Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: Dezember 2010)

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Kleopatra ist der Name von acht weiblichen Mitgliedern des Ptolemäerhauses.

Kleopatra VII (69-30) war die letzte ägyptische Königin, Zeugin, Agentin und Opfer des römischen Bürgerkriegs. Sie hatte mit → Gaius Julius Caesar einen Sohn, Ptolemaios Kaisarion, und mit Marcus Antonius drei Kinder, Alexander Helios, Kleopatra Selene und Ptolemaios Philadelphos. Ihr gelang es, die Selbständigkeit Ägyptens über die tumultuarische Zeit des Bürgerkriegs hinweg aufrechtzuerhalten. Ihre dynastische Politik zeigt die Vision einer Verschmelzung ägyptischer, griechischer und römischer Herrschertradition in Prolongation der Ziele des großen Alexander. Mit dem Sieg Octavians bei Actium (31) gingen sie selbst, das ägyptische Reich und die Vision einer Verschmelzung der Identitäten alter Herrscherhäuser unter.

1. Hermeneutische Vorbemerkungen

Die Historiographie ist der Perspektive des Octavian, des späteren → Augustus, verpflichtet, der sich polemisch gegen Marcus Antonius und dessen Herrschaftskonzept, das mit den Visionen Kleopatras verbunden war, absetzte und dieses propagandistisch zu seinem Vorteil ausnutzte. Mit seinem Sieg in der Schlacht von Actium setzte er zugleich auch seine Interpretation der Geschehnisse und insbesondere der Person Kleopatras durch, die die folgende Geschichtsschreibung bestimmen sollte. In der Auseinandersetzung mit Kleopatra formte das Rom der Prinzipatszeit seine Identität und wies die Option einer synthetischen Identitätsbildung in hellenistischer Tradition ab, zugunsten einer exkludierenden und das Fremde dominierenden Form. Die Interpretation der literarischen Quellen erfordert folglich eine tendenzkritische Lektüre. Weiterhin sind die Darstellung und die kritische Würdigung Kleopatras bis in die jüngste Literatur aus androzentrischer Perspektive erfolgt; die Besonderheiten männlicher Wahrnehmung sind auch bei ausdrücklichem Problembewusstsein noch spürbar und betreffen insbesondere Äußerungen über Schönheit, Sexualität und Affekte Kleopatras. Eine Erweiterung der tendenzkritischen Interpretation der Quellen und der Sekundärliteratur um eine genderbewusste Perspektive ist unverzichtbar. Die Interpretation der Fremden und der Frau fließen ineinander; so wie mit Kleopatra die Fremde ausgeschlossen wird, so wird mit ihr die Frau erneut ins Joch gestellt. Ein Bild Kleopatras, das diese als verführerische, verderbte, machtgierige, listige, männliche Sexualität gezielt zu ihrem Vorteil einsetzende, treulose und feige, dann aber auch selbst der Leidenschaft verfallene und schließlich wahnsinnig werdende Frau zeichnet, erschließt die Subjekte dieser Darstellungen und nicht ihr Objekt, Kleopatra. Auf Beispiele aus der Kunstgeschichte, die eben dieses Kleopatra-Bild in verschiedenen Spielarten variieren, wird deswegen auf dieser Seite verzichtet.

2. Herkunft und Jugend

Als älteste Tochter von Ptolemaios XII Auletes und dessen zweiter Frau, die vermutlich aus dem ägyptischen Priesteradel von Memphis stammte, wurde Kleopatra nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 51 im Alter von 18 Jahren mit ihrem zehnjährigen Bruder Ptolemaios XIII verheiratet und mit römischer Unterstützung dem Testament des Vaters gemäß (Caesar, Bellum Civile 3.108.3) inthronisiert. Kleopatra nahm den Kultnamen Philopator, die Vaterliebende, an, vermutlich um den Kontrast zu ihrer älteren Halbschwester, Berenike IV, hervorzuheben, die gegen den Willen ihres Vaters den Thron bestiegen und später von diesem hingerichtet worden war.

