Lerntagebuch
Andere Schreibweise: Lernjournal; Logbuch; Lernprotokoll; Lernheft; engl. learning diary; learning journal; learning log
(erstellt: März 2023)
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Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.Lerntagebuch.201090
Unter dem Terminus Lerntagebuch werden verschiedenartige Formate in Schule, Hochschule und beruflicher Bildung gefasst, die ein charakteristisches Merkmal aufweisen: die Dokumentation und Reflexion eigenen Lernens in schriftlicher Form über einen längeren Zeitraum hinweg. Die kontinuierliche Aufzeichnung, die in Heften, Ordnern oder computerbasiert (Textverarbeitung, Weblogs, Tools) erfolgen kann, dient der Reflexion individueller Lernprozesse und soll selbstreguliertes Lernen fördern. Der Einsatz von Lerntagebüchern ist sehr vielfältig, insofern man „über fast alles schreiben kann“ (Winter, 2014, 269). Diese Variationsbreite spiegelt sich auch im unterrichts- und forschungspraktischen Einsatz wider: Lerntagebücher werden einerseits in empirischen Studien als Erhebungsinstrument genutzt und als Datenquelle ausgewertet. Andererseits werden sie als Lernform didaktisch beschrieben, je nach Fach konkretisiert und aus verschiedensten Gründen (siehe unten) empfohlen. Und schließlich sind sie selber Gegenstand empirischer Forschung, um deren Einsatz und Effektivität zu untersuchen. Das Lerntagebuch ist also sowohl ein Lern- als auch ein Forschungsinstrument (vgl. Fischer/Bosse, 2013, 872), wobei im Folgenden erstere Funktion (Lerninstrument) fokussiert wird.
1. Das Lerntagebuch als Instrument reflexiven Lernens
Lerntagebücher stellen eine vielseitige Erkenntnisquelle für Lernende und Lehrende dar. Den Schreiberinnen und Schreibern ermöglichen sie, sich selbst als Lernerin bzw. Lerner bewusst zu werden, eigene Lernprozesse zu beobachten, Wissen zu vertiefen, Stärken und Schwächen einzuschätzen, Lernfortschritte und -hindernisse zu erkennen sowie das eigene Lernverhalten durch angeleitete Reflexion zu regulieren. Für Lehrkräfte, Dozierende, Mentoren machen Lerntagebücher das Lernen sichtbar (vgl. Fischer/Bosse, 2013; Greiling, 2012): Sie erlauben Einblicke in die ‚Black Box‘ individuellen Lernens (Lernstand, -strategien, Alltagskonzepte, → Motivation
1.1. Merkmale von Lerntagebüchern
Beim Lerntagebuch fungieren das Schreiben und die Textproduktion als Medien des Lernens (Writing to learn: vgl. Petko, 2013, 208). Das regelmäßige Schreiben in freier Form, das keinem konventionellen Genre der Textproduktion unterliegt (vgl. Hübner/Nückles/Renkl, 2007, 121f.), sowie die Introspektion erzeugen eine gewisse Nähe zur autobiografischen Schreibform des Tagebuchs, in dem chronologisch Erlebnisse, Gefühle und Gedanken aufgezeichnet werden (vgl. Fischer/Bosse, 2013, 871f.). Jedoch unterscheiden sich Einsatz, Zielhorizont, Inhalt eines Lerntagebuchs sowie der Umgang mit den Eintragungen deutlich: Ein Lerntagebuch wird in der Regel nicht freiwillig geführt, sondern entsteht durch Instruktion; während ein Tagebuch vertrauliche Gedanken enthält, soll die Reflexion über das eigene Lernen auch anderen zugänglich gemacht werden (Rambow/Nückles, 2002, 115). Trotzdem eröffnet die indirekte Kommunikation über das Medium Schrift einen gewissen Schutzraum. Im Unterschied zum Lerninstrument → Portfolio
In einem Lerntagebuch steht die schriftliche, regelmäßige Beobachtung und Bewertung der persönlichen Lernaktivität über einen längeren Zeitraum (Unterrichtseinheit, Halbjahr, Vorlesungszeit, Praktikum etc.) im Zentrum. Die Einträge sollten stetig und zeitlich ritualisiert erfolgen (z.B. am Ende der Stunde/Vorlesung, nach den Hausaufgaben). Das Aufzeichnungsmedium (Papier-, Datei-, Online-Version) sowie Frequenz und Umfang der Eintragungen sind hingegen variabel und bedürfen der pädagogisch-didaktischen Festlegung, die es zusammen mit den Schreibenden auszuhandeln gilt.
