Genüsse (Hhld 4,11; Hhld 5,1), Trinken insgesamt steht in bildlichen Darstellungen und in der Bildsprache des Vorderen Orients oft für den Liebesakt (z.B. Milchtrinken Ri 4,18-19).

4.3. Die Anwesenheit eines Gottes

Die Charakterisierung eines Landes durch seine Fülle an Milch und Honig kann auch seiner Erwählung durch Gott Ausdruck geben (Sinuhe, s. TUAT III,5). → Baal kann in einem ugaritischen Text Öl / Milch vom Himmel regnen und in den Flussbetten Honig fließen lassen (KTU 1.6.III 12-13; → Ugarit). Bei Euripides (Euripides, Bacchen 142-145) fließt die Erde von Milch, Wein und Honig, als Dionysos erscheint. Auch in Jo 4,18 fließen Wein, Milch und Wasser, weil JHWH auf dem Zion wohnt.

5. Zur Wirkungsgeschichte

Die Beschreibung Palästinas als eines Landes mit einem Überfluss an Milch und Honig hat sich zu einem Ausdruck für die Sehnsucht nach Überfluss an schönen Speisen entwickelt, die auf eine beliebige Gegend appliziert werden kann. Damit ist der Merismus „Milch und Honig“ von einer festen Formel der Landbeschreibung zu einer umfassenden Heilsbeschreibung geworden. Milch und Honig umfassen nunmehr alles, was paradiesisch schön ist. Entsprechend fließen Milchbäche, in die Semmeln zum Einweichen hineinfallen, auch im Märchen vom Schlaraffenland; es regnet dort Honig in süßen Tropfen.

Die Rede von Milch und Honig wird auch metaphorisiert und kann dann auf andere Größen bezogen werden, z.B.:

- auf Christus: „vergönne mir, o Jesulein, / dass ich dein mündlein küsse, / das mündlein, das den süszen Wein, / auch milch und honigflüsse / weit übertrifft in seiner kraft“ (Paul Gerhard, „Ich steh an deiner Krippen hier“, v. 39);

- auf die Poesie: „hab ich gleich die poesie verlezet / dasz sie mich nicht, wie dich, mit milch und honig speist“ (Johann Christian Günther, „Nichts anders als Verdruss bestürmet Seel und Geist“);

- auf die Liebe: „Bis (...) der verliebten Schäfer Paare wieder / an Milch- und Honigströmen zärtlich wandeln“ (Kleist, Hermannschlacht II,5).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Deutsches Wörterbuch, Stuttgart 1854-1971.
  • Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1949-1973.
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1970-2016.
  • Enzyklopädie des Märchens, Berlin 1977-2012.
  • Lexikon sprichwörtlicher Redensarten, Freiburg/Br. 1991-1992.
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001.
  • Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003.
  • A Dictionary of Literary Symbols, Cambridge 1999.
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003.
  • Sozialgeschichtliches Wörterbuch zur Bibel, Gütersloh 2009.
  • Encyclopedia of the Bible and its Reception, Berlin 2009ff.
  • Wörterbuch alttestamentlicher Motive, Darmstadt 2013.

2. Weitere Literatur

  • Börner, K., Auf der Suche nach dem irdischen Paradies. Zur Ikonographie der geographischen Utopie, Frankfurt 1984.
  • Dershowitz, I., „A Land Flowing with Fat and Honey“, VT 60 (2010), 172-176.
  • Kelhoffer, J., The Diet of John the Baptist „Locusts and Wild Honey“ in Synoptic and Patristic Interpretation (WUNT 176), Tübingen 2005.
  • Knipping, B.R., Die Wortkombination „Land, fließend von Milch und Honig“. Eine kurze Problematisierung ihrer Ausdeutung, ihrer Überlieferungsgeschichte und der Tragweite eines Pentateuchmodells, BN 98 (1999), 55-71.
  • Mazar, A. / Pamitz-Cohen, N., It is the Land of Honey. Beekeeping at Tel-Reḥov, NEA 70 (2007), 202-219.
  • Lichtblau, K., Locus amoenus. Der „liebliche Ort“ – ein Topos in der Literatur des Mittelalters, in: U. Müller / W. Wunderlich (Hgg.), Burgen, Länder, Orte (Mittelalter-Mythen 5), Konstanz 2008, 497-510.
  • Levine, E., The Land of Milk and Honey, JSOT 87 (2000), 43-57.
  • López de Abadia, J.M., Schlaraffenland, in: U. Müller / W. Wunderlich (Hgg.): Burgen, Länder, Orte (Mittelalter-Mythen 5), Konstanz 2008, 803-813.
  • Loretz, O., šmn (arṣ) „wohlriechende(s) Öl / Fett / Salbe (der Erde)“ als Metonymie für „Regen“. Die ugaritisch-hebräischen Parallelismen ṭl ǀǀ šmn, šmn ǀǀ nbt und das biblische Binom „Milch und Honig“, in: Manfried Dietrich (Hg.), Orbis Ugariticus ( AOAT 343), Münster 2008, 207-221.
  • Plöger, J.G., Literarkritische, formgeschichtliche und stilkritische Untersuchungen zum Deuteronomium (BBB 26), Bonn 1967.
  • Stern, Ph.D., The Origin and Significance of „The Land Flowing with Milk and Honey“, VT 42 (1992), 554-557.
  • Ziffer, I. (Hg.), It is the Land of Honey. Discoveries from Tel Reḥov, the Early Days of the Israelite Monarchy, Tel Aviv 2016

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