3. Kampf um die Herrschaft

Schon bald war Kleopatra, die den Vorrang gegenüber ihrem jüngeren Bruder und Gemahl beanspruchte (Etienne Bernard, Recueil des inscriptions grecques du Fayoum III, Kairo 1981, 205), in einen Machtkampf mit diesem und seinen Ratgebern verwickelt; von 49 an gewann Ptolemaios XIII die Oberhand und wurde vom Gegensenat in → Thessaloniki als alleiniger Herrscher anerkannt. Kleopatra zog sich zunächst nach Oberägypten zurück und musste dann (49) das Land verlassen (Caesar, Bellum Civile 3.103). In Syrien / Palästina sammelte sie ein Heer und zog Richtung Ägypten; ihr Bruder und Gemahl trat ihr unter der Leitung seiner Ratgeber in Pelusion entgegen. Bevor es zu einer militärischen Begegnung kam, änderten sich die politischen Rahmenbedingungen: Bei Pharsalos war Pompeius, Gastfreund des Ptolemaios XII Auletes und nun dessen Sohnes Ptolemaios XIII, gegen Caesar unterlegen. Aufnahme und Unterstützung fordernd traf dieser vor Ägyptens Küste ein und wandte sich an Ptolemaios XIII. Die Partei des Ptolemaios XIII ging zum Schein auf das Anliegen des Pompeius ein und ließ diesen, als er von seinem Schiff abgeholt wurde, töten (48). Lucan vermutet, dass man sich davor schützen wollte, sich durch die Unterstützung des Pompeius den Sieger, Gaius Julius Caesar, zum Feind zu machen (Lucan, Pharsalis 475-535; Plutarch, Vita Pompeii 77).

4. Die Königin und Julius Caesar

Gaius Julius Caesar kam wenig später in → Alexandria an, bezog den Palast, beanspruchte, die Thronstreitigkeiten zwischen Kleopatra und Ptolemaios XIII zu bereinigen und befahl beide zu sich. Ptolemaios XIII kehrte in den Palast zurück, Kleopatra drang an den Wachen ihres Bruders vorbei zu Caesar vor und stellte sich unter dessen Schutz. Plutarch (Vita Caesaris 49) erzählt die Phantasie unzähliger Leser anregende Geschichte, sie habe sich in einen Teppich, eine Decke, die zum Transport der Bettdecken verwendet wurde, einpacken und zu Caesar bringen lassen, der ihrem Liebreiz sogleich verfallen sei (vgl. Cassius Dio 42.34f). Ptolemaios verweigerte die von Caesar präferierte Lösung einer gemeinsamen Herrschaft zusammen mit Kleopatra. In den nächsten Wochen begann offenbar eine erotisch-sexuelle Beziehung zwischen Kleopatra und Caesar, der etwa 30 Jahre älter war als die ägyptische Königin. Es kam zum alexandrinischen Krieg, in dessen Verlauf die Schwester Kleopatras, Arsinoe, zur Königin ausgerufen, die ptolemäische Flotte verbrannt und der einflussreichste Ratgeber des Ptolemaios XIII, der sich zunächst im Palast unter Caesars Aufsicht befand, hingerichtet wurde. Ptolemaios XIII wurde auf seine Bitte hin schließlich zu seinem Heer entlassen; Caesar befand sich über lange Zeit in einer sehr bedrohten Situation. Erst im Frühjahr 47 traf Hilfe ein, und Caesar blieb in der Schlacht siegreich; Ptolemaios XIII fiel, Arsinoe wurde gefangengenommen.