Ein Lerntagebuch kann als (digitalisiertes) Geheft mit vorab gestalteten Seiten zur Verfügung gestellt werden, das geschlossene und offene Impulse bietet. Dies empfiehlt sich bei jüngeren Schülerinnen und Schülern, die erst an die Introspektion und die Reflexion des Lernens herangeführt werden müssen. Bei fortgeschrittenen Lernern kann ein ausführliches Merkblatt mit Formalia und Leitfragen (sogenannte Prompts) ausreichend sein. Den Impulsen und Leitfragen kommt entscheidendes Gewicht zu, insofern diese die Introspektion initiieren. Impulse, die eine bloße Beschreibung von Inhalten, Aufgaben, Methoden oder Vorgehen verlangen, sollten weniger Gewicht beanspruchen als Leitfragen, die zur vertieften Reflexion herausfordern. Die Schreibenden sind fortwährend zu motivieren, über Lerninhalte und Aufgaben, Erkenntnisse und Vorgehensweisen nachzudenken sowie persönliche Eindrücke, Stimmungen, Stärken und Schwächen, Fortschritte und Schwierigkeiten, Wünsche und Erwartungen, Vorhaben und Ziele beim Lernen zu benennen und zu bewerten (Beispiele: siehe unten).
1.2. Funktionen und Verwendungsorte von Lerntagebüchern
Der Einsatz von Lerntagebüchern ist vielfältig und variabel, wobei je nach Zielsetzung unterschiedliche Dimensionen des Lernens im Vordergrund stehen: die ‚Sache‘ bzw. der Lerninhalt, die Lösung komplexer Aufgaben, Lernverhalten und → Lernstrategien
Lerntagebücher gelten in Pädagogik und Psychologie als Dokumente der Selbstbeobachtung und als Instrument der Lernentwicklung. Sie werden an Schule und Hochschule ebenso eingesetzt wie in der beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildung und können schulische Unterrichtseinheiten oder Kurse, universitäre Veranstaltungen (Vorlesungen, Seminare, → Praxissemester
1.3. Umgang mit Lerntagebüchern
Im Gegensatz zu autobiografischen Tagebüchern besitzen Lerntagebücher eine gewisse Öffentlichkeit, da ihr Inhalt bzw. Ausschnitte daraus den Lehrenden (und ggf. der Lerngruppe) für Feedback, Diagnose und Besprechung zugänglich gemacht werden. Das Schreiben von Lerntagebüchern bewegt sich zwischen verschiedenen Polen, die beim Einsatz transparent und verhandelbar zu machen sind (vgl. 1.4). So ist zu klären, ob das Schreiben eines Lerntagebuchs freiwillig geschieht oder eine verpflichtende (evtl. sogar benotete) Leistung darstellt, ob während der Unterrichts-/Kurszeit oder zu Hause geschrieben wird, wie viel des Geschriebenen privat bleiben darf und was öffentlich zugänglich sein soll, wie standardisiert oder frei ein Lerntagebuch angelegt ist, ob Fehler (auf Wunsch) korrigiert werden (vgl. Winter, 2014, 282-284; Gläser-Zikuda, 2010, 128-130).
