See Genezareth
Andere Schreibweise: See Gennesaret; See von Tiberias; Galiläisches Meer
(erstellt: Oktober 2021)
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1. Name und biblische Belege
2. Geographie
Der See ist etwa 21 km lang und maximal 13 km breit. An der tiefsten Stelle ist der See 43 m tief. Im Nordosten des Sees verlief die Küstenlinie bis in die römische Zeit hinein noch anders. Die dortige flache Küstenzone wurde erst durch ein Erdbeben (in spätrömischer oder byzantinischer Zeit?) aufgeschwemmt, so dass der See hier etwas verkleinert wurde (Shroder u.a. 1999). Durch die Lage im tektonisch sehr aktiven Jordangraben kam es im Bereich des Sees immer wieder zu Erdbeben und auch zu Tsunamis, teilweise mit starken Zerstörungen.
Wichtigster Zufluss ist der Jordan, der den See durchfließt und ihn im Süden wieder verlässt. Der Ausfluss im Süden hat sich im Verlauf der Geschichte verschoben und war ursprünglich etwas weiter nördlich als heute, so dass die frühbronzezeitliche Siedlung von Chirbet el-Kerak (Koordinaten: 2040.2360; N 32° 43' 4.65", E 35° 34' 18.71"
Der Wasserstand des Sees schwankte in der Vergangenheit immer wieder stark. Die Distanz zwischen den Wasserstandslinien von 1980 und 2005 betrug in den Sommermonaten im relativ flachen Nordwestteil des Sees etwa 100 m. Der 1980 noch sumpfartige Einfluss des Jordans in den See verlandete in den Folgejahren immer mehr, so dass hier im Bereich des ehemaligen Sees allmählich viele Büsche und Bäume wuchsen. Starke Regenfälle in den Jahren 2020 und 2021 haben den Wasserstand aber wieder stark gehoben.
Seit 1926 werden die Pegelstände des Sees genau erfasst. Der Höchststand war im Jahre 1969 bei ‑208,20 m, der niedrigste Stand im Jahr 2001 bei ‑214,87 m, im April 2020 wurden wieder ‑209,01 m erreicht. Archäologische Befunde erlauben Rückschlüsse über den Wasserstand in der Antike. Um 21.000 v. Chr. war er bei maximal ‑212 m, in der Eisenzeit bei maximal ‑209 m, in der römischen Zeit schwankte er zwischen ‑211,25 und ‑209,5 m, in byzantinischer Zeit bei maximal ‑210 m (Klostermann 2012). Um 50.000 v. Chr. war der Wasserstand allerdings viel höher; der damalige Lisan-See umfasste den gesamten Bereich vom Toten Meer bis zum See Genezareth.
3. Klima
Die Temperaturen am See sind das ganze Jahr angenehm warm, teilweise sogar heiß, da der See tief liegt. Selbst im Winter ist die Durchschnittstemperatur an Land bei etwa 14° C, die des Wassers bei etwa 15° C. Im Sommer können leicht Lufttemperaturen von 40° C erreicht werden, und die Wassertemperatur steigt auf fast 29° C. Da sich die Wasserfläche langsamer erwärmt und auch wieder langsamer abkühlt als die sie umgebende Landmasse, kommt es bei großen Temperaturunterschieden zwischen Wasser und Land fast täglich am frühen Nachmittag, aber auch nachts zu kleinen Wirbelstürmen bzw. heftigen Winden. Diese haben in den neutestamentlichen Sturmgeschichten ihren literarischen Niederschlag gefunden. Die Niederschläge liegen bei durchschnittlich gut 400 mm, können aber auch in manchen Jahren unter 200 mm liegen.
4. Wirtschaftliche Bedeutung des Sees und der an ihm gelegenen Ortschaften im Verlauf der Geschichte
Die wirtschaftliche Bedeutung des Sees bzw. der Orte an seinem Ufer änderte sich im Laufe der Geschichte mehrfach. Landwirtschaftlich war der See von geringer Bedeutung, da es um den See herum nur wenige gut zu bewirtschaftende Flächen gibt; die gut zu nutzenden Landwirtschaftsflächen liegen fast ausschließlich auf höheren Plateaus der den See umgebenden Berge. Das Bergland Galiläas bzw. des Golan reicht bis nahe an den See heran, der Uferstreifen ist oft nur gut 100 m breit. Nur im Nordwesten des Sees erstreckt sich die fruchtbare Ebene von Ginnosar bzw. Magdala, die von Flavius Josephus mit fast paradiesischen Worten beschrieben wird (Josephus, BellJud III, 516-521; Text gr. und lat. Autoren
Um den See herum gibt es umfangreiche Basaltvorkommen. Das Gestein wurde vor allem für die Herstellung von Reibesteinen und großen Gefäßen verwendet. Seit dem Neolithikum waren die Basaltverarbeitung und der Handel mit Basaltprodukten wirtschaftlich bedeutsam.
Während der Bronze- und Eisenzeit sowie wohl noch bis in die frührömische Zeit hinein waren die Orte am Seeufer vor allem für den internationalen → Handel
Bis in die frühe Eisenzeit hinein gab es im See Genezareth noch Flusspferde, deren Zahnelfenbein vermutlich vor Ort verarbeitet wurde (Thomsen 2012).