Beim Brand der Flotte wurden hafennahe Gebäude in Mitleidenschaft gezogen, Getreide und Bücher verbrannten. Später (Aulus Gellius) hat man vermutet, es habe sich um die große Bibliothek des Museions gehandelt; aufgrund der Topographie Alexandriens und späterer Erwähnungen der Bibliothek, in denen diese als intakt erscheint, ist diese Annahme jedoch unwahrscheinlich. Weiterhin berichtet Appian (Bellum Civile 2,378) davon, dass Caesar nach Abschluss des alexandrinischen Krieges eine Nilfahrt zusammen mit Kleopatra unternommen habe (Appian, Bellum Civile 2.90). Ältere Quellen wissen von dieser „Nilkreuzfahrt“ nichts, sie lässt sich angesichts der raschen Abreise Caesars auch zeitlich kaum unterbringen.

Vor seiner Abreise veranlasste Caesar die Eheschließung Kleopatras mit deren jüngstem Bruder, Ptolemaios XIV, und inthronisierte beide; drei Legionen blieben in Alexandria zurück. Ptolemaios XIV trat niemals aus dem Schatten Kleopatras heraus; de facto war sie die alleinige Königin Ägyptens.

Wenige Monate nach Caesars Abreise gebar Kleopatra ihren ersten Sohn: Ptolemaios Kaisar. Die Vaterschaft Caesars war in der Antike unumstritten.

Die ältesten Münzen, die Kleopatra mit Epitheta und Kopfschmuck der Isis zeigen, werden in das Jahr 47 / 46 datiert.

Nach der Rückkehr Caesars nach Rom feierte er einen vierteiligen Triumph (über die Gallier, über Ägypten, über Pharnakes, den Herrscher des Regnum Bospori, auf der heutigen Krimhalbinsel, und über Iuba von Mauretanien), in dem auch Arsinoe, die Schwester Kleopatras, mitgeführt wurde (Appian, Bellum Civile 2.101; Cass Dio 43.19; Plutarch, Vita Caesaris 55; Sueton, Caesar 37). Cassius Dio nennt unter den bei Triumphzügen üblichen, häufig sexualisierten Spottversen über den Triumphator auch solche, die das Verhältnis zu Kleopatra betrafen (Cassius Dio 43.20.2). Kleopatra folgte Caesar bald nach Rom in Begleitung ihres Bruders Ptolemaios XIV und ihres Sohnes, Kaisarion (Cassius Dio 43.27.3). Ein Vertrag wurde abgeschlossen, durch den das ägyptische Königspaar zu Freunden und Verbündeten (Cassius Dio 43.47) erklärt wurden. Sie residierte in einem Caesar gehörenden Haus und spielte im gesellschaftlichen und politischen Leben Roms in den folgenden eineinhalb Jahren bis zu Caesars Ermordung eine wichtige und umstrittene Rolle (z.B. Cicero, Epistulae ad Atticum 2.16; 14.8; 14.20; 15.1; 15.4; 15.17). Caesar hielt sich währenddessen für die Dauer etwa eines Jahres in Spanien in weiteren Kämpfen mit den Anhängern des Pompeius auf.

Einen Einblick in die politischen Implikationen der Beziehung von Caesar und Kleopatra vermittelt die (in der Forschung jedoch umstrittene) Aufstellung einer Statue der Kleopatra im von Caesar auf dem Caesar-Forum neu erbauten Tempel der Venus im Jahr 45 anlässlich seines Geburtstags und der Einweihung des neuen Forums (Cassius Dio 51.52; Appian, Bellum Civile 2.102). Ursprünglich sollte der Tempel der Venus Victrix geweiht werden; nun erfolgte die Weihung für die Venus Genetrix. Die Venus galt als die göttliche Ahnherrin der Julier, das Epitheton hebt eben diesen Aspekt hervor; die Aufstellung einer Kleopatra-Statue im Tempel rückt die ägyptische Königin nicht nur als Repräsentantin der mit Venus gleichgesetzten Isis in die göttliche Sphäre, sondern proklamiert darüber hinaus eine Verbundenheit Caesars mit der ägyptischen Königin auf mythologisch beschreibbarer Ebene. In gleicher Linie liegt Caesars Anerkennung des Kaisarion als seines Sohnes.