Lerntagebücher eröffnen dialogische Situationen (vgl. Lauterbach, 2015): zum einen in der Form von → Evaluation/Feedback
In der Literatur besteht Übereinstimmung darin, dass Lerntagebücher auf Rückmeldung angewiesen sind und Feedbackschleifen benötigen (vgl. u.a. Landmann/Schmitz, 2007, 139). In regelmäßigen Abständen sollte das dort Dokumentierte mit wertschätzenden Kommentaren und reflexiven Anmerkungen gespiegelt, gewürdigt und vertieft werden. Ob Kommentare und korrigierende Eingriffe der Lehrkraft oder von Mitlernenden im Lerntagebuch selbst vermerkt oder auf anderem Wege kommuniziert werden, ist zu entscheiden. Gewinnbringend sind regelmäßige Besprechungen, um (ausgewählte) Einträge in dialogischen Situationen auszuwerten und zu besprechen: Als Einzel- bzw. Entwicklungsgespräch zwischen Schreiber/Schreiberin und Mentorin/Mentor, als regelmäßiger Austausch in sogenannten Lernpartnerschaften oder als Lernkonferenz im Plenum. Solche Gespräche sollten zudem der Evaluation des Instrumentariums dienen, damit dessen Format noch effektiver an die Bedürfnisse und Interessen der Schreibenden angepasst werden kann. Deutlich kontroverser wird der Einbezug von Lerntagebüchern in die → Leistungsmessung, Leistungsbewertung
1.4. Effektivität von Lerntagebüchern
Die Effekte von Lerntagebüchern auf motivationale, kognitive und metakognitive Komponenten des Lernens wurden laut Gläser-Zikuda/Rohde/Schlomske bis zum Jahr 2010 in rund 25 empirischen Studien im Bildungskontext untersucht (überwiegend im Experimental Design → Forschungsmethoden, religionspädagogische
1.5. Herausforderungen beim Einsatz von Lerntagebüchern
Lerntagebücher werden von Schreiberinnen und Schreibern, aber auch von den Betreuenden als arbeitsintensiv eingeschätzt sowie als ungewohnt, anstrengend oder sogar als indirekte Kontrolle beurteilt (vgl. Gerth/Orth, 2011, 335). Sie führen auf beiden Seiten zu einem zeitlichen, motivationalen und volitionalen Mehraufwand. Für Felix Winter äußert sich darin ein Grundproblem der gegenwärtigen Lernkultur an Schulen (und evtl. auch an Hochschulen): Wird Lernen überwiegend als effektive Wissensreproduktion in Prüfungssituationen verstanden, geht es generell kaum um die Frage, was und wie gelernt wird, sondern darum, möglichst effizient eine bestimmte Note zu erreichen (vgl. Bohl, 2007, 250). Lernen wird auf die Wiedergabe abgesteckter, von der Lehrkraft autorisierter Ergebnisse verkürzt und das eigene Nachdenken über die ‚Sache‘ und deren Aneignung dahinter zurückgestellt (vgl. Winter, 2017, 14). Solche Rahmenbedingungen sind für den Einsatz von Lerntagebüchern kontraproduktiv.
Neben der Wechselwirkung mit der jeweils vorherrschenden Lernkultur und der grundsätzlichen Bereitschaft eines Individuums zur Introspektion sind auf Seiten der Schreibenden weitere Herausforderungen zu bedenken. Für Grundschülerinnen und -schüler kann es mitunter „schwierig und mühselig“ (Hennecke, 2012, 114) sein, die eigenen Gedanken wahrzunehmen und zu verschriften: Es ist ungewohnt, sich selbst als Lernenden zu beobachten. Das Anfertigen eines Lerntagebuchs ist an das Schreibtempo, die Schreibkompetenz und an die Reflexionsfähigkeit gebunden, weshalb sich ein Einsatz ab der dritten Jahrgangsstufe empfiehlt.
Weitgehend unabhängig vom Alter der Schreibenden wird die Beobachtung gemacht, dass sich viele Einträge auf die reproduzierende, formelhafte Wiedergabe von Lerninhalten bzw. das assoziative Aneinanderreihen von Einfällen zu einem Thema (sogenanntes Knowledge-telling; vgl.Bereiter/Scardamalia, 1987) begrenzen. Neben eher oberflächlichen Feststellungen und Verallgemeinerungen (z.B. Antipathie oder Sympathie für den Lerninhalt) besteht die Tendenz, fingierte und beschönigende Einträge anzufertigen, um den vermeintlichen Erwartungen der Lehrkraft/des Dozierenden zu entsprechen und Nachteile in der Beurteilung zu vermeiden (Motiv der sozialen Erwünschtheit).
