Deutsche Bibelgesellschaft

Berufung (NT)

(erstellt: Januar 2010)

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1. Allgemeines

Unter „Berufung“ versteht man gemeinhin die in zahlreichen religiösen Traditionen verankerte, auf Götter bzw. übermenschliche Wesen zurückgeführte Indienstnahme von Menschen für bestimmte Aufgaben, Rollen oder Existenzformen. Dabei können Zwischenwesen (Engel, Geister) oder menschliche Agenten (bereits Berufene, Gesandte) als Vermittler auftreten. Die besagte Indienstnahme erfolgt meist in Form von Visionen, Auditionen, Träumen, Himmelsreisen oder auch kraft Beauftragung seitens menschlicher Mittler.

In der neutestamentlichen Überlieferung finden sich mehrere, im Einzelnen unterschiedlich ausgeformte Darstellungen von Berufungsereignissen. Darüber hinaus hat die neutestamentliche Berufungsterminologie (kalein, klesis, kletos) allgemein theologische Relevanz, insofern sie insgesamt das Heil der Christusgläubigen bzw. generell die Inklusion der Gläubigen in den durch Christus eröffneten eschatologischen Heilsprozess markiert.

2. Berufungsereignisse im Neuen Testament

2.1. Zur Berufung Jesu

Eine eindeutige Berufung der Person Jesu von Nazareth findet sich im neutestamentlichen Zeugnis nicht. In der Forschung werden gleichwohl zwei Schilderungen als mögliche Berufungserlebnisse diskutiert: die Taufe Jesu (Mk 1,9-11; Mt 3,13-17; Lk 3,21f) und Jesu Vision vom Satanssturz (Lk 10,18).

Zu den Auslegern, die in Jesu Jordantaufe ein Berufungserlebnis erblicken, zählt J. Jeremias. Er postuliert: „Jesus weiß sich bei der Taufe vom Geist ergriffen. Gott nimmt ihn in seinen Dienst, rüstet ihn aus und bevollmächtigt ihn zu seinem Boten und zum Bringer der Heilszeit. Bei seiner Taufe erfuhr Jesus seine Berufung“ (Jeremias, 61). Inspiriert durch kulturanthropologische Studien, schreibt J.J. Pilch über die Taufe: „Diese Szene kann als die Berufung Jesu zum Schamanen oder Heiligen Mann interpretiert werden“ (Pilch, 37). Vorsichtiger ist J.P. Meier. Er entnimmt den neutestamentlichen Taufberichten zwar den Hinweis auf eine religiöse Wende im Leben Jesu, hält es aber für unentscheidbar, ob Jesu Taufe unmittelbarer Grund, nachträglicher symbolischer Ausdruck oder ein erster Schritt auf dem Weg zu einer solchen Wende war (vgl. Meier, 1994, 108f). Ein Vielzahl von Exegeten steht allen Versuchen, aus der stark christologisch überlagerten Taufüberlieferung, zumal aus der Darstellung der Herabkunft des Pneumas und der Himmelsstimme, auf eine als Berufung erlebte innere Erfahrung Jesu zu schließen, ablehnend gegenüber. Die Dramaturgie der Taufperikope erkläre sich „nicht aus dem subjektiven Erleben Jesu, sondern aus den theologischen Darstellungsinteressen der vormarkinischen Tradition und synoptischen Redaktoren“ (Backhaus, 33). Im Übrigen fehlt das für Berufungsberichte typische Auftragswort.

Bisweilen wird die in Lk 10,18 berichtete Vision vom Sturz Satans als Zeugnis eines Berufungserlebnisses des historischen Jesus gedeutet. Die Vision habe Jesus zur Überzeugung einer im Himmel bereits erlangten Bezwingung Satans und zur Gewissheit der Ankunft der Gottesherrschaft geführt, was schließlich Jesu Abkehr von der einseitigen Gerichtspredigt des Täufers und sein eigenständiges Wirken zur Folge gehabt hätte. Ein klares Auftragswort findet sich freilich auch in Lk 10,18 nicht, weswegen der Begriff „Berufungsvision“ problematisiert und stattdessen bisweilen von einem Schlüsselerlebnis gesprochen wird (vgl. Müller, bes. 427f; Ebner, 100-108). Die Interpretation der Vision vom Sturz Satans als vermeintlich historisches Zeugnis einer Berufungs- oder Schlüsselerfahrung Jesu ist jedoch insgesamt fraglich und umstritten (vgl. Backhaus, 34; Rusam führt den Vers auf Lk zurück).