Die Ermordung Caesars am 15. März 44 machte möglichen weiter reichenden Plänen ein Ende. Kleopatra verließ wenig später die Stadt.

5. Die Herrscherin Ägyptens

Die folgenden drei Jahre bis zur Begegnung von Kleopatra und Antonius in Tarsos (41) brachten in Rom zunächst die Auseinandersetzungen zwischen Caesaranhängern und Caesarmördern, dann zunehmend die Eskalation des Konfliktes zwischen Antonius und Octavian um die Nachfolge Caesars. Octavian beherrschte den Westen und dominierte Italien und Rom. Lepidus, der dritte Mann des 43 verabredeten und vom Senat legalisierten Triumvirats, verlor zunehmend an Einfluss. Als Schwerpunkt seines Einflussbereichs hatte Antonius 42 nach der siegreichen Schlacht bei Philippi über die Caesarmörder den Osten gewählt. Für die ägyptische Königin war er damit der entscheidende Vertreter römischer Herrschaft.

Kleopatra widmete sich, nach Alexandria zurückgekehrt, den Regierungsgeschäften, die angesichts einer Hungersnot und einer sich anschließenden Epidemie beträchtliche Herausforderungen an sie stellten. Nach dem Tod ihres Bruders und Gemahls, Ptolemaios XIV, den → Josephus im Rahmen seines äußert negativen und an der Rolle der Frau des Potiphar orientierten Darstellung der ägyptischen Königin als Giftmord durch Kleopatra interpretiert (Antiquitates Iudaicae 15.89), erhob sie ihren Sohn, Kaisarion, als Ptolemaios XV zum Mitregenten.

6. Die Königin und Antonius

Antonius, auf dem Höhepunkt seiner Macht und in → Ephesos als Neos Dionysos (Neuer Dionysos) begrüßt (Plutarch, Vita Antonii 24.4), ließ im Zusammenhang seiner Aufgabe, den Osten nach den Kämpfen mit den Caesarenmördern zu befrieden und die römischen Klientelherrscher in ihren Aufgaben zu bestätigen, die ägyptische Königin zu sich nach Tarsos rufen. Kleopatra traf mit ihrem Schiff ein und trat als Isis-Aphrodite auf; das Fest, das sie zu Ehren von Antonius auf ihrem Schiff ausrichtete, wird in seinem überschwänglichen Luxus breit beschrieben ebenso wie die Schönheit und Klugheit Kleopatras, der Antonius wenig entgegenzusetzen gehabt habe (Plutarch, Vita Antonii 24-27). Auf mythischer Ebene inszenierte Kleopatra das Treffen mit Antonius nicht als eines zwischen römischem Souverän und untergeordneter Klientelkönigin, sondern als eines zwischen Osiris-Dionysos und Isis-Aphrodite, einer sowohl in ägyptischer als auch in griechischer Überlieferung verständlichen Begegnung eines gleichrangigen Götterpaares zum Wohl des Landes. Dass Kleopatra den Antonius für sich gewonnen hat, wird daran erkennbar, dass wenig später Arsinoe, die nach ihrer Mitführung in Caesars Triumphzug in Ephesos im Exil lebte, auf Befehl des Antonius hingerichtet wurde und Kleopatra damit von der letzten Konkurrentin um den Thron befreit war. Den Winter 41 / 40 hielt sich Antonius in Alexandria auf; Plutarch schildert diese Zeit als eine Phase prunkvoller Feste und junger Liebe; im Jahr 40 gebar Kleopatra Zwillinge, Alexander Helios und Kleopatra Selene. Die Namensgebung referiert mit Alexander auf den hellenistischen Bereich und dessen Konzept der Verschmelzung mit dem Osten und mit Kleopatra auf die ptolemäisch-ägyptische Tradition; auf mythischer Ebene erinnert das Epitheton → Helios an Harpokrates, den Sohn von Isis und Osiris, der mit Horos gleichgesetzt werden kann; Isis kann als Isis Selene verehrt werden. Erkennbar wird erneut eine mythisch verankerte Konzeption von Herrschaft, die Ost und West, Mann und Frau, sowie Rom und Ägypten gleichrangig nebeneinanderstellt. Im Frühjahr 40 verließ Antonius Alexandria aufgrund neuer Auseinandersetzungen seiner Partei mit Octavian in Rom, erneuerte im Herbst des Jahres das Bündnis mit Octavian, heiratete zu dessen Bekräftigung die Halbschwester Octavians, Octavia, und blieb weiter für die östlichen Teile des Imperiums zuständig. Als Ziel des Bündnisses wurde u.a. die Zurückschlagung der Parther bestimmt.