Mit Blick auf die Betreuenden wird bemängelt, dass diese oftmals keine diagnostische Analyse der Einträge leisten würden/könnten und demzufolge lernförderliche Rückmeldungen fehlten, was letztlich zu Pflichtübungen und Demotivation führe (vgl. Winter, 2014, 281-283).
2. Lerntagebücher in der Religionspädagogik
Ebenso wie in den Bildungswissenschaften und Fachdidaktiken kommt auch in der Religionspädagogik das Lerntagebuch in forschungs- wie unterrichtspraktischer Absicht zum Einsatz. Es wird als Forschungsinstrument in empirischen Studien genutzt (vgl. Hennecke, 2012; Blanik, 2018) sowie als Lerninstrument im Religionsunterricht oder im Theologiestudium eingesetzt und evaluiert (vgl. u.a. Balzer, 2020; Brüggemann, 2014; Dangl, 2012; Gerth/Orth, 2011; Schlögl-Flierl/Stögbauer, 2009). Elisabeth Hennecke bspw. entwirft ein „Nachdenkbuch“, das Elemente von Lerntagebuch und Portfolio kombiniert, um „die individuelle Auseinandersetzung mit und die Rezeption von Unterrichtsgegenständen“ (Hennecke, 2012, 113) bei Grundschülerinnen und -schülern zu erheben. Die ausgewählten Leitfragen sollen die (Selbst)Reflexion der Lernenden anstoßen (vgl. Hennecke, 2012, 113-115; 383-385). Bei Nicole Blanik fungieren die Einträge in ein Lerntagebuch als ergänzende Datenquelle zu ihrer Forschungsfrage, wie Schülerinnen und Schüler Theodizee-Erklärungsmodelle beurteilen (vgl. Blanik, 2018, 162-164). Brüggemann entwirft ein Lerntagebuch zur Anforderungssituation "Organspende". Balzer, Dangl, Gerth/Orth und Schlögl-Flierl/Stögbauer dokumentieren in forschungspraktischer Absicht den Einsatz von Lerntagebüchern im Lehramtsstudium Theologie in unterschiedlichen Settings. Auch hier zeigt sich ein breites Feld: Lerntagebücher werden in religionspädagogischem Interesse vom Primarbereich über die Sekundarstufe bis hin zu Studium, Praktika und Vorbereitungsdienst eingesetzt. Darüber hinaus ist das Lerntagebuch als Stichwort in religionsdidaktischen Methodensammlungen gegenwärtig und wird dort als Lernform sowohl für den Religionsunterricht als auch für die (universitäre) Bildung empfohlen.
Die Effekte von Lerntagebüchern auf motivationale, kognitive und metakognitive Komponenten religiösen Lernens sind hingegen empirisch noch nicht ausreichend erforscht: Eine systematische Aufbereitung und Auswertung der bis dato vorliegenden religionspädagogischen Untersuchungsergebnisse zu diesem Lerninstrument liegt nicht vor, Studien im Religionsunterricht oder Theologiestudium im Experimental Design fehlen bislang. Eine erste Sichtung der verschiedenen Arbeiten bestätigt im Allgemeinen die Befunde der bildungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Studien (vgl. 1.3): Positive Effekte auf verschiedene Komponenten (religiösen) Lernens sind auszumachen; die Schreibenden schätzen die Selbstbeobachtung, betonen aber auch den Arbeitsaufwand (vgl. u.a. Schlögl-Flierl/Stögbauer, 2009).