Es bleibt festzuhalten: Auch wenn Jesu Wirken mutmaßlich von einem manifesten Berufungs- und Sendungsbewusstsein getragen war, lässt sich ein konkretes Berufungserlebnis nicht mehr mit Sicherheit eruieren.

2.2. Die Berufung durch Jesus

In den Evangelien tritt Jesus unmittelbar wie auch mittelbar selbst als Berufender in Erscheinung. Mehrfach wird berichtet, wie Menschen sich ihm anschlossen und Teil seiner Jüngerschaft wurden. Die einschlägigen Berichte lassen sich in folgende Grundtypen unterteilen (vgl. Kuhn, 109; Theißen / Merz, 198; Nützel, 260-267): (1) Unvorbereiteter Ruf. Klassische Berufungsberichte begegnen in Mk 1,16-20 / Mt 4,18-22 (Berufung der beiden Brüderpaare Simon und Andreas sowie Jakobus und Johannes) sowie in Mk 2,14 / Mt 9,9 / Lk 5,27f (Berufung des Levi / Matthäus). Die Berichte weisen folgende Charakteristika auf: Die Gerufenen werden namentlich identifiziert. Jesu Ruf erfolgt völlig unvermittelt und voraussetzungslos. Die Angesprochenen erfahren den Ruf in einer konkreten Arbeitssituation (Fischfang, Zoll). Sie reagieren auf den Ruf, indem sie widerspruchslos ihre Arbeit verlassen und umgehend Jesus nachfolgen. Jesu Ruf erscheint dergestalt als eindrücklicher performativer Akt, der göttliche Vollmacht indiziert. Eine rudimentäre Form dieser Berufungsform findet sich in Joh 1,43, der Schilderung der Berufung des Philippus (s. ferner Lk 9,59f). In Mk 2,17 / Mt 9,13 wird das Berufungshandeln Jesu in allgemeiner Form auf alle Sünder ausgedehnt. (2) Vorbereitete Berufung. Lk 5,1-11 schildert die Berufung des Simon (Andreas wird nicht erwähnt) und der beiden Zebedaiden Johannes und Jakobus in einer gegenüber Mk 1,16-20 deutlich veränderten Form: Der Bericht ist situativ ausgestaltet, mit einem Geschenkwunder (reicher Fischfang) versehen, auf Simon konzentriert und im Evangelium anders verortet. Die in Mk 1,21-39 nach der Jüngerberufung geschilderten Ereignisse gehen hier der Berufung voraus (Lk 4,31-44), was zur Folge hat, dass Simon und Jesus sich vor der Berufung bereits kannten (Lk 4,38f). (3) Nachfolgeansinnen. In Mt 8,19f / Lk 9,57f; Mt 8,21f (anders Lk 9,59f: Ruf) und Lk 9,61f tritt jeweils ein Nachfolgewilliger aus eigenem Entschluss mit der Bitte um Nachfolge an Jesus heran. Jesus konfrontiert die an ihn Herantretenden barsch und kompromisslos mit den radikalen Konsequenzen der Nachfolgeexistenz. (4) Vermittlung. Joh schildert die Berufung der ersten Jünger in Joh 1,35-51 in einer gegenüber Mk 1,16-20 und Lk 5,1-11 nochmals veränderten Form: Zunächst werden Andreas und ein Anonymus als Täuferjünger vermittels des Bekenntnisses des Täufers zu Nachfolgern Jesu. Simon kommt erst durch die Vermittlung seines Bruders Andreas, also nicht durch Jesu Ruf zu Jesus. Es folgt die Berufung von Philippus und Natanael (nicht der Zebedaiden!), wobei die des Natanael durch Vermittlung des Philippus geschieht. Die Jünger treten in den Szenen nicht als Berufstätige, sondern als den Messias Suchende auf, die ihre Heimat bereits verlassen haben.

Von der Berufung einzelner Jünger wie auch der Entstehung einer allgemeinen Anhängerschaft (vgl. Mk 3,7.9.13; Lk 6,13.17) ist die Einsetzung der Zwölf zu unterscheiden. Sie wird in Mk 3,14[16] mit dem Satz „Und er machte (die) Zwölf“ betont als institutioneller Akt Jesu herausgestellt (vgl. den Gebrauch von poiein in der Septuaginta in Ex 18,25f; 1Kön 12,6; 1Kön 13,33; 2Chr 2,18; s. auch Jes 43,1; Jes 44,2).