In byzantinischer Zeit und dann noch einmal in der Kreuzfahrerzeit spielte der christliche Pilgerbetrieb eine bedeutende wirtschaftliche Rolle. Zentren christlicher Präsenz waren Heptapegon / Tabgha und Kapernaum, aber auch in Tiberias, Chirbet el-Kerak, el-Kursi / Gergesa und Hippos / Susita gab es Kirchen.
Gleichzeitig war aber die Gegend auch ein Zentrum jüdischer Präsenz. Ab Anfang des 3. Jh.s n. Chr. war der Sanhedrin in Tiberias ansässig, das nun zu einem zentralen jüdischen Gelehrtenort wurde. Zahlreiche Rabbinergräber in Tiberias und in der Umgebung legen hiervon Zeugnis ab.
Im 8. Jahrhundert gab es im Bereich des Sees auch zwei Omajjadenpaläste: einen in Chirbet el-Minje im Nordwesten des Sees, den anderen im Norden von Chirbet el-Kerak beim Jordanausfluss. Juden, Christen und Muslime scheinen hier ohne größere Streitigkeiten weitgehend einmütig miteinander gelebt zu haben. Die berühmte und in ihrer Bedeutung wohl später stark überhöhte Schlacht am → Jarmuk
Im 12. Jahrhundert wurde nach einer längeren Siedlungsunterbrechung die Besiedlung in Chirbet el-Minje wiederaufgenommen. Nun scheint die ehemalige Palastanlage in eine Zuckerproduktionsstätte umgewandelt worden zu sein. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde ein Khan in unmittelbarer Nähe von Chirbet el-Minje errichtet (Cytryn-Silverman 2010, 132-135). Die wichtige Straßenverbindung zwischen Kairo und → Damaskus
In der Kreuzfahrerzeit hatte zwar Heptapegon / Tabgha noch eine gewisse Rolle inne, aber nahezu alle christlichen Gedenkstätten wurden nun in Tiberias lokalisiert (Zwickel 2020b), das von 1099 bis 1187 n. Chr. das Zentrum des Fürstentums Galiläa innerhalb des Königreiches Jerusalem war.
Ab dem 16. Jahrhundert war die Region relativ dünn besiedelt. Einzig Tiberias spielte eine gewisse Rolle. Dies änderte sich erst ab etwa 1900. 1889 erwarb der Deutsche Verein vom Heiligen Land Gelände im Nordwesten des Sees, danach kauften italienische Franziskaner das sich östlich anschließende Gelände am Seeufer bis Kapernaum, und den verbliebenen Landstreifen östlich davon erwarb die griechisch-orthodoxe Kirche. So kam es wieder zu einer christlichen Präsenz am See. Am Südufer wurde 1909 mit Deganya A der erste Kibbutz des Landes gegründet, 1908 wurde im Moschav Kinneret (am Südende des Sees, nicht der biblische Ort Kinneret am Nordwestufer!) ein Ausbildungszentrum für Kibbutzniks gegründet. Weitere Kibbutzim kamen in der weiteren Region hinzu. 1912 wurde wegen der steigenden Bewohnerzahl ein neues Stadtviertel in Tiberias gegründet, für dessen Bau man teilweise antike Steine der Region (u.a. aus Chirbet und Chan el-Minje) verwendete.
Der Süßwassersee, aber auch die Quelle ʿĒn et-Tine (Koordinaten: 2090.2526; 32° 52' 01" N, 35° 32' 24" E
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
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- Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
- Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
- Calwer Bibellexikon, 2. Aufl., Stuttgart 2006
- Herders Neues Bibellexikon, Freiburg u.a. 2008
2. Weitere Literatur
- Cytryn-Silverman, K., 2010, The Road Inns (Khāns) in Bilād al-Shām, BAR International Series 2130, Oxford
- Faßbeck, G. u.a. (Hgg.), 2003, Leben am See Gennesaret. Kulturgeschichtliche Entdeckungen in einer biblischen Region, Mainz
- Katholisches Bibelwerk (Hg.), 2021, Der See Gennesaret, Themenheft Welt und Umwelt der Bibel 99
- Klostermann, N., 2012, Die Entwicklung der Wasserstände des Sees Gennesaret anhand archäologischer Fundstätten, Welt und Umwelt der Bibel 63, 64-65
- Lichtenberger, A., 2003, Kulte und Kultur der Dekapolis. Untersuchungen zu numismatischen, archäologischen und epigraphischen Zeugnissen, Abhandlungen des Deutschen Palästina-Vereins 29, Wiesbaden
- Nun, M., 1998, Der See Genezareth und die Evangelien. Archäologische Forschungen eines jüdischen Fischers, Gießen
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- Zwickel, W., 2020b, Glaube braucht Erinnerungsorte! Braucht Glaube Erinnerungsorte?, in: J. Koslowski / T.A. Leppek (Hgg.), Fides Quaerens Intellectum. Festschrift W. Dietz, Leipzig 2020, 293-299
Abbildungsverzeichnis
- Der See Genesareth. © Klaus Koenen
- Der See Gennesaret mit einigen wichtigen Ortschaften an seinem Ufer. © Wolfgang Zwickel
- Hafenanlagen am See Gennesaret. © Wolfgang Zwickel
- Politische Gliederung um den See Gennesaret im frühen 1. Jh. n. Chr.. © Wolfgang Zwickel
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