Zu vertiefen wäre, wie das Schreiben eines Lerntagebuchs das Lernen in der Domäne Religion unterstützen und begleiten kann. Die Spezifik des religiösen Weltzugangs – die „Fragen nach dem Woher, Wohin und Wozu des menschlichen Lebens“ (Baumert, 2002, 107) unter der Prämisse eines letztgültigen Sinnhorizonts/Gott zu betrachten – müsste dort eine Bezugsgröße bilden: Lerntagebücher sollten bei Schülern und Studierenden gerade auch das Nachdenken über die Spezifik dieses Weltzugangs anregen, die Reflexion über religiöses Wissen, theologische Interpretationen, religiöse Erkenntnis fördern (vgl. Englert/Eck, 2022) sowie die eigenen Lernwege und Alltagsheuristiken in Religion beobachten helfen. Inhaltlich könnten z.B. die Gottesfrage, das Deuten biblischer Texte, der Umgang mit Symbolen oder das Urteilen in religiösen Fragestellungen zum Gegenstand der Reflexion werden. Bei Studierenden wäre es lohnenswert, die (Selbst)Reflexion u.a. auf den persönlichen Umgang mit Theologie in Studium und Unterricht bzw. auf die religiöse Sprach- und Ausdrucksfähigkeit und epistemologische Fragen zu richten. Schließlich könnte der Einsatz von Lerntagebüchern als Evaluationsinstrument für den Religionsunterricht und das Theologiestudium intensiviert werden, um die Wirkungsüberprüfung von Unterricht und Lehre voranzutreiben.
3. Lerntagebücher konzeptualisieren
Der Einsatz von Lerntagebüchern erfordert eine bewusste didaktische Planung und Platzierung: Es ist vorab festzulegen, welche Funktion(en) ein Lerntagebuch erfüllen soll und welche (domänenspezifischen) Komponenten des Lernens reflektiert werden. Eine überlegte Verknüpfung mit Curricula, Modulplänen und Lerninhalten ist hilfreich. Aufwand und Nutzen dieses Instruments sind für die jeweilige Lerngruppe ebenso abzuwägen wie die Ressourcen für Betreuung, Feedback und Diagnostik auf Seiten der Lehrkraft. Lernende sollten für das Schreiben von anderen Aufgaben entlastet und generell an der Gestaltung beteiligt werden. Lehrende müssen sich die Frage nach der Auswertung des Geschriebenen stellen (wie oft? auf welchen Wegen?) und ihre Entscheidungen kommunizieren (vgl. Gläser-Zikuda, 2010, 129f.).
3.1. Phasen und Schritte
Es empfiehlt sich, vor dem Schreiben eines Lerntagebuchs die Introspektion und (Selbst)Reflexion mithilfe kleinerer Formen wie Stunden-/Sitzungsrückblick oder Tages- und Wochenbericht zu üben (vgl. Winter, 2014, 285f.). Dabei können abwechselnd der Lerninhalt, die Aufgaben, die → Anforderungssituation
Folgende Schritte sind beim Einsatz eines Lerntagebuchs idealerweise zu berücksichtigen und zu planen:
1. Einführungsphase: Die Teilnehmenden werden über Intention, Sinn und Nutzen dieses Lerninstruments informiert und u.a. mittels Beispielen ausführlich im Schreiben eines Lerntagebuchs instruiert. Die Bedingungen werden transparent kommuniziert und vereinbart. Im Primarbereich ist eine ausführliche Anleitung mit Übungsphasen zentral, ab der Sekundarstufe eine umfassende Einführung über Sinn und Zweck sinnvoll (vgl. Landmann/Schmitz, 2007, 144f.).
2. Erprobungsphase: Über einen festgelegten Zeitraum hinweg wird das Lerntagebuch erprobt, das Schreiben geübt und anschließend unter Beteiligung der Lernenden evaluiert und optimiert. Es besteht grundsätzlich die Möglichkeit, ein Lerntagebuch gemeinsam zu entwerfen und sich über Umfang, Gestalt, Layout, Leitfragen, Impulse von Beginn an zu verständigen (vgl. Ogrin/Keller/Scheibe/Lang/Schmitz, 2013). Am Ende werden Vereinbarungen zu Umgang, Zugang, Rückmeldung und Kommunikation getroffen.