Etwa zeitgleich gelang den Parthern die Eroberung Syriens und (verbündet mit dem der Herodespartei unterlegenen Hasmonäer Antigonos) Palästinas. Im Verlauf dieser Eroberungszüge wurde der Hasmonäer Antigonos in Jerusalem inthronisiert, gerieten Phasael, Bruder des → Herodes und Hyrkan II, mit Herodes verbündeter Hasmonäer, in Gefangenschaft, Herodes, von Antonius zusammen mit Phasael zum Tetrarchen ernannt, musste fliehen, fand einzig in Alexandria Aufnahme und Unterstützung bei Kleopatra und reiste nach Rom weiter, wo er dank der Unterstützung des Antonius zum König ernannt wurde.

Nach dem Zurückschlagen der Parther durch Ventidius Publius Bassus und nach dem Vertrag von Tarent, der erneut die Kooperationsbedingungen von Antonius und Octavian formulierte, erreichte Antonius im Sommer 37 Syrien und ließ, da er für den anstehenden Partherfeldzug auf die Ressourcen Ägyptens angewiesen war, Kleopatra nach Antiochien holen. Diese verbrachte den Winter 37 / 36 zusammen mit Antonius in Antiochien; Antonius anerkannte die Zwillinge Alexander Helios und Kleopatra Selene als seine Kinder und setzte eine umfassende Gebietsreform um, in deren Verlauf Kleopatra in den Besitz großer Bereiche im Gebiet des heutigen Libanon, in Kilikien, Zypern, sowie Gebiete um Jericho und ursprünglich zum Nabatäerreich gehörende Bereiche im Süden Palästinas gelangte. Obwohl die Gebietsreform wahrscheinlich politischen administrativen Erwägungen geschuldet war und Antonius zudem der Kleopatra für die Unterstützung des Partherfeldzugs zu Dank verpflichtet war, führt die antike Interpretation die Schenkungen an Kleopatra auf die erotisch-sexuelle Verfallenheit des Antonius zurück (vgl. Josephus, Antiquitates Iudaicae 15.88-106; Plutarch, Vita Antonii 36).

Nach dem Ende des Partherfeldzugs, der keinen Sieg gebracht, Antonius' Ressourcen jedoch weitgehend aufgezehrt hatte (Cassius Dio 49,24-31, Plutarch, Vita Antonii 37-52), traf Antonius an der libanesischen Küste, nunmehr zu den Gebieten Kleopatras gehörend, auf diese, die ihn dort mit neuen Soldaten, Geld und weiteren Mitteln erwartete. Octavia erwartete ihn zugleich in Athen, ebenfalls mit, allerdings deutlich geringeren, Mitteln von ihrem Bruder Octavian. Antonius sandte Octavia nach Rom zurück, übernahm aber die von ihr gestellten Soldaten. Obwohl eine Scheidung vorerst nicht vollzogen wurde, inszenierte Antonius damit den Bruch mit Octavian. Die Beziehung zu Kleopatra wurde intensiviert, Antonius hielt sich in Alexandria auf, 36 kam das dritte Kind der Paares, Ptolemaios Philadelphos, zur Welt. Antike Quellen schildern das gemeinsame Leben von Kleopatra und Antonius als über die Maßen luxuriös (z.B. Plinius, Historia naturalis 9.119-121).