Die Berufung der Jesus unmittelbar nachfolgenden Jüngerschaft (zu der auch Frauen gehörten; Näheres bei Meier, 2001, 73-80) mündet dem Zeugnis der Evangelien zufolge in eine Existenz, die durch das radikale Ethos einer weitgehenden Heimat-, Familien-, Besitz- und Schutzlosigkeit sowie äußere Anfeindungen geprägt ist (vgl. Theißen, 2004, 64-76; Meier, 2001, 54-73). In Mk 1,17 / Mt 4,19 und Lk 5,10 wird als Ziel der Berufung die werbende Verkündigung der Jünger namhaft gemacht.

Als religionsgeschichtlicher Hintergrund der Berufung der Jünger ist die Berufung des Elisa durch Elia in 1Kön 19,19-21 zu nennen. Sie weist zahlreiche Parallelen zu den genannten ntl. Berufungsszenen auf, wenngleich zwei markante Unterschiede herausstechen: Anders als die Berufung des Elisa erfolgt die der Jünger Jesu ohne die Zeichenhandlung des Mantelüberwurfs (vgl. 1Kön 19,19), zudem weist Jesus jede familienbedingte Verzögerung der Nachfolge ab (vgl. 1Kön 19,20f contra Mt 18,21f / Lk 9,59f und Lk 9,61f). Als Parallele steht ferner die Berufung kynisch-stoischer Wanderphilosophen in der Diskussion (vgl. Drodge, 822; Theißen, 2004, 76-79).

2.3. Die Berufung des Paulus

In Gal 1,13-17 beschreibt Paulus, dass Gott ihn mittels einer Offenbarung seines Sohnes aus seiner Existenz als Verfolger der ekklesia und Eiferer für die väterlichen Überlieferungen herausrief und ihm den Auftrag zur Völkermission gab. Aus Gal 1,17 geht hervor, dass dieses Ereignis in oder bei Damaskus erfolgte (vgl. ebenso Apg 9,3; Apg 22,6; Apg 26,12). Anspielungen darauf dürften überdies in Phil 3,2-11, 2Kor 4,4-6; 1Kor 9,1 und 1Kor 15,8-10 wie auch in den Briefpräskripten (Röm 1,1.4f; 1Kor 1,1; 2Kor 1,1; Gal 1,1) vorliegen, kaum aber in Röm 7,7-25, da sich das „Ich“ hier wohl nicht auf das biographische „Ich“ des Paulus bezieht (anders Chester, 183-195; Theißen, 2002, 296).

Der äußere Vorgang wird von Paulus nur angedeutet. In 1Kor 9,1 und 1Kor 15,8 spricht er explizit von einer Christusvision. Versuche, aus den wenigen Angaben des Apostels bestimmte Inhalte der Vision abzuleiten - etwa eine Thron(saal)vision (vgl. Heininger, 188.207f) - bleiben im Bereich des Spekulativen. Die Berichte in Apg 9,3-9; Apg 22,6-11; Apg 26,12-18 weisen folgende Grundelemente auf: „eine hellstrahlende, blendende Lichterscheinung „vom Himmel her“, das Niederstürzen des Verfolgers, eine Audition mit der vorwurfsvollen Anrede an den Verfolger und auf dessen Gegenfrage die Selbstidentifikation des Erhöhten als des aus dem Licht sprechenden Kyrios“ (Hengel / Schwemer, 64). Dass Paulus bei seinem Berufungserlebnis vor Damaskus vom Pferd stürzte, ist zwar ein verbreitetes Kunstmotiv (vgl. Crossan / Reed, 8f), aber weder in den Protopaulinen noch der Apg bezeugt.

Das Damaskuserlebnis ist Gegenstand einer breiten Forschungs debatte (vgl. Longenecker; Philipp, 166-203). Umstritten sind insbesondere die genaue Klassifizierung des Ereignisses (Bekehrung, Berufung, Initiation) und seine Bedeutung für die paulinische Theologie.