3. Arbeitsphase mit Feedbackschleifen: Kontinuierlich werden im Unterricht (oder zuhause) im Rahmen der vereinbarten Konditionen Einträge im Lerntagebuch verfasst. Regelmäßig wird das Geschriebene bzw. eine Auswahl daraus von der Lehrkraft, der Lernpartnerin/dem Lernpartner oder einem Mentor/einer Mentorin gelesen, gewürdigt und dialogisch besprochen (vgl. 1.2).
4. Beurteilungsphase: Abschließend wird das Tagebuch als Instrument selbstregulierten Lernens evaluiert und sein konkreter Einsatz von den Beteiligten kritisch beurteilt.
3.2. Format, Leitfragen, Impulse
Lerntagebücher besitzen einen unterschiedlichen Grad an Vorstrukturierung: Sie können ein offenes, ein eher geschlossenes Format oder eine Kombination aus beiden aufweisen (vgl. Gläser-Zikuda, 2010, 126). Bei offenen Formaten schreiben die Lernenden frei zu vorgegebenen Fragen und Satzanfängen, geschlossene Formate liegen in Form von Fragebögen vor (sogenannte Lernbögen mit Items zu Stimmung, Motivation, Konzentration, Schwierigkeitsgrad, etc.; vgl. z.B. Bartnitzky, 2008; Ogrin/Keller/Scheibe/Lang/Schmitz, 2013, 54). Lernbögen mit passenden Ratingskalen für Schülerinnen und Schüler (z.B. Daumen, Smileys, Wettericons) erfreuen sich großer Beliebtheit im Unterricht, da sie gut handhabbar und zeitökonomisch auszufüllen sind. Das freie Schreiben erfordert hingegen mehr Zeit, Motivation und Fertigkeiten. Werden Lerntagebücher am Computer (Textverarbeitung oder Online) verfasst, ist von Vorteil, dass die Texte relativ unkompliziert überarbeitet, korrigiert, grafisch aufbereitet und veröffentlicht werden können (vgl. Gläser-Zikuda, 2010). Online stehen zum Führen eines Lerntagebuchs (kostenpflichtige) Angebote zur Verfügung (z.B. https://scobees.com/lerntagebuch/
Wesentlich für ein Lerntagebuch sind die Leitfragen und Impulse (siehe unten), welche die Aufmerksamkeit steuern und die Introspektion anleiten. Diese können verschiedene Komponenten des Lernprozesses fokussieren: Stundenverlauf mit Arbeitsweisen und Methoden, Lerngegenstand und Lerninhalte, Lernaufgaben, persönliche Erkenntnisse, offene Fragen, Fortschritte und Schwierigkeiten (Lernbarrieren/-störungen), inneres Erleben (Eindrücke, Stimmungen, Gefühle), persönliche Einsichten und Wertungen, Stärken und Schwächen, Wünsche und Erwartungen, individuelle Lernziele (vgl. u.a. Winter, 2014).
Bei der Zusammenstellung einer nicht zu großen Anzahl an Leitfragen ist darauf zu achten, dass volitionale, kognitive und metakognitive Aspekte des Lernens angesprochen sind und eine vertiefte (Selbst)Reflexion angestoßen wird. Beim Schreiben im Lerntagebuch sollten die wichtigsten Botschaften und Erkenntnisse, die man aus etwas zieht (sogenannte Take-Home Messages), dokumentiert und Begründungen für die eigenen Sichtweisen angeführt werden. Bei versierten Schreiberinnen und Schreibern können die Leitfragen immer mehr zurückgenommen bzw. die Auswahl ihnen selbst überantwortet werden. Die folgende Tabelle bietet eine Zusammenstellung möglicher Leitfragen für ein Lerntagebuch (vgl. dazu u.a. Gläser-Zikuda, 2010, 128; Hennecke, 2012, 383f.; Rambow/Nückles, 2002, 116; Strauch/Jütten/Mania, 2009, 55-72).
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Abbildungsverzeichnis
- Zusammenstellung von Leitfragen. © Eva Stögbauer-Elsner
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