Im Anschluss an seinen erfolgreichen Feldzug gegen Armenien (34) veranstaltete Antonius eine Pompe in Alexandrien (Plutarch, Vita Antonii 50; Cassius Dio 49,40), die in Rom als Triumphzug interpretiert und wodurch Alexandria als Konkurrentin Roms verstanden wurde. Immer deutlicher stellt sich das Paar als Neos Dionysos (- Osiris) und Nea Isis dar.

Kleopatra wird als Königin von Königen, nämlich ihrer zu Königen erhobenen Söhne, bezeichnet. Eine Münzprägung aus Kleinasien aus dem Jahr 32 zeigt Antonius als Sieger über Armenien auf der Vorderseite und Kleopatra als Königin der Könige auf der Rückseite.

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Es erfolgte eine Annäherung an die mit den Parthern nunmehr verfeindeten Meder: Alexander Helios wurde mit einer Tochter von Artavasdes verlobt (Cassius Dio 49.40). Antonius inszenierte damit ein eigenständiges, von dem des Octavian deutlich unterscheidbares Herrschaftskonzept, das das Zentrum des Imperiums geographisch und ideologisch von Rom aus nach Osten hin verlagerte.

7. Niederlage und Tod

Die Jahre bis zur Schlacht bei Actium im September 31 brachten eine stetige Eskalation des Konflikts zwischen Octavian und Antonius. Bruchstücke der Erwartungen, die sich an Kleopatra banden, lassen sich möglicherweise in den (→) SibOr 3, 46-52. 75-76 fassen, die von einer die Herrschaft Roms beendenden Herrscherin schreiben (zur Propaganda Octavians vgl. Sueton, Augustus 69; Plutarch, Vita Antonii 55; Horaz, Carmen Saeculare 1.37.21). In die Jahre vor Actium fällt die mögliche Eheschließung zwischen Antonius und Kleopatra (Plutarch, Comp Dem Ant 1,5; 4,2; Sueton, Augustus 69,2), der die Scheidung von Octavia vorausging (Plutarch, Vita Antonii 57,4f). Die durch Octavian erzwungene Veröffentlichung des in Rom deponierten Testaments des Antonius, in dem dieser die Anerkennung des Kaisarion als Sohn Caesars wiederholte und verfügte, in Alexandria neben Kleopatra bestattet zu werden (Plutarch, Vita Antonii 58,4-11; Sueton, Augustus 17,1), wendete die öffentliche Meinung in Rom weiter gegen Antonius. Dieser verlor in der Folge seine durch den Senat verliehenen Machtbefugnisse weitgehend; Kleopatra wurde im Herbst 32 zur Staatsfeindin erklärt (Plutarch, Vita Antonii 60,1, Cassius Dio 50,4-6; 26,3f). Der im Frühjahr 31 beginnende Krieg entwickelte sich für Antonius und Kleopatra ungünstig. Die Niederlage in der Seeschlacht bei Actium, Anfang September 31, in der Kleopatra einen Teil der ägyptischen Flotte retten konnte, Antonius jedoch schwere Verluste erlitt, erwies sich als Wendepunkt des Krieges, die einen Dominoeffekt auslöste. Zahlreiche Verbündete, darunter auch Herodes von Judäa (Josephus, Antiquitates Iudaicae 15.162.187-193), gingen zu Octavian über. In den folgenden Monaten verloren Antonius und Kleopatra in rascher Folge die außerägyptischen Gebiete ihres bisherigen Einflussbereiches. Kleopatra bereitete sich auf die Verteidigung Ägyptens vor; der Angriff Octavians erfolgte im Frühjahr 30, am 1. August des Jahres verlor Antonius die entscheidende Schlacht nahe Alexandria und nahm sich das Leben; sterbend wurde er zu Kleopatra gebracht, die sich mit diesem in ihrem Grabmal einschloss, wo Antonius schließlich starb. Durch eine List geriet Kleopatra in die Gefangenschaft Octavians. Nachdem ihre Versuche, für ihre Kinder das Klientelkönigtum zu erhalten, gescheitert waren, nahm sie sich wenige Tage später, am 10. August 30, im Alter von 39 Jahren im Grabmal des Antonius durch Gift das Leben. Plutarch, der auf den Bericht ihres Leibarztes Olympios zurückgreift, dessen Darstellung wahrscheinlich die von der Königin legitimierte Version ihres Todes – ob er sich nun so zugetragen hat oder nicht – widergibt, berichtet, Kleopatra sei durch den Biss einer Schlange, einer Uräusschlange, ums Leben gekommen (Plutarch, Vita Antonii 86f; eine andere Version bietet Cassius Dio 51,14). Mit solchen Schlangen wird die Königin auch auf dem Bild, das Octavian in seinem Triumphzug mit führen sollte, dargestellt (Vergil, Aeneis 8.697; Horaz, Oden 1.37.26-28). Die Uräusschlange konnte als Verkörperung der Isis gelten, so dass auch ihr Tod als Bestandteil ihrer Herrscherideologie zu verstehen war und sie die Definitionsmacht über ihre Person und ihre Herrschaft bis zuletzt aufrechterhalten konnte. Sie wurde in ihrem Grabmal neben Antonius bestattet.