Die Deutung des Ereignisses als „Bekehrung“ war und ist nach wie vor verbreitet. In der klassischen protestantischen Deutung erscheint Paulus als Konvertit vom Judentum zum Christentum, der ehedem am jüdischen „Gesetz“ gescheitert sei, um als solcherweise Verzweifelter in seiner Bekehrung vor Damaskus Erlösung zu erfahren. Religionspsychologisch variiert findet sich diese Deutung bei G. Theißen. Er macht bei Paulus einen unbewussten Ambivalenzkonflikt mit normativen Autoritäten (Gott, Gesetz) aus, der dann in der Begegnung mit Christus überwunden wurde (vgl. Theißen, 2002, 295-298). Der Terminus „Bekehrung“ wird aber auch als explizit sozialwissenschaftliche Kategorie („Konversion“) auf Paulus appliziert, etwa bei A.F. Segal, der das Erlebnis als eine Art Denominationswechsel innerhalb des Judentums versteht, nämlich vom Pharisäismus zur apokalyptisch-jüdischen Sekte des frühen Christentums, oder bei B.R. Gaventa, nach der Paulus bei Damaskus einen radikalen inneren Wandel („cognitive shift“) seiner Werte und seines Selbstverständnisses erfuhr. Explizit gegen das klassische protestantische Bekehrungsmodell richtete sich K. Stendahl. Paulus habe vor seiner Damaskuserfahrung nach eige ner Aussage keinerlei Schwierigkeiten mit der jüdischen Tora gehabt (Phil 3,6) und das Damaskusgeschehen in Gal 1,15f bewusst in Analogie zu den alttestamentlichen Prophetenberufungen in Jes 49,1.6 und Jer 1,5 beschrieben. Sein Selbstzeugnis dokumentiere, dass er lediglich einen speziellen Auftrag von Gott erhielt, nämlich den zur Mission der Völker. Das Thema sei daher „Berufung zum Dienst, nicht Bekehrung“ (Stendahl, 22). Im Gegensatz zum klassischen Bekehrungskonzept, das einen Bruch Pauli mit dem Judentum konstatiert, unterstrich Stendahl dergestalt die Kontinuität des Apostels zum Judentum. Auf der Basis kulturanthropologischer Theoreme klassifiziert Chr. Strecker das Damaskuserlebnis als „Initiation“. Zentrale Aspekte der „Bekehrungs-“ wie auch der „Berufungsthese“ werden hier in einem übergreifenden Modell integriert: Das Initiationsmodell inkludiert sowohl das Moment der persönlichen Transformation (Bekehrung) wie auch das der Instruktion durch göttliche Wesen bzw. Menschen (Berufung). Die Deutung als Initiation trägt zudem dem Befund Rechung, dass sich in den relevanten Paulustexten das dreigliedrige Strukturschema rituell-initiatorischer Prozesse und klassische Tauf- bzw. Initiationsvorstellungen erkennen lassen (vgl. Strecker, 83-157, s. auch Reuman, Justification, 128-130).

Umstritten ist ferner, ob das Damaskuserlebnis als wesentlicher Ursprung der gesamten paulinischen Theologie zu werten ist. Nicht wenige Exegeten meinen, essenzielle Inhalte der Theologie des Apostels gründeten in diesem Ereignis (vgl. Dietzfelbinger, 90ff; Stuhlmacher, 244-252). Namentlich S. Kim postuliert, Paulus habe hier bereits Christus als „Ende des Gesetzes“ und seine Rechtfertigungsbotschaft erfahren. Auch die Adams- und Weisheitschristologie, die Versöhnungsaussagen und andere Elemente paulinischen Denkens seien aus dem Damaskuserlebnis abzuleiten. Unter Rückgriff auf die sozialwissenschaftliche Konversionsforschung betonen A.F. Segal und B.R. Gaventa hingegen, die Theologie des Apostel sei maßgeblich durch die Theologie der Gemeinde bestimmt, in der Paulus nach seinem Erlebnis Aufnahme fand (vgl. Segal, 25-30.37; Gaventa, 6f). Auch nach J.D.G. Dunn erfuhr Paulus im Damaskuserlebnis nur den Auftrag zur Völkermission, während er zumal die Rechtfertigungslehre erst infolge des Antiochenischen Konflikts (Gal 2,11-14) formte.

3. Berufungstheologie im Neuen Testament

In der neutestamentlichen Briefliteratur - insbesondere in den paulinischen und paulinisch geprägten Schriften - begegnet Berufungsterminologie (kalein, klesis, kletos) in vielfältiger Form im Kontext von Beschreibungen der Konstitution, des Empfangs, der Prozessualität und Qualität des zumal in Christus eröffneten göttlichen Heils. Sichtet man die Belegstellen in ihrer Gesamtheit, ergeben sich in etwa folgende Konturen einer neutestamentlichen Berufungstheologie.

Als Subjekt der Berufung erscheint i.d.R. Gott, vereinzelt auch Christus (Röm 1,6). Adressaten des göttlichen Berufungshandelns sind Israel und alle Christusgläubigen. Der Begriff „Berufene“ (Röm 1,6f; Röm 8,28; 1Kor 1,2; 1Kor 2,2.24; Jud 1,1; Offb 17,14) kann als ekklesiale Selbstbezeichnung gebraucht werden. Mehrfach wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass jüdische wie zumal auch nichtjüdische Gläubige in die Berufung eingeschlossen sind (Röm 1,5-7; Röm 9,24; 1Kor 1,24).

Mit Blick auf die Modalitäten des göttlichen Berufungshandeln gilt es zu sehen, dass dieses Handeln in Gottes freiem Ratschluss (Röm 8,28-30), in seiner freien Gnadenwahl ankert, was in der Geschichte Israels ebenso manifest wird (Röm 9,11f; Röm 11,28f) wie in der Berufung der Christusgläubigen (2Tim 1,9). In keiner Weise orientiert sich der berufende Gott an herkömmlichen menschlichen Maßstäben, schon gar nicht am hohen sozialen Status der Berufenen (1Kor 1,26-28). Die Berufung relativiert und suspendiert vielmehr deutlich die Relevanz soziokultureller Differenzen und Hierarchien (1Kor 7,17-24).

Vermittelt wird die göttliche Berufung durch die Predigt des Evangeliums (2Thess 2,14). Sie führt zum einen in die Gemeinschaft mit Christus (1Kor 1,9), zum andern in die Gemeinschaft der Berufenen als dem Leib Christi (Kol 3,15; vgl. Eph 4,4). Die Berufung bildet mit anderen Worten die Grundlage des Leibes Christi sowohl in seiner vertikalen (d.h. mystisch-partizipatorischen) wie auch in seiner horizontalen (sozialen) Ausrichtung. Die göttliche Berufung besitzt darüber hinaus ethische bzw. lebenspragmatische Relevanz. Die von Gott Berufenen stehen nämlich unter der Verpflichtung, sich in ihrem Verhalten der Berufung würdig zu erweisen (Eph 4,1; 1Thess 2,12) und sich darum zu bemühen, die Berufung zu festigen (2Petr 1,10). Eine der Berufung gemäße Existenz umfasst u.a. Glaubensgehorsam (Hebr 11,8), einen der Heiligkeit des Berufenden entsprechenden heiligen Wandel (1Petr 1,15), die Verkündigung der Ruhmestaten des Berufenden (1Petr 2,9), aber auch die Leidensnachfolge Christi (1Petr 2,20f). Die Berufung hat sich mithin zu bewähren. Sie ist Risiken ausgesetzt (Gal 1,6; Gal 5,8). Es ist folglich nicht sichergestellt, dass die Berufung als solche die Errettung respektive die Erwählung garantiert, was in Mt 22,14 (v.l. Mt 20,16) unter Rückgriff auf apokalyptische Tradition (4Esr 8,3) in einer im Neuen Testament singulären Aussage nachdrücklich herausgestellt wird (vgl. Wagner, 687f): „Denn viele sind Berufene, wenige aber Auserwählte.“ Die Berufenen dürfen sich freilich grundsätzlich des Beistandes Gottes gewiss sein (2Thess 1,11; 1Petr 5,10).

Das Ziel der Berufung ist das von Gott geschenkte Heil. Dieses Heil wird an diversen Stellen in der Briefliteratur genauer benannt, und zwar sowohl hinsichtlich seiner die Gegenwart neu prägenden Qualität als auch hinsichtlich der Vollendung in der Parusie: So ist die Rede von der Berufung zur Rechtfertigung (Röm 8,30), zur Freiheit (Gal 5,13), zum Frieden (1Kor 7,15; Kol 3,15), zum Segen (1Petr 3,9) und zur Hoffnung (Eph 1,18; Eph 4,4); es ist die Rede von der Berufung aus der Finsternis in das wunderbare Licht Gottes (1Petr 2,9), zur Basileia Gottes und seiner Herrlichkeit (1Thess 2,12), zur ewigen Herrlichkeit (1Petr 5,10), zum Empfang des ewigen Erbes (Hebr 9,15) und zum ewigen Leben (1Tim 6,12). Die futurisch-eschatologische Ausrichtung klingt überdies in der Rede von der himmlischen Berufung (Hebr 3,1) und der „Berufung nach oben“ in Phil 3,14 (griechischer Text) an. Nicht unerwähnt darf schließlich bleiben, dass Paulus den Ausgangspunkt des Berufungshandelns an der Schöpfung festmacht, wenn er in Röm 4,17 schreibt, dass Gott das Nichtseiende ins Dasein rief. Das Berufungshandeln prägt so das Handeln Gottes in Gänze, von der Schöpfung bis zur Vollendung.

Literaturverzeichnis

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