Ihre Kinder mit Antonius wurden im Triumphzug des Octavian neben einem Bild ihrer Mutter mitgeführt und anschließend im Haus der Octavia erzogen. Kaisarion wurde von Octavian hingerichtet. Über das weitere Geschick der beiden Söhne, Alexander Helios und Ptolemaios Philadelphos, liegen keine Nachrichten vor. Kleopatra Selene wurde mit König Iuba II von Mauretanien verheiratet; Münzen zeigen sie als Königin.

8. Kleopatra und Ägypten

Mit Kleopatra ging im August 30 das ptolemäische Königreich sowohl als letztes der Diadochenreiche als auch als letztes eigenständig pharaonische Tradition weiterführendes Königreich unter. Durch die Gebietsreformen, die Antonius 37 / 36 vorgenommen hatte, erreichte ihr Herrschaftsgebiet erneut einen großen bis nach Asien reichenden Umfang. Kleopatra VII hatte in ptolemäischer Tradition pharaonische Herrschertraditionen aufgenommen und weiterentwickelt. Insbesondere die Akzentuierung ihrer Beziehungen mit Julius Caesar und Antonius als Zusammentreffen von Isis und Dionysos ist für ihre Herrschaft typisch, auch wenn sie damit Tendenzen aufnahm, die sich bereits bei ihrem Vater, Ptolemaios XII Auletes, beobachten lassen.

9. Kleopatra und Rom

In Rom stieß Kleopatra sowohl als Frau als auch als Herrscherin Ägyptens von vornherein auf große Vorbehalte seitens derjenigen, die sich als Vertreter der republikanischen römischen Identität und ihren Vorbehalten einer Vergöttlichung der Herrscher gegenüber verstanden. Bereits für Caesar und aktiv und offensiv für Antonius wurde sie zur Partnerin, die für eine Weiterentwicklung römischer Identität als einer imperialen Großmacht Möglichkeiten zur Verfügung stellte, die sowohl an pharaonischen Traditionen als auch an der Herrscherideologie Alexanders anknüpfen konnten und ein synthetisches Modell einer kollektiven Identität vorlegte mit dem Potential, westliche und östliche Konstrukte zu verschmelzen. Octavian vertrat nicht nur ein abweichendes, das republikanische Selbstverständnis vieler römischer Aristokraten aufzunehmen beanspruchendes Konzept, sondern profilierte den Konflikt mit Antonius auch zunehmend als einen „clash of cultures“, als Gefahr der Überfremdung, als Drohung der Usurpation Roms durch den dekadenten Osten, die Beherrschung römischer Männer durch eine Königin. Kleopatra wurde – mehr noch als Antonius – Symbol dieser Gefahr. Als solches inszeniert sie Lucan (Pharsalia 10), so verspottet Properz mit ihr alle Frauen als in ihrer Machtgier verderblich (3.11).

10. Kleopatra und die Herodianer

Das Reich Kleopatras und das Reich des Herodes waren einander unmittelbar benachbart; nach der Gebietsreform von 37 / 36 umschloss das Gebiet Kleopatras das des Herodes; insbesondere wurde die Küstenstädte Apollonia, Joppe, Jamnia und Azotus sowie ökonomisch besonders wertvolle Gebiete um → Jericho an Kleopatra gegeben, was Herodes gegen die Ptolemäerin aufbrachte (Josephus, Bellum Iudaicum 1,361; Josephus, Antiqitates Iudaicae 15,95f; Plutarch, Vita Antonii 36,3). Kostobar, ein idumäischer Aristokrat, zweiter Ehemann der → Salome, der Schwester des Herodes und Statthalter in Idumäa und Gaza, hatte Kontakt mit Kleopatra aufgenommen, mit dem Ziel sich und Idumäa der ptolemäischen Herrscherin zu unterstellen. Kleopatra lehnte ab (Josephus, Antiquitates Iudaicae 15.256-258). Herodes fiel von Antonius und Kleopatra nach der Schlacht bei Actium ab und schloss sich Octavian an (Zum Besuch des Octavian auf Rhodos vgl. Josephus, Antiquitates Iudaicae 15.187-201. bes. 192). Herodes, der durch Antonius dem Senat zur Verleihung der Königswürde vorgeschlagen worden war, war jedoch auch Kleopatra zu Dank verpflichtet: Während der parthischen Eroberung Palästinas und der Beanspruchung des Throns durch den Hasmonäer Antigonos, war es Kleopatra, die dem auf der Flucht nach Rom befindlichen Herodes Hilfe leistete (Josephus, Bellum Iudaicum 1.279; Antiquitates Iudaicae 14.374-376). Schließlich sind beide Königshäuser durch die Person des Historiographen Nikolaos von Damaskus verbunden, der zunächst als Erzieher der Kinder von Kleopatra und Antonius – vermutlich erst im Haus der Octavia – wirkte, später eine Biographie des Octavian verfasste und als Historiograph und Ratgeber am Hof des Herodes wirkte; Josephus hat die Werke des Nikolaos verwendet; seine polemische Darstellung der Kleopatra geht möglicherweise bereits auf dessen Darstellung zurück.

Literaturverzeichnis

1. Quellen

2. Sekundärliteratur

  • Andreae, Bernard / Rhein, Karin (Hg.), 2006, Kleopatra und die Caesaren, Katalog einer Ausstellung des Bucerius Kunst Forums, Hamburg, 28. Oktober 2006 bis 4. Februar 2007. München
  • Clauss, Manfred, 1995, Kleopatra, München
  • Collins, John J., 1972, The sybillinic oracles of Egyptian Judaism, Missoula, 66-70
  • Harders, Ann-Cathrin, 2010, Hellenistische Königinnen in Rom, In: Augustae, Machtbewusste Frauen am römischen Kaiserhof? Hg.: A. Kolb. Berlin, 55-74
  • Roller, Duane W., 2010, Cleopatra, A Biography. Women in Antiquity, Oxford / New York
  • Schäfer, Christoph, 2006, Kleopatra, Darmstadt
  • Schuller, Wolfgang, 2006, Kleopatra, Königin in drei Kulturen. Eine Biographie

Abbildungsverzeichnis

  • Silbermünze mit der Büste der Kleopatra und des Markus Antonius. Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Marcus_Antonius_-_Celopatra_32_BC_90020163.jpg, Wikimedia Commons, gemeinfrei

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